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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: 4 K 2493/06 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG
Vorschriften:
ErbStG § 14 Abs. 1 S. 1 | |
ErbStG § 14 Abs. 1 S. 2 | |
ErbStG § 14 Abs. 1 S. 3 |
Finanzgericht Düsseldorf
4 K 2493/06 Erb
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Vater des Klägers wendete diesem am 13. Dezember 1990 eine freigebige Zuwendung mit einem Steuerwert von 7.317.429 DM zu. Am 19. Dezember 1995 erhielt der Kläger von seinem Vater weitere Zuwendungen mit Steuerwerten von 149.691 DM und 177.217 DM (insgesamt 326.908 DM). Das beklagte Finanzamt setzte wegen der Erwerbe vom 19. Dezember 1995 gegen den Kläger letztmalig mit Bescheid vom 24. März 2000 52.304 DM Schenkungsteuer fest. Dabei berücksichtigte es den Vorerwerb aus dem Jahr 1990, was zu einem Steuersatz für den Gesamterwerb von 16 v.H. führte.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. Dezember 2003 übertrug der Vater des Klägers diesem unentgeltlich Geschäftsanteile an der A-Holding-GmbH. Für diesen Erwerb setzte das beklagte Finanzamt gegen den Kläger mit Bescheid vom 23. November 2005 439.916 EUR Schenkungsteuer fest. Dabei rechnete es dem Wert der Geschäftsanteile von 4.156.700 EUR die Vorerwerbe vom 19. Dezember 1995 mit 167.145 EUR (= 326.908 DM) hinzu und zog von der mit einem Steuersatz von 19 v.H. ermittelten Steuer für den Gesamtbetrag von 466.659 EUR einen Betrag von 26.743 EUR ab, welcher der mit dem Bescheid vom 24. März 2000 festgesetzten Steuer von 52.304 DM für die Vorerwerbe entsprach. Die fiktiv für die Vorerwerbe berechnete Steuer ermittelte das beklagte Finanzamt wie folgt:
Erwerbe vom Dezember 1995: | 167.145 EUR |
./. Freibetrag von 90.000 DM abzüglich für die Zuwendung vom Dezember 1990 bereits verbrauchter Freibetrag von 90.000 DM: | 0 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb: | 167.145 EUR |
abgerundet | 167.100 EUR |
auf zu erhebender Steuersatz von 11 v.H: | hier 18.381 EUR |
Den hiergegen eingelegten Einspruch des Klägers, mit dem er begehrte, den Anrechnungsbetrag für die Vorerwerbe mit 31.757 EUR abzuziehen, wies das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 6. Juni 2006 zurück.
Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Der Anrechnungsbetrag für die Vorerwerbe vom Dezember 1995 sei unter Anwendung eines Steuersatzes von 19 v.H. zu ermitteln, so dass sich ein Betrag von 31.757,55 EUR und nicht ein solcher von lediglich 26.743 EUR ergebe. Der Steuersatz von 19 v.H. sei in dem Schenkungsteuerbescheid vom 23. November 2005 zugrunde gelegt worden. Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Januar 2002 II R 78/99, BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316 sei die Überprogression, die dadurch eingetreten sei, dass der Vorerwerb aus dem Jahr 1995 durch die Zusammenrechnung mit dem Erwerb aus dem Jahr 1990 einem Steuersatz von 16 v.H. unterworfen worden sei, zu korrigieren. Die Korrektur der Überprogression bemesse sich nach dem Steuersatz, der für den Vorerwerb aus dem Jahr 1995 nach § 14 Abs. 1 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) auf die Zuwendung aus dem Jahr 2003 anzuwenden sei. Dies seien 19 v.H. von 167.100 EUR und damit 31.749 EUR.
Der Kläger beantragt,
1. den Schenkungsteuerbescheid vom 23. November 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2006 aufzuheben, soweit damit mehr als 434.902 EUR Steuer festgesetzt worden ist;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor: Im Streitfall sei gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die tatsächlich für die Vorerwerbe entrichtete Steuer von umgerechnet 26.743 EUR anzurechnen, weil diese höher sei als die fiktiv nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG berechnete Steuer. Bei der Berechnung der fiktiven Steuer sei der Steuersatz zugrunde zu legen, der zur Zeit des letzten Erwerbs vom 18. Dezember 2003 für die Vorerwerbe anzuwenden gewesen wäre. Der insoweit anzuwendende Steuersatz müsse nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht mit dem Steuersatz für den Letzterwerb übereinstimmen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Schenkungsteuerbescheid vom 23. November 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2006 ist - im angefochtenen Umfang - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Finanzamt hat den Anrechnungsbetrag für die Vorerwerbe vom 19. Dezember 1995 zutreffend mit 26.743 EUR berücksichtigt.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Anstelle der Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG). Dem entspricht die Berechnung der festgesetzten Steuer durch das beklagte Finanzamt in dem angefochtenen Schenkungsteuerbescheid. Das beklagte Finanzamt hat statt der zutreffend von ihm unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 2. März 2005 II R 43/03, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728 mit 18.381 EUR ermittelten fiktiven Steuer für die Vorerwerbe von 19. Dezember 1995 gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die mit dem Bescheid vom 24. März 2000 festgesetzte Schenkungsteuer von umgerechnet 26.743 EUR von der Steuer für den Gesamtbetrag abgezogen.
