Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.01.2009
Aktenzeichen: 4 K 2103/08 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, AO


Vorschriften:

ErbStG § 29 Abs. 1 Nr. 1
AO § 175 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 2103/08 Erb

Tenor:

Unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheids vom 21.11.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2008 wird der Beklagte verpflichtet, den Schenkungsteuerbescheid vom 02.01.2006 zu ändern und hierbei bei dem Wert des Erwerbs eine Herausgabe des Geschenks i. H. v. 87.608,63 EUR zu berücksichtigen.

Die Berechnung der Schenkungsteuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 41 v. H. und der Beklagte zu 59 v. H.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, geboren am 1936, ist mit A, geboren am 1936, verheiratet. Beide Eheleute sind Rentner.

Die Klägerin ist die Schwester der 1943 geborenen B, die auf Grund einer schweren Krebserkrankung am 2002 verstorben war. B war mit C, geboren 1921, in zweiter Ehe verheiratet. Die Eheleute B und C hatten am 14.07.1995 einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag geschlossen. In dem Erbvertrag setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Einseitig verfügten beide, dass der Überlebende die Kinder aus der ersten Ehe des C, E und F, zu Erben einsetze. Auf Grund des geringeren Alters von B war zu erwarten gewesen, dass diese ihren Ehemann, C, überleben werde. C litt seit 1997 an einer Parkinson-Erkrankung und verstarb am 2003.

B verfügte im Jahre 2002 über ein Wertpapierdepot bei der X-Bank in Y. Die Kurswerte der Wertpapiere hatten seinerzeit etwa 330.000 EUR betragen. Sie löste am 01.10.2002 das Depot bei der X-Bank auf und hob in bar einen Betrag von 290.000 EUR ab. Am gleichen Tag schenkte B ihrer Schwester, der Klägerin, einen Barbetrag von 160.000 EUR, den diese auf ein neu eröffnetes Konto bei dem gleichen Institut wieder einzahlte.

Die Klägerin reichte am 12.10.2005 dem Beklagten eine Schenkungsteuererklärung ein, mit der sie das Kapitalgeschenk von ihrer Schwester i. H. v. 160.000 EUR erklärte.

Der Beklagte berücksichtigte mit Schenkungsteuerbescheid vom 02.01.2006 (erklärungsgemäß) die Zuwendung i. H. v. 160.000 EUR und ermittelte den steuerpflichtigen Erwerb nach Abzug des Freibetrages (§ 16 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes ErbStG ) i. H. v. 10.300 EUR mit 149.700 EUR. Die Schenkungsteuer setzte der Beklagte demnach auf 25.439 EUR fest (17 v. H. von 149.700 EUR). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Das Landgericht M verurteilte die Klägerin auf die Klage der Kinder des C, E und F, die ihren Vater beerbt hatten, mit Urteil vom 05.07.2006, 160.000 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2005 an diese zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht N mit Beschluss vom 01.08.2007 als unbegründet zurück.

In den Entscheidungsgründen führte das Landgericht M u. a. aus, dass den Erben E und F gegen die Klägerin ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach § 2287 BGB zustehe, weil die Zuwendung des Kapitalgeschenks durch die Schwester an die Klägerin in der Absicht ausgeführt worden sei, den zu diesem Zeitpunkt noch lebenden weiteren Vertragserben, C, zu benachteiligen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts M und des Oberlandesgerichts N wird auf die in den Steuerakten abgehefteten Ablichtungen des Teil- und Teilanerkenntnisurteils des Landgerichts und des Beschlusses des Oberlandesgerichts N Bezug genommen.

