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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 5 K 150/06 U
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14
UStG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Umsatzsteuerbescheid für 1997 vom 20.02.2007 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um "XXX.583, 27" DM herabgesetzt wird.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen bis zum 20.02.2007 die Klägerin zu 11% und der Beklagte zu 89%, danach der Beklagte zu 100%.

Der Streitwert wird festgesetzt bis zum 20.02.2007 auf "YYY.389,00" DM, danach bis zum 14.01.2009 auf "AAA.000,00" DM und danach auf "XXX.583, 27" DM.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist der Abzug von Vorsteuern aus Rechnungen im Zusammenhang mit dem Verkauf der "L-AG", "C-Stadt" ("L") und deren in- und ausländischen Tochtergesellschaften.

Die Klägerin ist umsatzsteuerlich Organträgerin diverser zum Organkreis gehörender Gesellschaften, u. a. der "M-GmbH", "E-Stadt" ("M"). An der "L" waren die "M" zu 59 %, eine "B-GmbH" zu 40 % und eine "O-GmbH" zu 1 % beteiligt. "L" war gleichzeitig unmittelbar und mittelbar Allein- und Mehrheitsgesellschafterin verschiedener ausländischer Tochtergesellschaften. Die Geschäftsanteile von zwei weiteren vom Verkauf betroffenen Gesellschaften, "L" Corporation "..." (Kanada) und "L" Mexico S.A. de C.V., "D-Stadt" (Mexico), wurden über "L" "P" Inc., "Z-Stadt" (USA), "MB" Inc., "S-Stadt" (USA), "MD" Corporation, "H-Stadt" (USA) und "M" mittelbar von der Klägerin gehalten.

Die Geschäftsanteile (Aktien) der "L" (die Beteiligung der "M" von 59 % sowie der von "M" zuvor von der "B-GmbH" erworbene Anteil von 40 %) wurden mit Vertrag vom 06.11.1996 von "M" an die "U-Inc.", "Q-Stadt", "Bundesstaat A" (USA) veräußert. Der Vertrag sah in § 10 einen Closing-Termin vor, an dem alle vertraglichen Bedingungen erfüllt sein mussten und das Geschäft Zug um Zug vollzogen werden musste. Zudem vereinbarten die Parteien in § 22 eine Vertragsübernahme auf verbundene Unternehmen des Käufers oder Verkäufers vor Erfüllung des Kaufvertrages. Von diesem Recht machte der Käufer, die "U-Inc.", USA, Gebrauch, indem sie vor der dinglichen Übertragung der Anteile ihre inländische Tochtergesellschaft, die "U" Germany GmbH, "G-Stadt", formgerecht als Leistungsempfänger bestimmte. Die Anteile gingen dann in Vollzug des Kaufvertrages am 07.01.1997 auf die "U" GmbH über. Ebenfalls am 06.11.1996 schlossen die "L" "P" Inc., "Z-Stadt" (USA), als Veräußerin und die "UB" Company Inc., "V-Stadt" (USA), als Erwerberin einen Vertrag über den Verkauf der Geschäftsanteile und des Produktionsvermögens ("Asset Purchase and Transfer Agreement") an der "L" Corporation, "..." (Kanada) und "L" Mexico S.A. de C.V., "D-Stadt" (Mexico).

Im Zusammenhang mit dem Verkauf der "L"-Gruppe nahmen die Klägerin bzw. die "M" Beratungsleistungen in Anspruch. Aus den entsprechenden Rechnungen der "F-GmbH" vom 13.01.1997 an die Klägerin und der Rechtsanwälte "I" pp. vom 14.01.1997 an die "M" beanspruchte sie den Vorsteuerabzug i. H. v. "BBB.510,79" DM und "AAA.000" DM.

