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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 4 K 4738/06 VSt,VM
Rechtsgebiete: AO, MinöStG, StromStG


Vorschriften:

AO § 38
AO § 155 Abs. 4
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AO § 170 Abs. 1
MinöStG § 1 Abs. 1 S. 3
MinöStG § 25a Abs. 1
StromStG § 1 Abs. 1 S. 3
StromStG § 10 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 4738/06 VSt,VM

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die sich mit der Textilveredelung befasst, erhielt antragsgemäß für die Kalenderjahre 2003 und 2004 Vergütungen von Mineralölsteuer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG). Am 16. Mai 2006 beantragte sie beim beklagten Hauptzollamt für die Kalenderjahre 2003 und 2004 die Vergütung von Mineralölsteuer nach § 25a MinöStG und die Vergütung von Stromsteuer nach § 10 des Stromsteuergesetzes (StromStG). Das beklagte Hauptzollamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Mai 2006 unter Hinweis darauf ab, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sei.

Die Klägerin beantragte alsdann am 24. Mai 2006, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hilfsweise die beantragten Steuervergütungen im Wege einer Billigkeitsentscheidung festzusetzen. Sie machte geltend: Sie treffe an der Fristversäumnis kein Verschulden. Sie habe ihren stets zuverlässigen Leiter des Bereichs Controlling mit der Optimierung des Energiesektors beauftragt, dem auch die fristgerechte Beantragung von Steuervergütungen oblegen habe. Obwohl er sorgfältig ausgewählt, eingewiesen und überwacht worden sei, habe sie erst nachträglich erfahren, dass er die Anträge nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG und nach § 25a MinöStG verwechselt habe sowie den Unterschied zwischen der Antragsfrist des § 18 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) und der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) nicht berücksichtigt habe. Jedenfalls seien die Vergütungen im Wege einer Billigkeitsmaßnahme zu gewähren. Eine Versagung der Vergütung der Mineralölsteuer und der Stromsteuer führe zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage.

Das beklagte Hauptzollamt lehnte mit Bescheid vom 12. Juni 2006 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und eine Festsetzung der Steuervergütungen im Wege einer Billigkeitsmaßnahme ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass Festsetzungsfristen nicht wiedereinsetzungsfähig seien. Billigkeitsmaßnahmen seien abschließend in § 227 AO geregelt. Auf Steuervergütungen sei diese Bestimmung mangels vorliegenden Steuerschuldverhältnisses nicht anwendbar.

Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt mit Entscheidung vom 3. November 2006 zurück, wobei es im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen wiederholte.

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Da die Steuer nach § 25a MinöStG sowie nach § 10 StromStG nur auf Antrag zu vergüten sei und dieser Antrag deshalb Voraussetzung für das Entstehen der Vergütungsansprüche sei, habe die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO erst mit dem Ablauf des Jahres 2006 begonnen. Jedenfalls habe die Festsetzungsfrist für das Kalenderjahr 2004 nicht mit Ablauf des Jahres 2004 beginnen können, weil die Höhe der Steuervergütung nach § 10 Abs. 2 StromStG erst nach Ablauf des Kalenderjahres 2004 habe ermittelt werden können. Ihr sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie bei der Beantragung der Vergütungen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG davon ausgegangen sei, damit sämtliche möglichen Steuervergütungen zu erhalten. Sie habe erstmals am 21. April 2006 in einem Gespräch mit Energieexperten in ihrem Haus von der Möglichkeit des Erhalts von Steuervergütungen im Rahmen des sog. Spitzenausgleichs erfahren. Das beklagte Hauptzollamt sei nach § 89 AO verpflichtet gewesen, entweder ihre Anträge als solche für sämtliche Vergütungen aufzufassen oder sie fristgemäß darauf hinzuweisen, dass sie für weitere Vergütungsansprüche gesonderte Anträge habe stellen müssen. Dies habe sich aufgedrängt, weil sie als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes Vergütungsanträge nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG gestellt habe. Soweit das beklagte Hauptzollamt geltend mache, mit einem Rundschreiben vom 15. Oktober 2003 auf die Möglichkeit einer Vergütung von Stromsteuer nach § 10 StromStG hingewiesen zu haben, sei ihr dieses Schreiben nicht zugegangen. Das Schreiben habe ihr auch nicht zugehen können, weil es an die ........... GmbH und nicht an sie adressiert gewesen sei.