Die Klägerin beantragte daraufhin bei dem Beklagten, ihr die gezahlte Schenkungsteuer gem. § 29 ErbStG zu erstatten, weil sie rechtskräftig zur Herausgabe des Kapitalgeschenks an die Rechtsnachfolger der Schenkerin verurteilt worden sei. Bisher habe sie das Kapitalgeschenk noch nicht zurückzahlen können, weil sie mittellos sei. Das Kapitalgeschenk habe sie inzwischen ausgegeben und zwar wie folgt verwendet:

 Erb-/Schenkungsteuer 25.449,00 EUR
Steuerberaterkosten für Schenkungsteuererklärung 528,38 EUR
Soforteinzahlung in eine Rentenversicherung 70.000,00 EUR
Soforteinzahlung in eine Rentenversicherung zu Gunsten ihres Ehemannes 50.000,00 EUR
Anschaffung Küche 10.479,64 EUR
Ausrichtung Hochzeit der Tochter 3.000,00 EUR
Gesamtsumme 159.457,12 EUR

In der Folgezeit betrieben die Erben E und F gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts M. Im August 2007 erwirkten sie beim Amtsgericht Y einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die Rentenversicherung und pfändeten die Ansprüche der Klägerin aus der sofort beginnenden Rentenversicherung. Seit dem 01.10.2007 zahlte die Rentenversicherung monatlich an die Erben einen Betrag i. H. v. 344,43 EUR.

Den Ehemann der Klägerin nahmen die Erben mit einem weiteren zivilgerichtlichem Klageverfahren beim Landgericht M ebenfalls in Anspruch. Im Vergleich vom 11.10.2007 verpflichtete sich der Ehemann der Klägerin, die Ansprüche aus seiner Rentenversicherung abzutreten und die bisherigen Beträge i. H. v. 3.021,37 EUR zu zahlen. Die Rentenversicherung zahlte den Erben seit dem 01.02.2008 monatlich einen Betrag i. H. v. 276,25 EUR. Hinsichtlich der Verpflichtung des Ehemannes der Klägerin zur weiteren Zahlung von 3.021,37 EUR rechneten die Erben am 04.12.2007 gegen einen Gebührenanspruch des Ehemanns der Klägerin gegen sie auf.

Des Weiteren erwirkten die Erben im Februar 2007 gegen die X-Bank einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich aller Konten der Klägerin bei dem Geldinstitut. Die X-Bank teilte in der Drittschuldnererklärung vom 05.04.2007 den Erben mit, dass folgende Forderungen der Klägerin bestünden:

 Kontokorrentguthaben i. H. v. 3.383,37 EUR
Forderung aus Sparguthaben i. H. v. 9.443,05 EUR

Vorrangige Forderungen bzw. Pfändungen seien nicht bekannt.

Außerdem pfändeten die Erben mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 02.11.2007 gegen den Beklagten den Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Schenkungsteuer aus dem Schenkungsvorgang der B (Steuernummer ..........).

Schließlich pfändeten sie mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.01.2008 eine angebliche Schadenersatzforderung der Klägerin gegen die Rechtsanwälte ........wegen fehlerhaft durchgeführter Geschäftsbesorgung in der Klagesache Sache E und F ./. B. Die Rechtsanwälte vertraten die Klägerin als Prozessbevollmächtigte in dem Verfahren bei dem Landgericht M.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.11.2007 den Antrag der Klägerin nach § 29 ErbStG ab, weil sie das erhaltene Kapitalgeschenk bisher nicht tatsächlich in voller Höhe herausgegeben habe.

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.05.2008 als unbegründet zurück.

Mit der Klage macht die Klägerin geltend:

Die Gläubiger hätten ihre sämtlichen Vermögenswerte im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändet und bereits teilweise eingezogen. Sie sei nunmehr mittellos und beziehe lediglich geringe Renteneinkünfte. Die Pfändung- und Überweisung von Forderungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung an die Gläubiger stelle eine Herausgabe i.S. von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar; dies gelte jedenfalls dann, wenn die Forderung werthaltig sei. Dies sei bei den gepfändeten Forderungen gegenüber der Rentenversicherung, der X- Bank und auch hinsichtlich des Schadensersatzanspruches gegen Rechtsanwalt ...... unzweifelhaft der Fall. Insoweit habe die Haftpflichtversicherung von Rechtsanwalt ...... eine vergleichsweise Regelung auf der Basis einer Zahlung von 60.000 EUR angeboten. Über das eingeleitete Klageverfahren der Klägerin gegen Rechtsanwalt ..... habe das Landgericht noch nicht entschieden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Schenkungsteuerbescheid vom 02.01.2006 gem. § 29 ErbStG unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide vom 21.11.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seinen im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt und trägt ergänzend vor:

Die Klägerin habe nach ihrer Verurteilung das ihr zugewendete Kapitalvermögen bis auf kleinere Summen nicht herausgegeben. Insbesondere sei der Großteil des Geldes, von dem sie 120.000 EUR in eine Rentenversicherung investiert habe, nicht herausgegeben worden. Die monatlichen Zahlungen aus der Rentenversicherung i. H. v. 344,43 EUR und 276,25 EUR an die Erben, stellten keine vollständige Herausgabe des Kapitalgeschenks dar.

