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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.06.2007
Aktenzeichen: 4 K 4270/05 Z,EU
Rechtsgebiete: ZK, UStG, AO


Vorschriften:

ZK Art. 10
ZK Art. 62
ZK Art. 63
ZK Art. 91 Abs. 1a
ZK Art. 203 Abs. 1
ZK Art. 203 Abs. 3
UStG § 21 Abs. 2
AO § 125 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 4270/05 Z,EU

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, der als Spedition Bewilligungen sowohl als Zugelassener Empfänger als auch als Zugelassener Versender erteilt worden waren, wendet sich gegen Steuerbescheide, mit denen sie für Einfuhrabgaben in Anspruch genommen wurde, die nach Auffassung des Beklagten durch unzulässiges Entfernen vom Verwahrungsort entstanden sind.

Die Klägerin gestellte im System ATLAS beim Zollamt A1 des Beklagten die folgenden drei Sendungen, die im Versandverfahren befördert worden waren:

 Lfd. Nr.Versandschein T1WareGestellung
1A05DE... M1Motorenteile aus China17.01.2006 AT/B/15/001102/01/2005/2604
2A05DE... M4Abdeckungen für Batterien aus China19.01.2005 AT/B/15/001420/01/2005/2604
3A05DE... M9Teile und Zubehörteile für Mobiltelefone aus China20.01.2005 AT/B/15/1510/01/2005/2604

Die Waren wurden der Klägerin von der Zollstelle (automatisiert) zur vorübergehenden Verwahrung überlassen. Zugleich wurde die Klägerin von der Zollstelle auf ihre Pflichten in der vorübergehenden Verwahrung hingewiesen und aufgefordert, jeweils Zollanmeldungen bis zum 07. (lfd. Nr. 1), 08. (lfd. Nr. 2) und 09.02.2005 (lfd. Nr. 3) abzugeben.

Am 26. und 28.01.2005 meldete die Klägerin die o.a. drei Sendungen zu Versandverfahren an, mit denen die Waren weiterbefördert wurden. Bei den Anmeldungen hierzu gab die Klägerin als Abgangszollstelle durch einen Eingabefehler bei der Dateneingabe für das neue elektronische Versandverfahren (NCTS) den Beladeort mit dem Kürzel DAxx statt mit dem Kürzel DAyy ein. Dadurch generierte das System statt des Zollamts A1 des Beklagten das Zollamt B2 als Abgangszollstelle. Bei diesen Zollanmeldungen gab die Klägerin die Waren mit den Nummern der jeweils vorausgegangenen Versandverfahren an.

Der Beklagte bewertete die Vorgänge nach der Gestellung beim Zollamt A1 als Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung und nahm die Klägerin mit folgenden Steuerbescheiden für Einfuhrabgaben in Anspruch:

 Lfd. Nr.GestellungSteuerbescheid Datum, Gz.ZollEinfuhrumsatzsteuer (EUSt)
117.01.2006 AT/B/15/001102/01/2005/260411.05.2006 Z-06242011040520052600765,40 EUR4.658,18 EUR
219.01.2005 AT/B/15/001420/01/2005/260412.05.2005 Z-06242011050520052600 647,21 EUR
320.01.2005 AT/B/15/1510/01/2005/260412.05.2005 Z-06242011060520052600 1.453,67 EUR

Den gegen diese Bescheide fristgerecht eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass ihrer Auffassung nach eine Zollschuld nicht entstanden sei, weil die Waren nicht unzulässigerweise vom Verwahrungsort entfernt worden seien. Ein Warentransport nach B-Stadt habe nie stattgefunden. Das vom Zollamt B2 eröffnete Versandverfahren sei ordnungsgemäß erledigt worden.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.09.2005 als unbegründet zurück, da die Waren aus der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Das Zollamt A1 habe nicht die Möglichkeit behalten, die Waren zu überwachen. Mit der Verwendung der Nummer DE009xxx für den Ort C-Stadt im Zuständigkeitsbereich des Zollamts B2 bei der Eingabe der jeweiligen Datensätze sei die Ware an einem unzutreffenden Kontrollort gestellt worden. Hiervon sei das Zollamt B2 nicht unterrichtet worden. Dadurch habe das Zollamt B2 keine Kontrollmöglichkeit gehabt. Das anschließende Versandverfahren habe seinem Zollamt A1 die Möglichkeit der Überwachung der Ware genommen.