Aufgrund von Betriebsprüfungen bei der Klägerin und der "M" für den Zeitraum der Wirtschaftsjahre 1995/96 bis 1997/98 durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung "J-Stadt" wurden neben weiteren unstreitigen Änderungen vorgenannte Vorsteuern i. H. v. insgesamt "XXC.510,79" DM für das Streitjahr 1997 gekürzt (vgl. Berichte vom 08.09.2003). Nach Auffassung der Betriebsprüfung seien die Vorsteuern nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) vom Abzug ausgeschlossen, da die bezogenen Beratungsleistungen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 8 f UStG (Aktienverkauf) stünden. § 15 Abs. 3 Nr. 2 b UStG greife nicht, da an einem inländischen Leistungsempfänger veräußert worden sei.

Der Beklagte erließ unter dem 21.11.2003 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1997. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Gegen die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 09.12.2005 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Sie trägt vor:

Entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung berechtigten die empfangenen Beratungsleistungen zum vollen Vorsteuerabzug. Hinsichtlich des Verkaufs des inländischen Aktienpakets an die "U" Inc. (USA) seien im Inland nicht steuerbare Umsätze beabsichtigt gewesen, hinsichtlich des Verkaufs der ausländischen Tochtergesellschaften seien im Inland nicht steuerbare Umsätze tatsächlich ausgeführt worden (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 b, § 3 a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 6 a UStG. Zum Zeitpunkt, in dem die Beratungsleistung in Anspruch genommen worden seien (vor dem Vertragsschluss am 06.11.1996), sei insgesamt von nicht steuerbaren Umsätzen auszugehen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Vorsteueranspruch entstanden. Die hinsichtlich des inländischen Aktienpakets später davon abweichend tatsächlich durchgeführten Umsätze (Leistung an inländische "U" GmbH) könnten für die Beurteilung des Vorsteueranspruchs nicht herangezogen werden.

Der Käufer ("U" Inc., USA) habe seine Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag erst am 07.01.1997 auf seine deutsche Tochtergesellschaft übertragen. Auf diese Entscheidung habe die Klägerin bzw. die "M" keinen Einfluss gehabt; insbesondere auch nicht darauf, dass der Käufer seine Rechte überhaupt und ob er sie dann auf eine in- oder ausländische Tochtergesellschaft übertrage. Eine spätere Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15 a UStG komme nach der in den Streitjahren gültigen Fassung der Vorschrift ebenfalls nicht in Betracht.

Soweit die Beratungsleistungen den Verkauf der beiden ausländischen Gesellschaften der "L"-Gruppe betroffen hätten, werde die Vorsteuerabzugsberechtigung vom Beklagten ausschließlich und unzutreffend damit verneint, dass diese Gesellschaften dem nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin zuzurechnen sein. Die "L" habe jedoch sowohl im Inland als auch mit ihren ausländischen Gesellschaften im Wesentlichen Kunststofftanks für die "K-industrie" hergestellt. Die Produktion sei identisch gewesen. Die einzelnen Produktionsstandorte hätten zusammen gearbeitet. Wegen der besonderen Anforderungen der "K-industrie" seien Standorte "vor Ort" notwendig gewesen. Dass die "L"-Gruppe wirtschaftlich als ein Unternehmen gesehen worden sei, habe sich insbesondere bei deren Verkauf gezeigt. Interesse habe nur am Kauf der gesamten Gruppe bestanden. Der erhebliche Kaufpreis sei vom Erwerber auch nicht für die relativ wertlosen Holdinggesellschaften, sondern für deren Beteiligungen an den Produktionsgesellschaften gezahlt worden. Demgegenüber sei unerheblich, dass aus rechtlichen (organisatorischen) Gesichtspunkten die Zwischenschaltung ausländischer Holdings, die zu 100 % zum "M"-Konzern gehörten, für notwendig erachtet worden sei.

Soweit mit der Klage ursprünglich auch die Behandlung bestimmter innergemeinschaftlicher Lieferungen i. H. v. "DDD.986" DM als steuerpflichtig wegen fehlender bzw. ungültiger Umsatzsteueridentifikationsnummern angegriffen worden ist, hat der Beklagte dem Klagebegehren nach Vorlage entsprechender Unterlagen durch die Klägerin während des Klageverfahrens durch einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 20.02.2007 entsprochen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 hat der Senat die Beteiligten auf Folgendes hingewiesen: Auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) sei für den Streitfall davon auszugehen, dass die getätigten Aktienverkäufe nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fielen, weil sie keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellten. Mangels steuerbarer und damit auch nach § 4 Nr. 8 f UStG steuerfreier Umsätze greife das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht. Entscheidend sei vielmehr, dass die hier bezogenen Eingangsleistungen als sogenannte allgemeine Kosten mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmens der Klägerin zusammenhingen. Die Vorsteuern seien danach grundsätzlich insoweit abzugsfähig, als keine den Vorsteuerabzug ausschließenden Ausgangsumsätze getätigt worden seien (§ 15 Abs. 4 UStG).

Soweit die Klägerin im Übrigen den Vorsteuerbetrag i. H. von "BBB.510,79" DM für das Streitjahr 1996 beanspruche, dürfte dies keinen Erfolg haben. Der Anspruch sei im Streitjahr 1997 zu verfolgen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Klägerin beantragt im Anschluss an den rechtlichen Hinweis des Senats in Erweiterung ihres bisher für das Streitjahr 1997 gestellten Antrags,

den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 20.02.2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um "XXX.583,27" DM herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er trägt vor:

Der noch streitige Vorsteuerabzug stehe der Klägerin nicht zu.

Soweit die bezogenen Beratungsleistungen den Verkauf des inländischen Aktienpaketes der "L" beträfen, greife die Abzugsbeschränkung des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

Bei der Beurteilung der Verwendungsabsicht sei im Falle einer vereinbarten Vertragsübernahme darauf abzustellen, wem gegenüber letztlich die kaufvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen gewesen seien. Nach dem Vertrag mit der "F-GmbH" sei deren Erfolgshonorar mit Wirksamwerden des Kaufvertrages pro rata fällig geworden. Die Leistung sei danach mit Abschluss des Kaufvertrages bezogen. Beide Rechnungen (der "F-GmbH" vom 13.01.1997 und der Rechtsanwälte "I" pp. vom 14.01.1997) datierten zeitlich nach dem Erfüllungsgeschäft (Closing). Bei Prüfung der Steuerbarkeit oder Steuerfreiheit des Aktienverkaufs habe die "U-GmbH" als Käufer festgestanden.

Hinsichtlich des Verkaufs der beiden ausländischen Beteiligungen beträfen die bezogenen Leistungen den nichtunternehmerischen Bereich (Vermögensbereich) der Klägerin. Die Geschäftsanteile seien in dritter Stufe über zwei ausländische Holdinggesellschaften, die jeweils die Funktion einer Finanzholdung erfüllt hätten, gehalten worden. Die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin greife nicht auf die verkauften ausländischen Beteiligungen durch.

Auf den rechtlichen Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 haben sich die Beteiligten weiter wie folgt eingelassen:

Der Beklagte hält an seiner Rechtssauffassung fest, dass der Vorsteuerabzug ausscheide, da es sich bei der Veräußerung der Gesellschaftsanteile um einen steuerbaren und gem. § 4 Nr. 8 f UStG steuerfreien Hilfsumsatz handele, der den Vorsteuerabzug ausschließe (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 26.01.2007 IV A 5 S 7300-10/07, Bundessteuerblatt BStBl I 2007, 211, dort Tz. 13). Bei der hier vorliegenden Organschaft zwischen der Klägerin und der "L"-Gruppe gehöre die Beteiligung zum Unternehmensvermögen. Mit dem Verkauf der Beteiligung habe die Klägerin ein Hilfsgeschäft getätigt, das der Umstrukturierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten gedient habe. Die streitigen Vorsteuern seien dem steuerfreien Hilfsumsatz direkt zuzuordnen.

Auch eine Geschäftsveräußerung bzw. Teilgeschäftsveräußerung im Ganzen i. S. d. § 1 Abs. 1 a UStG könne im Streitfall nicht angenommen werden. Beim Verkauf der Beteiligung könne der erforderliche Wechsel des Unternehmens vom bisherigen Organträger auf den Erwerber schon begrifflich nicht (mehr) erfolgen, da die Unternehmereigenschaft zuvor auf die bisherige Organgesellschaft übergegangen sei. Die bisherige Organgesellschaft bleibe selbstständiger Unternehmer. Eine Beteiligung erfülle nicht die Voraussetzungen eines Teilvermögens i. S. d. Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17.05.1977 zur Harmoniesierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Außerdem sei nicht bekannt, ob der Erwerber Unternehmer gewesen sei und die Beteiligung für das eigene Unternehmen erworben habe.

Die Klägerin hält den Vorsteuerabzug aus den vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2008 genannten Gründen für gegeben.

Sie ist darüber hinaus der Auffassung, dass sich die Nichtsteuerbarkeit der Anteilsveräußerung bereits mit § 1 Abs. 1 a UStG begründen lasse. Umsatzsteuerlich liege im Streitfall nicht der Verkauf einer reinen Beteiligung vor, deren Vermögen umsatzsteuerlich zu einem anderen Unternehmen als dem der Klägerin gehöre, sondern es sei in vollem Umfang Unternehmensvermögen der Klägerin (ein gesondert geführter Betrieb) veräußert worden. Erst der Verkauf habe den Wegfall der Organschaft verursacht, ohne dass zuvor - wie es der Beklagte voraussetze - in einer juristischen Sekunde die Unternehmereigenschaft auf die bisherige Organgesellschaft übergegangen sei.

Für den Fall, dass gleichwohl ein steuerbarer, aber steuerfreier Umsatz angenommen werde, verweist die Klägerin im Übrigen auf ihre bisher im Verfahren schriftsätzlich vorgebrachten Argumente für eine Vorsteuerabzugsberechtigung.

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 1997 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung FGO . Die Umsatzsteuer für 1997 ist dem Klageantrag entsprechend um "XXX.583,27" DM niedriger festzusetzen, § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO.

Der Beklagte hat den beantragten Vorsteuerabzug in dieser Höhe zu Unrecht versagt. Er hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe mit der Veräußerung der Anteile an der "L"-Gruppe einen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe f UStG steuerfreien Umsatz getätigt mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei.

Ein Unternehmer kann die in Rechnungen i. S. d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Verwendet der Unternehmer eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 S. 1 UStG). Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG).

Nach Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer, die im Inland geschuldete und entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG "... der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt". Nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung wird dieser "Pro-rata-Satz ... nach Art. 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgestellt". Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG lautet wie folgt: "Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;

im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. ..."

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG bzw. des Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG sind hier erfüllt.

Die jeweiligen Rechnungsersteller haben der Klägerin bzw. ihrer Organgesellschaft, der "M", die in Rechnung gestellten Beratungsleistungen erbracht. Die Beratungsleistungen wurden auch für das Unternehmen der Klägerin erbracht, bzw. für Zwecke ihrer besteuerten Umsätze verwendet.

Als Organträgerin war die Klägerin unstreitig über ihre Organgesellschaft "M" mit der "L"-Gruppe unternehmerisch tätig. Wie der Beklagte mit der in Bezug genommenen Stellungnahme der Betriebsprüfung vom 19.11.2008 (Bl. 106 ff. der Gerichtsakte) selbst ausführt, hat die Klägerin unmittelbar in die Verwaltung von "L" mit entgeltlichen administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen eingegriffen. Die verkaufte Gesellschaft war finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch über "M" in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert (Organschaft). Gerade bei Vorliegen einer solchen Organschaft liegt eine wirtschaftliche Betätigung mit dem Halten dieser Beteiligung vor (vgl. zur Organschaft bei Holding Gesellschaften in diesem Zusammenhang Wäger in Festschrift Reiß, 229 (241, 242)).

Soweit der Beklagte hinsichtlich der beiden ebenfalls verkauften ausländischen Tochtergesellschaften einen nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin annimmt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr hält er die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.07.2006 (Bl. 30 f. der Gerichtsakte) vorgetragenen Gründe für eine Zuordnung auch dieser ausländischen Gesellschaften zum unternehmerischen Bereich der Klägerin für überzeugend. Die Klägerin hat dargelegt, dass sowohl die inländische "L" als auch die ausländischen Gesellschaften bei der Entwicklung und Herstellung der produzierten Kunststofftanks zusammen gearbeitet hätten. Ansonsten gegebene Transportprobleme und die Notwendigkeit "Just-in-time" zu liefern, hätten Produktionsstandorte vor Ort erfordert. Insbesondere beim Verkauf habe sich gezeigt, dass die "L"-Gruppe wirtschaftlich als ein Unternehmen gesehen worden sei. Allein die aus rechtlichen Gründen vorgenommene Zwischenschaltung ausländischer Holdinggesellschaften vermag diesen wirtschaftlichen Zusammenhang nicht zu lösen und ist nach Auffassung des Senats daher nicht geeignet, insoweit einen nichtunternehmerischen Bereich zu begründen.

Der Vorsteuerabzug ist auch nicht - wie der Beklagte meint - nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

Entgegen seiner Auffassung sind die empfangenen Beratungsleistungen nicht der von ihm als steuerbarer, jedoch steuerbefreiter Hilfsumsatz angesehenen Veräußerung der Anteile der "L" zuzuordnen. Vielmehr stellen die für die Beratungsleistung aufgewandten Kosten so genannte allgemeine Kosten des Unternehmens der Klägerin dar.

Für die Beantwortung der Frage nach der Zuordnung der Eingangsumsätze zu bestimmten Ausgangsumsätzen kommt es zunächst darauf an, ob die Veräußerung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung (überhaupt) ein steuerbarer (Hilfs-)Umsatz ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen der bloße Erwerb, das bloße Halten und die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen keine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. der Richtlinie 77/388/EWG dar. Derartige Tätigkeiten fallen danach nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer (EuGH, Urteile vom 08.02.2007 Rs C-435/05 (Investrand), Rd.Nr. 25, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2007, 225; vom 26.05.2005 Rs. C-465/03 (Kretztechnik), Rd.Nr. 19, UR 2005, 382; vom 29.04.2004 Rs. C - 77/01 (EDM), Rd.Nr. 57, UR 2004, 292; vom 26.06.2003 Rs. C-442/01 (KapHag Renditefonds), Rd.Nr. 40, UR 2003, 443). Derartige Tätigkeiten fallen auch dann nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn - wie hier - die Beteiligung im unternehmerischen Bereich gehalten wird. Auch in diesem Fall stellt die Veräußerung der Beteiligung keine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Dies ergibt sich für den Senat insbesondere aus dem EuGH-Urteil vom 29.04.2004 Rs. C-77/01 (EDM), a. a. O., Rd.Nr. 57 ff. Dort grenzt der EuGH explizit und ausschließlich nur Umsätze bei einem Wertpapiergeschäft im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (Handel mit Aktien) ab. Auch in diesem vom EuGH entschiedenen Fall handelte es sich um eine Holding-Gesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, die mit ihrer sonstigen Haupttätigkeit wirtschaftliche Tätigkeiten i. S. der Richtlinie/77/388/EWG ausgeübt hat. Das Urteil des EuGH vom 26.05.2005 Rs.C-465/03 (Kretztechnik), a. a. O., und insbesondere auch die diesbezüglichen Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs, EuGH vom 24.02.2005 Rs C-465/03 (Kretztechnik), EuGHE 2005, I-04357-, Rd.Nr. 35 liefern eine weitere Klarstellung dahin, dass nach Auffassung des EuGH eine Veräußerung "bestehender" Aktien eine wirtschaftliche Tätigkeit nur dann ist, wenn sie im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit erfolgt, die den Handel mit Aktien zum Gegenstand hat. Auch in den Entscheidungen vom 14.11.2000 Rs. C-142/99 (Floridienne/Berginvest), UR 2000, 530 und vom 27.09.2001 Rs. C-16/00 (Cibo Participation), UR 2001, 500, hat der EuGH lediglich klargestellt, dass Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, wenn die Eingriffe in Form entgeltlicher Dienstleistungen erfolgen. Die wirtschaftliche Tätigkeit beschränkt sich bei richtigem Verständnis der Ausführung des EuGH aber auf diese Eingriffe. Für den EuGH ist nicht entscheidend, ob die Beteiligung im Rahmen des Unternehmens gehalten wurde oder nicht; entscheidend sind für ihn die Tätigkeiten, die zu bewerten sind. Andernfalls hätte, worauf beispielsweise Eggers/Korf in der Betrieb - DB - 2008, 719 (725) - nach Auffassung des Senats zu Recht - hinweisen, der EuGH u. a. im Urteil vom 27.09.2001 Rs. C-16/00 (Cibo Participation), a. a. O., entscheiden müssen, dass auch der Bezug von Dividenden in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer falle. Der Senat folgt damit der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass sich die Steuerbarkeit der Veräußerung der dem Unternehmen zugeordneten Beteiligungen zwingend auf den Fall des gewerblichen Wertpapierhandels beschränkt (Eggers/Korf, DB 2008, 719 (725); Feldt, UR 2007, 161 (169), dieser insbesondere auch zum Vergleich mit einer Geschäftsveräußerung im Ganzen; Englisch, UR 2007, 290; Mühleisen/Trapp, UR 2007, 633 (637); Wagner, Umsatz- und Verkehrssteuer-Rundschau - UVR - 2004, 310). Die gegenteilige Auffassung des BMF, Schreiben vom 26.01.2007, a. a. O. (und dieser folgend Wäger in Festschrift für Reiß, 229 (242); Schmidt, UVR 2006, 269 (271); Birkenfeld, Neue Wirtschaftsbriefe - NWB - 18/2008, Fach 7, 7041 (7043); eher kritisch zur Verwaltungsauffassung jedoch Feil/Roscher, Betriebsberater - BB - 2007, 1079 (1083)) beruht aus den vorgenannten Gründen auf einem Missverständnis der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung. Die Auffassung des BMF und damit auch des Beklagten widerspricht auch den im BFH-Urteil vom 01.07.2004 V R 32/00, BStBl II 2004, 1022 (Folgeentscheidung zum Urteil des EuGH vom 26.06.2003 Rs. C - 442/01 (KapHag Renditefonds), a. a. O.) dargelegten Rechtsgrundsätzen. Der BFH hat ausgeführt, dass eine - ansonsten unternehmerisch tätige - Personengesellschaft bei Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage (= Veräußerung einer Beteiligung an der Gesellschaft) an diesen keinen steuerbaren Umsatz und damit auch keinen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe f UStG steuerfreien Umsatz ausführe. Im Urteil vom 18.11.2004 V R 16/03, BStBl II 2005, 503 (im Fall Securenta) hat er betont, dass dieselben Grundsätze auch für Kapitalgesellschaften gelten.

