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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.08.2008
Aktenzeichen: 4 V 2677/08 A(VM)
Rechtsgebiete: AO, MinöStG, VO 659/1999/EG


Vorschriften:

AO § 1 Abs. 1 S. 2
AO § 361 Abs. 2
MinöStG § 25 Abs. 3a Nr. 1.4
VO 659/1999/EG Art. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 V 2677/08 A(VM)

Tenor:

Die Vollziehung des Bescheids des Antragsgegners vom 09.06.2008 wird ab Fälligkeit bis einen Monat nach Ergehen der das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung, spätestens aber bis zu seiner Unanfechtbarkeit ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Rückforderung vergüteter Mineralölsteuer.

Der Antragsteller betrieb Unterglasanbau, für dessen Beheizung er Heizöl einsetzte. Hierfür erhielt er von 2001 bis 2003 Vergütungen nach § 25 Abs. 3a Nr. 1.4 des Mineralölsteuergesetzes MinöStG.

Mit Entscheidung vom 11.03.2008 stellte die Kommission fest, dass die Beihilferegelung für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft zum Beheizen von Gewächshäusern oder geschlossenen Kulturräumen zur Pflanzenproduktion gemäß dem Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes und dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform und dem Richtlinien-Umsetzungsgesetz hinsichtlich der Steuerermäßigung, der über das ursprüngliche Steuerniveau von 40,90 EUR/ 1.000 l Heizöl hinausgeht, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist. Zugleich forderte die Kommission Deutschland u.a. auf, die Beihilfe mit Zinsen nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen, zurückzufordern, Art. 4 der Entscheidung.

Mit Bescheid vom 09.06.2008 forderte der Antragsgegner vom Antragsteller 1.651,95 EUR Vergütung für die Jahre 2001 bis 2003 sowie 464,37 EUR Zinsen zurück.

Bei der Berechnung der Rückforderung und der Festsetzung der Vergütung berücksichtigte der Antragsgegner zugunsten des Antragstellers keine sog. De-minimis-Beihilfe von jeweils 3.000 EUR nach der Verordnung (EG) Nr. 1860/2004 der Kommission vom 6. Oktober 2004 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf De-minimis-Beihilfen im Agrarsektor (ABl. Nr. L 325/4) - VO 1860/2004 -.

Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlagen und Erläuterungen des Bescheids verwiesen.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller fristgerecht Einspruch ein, da die Rückforderung zu Unrecht erfolgt sei. Zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Rückforderung der geleisteten Vergütungen und Zinsen.

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 02.07.2008 ab, da die nach Art.14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. EG Nr. L 83/1) vorzunehmende Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahrensvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu erfolgen hätten, wenn hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung des Kommissionsentscheidung ermöglicht werde. Regelungen der AO seien nur insoweit anzuwenden, als sie nicht durch höherrangiges europäisches Recht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AO überlagert würden. Eine sofortige und tatsächliche Kommissionsentscheidung sei aber bei einer Aussetzung der Vollziehung nicht gewährleistet, so dass diese abzulehnen sei.

Zur Begründung seines am 15.07.2008 beim Finanzgericht eingegangenen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung trägt die Antragsteller u. a. vor, eine Aussetzung der Vollziehung gebe es auch nach nationalem Recht, da hier die Bemessungsgrundlage der Rückforderung und nicht die Rückforderung als solche angefochten werde.

Auch sei nicht ersichtlich, warum zu seinen Gunsten keine De-minimis-Beihilfe berücksichtigt worden sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Bescheids des Antragsgegners vom 09.06.2008 hinsichtlich der Rückforderung ab Fälligkeit auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Hierzu führt er aus, § 361 Abs. 2 AO sei mit der Entscheidung der Kommission und Art. 14 VO 659/1999 als höherrangigem Recht unvereinbar.

Jedenfalls sei der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unbegründet. Bei der Umsetzung des Kommissionsentscheidung habe kein Ermessen bestanden. Vertrauensschutzgesichtspunkte habe die Kommission in ihrer Entscheidung berücksichtigt, zumal sie wegen der nicht notifizierten Beihilfe die Rückforderung in einem Zeitraum von zehn Jahren hätte verlangen können, Art. 15 VO 659/1999.

Auch nach dem vom Antragsteller zitierten Urteil des BFH vom 12.10.2000, III R 35/95, liege grundsätzlich keine verbotene Rückwirkung vor, wenn mit dem gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen innerhalb der Fristen des Art. 15 Abs. 1 VO 659/1999 zurückgefordert würden.

Ein besonderer Härtefall sei nicht vorgetragen worden.

Zudem könne die Kommissionsentscheidung nicht vor nationalen Gerichten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.

II.

Der zulässige Antrag hat Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 S.1 i. V. m. § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO durch Art. 14 Abs. 3 VO 659/1999 nicht ausgeschlossen. Diese Vorschrift bestimmt zwar, dass die Rückforderung einer gemeinschaftsrechtwidrigen Beihilfe unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats zu erfolgen hat, wenn dadurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Damit ist aber die durch ein Gericht auszusprechende Aussetzung der Vollziehung eines vollziehbaren, die Rückforderung bestimmenden Verwaltungsakts nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr berührt Art. 14 Abs. 3 VO 659/1299 das Gerichtsverfahren grundsätzlich nicht. Insbesondere die Bestimmung in Satz 2 der Vorschrift, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, im Fall eines vor ihren nationalen Gerichten stattfindenden Verfahrens alle verfügbaren erforderlichen Schritte zu unternehmen, kann nur so verstanden werden, dass die Mitgliedstaaten durch ihre jeweils zuständigen Verwaltungen vor ihren Gerichten dafür zu sorgen haben, dass die Kommissionsentscheidung durchgesetzt wird. Dies aber schließt vorläufigen Rechtsschutz vor den Gerichten der Mitgliedstaaten nicht aus.

Zudem würde jede andere Entscheidung in unzulässiger Weise den durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes zu gewährenden effektiven Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt verkürzen.

Daher kann das Finanzgericht auch im Streitfall gemäß § 69 Abs. 3 S.1 i. V. m. § 69 Abs. 2 FGO die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind dann anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen auslösen, ohne dass eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels erforderlich ist (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt BFH, Beschluss vom 30.10.2007 V B 170/07, BFH/NV 2008, 627 f.).

Von diesem Entscheidungsmaßstab ist im Streitfall auszugehen, da nicht die Rückforderung selbst, sondern nur ihre Berechnung, nämlich die Berücksichtigung der sog. De-minimis-Beihilfe zum Erfolg des Antrags führt. Die Berechnung dieser - erlaubten - Beihilfe stellt nämlich kein Verwaltungshandeln dar, für das die Anwendung der engeren Voraussetzungen vorläufigen Rechtsschutzes nach Gemeinschaftsrecht (s. EuGH Urteile v. 21. Februar 1991 C-143/88 und C-92/89 Rzn. 23 ff. Slg. 1991 I-415; v. 9. November 1995 C465/93 Rz. 51, Slg. 1995 I-3761) in Betracht kommen könnte, weil nicht die Kommissionsentscheidung, sondern die Berechnung der Rückforderung, die im Streitfall allein von der nationalen Verwaltung vorzunehmen ist, streitig ist.

An der Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids bestehen nämlich ernstliche Zweifel, denn der angefochtene Bescheid des Antragsgegners lässt nicht erkennen, warum er zugunsten des Antragstellers keine De-minimis-Beihilfe berücksichtigt hat.

Daran bestehen erhebliche Zweifel, weil die nach ihrem Art. 6 zum 01.01.2005 in Kraft getretene VO 1860/2004 nach ihrem Art. 5 Abs. 1 auch für Beihilfen gilt, die wie im Streitfall vor ihrem Inkrafttreten gewährt worden sind. Der Antragsteller hat nämlich von 2001 bis 2003 Mineralölsteuervergütungen erhalten, die insgesamt die Höhe der De-minimis-Beihilfen nicht erreichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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