Dagegen erhob die Klägerin beim Finanzgericht fristgerecht Klage, die sie insbesondere nach Ergehen des Senatsbeschlusses vom 07.11.2006, 4 V 1202/06 A (Z, EU), wie folgt begründete:

Der Weiterversand der beim ZA A1 des Beklagten gestellten Waren habe sie nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen. Die im NCTS vorgenommene Überlassung durch das Zollamt B2 habe die vorübergehende Verwahrung beendet, Art. 73 ZK. Nachdem die Waren beim ZA A1 des Beklagten gestellt worden seien, sei eine weitere Gestellung nicht mehr erforderlich gewesen, da sie auch ohne diese eine neue zollrechtliche Bestimmung erhalten hätten. Die Versandanzeige sei daher im NCTS ohne Bedeutung. Zwar gelte ihre als Zugelassener Versender angegebene Versandanzeige als Gestellung. Sie ändere aber nicht mehr die zollrechtliche Bestimmung der Waren, die mit der Annahme der Zollanmeldung und der Überlassung der Waren erfolge.

Die erneute Gestellung durch ihre Versandanzeige führe auch nicht zu einem Entziehen, zumal der Standort der Waren von den Zollbehörden hätte ermittelt werden können.

Trotz örtlicher Unzuständigkeit sei das Zollamt B2 zur Annahme der Zollanmeldung berechtigt gewesen und habe ihr die Waren auch zum angemeldeten Versandverfahren überlassen dürfen. Die Ausübung des Ermessens nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Zollverwaltungsgesetzes - ZollVG - führe, auch wenn Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit verletzt seien, nicht zur Nichtigkeit der Annahme der Zollanmeldung, § 125 Abs. 3 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO -.

Auch wenn sie als Zugelassener Versender zur Übermittlung der Versandanmeldung an das Zollamt A1 des Beklagten nach Art. 201 Verordnung Nr. 2454/93 (EWG) der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZKDVO - verpflichtet gewesen sei, ändere dies an der Befugnis des Zollamts B2- nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 ZollVG nichts.

Die Annahme der Zollanmeldung durch das Zollamt B2 sei auch nicht nach § 125 Abs. 1 AO nichtig. Die örtliche Unzuständigkeit sei kein besonders schwerwiegender Fehler, § 125 Abs. 3 AO.

§ 125 Abs. 1 AO sei nicht anwendbar, denn nach Art. 10 der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ­ ZK ­ könnten nach § 125 AO nur Inhalte, die mit dem materiellen Zollrecht nicht zusammenhingen, geregelt werden. Dies zeige insbesondere die englische Fassung des ZK. Eine Nichtigkeit auch bei Missachtung des Art. 63 ZK sehe das Zollrecht hingegen nicht vor. Auch könne eine derartige nationale Bestimmung nicht erlassen werden.

Selbst wenn § 125 Abs. 1 AO gleichwohl auf materielle Zollvorschriften anwendbar sei, gebe es neben der örtlichen Unzuständigkeit keinen weiteren Fehler, da eine ausreichende Gestellung bereits stattgefunden habe. Die stattgefundene Gestellung habe nach Art. 201 ZKDVO nur die Begrenzung der örtlichen Zuständigkeit für die Annahme der Zollanmeldung gehabt.

Die eröffneten Versandverfahren enthielten auch nicht die Bestimmung, dass der Transport der Ware im Bezirk des Zollamts B2 beginne. Im ZK sei nicht bestimmt, dass der Versand im Bezirk der annehmenden Zollstelle stattfinden müsse. Denklogisch könne der Versand nur am jeweiligen Standort der Waren beginnen. Der Beginn des Versands sei für die Eigenschaft einer Zollstelle als Abgangszollstelle unerheblich. Art. 340b Nr. 1 ZKDVO bezeichne als Abgangszollstelle diejenige Zollstelle, die die Anmeldung zum Versandverfahren angenommen habe. Die Waren könnten aber nach Art. 40 ZK bei der Zollstelle auch an jedem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort gestellt werden.

Zudem beginne die wirtschaftlich sinnvolle Strecke, auf der nach Art. 355 ZKDVO das Versandgut zu befördern sei, naturgemäß am Standort der Waren und nicht im Bezirk der örtlich unzuständigen Zollstelle.