Das Gericht hat eine Auskunft bei der Rentenversicherung dazu eingeholt, an wen die Rentenleistungen aus den Versicherungen ....... und ........ gezahlt werden. Auf die Schreiben der Rentenversicherung vom 22.12.2008, die den Beteiligten in Ablichtung ausgehändigt worden sind, wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Der Senat hat ferner die Zivilprozessakten des Landgerichts M beigezogen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom 02.01.2006 insoweit, als die Klägerin von der erhaltenen Zuwendung inzwischen 87.608,63 EUR herausgegeben hat. Insoweit ist der diese Änderung ablehnende Bescheid vom 21.11.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2008 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung FGO ).

Die Schenkungsteuer ist durch die Pfändungen und Überweisungen bzw. der Abtretung der Rentenversicherungsansprüche der Klägerin und ihres Ehemannes gegen die Rentenversicherung, der Pfändung- und Überweisung von zwei Konten der Klägerin bei der X- Bank und einer Aufrechnung gegen einen Gebührenanspruch der Klägerin durch die Erben E und F gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit insoweit erloschen. Der Schenkungsteuerbescheid ist deshalb teilweise nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu ändern.

Nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, dass steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Darunter fällt auch das Erlöschen der Schenkungsteuer, das nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit eintritt, wenn ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Entscheidend ist insoweit, dass das Geschenk nicht beim Empfänger verbleiben kann (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 24.05.2000 II R 62/97 Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2001, 39). § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert daher nicht nur eine formale Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts, sondern eine ernsthafte Rückgängigmachung des Vorgangs, bei welcher der vormaliger Schenker seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 29 Rdnr. 5; BFH, Urteil vom 19.03.2003 II R 12/01 Bundessteuerblatt [BStBl] 2003, 770;Urteil vom 30.01.2008 II R 48/06 BFH/NV 2008, 1524).

Die Bestimmungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG greifen auch dann, wenn das Geschenk lediglich teilweise zurückgegeben worden ist (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, a. a. O., Rdnr. 26 am Ende).

Im Streitfall hat die Klägerin das ihr von der Schenkerin zugewendete Kapitalgeschenk i. H. v. 87.608,63 EUR an die Rechtsnachfolger des durch die Schenkung benachteiligten Vertragserben gem. §§ 2287 Abs. 1, 1922 BGB herausgegeben. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist auch dann anwendbar, wenn wie im Streitfall ein Dritter, der nicht der Schenker bzw. dessen Rechtsnachfolger gewesen ist, einen gesetzlichen Herausgabeanspruch gem. § 2287 BGB geltend macht (vgl. Meincke, ErbStG, Kommentar 14. Auflage, § 29 Tz. 6).

Die Klägerin ist verpflichtet gewesen, dass Kapitalgeschenk, das ihre Schwester ihr zugewendet hatte, aufgrund des Rückforderungsanspruchs aus § 2287 BGB wieder herauszugeben. Hiernach kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von den Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall dadurch erfüllt gewesen, dass die Schwester der Klägerin dieser kurz vor ihrem Tod aus ihrem Vermögen ein Kapitalgeschenk i. H. v. 160.000 EUR zugewendet hat. Dieses Geschenk hatte die Voraussetzungen einer den Vertragserben C beeinträchtigenden Schenkung nach § 2287 BGB erfüllt. Dies ergibt sich auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts M vom 05.07.2006 in dem Verfahren der Erben gegen die Klägerin. Dass das Landgericht im vorliegenden Verfahren zu Unrecht dem Grunde nach die Voraussetzungen von § 2287 BGB angenommen hat, ist nicht anzunehmen, nachdem auch das Oberlandesgericht N die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil mit Beschluss vom 01.08.2007 als unbegründet zurückgewiesen hat.