Die Steuervergütungen seien zumindest im Billigkeitsweg zu gewähren. Das beklagte Hauptzollamt habe weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe geprüft, weil es zu Unrecht angenommen habe, dass § 227 AO nicht entsprechend auf Steuervergütungen anzuwenden sei. Wie sie im Verwaltungsverfahren dargelegt habe, werde ihre wirtschaftliche Existenz durch eine Versagung der Steuervergütungen gefährdet. Sie sei zur Aufrechterhaltung ihrer Liquidität dringend auf die Vergütungen angewiesen.

Die Klägerin hat eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 80 ff. der Gerichtsakte).

Die Klägerin beantragt,

1. das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheids vom 12. Juni 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2006 zu verpflichten, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;

2. hilfsweise das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheids vom 12. Juni 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2006 zu verpflichten, die von ihr am 16. Mai 2006 beantragten Steuervergütungen im Wege einer Billigkeitsentscheidung festzusetzen.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Es treffe nicht zu, dass die Klägerin erst im April 2006 von der Möglichkeit einer Steuervergütung nach § 10 StromStG erfahren habe. Sie sei bereits mit Schreiben vom 15. Oktober 2003 auf die Möglichkeit einer Vergütung der Stromsteuer nach § 10 StromStG hingewiesen worden. Das beklagte Hauptzollamt hat ein Rundschreiben vom 15. Oktober 2003 vorgelegt, auf das Bezug genommen wird (Bl. 86 f. der Gerichtsakte).

Entscheidungsgründe:

Der Klage ist mit dem Hauptantrag als Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zulässig. Grundsätzlich ist die Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag zwar ein unselbständiger Teil der Hauptsacheentscheidung und daher nicht selbständig anfechtbar (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 2. Oktober 1986 IV R 39/83, BStBl II 1987, 7; vom 2. März 1993 IX R 75/89, BFH/NV 1993, 578). Anderes gilt jedoch, wenn die Finanzbehörde - wie im Streitfall - durch einen selbständigen Verwaltungsakt isoliert über eine Wiedereinsetzung entschieden hat (Niedersächsisches Finanzgericht - FG -, Urteil vom 9. Oktober 1985 III (VII) 637/84, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 54; Tipke in Tipke/Kruse, AO § 110 Rdnr. 102; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 110 Rdnr. 587).

Der Klägerin fehlt für ihr Wiedereinsetzungsbegehren auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Festsetzungsfrist war bei Antragstellung am 16. Mai 2006 abgelaufen. Nach den §§ 155 Abs. 4, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 MinöStG und § 1 Abs. 1 Satz 3 StromStG galt für die Festsetzung der Steuervergütungen eine Festsetzungsfrist von einem Jahr. Die Frist begann nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Vergütungsansprüche entstanden sind (Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 170 Rdnr. 3). Gemäß § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Für das Entstehen eines Steuervergütungsanspruchs ist allein das Vorliegen der materiellen Vergütungsvoraussetzungen erforderlich, ohne dass es der Durchführung eines Festsetzungsverfahrens bedarf (BFH-Urteil vom 30. März 1993 VII R 108/92, BFH/NV 1993, 583). Nach § 10 Abs. 1 StromStG entsteht der Vergütungsanspruch dadurch, dass ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes versteuerten Strom für betriebliche Zwecke entnimmt. Der Vergütungsanspruch nach § 25a Abs. 1 MinöStG entsteht mit der Verwendung der dort aufgeführten versteuerten Mineralöle durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes zu begünstigten Zwecken. Die Antragstellung ist nach beiden Bestimmungen keine tatbestandliche Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruchs, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Steuervergütung durch die Finanzbehörde. Die Vergütungsansprüche der Klägerin sind daher in den Jahren 2003 und 2004 entstanden mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und des 31. Dezember 2004 begann. Dem steht § 10 Abs. 2 StromStG nicht entgegen, weil die Ermittlung der Höhe des Vergütungsanspruchs nicht dessen Entstehung, sondern nur dessen Festsetzung betrifft. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO hat hinsichtlich der Stromsteuer (§ 170 Abs. 2 Satz 2 AO) nicht zu einem abweichenden Beginn der Festsetzungsfrist geführt, weil keine Verpflichtung zur Abgabe eines Vergütungsantrags besteht (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331, BStBl II 2001, 432).