Schließlich fehle es bei der Annahme der Versandanmeldungen an einem besonders schweren, offenkundigen Mangel. Ein verständiger Dritter gehe nämlich davon aus, dass das Zollamt B2 bewusst die Zollanmeldungen angenommen habe, zumal es aufgrund der erteilten AT/B-Nummern auch hätte erkennen können, dass die Waren bei einer anderen Zollstelle gestellt worden seien und sich in der vorübergehenden Verwahrung befunden hätten. Ein etwaiger Ermessensfehlgebrauch des Zollamts B2 begründe keine besondere Schwere eines Fehlers, zumal ein verständiger Dritter nicht hätte erkennen können, dass die Zollstelle den Standort der Waren nicht ermittelt habe. Aufgrund der fehlenden Verknüpfung der AT/B-Nummern mit der Angabe der Abgangsstelle und der damit fehlenden Kontrollmöglichkeit nähmen die Zollbehörden in Kauf, dass sie möglicherweise örtlich unzuständig seien.

Im Hinblick auf eine Vielzahl gleich gelagerter, auf Flüchtigkeitsfehlern beruhender Fälle bei der Anwendung des NTCS sei die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Steuerbescheide des Beklagten vom 11. und 12.05.2005 in der Gestalt seiner Einspruchsentscheidung vom 15.09.2005 aufzuheben,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hierzu führt er aus, als Zugelassener Versender habe die Klägerin bei der Teilnehmereingabe mit NCTS im System ATLAS im vereinfachten Verfahren die Daten der Versandanmeldung der Abgangszollstelle zu übermitteln, die für den Ort der Gestellung zuständig sei. Das sei sein Zollamt A1 gewesen. Tatsächlich habe die Klägerin fehlerhaft als Beladeort und damit als Kontrollort C-Stadt eingegeben, wodurch das System automatisch das Zollamt B2 als Abgangszollstelle generiert habe. Zugleich habe die Klägerin damit erklärt, die Ware stehe in C-Stadt zur Kontrolle bereit. Da bei einer Eingabe im System ATLAS eine automatische Überlassung vorgesehen sei, wenn vollständige Angaben gemacht worden seien, seien die falsch eingegebenen Sendungen automatisch angenommen und zum Versandverfahren überlassen worden.

Die Vereinfachungen des Systems ATLAS verlangten von den dieses System nutzenden Wirtschaftsbeteiligten eine besondere Sorgfalt, zumal die Zollstellen von der Vollständigkeit und der Richtigkeit der gemachten Angaben ausgingen. Werde dieser Vertrauensvorschuss durch fehlerhafte Eingaben belastet, müsse die weitere Gewährung der Verfahrenserleichterungen geprüft werden.

Mit der Annahme der Versandanmeldung sei auch nicht die Zuständigkeit auf das Zollamt B2 übergegangen. Die systembedingte Annahme sei unwirksam, denn die Annahme der Zollanmeldung setze die vorherige Gestellung und das körperliche Vorhandensein der Ware voraus, Art. 63 ZK in Verbindung mit Art. 40 ZK. Durch die Gestellung würden die Waren der überwachenden Zollstelle zur Verfügung gestellt, woran es hier gefehlt habe. Die Annahme, mit der Angabe des Abgangsorts C-Stadt und der Annahme der Versandanmeldung des Zollamts B2 sei die örtliche Zuständigkeit auf dieses Zollamt übergegangen, sei unzutreffend.

Durch den Versand der Waren seien diese vielmehr ohne Kenntnis seines Zollamts A1 aus der vorübergehenden Verwahrung entfernt und der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.

Eine ordnungsgemäße Gestellung liege hinsichtlich des Zollamts B2 nicht vor, da diese Zollstelle praktisch keine Möglichkeit gehabt habe, die Ware zu überprüfen. Grundsätzlich könnten nur Waren Gegenstand einer Zollbehandlung oder eines Zollverfahrens sein, wenn die Zollstelle die Möglichkeit habe, die Waren zu prüfen. Fehle es daran wie beim Zollamt B2, sei die Annahme der Zollanmeldungen nichtig, so dass die Waren der zollamtlichen Überwachung seines Zollamts entzogen seien.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten erklärt, dass das System ATLAS hinsichtlich Fehleingaben unverändert ist. Die Klägerin hat weiter erklärt, einen Erstattungsantrag nicht gestellt zu haben.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind zu Recht ergangen und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin jeweils Einfuhrabgabenschuldnerin nach Art. 203 Abs. 3 1. Anstrich ZK in Verbindung mit § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - geworden ist, denn die Waren wurden der zollamtlichen Überwachung entzogen, Art. 203 Abs. 1 ZK.

