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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.07.2005
Aktenzeichen: 4 K 4536/03 Z
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 2913/92, Zollkodex


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 Art. 132
Zollkodex
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 4536/03 Z

Tenor:

Das beklagte Hauptzollamt wird unter Aufhebung seiner ablehnenden Verfügung vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2003 verpflichtet, der Klägerin auf ihren Antrag vom 5. Oktober 2001 die Umwandlung von gesinterten Stangen und Stäben aus Wolfram und Molybdän in Abfälle und Schrott zu bewilligen.

Das beklagte Hauptzollamt trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Klägerin beantragte unter dem 5. Oktober 2001, ihr eine Bewilligung für ein Wolfram und Molybdän in Rohform betreffendes Umwandlungsverfahren zu erteilen. Diese Einfuhrwaren in der Gestalt von bearbeiteten Stangen, Platten und Scheiben sowie gesinterten Stangen und Stäben in viereckiger und runder Form sollen manuell zerschlagen werden, wobei die Klägerin der Auffassung ist, dass es sich hierbei um eine Umwandlung in Abfälle und Schrott handelt.

Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion A (ZPLA) vertrat in einer Stellungnahme vom 20. November 2001 die Auffassung, dass die bearbeiteten Stangen und Scheiben als Halbzeug durch Brechen oder Zerschneiden unbrauchbar gemacht werden könnten. Demgegenüber handele es sich bei den gesinterten Stangen und Stäben um Molybdän in Rohform, das durch Brechen oder Zerschneiden kein Schrott oder Abfall werden könne. Derartige Erzeugnisse könnten immer noch zum Einschmelzen verwendet werden. Das werde auch durch die Erläuterungen (Erl) zur Kombinierten Nomenklatur (KN) zu Pos. 7601 Rdnr. 01.0 bestätigt.

Das beklagte Hauptzollamt folgte der Auffassung der ZPLA und erteilte der Klägerin mit Verfügung vom 3. Dezember 2001 eine Bewilligung für die Umwandlung von bearbeiteten Stangen, Platten und Scheiben aus Wolfram und Molybdän in Abfälle und Schrott. Hinsichtlich der gesinterten Stangen und Stäbe lehnte es die Erteilung einer entsprechenden Bewilligung mit dieser Verfügung ab.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Bei den gesinterten Stangen und Stäben handele es sich um Abfälle und Schrott, die zollfrei eingeführt werden könnten. Selbst wenn es sich um Rohformen von Wolfram und Molybdän handele, könnten sie durch Brechen und Zerschneiden in Abfälle und Schrott umgewandelt werden. Die Anm. 8 Buchst. a zu Abschnitt XV KN verlange keine Änderung des ursprünglichen Verwendungszwecks. Ihr drittländischer Lieferant habe die Waren bei der Herstellung von Blechen und Drähten gewonnen. Die Waren hätten bestimmte Qualitäten nicht erfüllt und seien deshalb nicht weiterverarbeitet worden. Der ursprüngliche Verwendungszweck der Waren sei die Herstellung von Blechen und Draht und nicht das Einschmelzen gewesen. Das Einschmelzen von Rohwaren sei nur eine von mehreren möglichen Verwendungsmöglichkeiten. Durch das Brechen und Zerschneiden werde sichergestellt, dass die eingeführten Rohwaren als solche endgültig unbrauchbar seien und nur noch eingeschmolzen werden könnten.

Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 17. Juli 2003 zurück und führte aus: Bei den gesinterten Stangen und Stäben handele es sich um Rohformen von Wolfram und Molybdän, die zolltariflich nicht zu Abfällen und Schrott umgewandelt werden könnten, weil sie für einen endgültigen Verwendungszweck nicht unbrauchbar zu machen seien.

Die Klägerin hat am 12. August 2003 Klage erhoben, mit der sie vorträgt: Das manuelle Zerschlagen und Zerschneiden der gesinterten Stangen und Stäbe schaffe Waren, die sich von den Einfuhrwaren unterscheiden würden. Die Waren seien erkennbar nicht mehr für eine Weiterverarbeitung geeignet. Gesinterte Stangen seien in der Pos. 8101 und der Pos. 8102 KN ausdrücklich genannt, weil sie andere Eigenschaften hätten als die übrigen Rohformen von Wolfram und Molybdän. Wie sich aus den Erl zum Harmonisierten System (HS) zu Pos. 8101 Rdnr. 01.0 ergebe, könnten Stangen wegen ihrer größeren Festigkeit im Gegensatz zu Rohblöcken zu Blechen und Draht weiterverarbeitet werden. Diese zusätzlichen Verwendungsmöglichkeiten würden die Stangen durch ihre mechanische Zerstörung verlieren. Die Einschmelzbarkeit könne allein kein Kriterium für den endgültigen Verlust der Brauchbarkeit sein. Denn andernfalls könnten nur Metalle, die nicht mehr eingeschmolzen werden könnten, endgültig unbrauchbar sein. Waren, die nur noch zur Wiedergewinnung des Metalls durch Einschmelzen oder zum Herstellen chemischer Erzeugnisse oder chemischer Verbindungen verwendbar seien, seien zolltariflich Abfälle und Schrott. Mit dem Verlust der endgültigen Brauchbarkeit könne nur der Verlust einer Brauchbarkeit zur mechanischen Verwendungsmöglichkeit gemeint sein, nicht jedoch die Möglichkeit des Wiedereinschmelzens zur Gewinnung des Metalls.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung seiner ablehnenden Verfügung vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2003 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 5. Oktober 2001 die Umwandlung von gesinterten Stangen und Stäben aus Wolfram und Molybdän in Abfälle und Schrott zu bewilligen;

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt es auf seine Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2003 Bezug.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Verfügung vom 3. Dezember 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit damit die Erteilung einer Bewilligung für die Umwandlung von gesinterten Stangen und Stäben aus Wolfram und Molybdän in Abfälle und Schrott abgelehnt worden ist (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin hat nach Art. 132 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl EG Nr. L 302/1) einen Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung eines auch diese Verarbeitungsvorgänge umfassenden Umwandlungsverfahrens.