Anders als der Kläger meint, ist bei der Ermittlung der Steuer für die Vorerwerbe vom 19. Dezember 1995 gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht der Steuersatz - von im Streitfall 19 v.H. - anzuwenden, der auf den sich aus dem Wert des letzten Erwerbs zuzüglich des Wertes der Vorerwerbe ergebenden Gesamtbetrag angewendet worden ist. Vielmehr ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Steuer abzuziehen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Der hiernach zu ermittelnde Abzugsbetrag bezieht sich nach dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung nur auf die zu berücksichtigenden Vorerwerbe und nicht auf den sich aus dem Wert des letzten Erwerbs zuzüglich des Wertes der Vorerwerbe ergebenden Gesamtbetrag. Dies hat zur Folge, dass der Abzugsbetrag nach den zur Zeit des letzten Erwerbs geltenden Vorschriften und dem für die früheren Erwerbe einschlägigen Steuersatz zu ermitteln ist. Der Senat sieht sich in dieser Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG durch das BFH-Urteil vom 31. Mai 2006 II R 20/05, BFH/NV 2006, 2260 bestätigt. Denn dort hat der BFH unter II. 2. der Entscheidungsgründe die Erbschaftsteuer für den Gesamtbetrag mit einem Steuersatz von 23 v.H. übernommen, während er die Steuer für die Vorerwerbe unter Anwendung eines Steuersatzes von lediglich 19 v.H. ermittelt hat. Aus dem BFH-Urteil in BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316 ergibt sich nichts anderes. Hiernach war die Überprogression bei einer Folge von Schenkungen, die sich über mehr als zehn Jahre hinzieht, dadurch zu korrigieren, dass dem Abzugsbetrag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ein weiterer Korrekturbetrag hinzugerechnet wurde.
Dem Umstand, dass die Berücksichtigung des Vorerwerbs vom 13. Dezember 1990 bei der Festsetzung der Schenkungsteuer wegen der Vorerwerbe vom 19. Dezember 1995 zur Anwendung eines Steuersatzes von 16 v.H. anstatt eines solchen von 6,5 v.H. geführt hat, der für den Wert der Vorerwerbe vom 19. Dezember 1995 von insgesamt abgerundet 326.900 DM ./. 90.000 DM Freibetrag (236.900 DM) nach § 19 Abs. 1 ErbStG in der Fassung des Art. 24 des Gesetzes vom 11. Oktober 1995 (BGBl I, 1250) anzuwenden gewesen wäre, wenn keine Zusammenrechnung mit dem Vorerwerb vom 13. Dezember 1990 stattgefunden hätte, ist durch den Abzug der mit dem Bescheid vom 24. März 2000 festgesetzten Steuer von umgerechnet 26.743 EUR gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ausreichend Rechnung getragen worden. Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 14 Abs. 1 ErbStG durch Art. 2 Nr. 6 des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I, 2049, 2058), mit der insbesondere § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eingeführt worden ist, auch den Problembereich einer möglichen Überprogression bei einer Folge von Schenkungen, die sich über den Zehnjahreszeitraum hinaus erstreckt, nunmehr abschließend durch eine pauschalierende Billigkeitsbestimmung (BTDrucks 13/4839, Seite 69) geregelt (vgl. Viskorf, Finanz-Rundschau 2002, 690, 691; ähnlich Weinmann in Moench/Kein-Hümbert/Weinmann, ErbStG § 14 Rdnr. 10; Meincke, ErbStG, 14. Aufl., § 14 Rdnr. 17). Dem steht das BFH-Urteil in BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316 nicht entgegen, weil diese Entscheidung noch zu § 14 Abs. 1 ErbStG a.F. ergangen ist. Der BFH hat zudem in diesem Urteil unter II. 5. der Entscheidungsgründe die letztlich von ihm allerdings offengelassene Frage aufgeworfen, ob die Neuregelung des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG durch Art. 2 Nr. 6 des Jahressteuergesetzes 1997 nicht die Anwendung der von ihm zum alten Recht entwickelten Grundsätze zur Korrektur der Überprogression ausschließe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen, weil er von den - allerdings noch zu § 14 Abs. 1 ErbStG a.F. entwickelten - Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316 abweicht und eine höchstrichterliche Klärung der im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfrage bezüglich des § 14 Abs. 1 ErbStG n.F. noch aussteht.
Ende der Entscheidung
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