Die Waren unterlagen nach Art. 37 ZK der zollamtlichen Überwachung. Sie sind der zollamtlichen Überwachung entzogen worden, indem sie nach ihrer Gestellung in Unkenntnis des Zollamts A1 des Beklagten aus der vorübergehenden Verwahrung entfernt und weiter versandt worden sind. Der Begriff des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung ist nämlich dahin zu verstehen, dass er jede Handlung oder Unterlassung umfasst, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und der Durchführung der in Artikel 37 Absatz 1 ZK vorgesehenen Prüfungen gehindert wird (EuGH Urteil v. 01.02.2001 C-66/99, Rz. 47, ZfZ 2001, 121 ff., 123). Das Zollamt A1 war aufgrund des ihm unbekannten Versands der Waren daran gehindert, sie zu prüfen.

Die vorübergehende Verwahrung der Waren endete im Streitfall auch nicht durch eine Annahme der Versandanmeldungen durch das Zollamt B2.

Die Annahme einer Zollanmeldung ist eine zollrechtliche Entscheidung, die grundsätzlich wirksam bleibt, sofern sie nicht nach Art. 8 ZK zurückgenommen oder nach Art. 9 ZK widerrufen wird (s. BFH Beschluss v. 08.04.2004 VII B 110/03, BFH/NV 2004, 1310 ff.). In Ausnahmefällen kann die Annahme einer Zollanmeldung nach § 125 Abs. 1 der AbgabeA1nung - AO - in Verbindung mit Art. 10 ZK nichtig sein (s. Weymüller in Dorsch, Zollrecht Art. 63 Rz. 51). Hiervon ist im Streitfall auszugehen, denn die Annahmen der Versandanmeldungen durch das Zollamt B2 leiden an besonders schwerwiegenden Fehlern, die bei vollständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sind.

Zwingende Voraussetzung der Annahme einer Zollanmeldung ist die Gestellung der Waren, Art. 63 ZK. Dies verdeutlicht Art. 201 VO (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZKDVO -. Danach kann die Zollanmeldung nur abgegeben werden, wenn die Ware gestellt ist, Art. 201 Abs. 1 ZKDVO. Wird die Zollanmeldung ausnahmsweise vorher abgegeben, darf sie erst angenommen werden, wenn die Waren gestellt sind, Art. 201 Abs. 3 ZKDVO. Folgt der vor einer Gestellung abgegebenen Zollanmeldung keine Gestellung, gilt die Zollanmeldung als nicht abgegeben, Art. 201 Abs. 2 Satz 3 ZKDVO.

Die Gestellung muss dabei bei der Zollstelle vorgenommen worden sein, bei der die Waren zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind. Die einer Zollanmeldung vorausgehende und von Art. 63 ZK verlangte Gestellung beruht auf den zollrechtlichen Grundsätzen, dass Gegenstand eines Zollverfahrens und einer Zollbehandlung nur bestimmte Waren sein können und dass der Zollstelle die Möglichkeit eingeräumt sein muss, diese Waren nach Annahme der Zollanmeldung durch eine Zollbeschau zu prüfen (s. Weymüller in Dorsch, Zollrecht Art. 63 Rz. 23). Daran fehlt es aber, wenn Zollanmeldungen auch von Zollstellen angenommen werden könnten, bei denen die angemeldeten Waren nicht gestellt worden sind.

Dies gilt auch für die Anmeldung zum Versandverfahren. Auch bei diesem Verfahren wird vorausgesetzt, dass der Anmeldung die Gestellung bei der gleichen Zollstelle vorausgeht.

Das Versandverfahren besteht nämlich aus einem zollamtlich überwachten und hinsichtlich zollrechtlicher Belange gesicherten, bestimmten Warentransport zwischen einer Abgangsstelle und einer Bestimmungsstelle. Das externe Versandverfahren erlaubt u.a. den Transport von Nichtgemeinschaftswaren zwischen zwei Orten innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft, Art. 91 Abs. 1 Buchst. a ZK. Es beginnt bei der Abgangsstelle, die die Versandanmeldung annimmt (Art. 340b Nr. 1 ZKDVO), und endet bei der Bestimmungsstelle (Art. 340b Nr. 3 ZKDVO) durch Gestellung der Waren, wobei die Bestimmungsstelle nicht die im Versandschein genannte Zollstelle bleiben muss, Art. 361 Abs. 4 ZKDVO.