Der Steueranspruch ist auch (teilweise) erloschen, weil die Klägerin das Kapitalgeschenk auf Grund ihrer rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht M vom 05.07.2006 tatsächlich wieder herausgeben musste. Denn die Gläubiger haben inzwischen ihren titulierten Zahlungsanspruch gegen die Klägerin i. H. v. 87.608,63 EUR im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt.

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist das Geschenk (teilweise) auch insoweit an die Gläubiger herausgegeben worden, als die beiden Rentenversicherungen gepfändet bzw. abgetreten wurden und seit dem 01.10.2007 an diese monatlich 344,43 EUR bzw. seit dem 01.02.2008 276,25 EUR gezahlt werden. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass die Klägerin den ursprünglich in die Rentenversicherung eingezahlten Kapitalbetrag von 120.000 EUR nicht an die Gläubiger herausgegeben hat.

Eine Rückzahlung des geschenkten Kapitals mit dem Nennbetrag ist für die Annahme einer Herausgabe eines Geschenks im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jedoch nicht erforderlich. Entscheidend ist für die Beantwortung der Frage, ob das Kapitalgeschenk später wieder herausgegeben worden ist, allein der Umstand, dass es nicht beim Empfänger verblieben ist (vgl. BFH, Urteil vom 24.05.2000 II R 62/97 a. a. O.).

So liegen die Dinge auch im Streitfall. Denn soweit die Klägerin das Kapitalgeschenk in eine andere Anlageform hier die sofort beginnende Rentenversicherung investiert hat, sind ihr bzw. ihrem Ehemann wegen der Pfändung und Überweisung durch die Gläubiger E und F eine werthaltige Rechtsstellung aus den Stammrechten der beiden Rentenversicherungen nicht verblieben. Eine denkbare zivilrechtliche Forderungsinhaberschaft an den Rentenversicherungen ist bei wirtschaftlicher Betrachtung ohne Wert, weil die Kapitalwerte der ratierlichen Leistungen an die Gläubiger die titulierte Forderung bei weitem nicht erschöpft, wie später noch darzulegen sein wird. Eine Kündigung der Rentenversicherungen und die Rückzahlung des eingezahlten Kapitals ist aufgrund der Vertragsbestimmungen auch nicht mehr möglich gewesen.

Die Klägerin ist insoweit vollständig entreichert. Die Gläubiger haben demgegenüber einen beachtlichen Vermögenswert erworben. Sie erhalten nicht nur monatliche Zahlungen i. H. v. 344,43 EUR bzw. 276,25 EUR, sondern auf Grund der Pfändung und Überweisung bzw. der Abtretung einen Anspruch gegen einen Schuldner mit hoher Bonität auf monatliche Zahlung der Rentenleistungen, solange die Klägerin bzw. ihr Ehemann leben, mindestens jedoch für die noch verbleibenden Rentengarantiezeiten von 15 bzw. 11 Jahren.

Das Maß der Entreicherung der Klägerin durch die Pfändung bzw. Abtretung der Rentenversicherungen bemisst sich nach den steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften. Hiernach ist ein Kapitalwert der monatlichen Leistungen an die Gläubiger zu ermitteln. Insoweit gilt für die Bewertung der Leistungen, mit denen ein Geschenk im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG herausgegeben wird nichts anderes als für die Zuwendung einer vergleichbaren ratierlichen Leistung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. In beiden Fällen richtet sich die Bewertung der Leistungen nach den Vorschriften des ersten Teils des Bewertungsgesetzes BewG (§ 12 Abs. 1 ErbStG). Die den steuerpflichtigen Erwerb (§10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) darstellende Bereicherung knüpft an die Wertermittlung ( §§ 11, 12 ErbStG ) an. Nichts anderes gilt, wenn das steuerpflichtige Geschenk herausgegeben werden muss, die Bereicherung des Bedachten also rückabzuwickeln ist.