Der Klageantrag zu 1. ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 12. Juni 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Das beklagte Hauptzollamt hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin wegen der Versäumung der Festsetzungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Bescheid vom 12. Juni 2006 ist zunächst nicht deshalb rechtswidrig, weil das beklagte Hauptzollamt durch einen selbständigen Verwaltungsakt isoliert über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden hat. Der Senat vermag insoweit nicht der vom Niedersächsischen FG in seinem Urteil in EFG 1986, 54 und von Tipke in Tipke/Kruse, AO § 110 Rdnr. 102 vertretenen Auffassung zu folgen, wonach ein Verwaltungsakt, mit dem isoliert über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden wird, allein deshalb aufzuheben sei, weil eine solche Verfahrensweise unzulässig sei. Eine derartige Konsequenz lässt sich der bislang ergangenen Rechtsprechung des BFH nicht entnehmen. Danach hängt zwar die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und ihre Versagung mit der Entscheidung über die Frage, ob ein Rechtsbehelf fristgerecht eingelegt wurde, untrennbar zusammen (BFH-Urteil in BStBl II 1987, 7). Das bedeutet indes nur, dass die Finanzbehörde bei der abschließenden Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb der Rechtsbehelfsentscheidung nicht an frühere (formlose) Äußerungen zu dieser Frage im Einspruchsverfahren gebunden ist (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 82/88, BStBl II 1990, 277) und das Finanzgericht die von der Behörde getroffene Entscheidung uneingeschränkt überprüfen kann mit der Folge, dass es die Klage wegen Fristversäumnis auch dann abweisen kann, wenn die Behörde Wiedereinsetzung gewährt hat (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 578). Unbeschadet dessen ist einem Kläger mit einer isolierten Aufhebung der Entscheidung der Finanzbehörde über einen Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls nicht in den Fällen gedient, in denen - wie hier (s.u.) - eine Wiedereinsetzung ausscheidet. Denn dann wäre die Finanzbehörde gehalten, den Rechtsbehelf oder den Antrag sogleich wegen Fristversäumnis zu verwerfen bzw. abzulehnen. Dass die Klägerin an einer solchen rein formalen Entscheidung kein Interesse hat, zeigt ihr weiter gehender Antrag, mit dem sie die letztlich von ihr beantragten Steuervergütungen begehrt. Überdies blieb für das beklagte Hauptzollamt im Streitfall keine andere Möglichkeit, als über den Wiedereinsetzungsantrag durch Verwaltungsakt zu entscheiden, nachdem die fachkundig vertretene Klägerin gegen den ihre Vergütungsanträge ablehnenden Bescheid vom 22. Mai 2006 keinen Einspruch eingelegt hatte. Wäre dem Wiedereinsetzungsantrag zu entsprechen gewesen, wäre der ablehnende Bescheid vom 22. Mai 2006 gegenstandslos und unwirksam geworden (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 110 Rdnr. 559).

Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Festsetzungsfristen des § 169 Abs. 2 AO sind keine gesetzliche Fristen im Sinne der vorgenannten Bestimmung, weil sie nicht wiedereinsetzungsfähig sind (BFH-Urteil vom 19. August 1999 III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330; BFH-Beschluss vom 27. Februar 2007 III B 158/06, BFH/NV 2007, 1090). Soweit das FG Hamburg in seinem Urteil vom 19. Dezember 2006 4 K 107/06 die Auffassung vertreten hat, eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 18 Abs. 1 StromStV habe zur Folge, dass auch der Ablauf der Festsetzungsfrist geheilt werde, vermag dem der Senat nicht zu folgen (vgl. bereits das Senatsurteil vom 31. Oktober 2007 4 K 3170/06 VM, [...]). § 171 Abs. 3 AO setzt ausdrücklich voraus, dass der Antrag auf Festsetzung einer Steuervergütung vor Ablauf der Festsetzungsfrist und nicht vor Ablauf einer anderen Frist gestellt worden ist (Kruse in Tipke/Kruse, AO § 171 Rdnr. 10; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 171 Rdnr. 19). Dem FG Hamburg ist zwar einzuräumen, dass durch die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die versäumte und nachgeholte Verfahrenshandlung als rechtzeitig fingiert wird (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264). Wie jedoch § 110 Abs. 3 AO verdeutlicht, entfaltet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur Wirkung hinsichtlich der konkret versäumten Frist und nicht auch hinsichtlich anderer Fristen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Frist des § 18 Abs. 1 StromStV - sollte sie überhaupt erforderlich sein - kann daher nicht zur Folge haben, dass gleichzeitig eine Wiedereinsetzung in die abgelaufene und nicht wiedereinsetzungsfähige Festsetzungsfrist stattfindet. Überdies kann die auf § 171 Abs. 3 AO gestützte Argumentation des FG Hamburg hinsichtlich des Vergütungsanspruchs nach § 25a MinöStG nicht zum tragen kommen, weil die Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV) insoweit keine Antragsfrist vorsieht; § 47 MinöStV betrifft andere Vergütungstatbestände (vgl. Teichner in Teichner/Alexander/Reiche, Mineralölsteuer - Mineralölzoll, MinöStG § 25a Rdnr. 15).

Der Klageantrag zu 2 ist gleichfalls unbegründet. Der Bescheid vom 12. Juni 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechen (§ 101 Satz 2 FGO). Das beklagte Hauptzollamt hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin am 16. Mai 2006 beantragten Steuervergütungen im Wege einer Billigkeitsentscheidung festzusetzen.

Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des beklagten Hauptzollamts, dass Anspruchsgrundlage für das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren nicht § 227 AO sein kann. Zwar handelt es sich bei einem Vergütungsanspruch um einen solchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO). Es fehlt jedoch bei einem Begehren, das auf die Festsetzung einer Steuervergütung im Wege einer Billigkeitsmaßnahme gerichtet ist, an der von § 227 AO vorausgesetzten Abwehrsituation des Steuerpflichtigen (vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 227 Rdnr. 245). Deshalb ist § 227 AO auf Steuervergütungsansprüche nicht anwendbar (Loose in Tipke/Kruse, AO § 227 Rdnr. 5 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 2. Dezember 1977 III R 36/77, BFHE 124, 128, BStBl II 1978, 272).

Als Anspruchsgrundlage für das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren kommen indessen die §§ 155 Abs. 4; 163 Satz 1 AO in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2000 VI R 65/99, BFHE 193, 361, BStBl II 2001, 109 ; FG Baden-Württemberg, Urteil von 26. März 2003 2 K 359/01, EFG 2003, 908; Loose in Tipke/Kruse, AO § 163 Rdnr. 3; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 163 Rdnr. 17). Dabei steht allein der Umstand, dass Festsetzungsverjährung eingetreten ist, einer Billigkeitsmaßnahme nicht entgegen (BFH-Urteil vom 17. März 1987 VII R 26/84, BFH/NV 1987, 620). Das beklagte Hauptzollamt hat zwar nicht geprüft, ob die begehrten Steuervergütungen nach den §§ 155 Abs. 4; 163 Satz 1 AO festgesetzt werden können und daher keine eigene Ermessensentscheidung getroffen. Einer Ermessensentscheidung der Behörde bedarf es indessen nicht mehr, weil im Streitfall keine sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründe vorliegen.

Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist gegeben, wenn die Besteuerung im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist. Das ist der Fall, soweit nach dem erklärten oder mutmaßlichen - objektivierten - Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, der Gesetzgeber würde die Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beantragten Billigkeitsentscheidung beantwortet haben. Erfüllt ein Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand, läuft aber die Besteuerung den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, kann eine Billigkeitsmaßnahme gerechtfertigt sein. Umstände, die dem Besteuerungszweck entsprechen oder die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2005 V R 15/04, BFH/NV 2006, 499).

Ein unverschuldeter Rechtsirrtum des Steuerpflichtigen kann grundsätzlich keine sachliche Unbilligkeit begründen (BFH-Urteil vom 25. Juli 1967 II 46/64, BFHE 89, 374, BStBl III 1967, 661; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 227 Rdnr. 258). Bei einem eindeutigen Verstoß der Finanzbehörde gegen ihre Fürsorgepflicht nach § 89 Satz 1 AO, der hier noch in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl I, 3869) anzuwenden ist, kann es jedoch nach Treu und Glauben geboten sein, eine Billigkeitsmaßnahme zu erlassen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1985 I R 82/85, BFH/NV 1986, 506). Dabei ist indessen von dem Grundsatz auszugehen, dass die Finanzbehörde gegenüber einem Steuerpflichtigen keine umfassende Beratungspflicht trifft (BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 94/01, BFH/NV 2004, 25).

Ein eindeutiger Verstoß des beklagten Hauptzollamts gegen die aus § 89 Satz 1 AO folgende Fürsorgepflicht liegt nicht vor. Nach Auffassung des Senats musste es sich dem beklagten Hauptzollamt nicht allein auf Grund des Umstandes, dass die Klägerin Vergütungsanträge nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 MinöStG gestellt hatte, aufdrängen, dass sie auch solche nach § 25a MinöStG und nach § 10 StromStG hätte stellen wollen. Die von der Klägerin verwendeten Vordrucke (Bl. 47 ff. der Gerichtsakte) sahen eine Vergütung von Mineralölsteuer nach § 25a MinöStG und eine Vergütung von Stromsteuer nach § 10 StromStG nicht vor. Auch sonst gab es nach den dem Senat vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin seinerzeit weiter gehende Steuervergütungen beantragen wollte. Der Senat vermag daher im Streitfall keine besonderen Umstände zu erkennen, auf Grund derer das beklagte Hauptzollamt ausnahmsweise verpflichtet gewesen sein könnte, die Klägerin auf die Stellung von weiteren Vergütungsanträgen hinzuweisen. Unbeschadet dessen kann auch deshalb kein eindeutiger Verstoß des beklagten Hauptzollamts gegen § 89 Satz 1 AO angenommen werden, weil es die Klägerin jedenfalls mit seinem Rundschreiben vom 15. Oktober 2003 (Bl. 86 f. GA) darauf hinweisen wollte, dass als weitere Vergütung der sog. Spitzenausgleich nach § 10 StromStG in Betracht kam. Wenn auch mit diesem Rundschreiben in erster Linie die neue Bankverbindung des beklagten Hauptzollamts mitgeteilt werden sollte, so enthielt es gleichwohl den deutlich hervorgehobenen "Hinweis nur für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes", der von einem aufmerksamen Leser nicht übersehen werden konnte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass in dem Rundschreiben ausdrücklich nur die Möglichkeit einer Steuervergütung nach § 10 StromStG genannt worden ist. Denn durch den Hinweis auf den sog. Spitzenausgleich und den Verweis auf die Internetseite der deutschen Zollverwaltung wäre es der Klägerin möglich gewesen, auch von der Existenz des Vergütungstatbestands des § 25a MinöStG Kenntnis zu erlangen. Selbst wenn die Klägerin das Rundschreiben - wie sie geltend macht - nicht erhalten haben sollte, kann in einem etwaigen Fehler des beklagten Hauptzollamts bei der Adressierung des Schreibens kein eindeutiger Verstoß gegen § 89 Satz 1 AO gesehen werden.

Im Streitfall kommt auch keine Billigkeitsmaßnahme wegen persönlicher Billigkeitsgründe in Betracht. Nach Auffassung des Senats kann es nicht Zweck einer Billigkeitsmaßnahme nach den §§ 155 Abs. 4, 163 Satz 1 AO sein, eine Steuervergütung nur deshalb festzusetzen, weil ein Steuerpflichtiger geltend macht, darauf wirtschaftlich angewiesen zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

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