Wenn auch die Definition der Abgangsstelle in Art. 340b Nr. 1 ZKDVO diese Stelle nicht auch als diejenige bezeichnet, in deren Bezirk der Versand beginnt, so folgt dies aus Art. 349 Abs. 1 ZKDVO. Darin ist nämlich bestimmt, dass in einer Versandanmeldung nur solche Waren aufgeführt werden dürfen, die in einem Beförderungsmittel von derselben Abgangsstelle zu derselben Bestimmungsstelle befördert werden sollen. Damit geht das Versandverfahren von der Grundstruktur eines Transports von der Abgangsstelle bis zur Bestimmungsstelle aus. Auch unter Berücksichtigung der Vereinfachungen für Zugelassene Versender, bei dem die Gestellung durch eine Versandanzeige ersetzt wird (Art. 398, 399 Buchst. b ZKDVO) ändert sich daran nur insoweit etwas, als das Versandgut nicht mehr bei der Abgangsstelle zu gestellen ist, sondern ihr für eine Kontrolle an einem bewilligten Ort zur Verfügung zu halten ist (Art. 399 Buchst. b ZKDVO). Dadurch beginnt das Versandverfahren am bewilligten Ort und endet bei der Bestimmungsstelle. Daran hat sich auch durch das NTCS nichts geändert. Auch insoweit behält die Zollstelle die Möglichkeit der Kontrolle. Diese wäre aber effektiv nicht mehr gewährleistet, wenn die Gestellung nicht bei der die Zollanmeldung annehmenden Zollstelle vorgenommen würde.

Aufgrund dieser Bedeutung der Gestellung für die in der Regel nachfolgende Zollanmeldung ist dann, wenn wie im Streitfall eine Gestellung bei der die Zollanmeldung annehmenden Zollstelle unterblieben ist, für die Annahme der Versandanmeldungen durch das Zollamt B2 von einem besonders schwerwiegenden Fehler auszugehen. Insbesondere lässt die gesetzliche Wertung des Art. 201 Abs. 2 Satz 3 ZKDVO, nach der die abgegebene Zollanmeldung als nicht abgegeben fingiert wird, erkennen, dass es ohne Gestellung bei einer Zollstelle keine Annahme einer Zollanmeldung durch diese Zollstelle geben darf.

Zudem sahen die vom Zollamt B2 eröffneten Versandverfahren in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich beginnende Warentransporte zu bestimmten Bestimmungsstellen vor, die tatsächlich nie stattgefunden haben. Wie bereits dargelegt, hat im Versandverfahren der Warentransport an der Abgangsstelle oder bei einem Zugelassenen Versender an dem ihm bewilligten Ort zu beginnen und bei der Bestimmungsstelle, die nicht irgendwie, sondern über eine wirtschaftlich sinnvolle Strecke zu erreichen ist (s. Art. 355 Abs. 1 ZKDVO), zu enden. Dem aber widersprechen die tatsächlich nicht stattgefundenen Warentransporte.

Die Fehler, die fehlende Gestellung bei der annehmenden Zollstelle und das Fehlen des in den Versandanmeldungen angemeldeten Warentransports, sind auch bei vollständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig. Jeder verständige Dritte konnte nämlich den Fehler der Verwaltungsmaßnahme bei Unterstellung der Kenntnis aller Umstände in seiner besonderen Schwere zu erkennen (BFH Beschluss v. 29.10.2003 V B 247/02, BFH/NV 2004, 313 f.).

Im Hinblick hierauf kommt es nicht darauf an, dass das Zollamt B2 nur seine fehlende örtliche Zuständigkeit übersehen haben soll, wie die Klägerin meint.

Ebenso ist es unerheblich, ob das Zollamt B2 aufgrund der Nummer des Vorpapiers hätte ermitteln können, dass die betroffenen Waren beim Zollamt A1 des Beklagten gestellt worden sind und dass deshalb dieses Zollamt örtlich zuständig gewesen ist.

Aufgrund der dargestellten rechtlichen Verknüpfung zwischen Gestellung und Annahme der Zollanmeldung bei der Zollstelle, bei der eine Gestellung stattgefunden hat, wird gerade nicht von den Zollbehörden in Kauf genommen, dass sie möglicherweise örtlich unzuständig sind. Vielmehr bewirken nur die fehlenden Kontrollmöglichkeiten, dass die fehlenden Voraussetzungen für die Annnahme der Zollanmeldung mangels Gestellung bei der Zollstelle nicht umgehend beanstandet werden können. Insoweit verlässt sich die Zollverwaltung auf die Angaben der entsprechenden Bewilligungsinhaber wie der Klägerin.

Zudem hat es anders als bei einem in Papierform abgewickelten Verfahren eine bewusste Annahme der Versandanmeldungen durch das Zollamt B2 in Form einer Entscheidung über seine örtliche Zuständigkeit nicht gegeben. Vielmehr sind die falsch eingegebenen Sendungen automatisch angenommen und zum Versandverfahren überlassen worden, da bei einer Eingabe im System ATLAS eine automatische Überlassung vorgesehen ist, wenn vollständige Angaben gemacht worden sind (s. Verfahrensanweisung zum IT-Verfahren ATLAS Tz. 4.8.2.1.4). Dabei sind, worauf die Klägerin hingewiesen hat, aufgrund der fehlenden Verknüpfung der Gestellungsdaten des vorangegangenen Verfahrens mit den Angaben gegenüber der Abgangsstelle die hier aufgetretenen Fehleingaben nicht feststellbar.

Ob es bei einem in Papierform abgewickelten Verfahren überhaupt zu einer Übersendung oder Abgabe der Versandanmeldungen an das Zollamt B2 gekommen wäre, erscheint aus tatsächlichen Gründen unwahrscheinlich. Jedenfalls aber wäre vom Zollamt B2 bewusst über die Annahme der Zollanmeldung entscheiden worden, wobei diese Zollstelle regelmäßig die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt und an die örtliche Zollstelle verwiesen hätte, zumal die Fristen für die Abgabe der Zollanmeldungen auch noch nicht abgelaufen gewesen wären.

Für die gegenüber dem Zollamt A1 des Beklagten vorgenommenen Entziehungen aus dessen zollamtlichen Überwachungen kommt es nicht darauf an, dass das Zollamt B2 ohne weiteres eine Beschau oder eine sonstige zollamtliche Überprüfung hätte aA1nen können, bei der eine zollamtliche Überprüfung durch den Beklagten hätte vorgenommen werden können. Durch die Versandanmeldungen im System ATLAS und den damit verbundenen Abtransport der Waren wurden diese der zollamtlichen Überwachung durch das Zollamt A1 des Beklagten entzogen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Art. 10 ZK nicht dahingehend auszulegen, dass ein Verstoß gegen zollrechtliche Bestimmungen die Annahme ihrer Unwirksamkeit ausschließt. Die Unwirksamkeit der vom Zollamt B2 eröffneten Versandverfahren ergibt sich unmittelbar aus § 125 Abs. 1 AO (s. zur Anwendbarkeit Kaufmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler ZK Art. 10 Rz. 3; Schwarz/Wockenfoth Zollrecht Art. 10 ZK Rz. 3; Weymüller in Dorsch, Zollrecht Art. 10 Rz. 15; Witte/Alexander ZK 4. Aufl. Art. 10 Rz. 7), weil die streitbefangenen Annahmen der Versandanmeldungen durch das Zollamt B2 an besonders schwerwiegenden Fehlern leiden, die bei vollständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sind. Dass sich diese Fehler aus dem Zollrecht ergeben, ändert daran nichts, denn die Nichtigkeit der Annahme der Versandanmeldungen ist die unmittelbare Folge der Fehler und nicht des Zollrechts.

Bei dieser Auslegung von Art. 10 ZK ergibt sich aus der englischen Sprachfassung ("Articles 8 and 9 shall be without prejudice to national rules which stipulate that decisions are invalid ... for reasons unconnected with customs legislation.") nichts anderes. Die Unwirksamkeit ergibt sich aus § 125 Abs. 1 AO. Nach anderen, dem Senat verständlichen Sprachfassungen wie der französischen, niederländischen, italienischen und spanischen sind ebenso wie nach der deutschen Sprachfassung nur Unwirksamkeitsgründe ausgeschlossen, die unmittelbar oder in den anderen genannten Sprachfassungen "spezifisch" das Zollrecht betreffen.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die hier zu Tage tretenden Folgen von Fehleingaben im System ATLAS jedenfalls so lange von allgemeiner Bedeutung sind, als das System ATLAS nicht zum Schutz der Wirtschaftsbeteiligten besondere Warnmechanismen enthält. Hinzu kommt, dass das Ergebnis unbefriedigend ist, weil die zollrechtlichen Folgen auf kaum vermeidbaren Arbeitsfehlern beruhen, eine Beseitigung dieser Rechtsfolgen aber im Rahmen des Zollschuldrechts nicht möglich erscheint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



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