Nach § 13 Abs. 1 BewG bemisst sich bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen der Kapitalwert mit dem aus Anlage 9 a zum Bewertungsgesetz zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswertes. Der Kapitalwert der beiden gepfändeten bzw. abgetretenen Rentenversicherungen ermittelt sich im Zeitpunkt der Pfändung bzw. Abtretung für die Klägerin und ihren Ehemann wie folgt:

Der Ermittlung des Kapitalwertes der Leistungen aus den Rentenversicherungen sind die durchschnittliche Lebenserwartung nach Maßgabe der Sterbetafel 2003/2005 zu Grunde zu legen, wie sie sich aus den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 05.06.2007 ergibt (BStBl I 2007, 514). Für die Rentenversicherung der Klägerin ergibt sich hiernach folgende Ermittlung des Kapitalwertes:

Zum Zeitpunkt der Pfändung am 13.08.2007 (gem. Auskunft der Rentenversicherung an das Gericht vom 22.12.2008) hatte die Klägerin das 71. Lebensjahr vollendet. Nach der Sterbetafel 2003/2005 beträgt ihre Lebenserwartung somit 15,04 Jahre. Der Kapitalwert bei einer Lebenserwartung von 15,04 Jahren beträgt nach Anlage 9 a zum Bewertungsgesetz 10,33 (10,314 + 0,017). Der Kapitalwert der ratierlichen Rentenleistungen beträgt somit 4.133,16 x 10,33, also 42.695,54 EUR.

2. Der Kapitalwert der an die Gläubiger abgetretenen Rentenversicherung des Ehemanns der Klägerin, der im Zeitpunkt des Beginns der Leistungen ebenfalls das 71. Lebensjahr vollendet hatte und dessen Lebenserwartung 12,35 Jahre (BStBl I 2007, 514) ist, beträgt 29.951,02 EUR (Jahreswert der Leistungen 3.315 x Kapitalwert 9,035 = 29.951,02 EUR). Insgesamt belaufen sich die Kapitalwerte der gepfändeten bzw. abgetretenen Leistungen aus den Rentenversicherungen auf 72.646,56 EUR.

3. Eine Herausgabe des Geschenks liegt auch insoweit vor, als die Gläubiger das Kontokorrentkonto und das Sparkonto der Klägerin bei der X- Bank gepfändet haben. Zwar ist dem Beklagten einzuräumen, dass allein die Pfändung eines Bankkontos noch keine Herausgabe im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt. Eine Pfändung einer (angeblichen) Forderung besagt nämlich noch nicht, dass dieser Maßnahme eine werthaltige Forderung zu Grunde liegt.

Im Streitfall liegen die Dinge allerdings anders. Der Pfändung der beiden Konten der Klägerin bei der X- Bank haben nämlich werthaltige Forderungen zumindest in Höhe des Kontokorrentguthabens von 2.383,37 EUR und in Höhe des Sparguthabens von 9.443,05 EUR zu Grunde gelegen, wie die X-Bank in ihrer Drittschuldnererklärung vom 05.04.2007 gegenüber den die Gläubiger vertretenden Rechtsanwälten im Einzelnen dargelegt hat. Bei dieser Sachlage ist es ausgeschlossen, dass die Klägerin angesichts der Pfändungs- und Einziehungsmaßnahme der Gläubiger wirtschaftlich noch über ihre Kontenforderung bei der X- Bank hat verfügen können.

Das gilt im Ergebnis auch hinsichtlich der Pfändung des Sparguthabens i. H. v. 9.443,05 EUR. Zwar hing die endgültige Auskehrung des Sparguthabens an die Gläubiger nach der Drittschuldnererklärung der X- Bank vom 05.04.2007 davon ab, dass die Sparurkunde vorgelegt wurde. Auf Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dargelegt, dass die gepfändeten Forderungen einschließlich des Sparguthabens an die Gläubiger inzwischen ausgekehrt worden seien. Aufgrund dieser Darstellung sind die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend davon ausgegangen, dass die gepfändeten beiden Bankguthaben bei der X- Bank den Gläubigern inzwischen ausgezahlt worden sind. Auch das Gericht hatte insoweit keinen Anlass, hieran zu zweifeln.