Das beklagte Hauptzollamt stellt nicht in Abrede, dass die in Art. 133 Buchst. a bis d ZK aufgeführten Bewilligungsvoraussetzungen vorliegen. Im Streit ist nur das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des gesinterte Stangen und Stäbe umfassenden Umwandlungsverfahrens gemäß Art. 133 Buchst. e Satz 1 ZK. Hiernach muss das Verfahren dazu beitragen können, die Aufnahme oder Beibehaltung von Umwandlungstätigkeiten in der Gemeinschaft zu fördern, ohne dass wesentliche Interessen von Herstellern gleichartiger Waren in der Gemeinschaft beeinträchtigt werden. Dies ist nach Art. 552 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZK-DVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl EG Nr. L 253/1) i.V.m. Anhang 76 lfd. Nr. 2 der Fall, wenn Waren aller Art in Abfälle oder Reste umgewandelt oder zerstört werden. Ferner muss das Umwandlungsverfahren nach Art. 551 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK-DVO zu Erzeugnissen führen, für die niedrigere Einfuhrabgabenbeträge gelten als für die Einfuhrwaren.

Diese wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des Umwandlungsverfahrens sind im Streitfall erfüllt. Die gesinterten Stangen und Stäbe, die in die Unterpos. 8101 94 00 und die Unterpos. 8102 94 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1810/2004 der Kommission vom 7. September 2004 (ABl EG Nr. L 327/1) einzureihen sind, werden durch das von der Klägerin beabsichtigte manuelle Zerschlagen zu Abfällen und Schrott i.S. der Unterpos. 8101 97 00 sowie der Unterpos. 8102 97 00 KN verarbeitet. Diese Erzeugnisse können zollfrei in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden.

Nach Anm. 8 Buchst. a zu Abschnitt XV KN sind Abfälle und Schrott Waren aus Metall, die beim Herstellen oder beim Be- und Verarbeiten von Metallen anfallen oder durch Bruch, Verschnitt, Verschleiß oder aus anderen Gründen als solche endgültig unbrauchbar sind. Die gesinterten Stangen und Stäbe werden durch das beabsichtigte manuelle Zerschlagen als solche endgültig unbrauchbar. Denn durch das Zerschlagen, das einem Bruch oder Verschnitt i.S. der Anm. 8 Buchst. a zu Abschnitt XV KN gleichsteht, ist eine Weiterverarbeitung zu Blechen, Stangen oder Drähten, wie sie in den Erl (HS) zu Pos. 8101 Rdnr. 01.0 beschrieben ist, ausgeschlossen. Die gesinterte Stangen und Stäbe aus Wolfram betreffenden Erl (HS) zu Pos. 8101 Rdnr. 01.0, die als Erkenntnismittel bei der Auslegung der KN heranzuziehen sind (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00, Slg. 2002, I-1389 Rdnr. 22), gelten nach den Erl (HS) zu Pos. 8102 Rdnr. 06.0 entsprechend für gesinterte Stangen und Stäbe aus Molybdän. Unerheblich ist, dass die von der Klägerin eingeführten Stangen und Stäbe vor ihrer Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft nicht weiterverarbeitet worden sind, weil sie bestimmte Qualitätsanforderungen nicht erfüllten. Anm. 8 Buchst. a zu Abschnitt XV KN stellt nicht auf bestimmte Qualitäten ab. Maßgeblich ist hiernach allein, dass die gesinterten Stangen und Stäbe durch das manuelle Zerschlagen als solche endgültig unbrauchbar gemacht werden ("inutilisables en tant que tels.." in der französischen bzw. "not usable as such ..." in der englischen Fassung). Der Umstand, dass die zerschlagenen Stangen und Stäbe noch zum Einschmelzen verwendet werden, schließt - anders als das beklagte Hauptzollamt meint - die Annahme von Abfällen und Schrott im zolltariflichen Sinn nicht aus. Denn Abfälle und Schrott werden im Regelfall gerade zum Wiedergewinnen des Metalls durch Einschmelzen oder zum Herstellen chemischer Erzeugnisse oder chemischer Verbindungen verwendet (Erl (HS) zu Pos. 7204 Rdnr. 11.0, die nach den Erl (HS) zu Pos. 8101 Rdnr. 10.0 und zu Pos. 8102 Rdnr. 06.0 für Waren aus Wolfram und Molybdän entsprechend gelten). Das beklagte Hauptzollamt kann sich auch nicht auf die Erl (KN) zu Pos. 7601 Rdnr. 01.0 berufen, wonach Aluminium in Rohform, auch zerschnitten oder als Bruch, der Pos. 7601 KN zuzuweisen ist. Denn weder in den Erl zu Pos. 8101 noch in den Erl zu Pos. 8102 wird auf die Aluminium in Rohform betreffenden Erl KN zu Pos. 7601 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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