Ist danach auch für den Streitfall davon auszugehen, dass die Beteiligungsveräußerung nicht steuerbar ist, hindert das den Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht (BFH, Urteil vom 01.07.2004 V R 32/00, a. a. O., m. w. N.). Die Klägerin hat zwar insoweit - wie dargelegt - keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Für den Vorsteuerabzug kommt es jedoch entscheidend darauf an, ob die Eingangsleistungen der allgemeinen wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin zuzuordnen sind. Dies ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann der Fall, wenn die Aufwendungen sogenannte allgemeine Kosten des Unternehmens darstellen, d. h. zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (so zuletzt EuGH, Urteil vom 13.03.2008 Rs.C - 437/06 (Securenta), Rd Nr. 27 m. w. N., UR 2008, 344). Der EuGH führt in Rdnr. 28 dazu weiter aus: "Demnach kann die Vorsteuer auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausgabe von Aktien und atypischen stillen Beteiligungen nur dann zum Abzug berechtigen, wenn das so erworbene Kapital für die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Betroffenen eingesetzt worden ist ...". Für den EuGH steht daher der Gesichtspunkt der Kapitalbeschaffung für die weitere unternehmerische Tätigkeit im Vordergrund. Dienen die Einnahmen der weiteren Finanzierung einer unternehmerischen Tätigkeit, so stellen die bei der Veräußerung bezogenen Eingangsleistungen allgemeine Kosten dar. So ist es im Streitfall. Wie der Beklagte selbst ausführt, diente der Verkauf der Beteiligungen der Umstrukturierung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin. Insofern unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Sachverhalt in dem Verfahren Securenta. Wie sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 05.10.2006 5 K 109/05, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 1946, Rd. Nr. 74, 75 ergibt, war für das dortige Gericht die teilweise Zuordnung der Eingangsleistungen zu einer nicht unternehmerischen (nicht wirtschaftlichen) Tätigkeit deshalb geboten, weil die dortige Klägerin - anders als die Klägerin im Streitfall - kein produzierendes Gewerbe ausübte und die Kosten im Zusammenhang mit der Ausgabe von Beteiligungen somit nicht Teil der Gemeinkosten waren, die sich allein im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auswirkten.

Die in den beiden Eingangsrechnungen ausgewiesenen Vorsteuern in Höhe von insgesamt "XXC.510,79" DM sind jedoch nicht vollständig, sondern - wie auch von der Klägerin beantragt - nur in Höhe von "XXX.583,27" DM abzugsfähig. Die Berechnung des abzugsfähigen Teils der Vorsteuern nach dem Pro-rata-Satz des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und Artikel 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt einen abzugsfähigen Teil von 99,86 %. Nach dem Umsatzsteuerbescheid für 1997 vom 20.02.2007 beträgt der Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze "E-E" DM und der Gesamtbetrag aller Umsätze (also einschließlich der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze) "F-F" DM. Die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden (nicht steuerbaren) Umsätze - wie hier die erzielten Erlöse aus den Anteilsveräußerungen - sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes nicht zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 Rs. C - 77/01 (EDM) a. a. O., Rd.Nr. 54); BFH, Urteil vom 01.07.2004 V R 32/00, a. a. O.).

In diesem Zusammenhang weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Selbst wenn - entgegen allen vorstehenden Ausführungen - mit dem Beklagten ein steuerbarer und steuerfreier Hilfsumsatz angenommen würde, wäre der Vorsteuerabzug nicht zu versagen. Denn wenn es sich um Hilfsumsätze i. S. des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG handelt, so dürfen sie als steuerfreie Finanz-Hilfsumsätze nicht bei der Pro-rata-Berechnung des abziehbaren Vorsteueranteils berücksichtigt werden; d. h. den Vorsteuerabzug nicht schmälern (EuGH , Urteil vom 29.04.2004 Rs. C - 77/01 (EDM) a. a. O.; vgl. auch Wagner, UVR 2004, 310 (311) mit Hinweis auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 27.09.2001 im Verfahren KapHag Renditefonds). Bei einer - wie hier - nur gelegentlichen Beteiligungsveräußerung werden regelmäßig nur in begrenztem Maße externe Beratungsleistungen eingekauft, so dass sie nach dem vom EuGH aufgestellten Maßstab nur Hilfsumsätze bilden (Englisch, UR 2007, 290, 299).

Da der Klage schon aus den vorstehenden Gründen in vollem Umfang stattzugeben war, lässt der Senat im Übrigen dahin stehen, ob die Klage auch aus den sonstigen von der Klägerin vorgetragenen Gründen Erfolg gehabt hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO und, soweit der Klägerin die

Kosten auferlegt worden sind, aus den §§ 138 Abs. 2 Satz 2, 137 Satz 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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