Ob diese Darstellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin uneingeschränkt zutrifft, ist allerdings zweifelhaft. Die Zweifel rühren daher, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unerwähnt gelassen hat, dass die Sparurkunde mit dem Guthaben von 9.443,05 EUR im Zeitpunkt der Pfändungsmaßnahme sich in seinem Besitz befunden hat, weil er wegen offener Honoraransprüche ein Zurückbehaltungsrecht hieran geltend gemacht hat, wie sich aus seinem Schreiben an die Gerichtsvollzieherin vom 11.03.2008 ergibt (Blatt 185 der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft M). Insoweit hat auch das Amtsgericht Y auf seinen Antrag hin durch Beschluss vom 13.03.2008 die Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Landgerichts M vom 02.08.2006 in Verbindung mit dem Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts Y vom 22.03.2007 zur Wegnahme der Sparurkunde der Klägerin bei der X- Bank (Kontonummer ......) bis zur Entscheidung über die Erinnerung der Schuldnerin einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt (Blatt 168 bis 188 der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft M, a. a. O.). In den Gründen des Beschlusses hat das Amtsgericht Y u. a. ausgeführt, ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel fehle, weil es an einem Überweisungsbeschluss hinsichtlich der gepfändeten Sparforderung mangele.

Mit Rücksicht darauf, dass die Prozessvertreter der Gläubiger nach ihrer Darstellung inzwischen jedoch einen Überweisungsbeschluss beantragt haben, den das Amtsgericht Y am 21.04.2008 auch erlassen hat (Blatt 32 f. der Gerichtsakten), hat der Senat allerdings keine Zweifel mehr daran, dass die Klägerin auch über ihre Sparforderung gegenüber der X- Bank wirtschaftlich nicht mehr verfügen konnte und der Guthabenbetrag den Gläubigern inzwischen sogar ausgekehrt worden ist.

4. Zwischen den Beteiligten ist nicht mehr streitig, dass wegen der Aufrechnung durch die Prozessvertreter der Gläubiger gegenüber Gebührenforderungen i. H. v. 3.021,37 EUR und 114,28 EUR eine Herausgabe im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzunehmen ist. Dies hat der Beklagte im Schriftsatz vom 03.09.2008 ausdrücklich eingeräumt und hieran in der mündlichen Verhandlung festgehalten. Das Gericht hat daher keinen Anlass, Gegenteiliges anzunehmen.

Insgesamt ergibt sich somit folgende (teilweise) Herausgabe des Geschenks im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG:

 Rentenversicherungen für die Klägerin bzw. ihren Ehemann insgesamt 72.646,56 EUR
Konten bzw. Sparguthaben bei der X-Bank 9.443,05 EUR
 2.383,37 EUR
Aufrechnung mit Gebührenanspruch (unstreitig) 3.021,37 EUR
 114,28 EUR
Herausgabe insgesamt 87.608,63 EUR

Soweit die Klägerin darüberhinaus noch geltend gemacht hat, eine Herausgabe des Geschenks im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sei auch insoweit anzunehmen, als der Änderungsanspruch hinsichtlich des Schenkungsteuerbescheids vom 02.01.2006 gegenüber dem Beklagten und der Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegenüber Rechtsanwalt .... wegen einer behaupteten fehlerhaften Prozessvertretung in dem zivilgerichtlichen Klageverfahren vor dem Landgericht M gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sei, kann der Senat dies nicht berücksichtigen. Maßgebend dafür, ob ein Geschenk i. S. von § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG herausgegeben worden ist, ist nämlich allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin auch hinsichtlich dieser Vermögenspositionen endgültig entreichert ist.

Zu einem Obsiegen der Klägerin und damit zu einer bezifferbaren Werthaltigkeit der Pfändungsforderungen ist es in diesem Zeitpunkt noch nicht gekommen. Vielmehr ist es ungewiss, in welcher Höhe die beiden gepfändeten Forderungen gegenüber der Finanzverwaltung und gegenüber Rechtsanwalt ...... werthaltig sind. Denn beide Verfahren sind noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen. Sollte die Klägerin insoweit endgültig erfolgreich sein, mag sie bei der Finanzverwaltung einen erneuten Änderungsantrag wegen des Schenkungsteuerbescheids stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO und entspricht dem Maß des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.

Die Übertragung der Berechnung der Schenkungsteuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück