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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 5 K 3280/04 U
Rechtsgebiete: UStG, InsO, BGB


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 17
InsO § 103 Abs.1
InsO § 105
BGB § 641 Abs. 1
BGB § 651
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger ist aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts - AG - "F-Stadt" - Az.: "000 AA 1/01" - seit dem 1.5.2001 Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. "C" GmbH & Co. KG - im Folgenden: Gemeinschuldnerin -, die mit der Errichtung und Abwicklung von Bauvorhaben unternehmerisch tätig war.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei Umsatzsteuerforderungen, die im Zusammenhang mit der - erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach positiver Ausübung des Wahlrechts i.S.v. § 103 Abs.1 der Insolvenzordnung - InsO - durch den Kläger erfolgten - Fertigstellung von Bauwerken durch die Gemeinschuldnerin entstanden sind, um Masseverbindlichkeiten (§§ 53 - 55 der Insolvenzordnung), die gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter festzusetzen sind, oder um Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) handelt.

Während des Insolvenzverfahrens wurden in den Streitjahren 2001 und 2002 diverse, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnene Bauvorhaben von der Gemeinschuldnerin fertig gestellt und nach Beendigung der Arbeiten und nach Abnahme mit den Auftragebern endabgerechnet. Der Kläger hatte bezüglich dieser Bauvorhaben in allen Fällen sein ihm durch § 103 Abs.1 InsO eingeräumtes Wahlrecht dahingehend ausgeübt, dass er die Erfüllung der beidseitigen Verträge verlangt hatte. Hinsichtlich sämtlicher Bauvorhaben waren zwischen den Auftraggebern und der Gemeinschuldnerin keine Teilleistungen vereinbart worden und es wurden von der Gemeinschuldnerin bzw. dem Kläger auch keine Rechnungen über bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Teilleistungen erstellt. Weder fanden bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Abnahmen der bis dahin fertig gestellten Rohbauten durch die Auftraggeber statt, noch erhielten diese Zwischenabrechnungen entsprechend dem Stand der Bauleistungen. Allerdings hatte die Gemeinschuldnerin während der Bauphase Abschlagsrechnungen erteilt.

In den in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter für die Gemeinschuldnerin eingereichten Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 erklärte der Kläger die Umsätze aus der Errichtung der Bauvorhaben lediglich in der Höhe, wie diese nach seiner Berechnung auf Arbeiten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahren am 1.5.2001 entfielen. Als Berechnungsgrundlage dienten dem Kläger hierbei die von den Bauleitern eingereichten Unterlagen, mit denen die monatlichen Bauleistungen und Baufortschritte dokumentiert wurden. Ein Abgleich der hieraus gewonnenen Ergebnisse mit den Auftraggebern der Bauobjekte fand in keinem Fall statt. Soweit das Entgelt für die fertig gestellten Bauvorhaben nach dieser Berechnung auf vor dem 1.5.2001 erbrachte, aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgerechnete Arbeiten entfiel, ist der Kläger unter Berufung auf ein neueres Urteil des BGH vom 25.4.2002 (IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, WM 2002, 1199) der Ansicht, dass die hierauf entfallende Umsatzsteuer den Insolvenzforderungen i.S. von § 38 der InsO zuzuordnen sei mit der Folge, dass die vom Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter für die fertig gestellten Bauvorhaben vereinnahmten Entgelte um 3.063.250,32 € für das Jahr 2001 und um 2.962.379,- € für das Jahr 2002 zu mindern seien.

Im Rahmen einer bei der Gemeinschuldnerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Prüfungsbericht vom 22.5.2003) gelangte der Prüfer unter Bezugnahme auf § 13 Abs.1 Nr.1a) Umsatzsteuergesetz - UStG - zu der Auffassung, dass das vereinnahmte Entgelt für die in den Jahren 2001 und 2002 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Gemeinschuldnerin fertig gestellten Bauvorhaben in voller Höhe bei den gegen den Kläger als Insolvenzverwalter gerichteten Umsatzsteuerfestsetzungen zu berücksichtigen sei und es sich bei den hierauf entfallenden Umsatzsteuern um Masseverbindlichkeiten handele. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seien lediglich zwischen der Gemeinschuldnerin und deren Auftraggebern bestehende Verträge über die Durchführung von Bauvorhaben, mit deren Errichtung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen worden sei, aufgrund des vom Kläger gem. § 103 Abs.1 InsO ausgeübten Erfüllungswahlrechts abgewickelt worden. Da zwischen der Gemeinschuldnerin und den Auftraggebern in keinem Fall Teilleistungen vereinbart worden seien, seien die Umsätze nach § 13 Abs.1 Nr.1a) UStG erst mit der Fertigstellung und Abnahme der Bauvorhaben während des Insolvenzverfahrens erbracht worden und die hierauf entfallende Umsatzsteuer insgesamt den Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs.1 InsO zuzuordnen. Lediglich, soweit von der Gemeinschuldnerin bereits vor Insolvenzeröffnung Abschlagszahlungen abgerechnet und vereinnahmt worden seien, seien die hierauf entfallenden Umsatzsteuerbeträge als Insolvenzforderungen zu qualifizieren. Die von dem Kläger vorgenommene zeitliche Abgrenzung der vereinnahmten Entgelte nach Leistungsausführung könne umsatzsteuerlich nicht anerkannt werden.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erhöhte in den Umsatzsteuerbescheiden 2001 vom 17.7.2003 und 2002 vom 10.8.2004 die steuerpflichtigen Umsätze des Klägers um die von ihm herausgerechneten Beträge.

Hiergegen richtet sich - nachdem der Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 5.5.2004 als unbegründet zurückgewiesen wurde - die fristgemäß eingegangene Klage.

Nach Auffassung des Klägers habe das FA in den Umsatzsteuerbescheiden 2001 vom 17.7.2003 und 2002 vom 23.8.2005 die Umsatzsteuer deswegen zu hoch festgesetzt, weil es bei der Festsetzung zu Unrecht den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung (vgl. Tz.14 des USt.-Sp.-Bericht vom 22.5.2003, Prüfungszeitraum: 1.5. bis 31.12.2001 und Oktober 2002) gefolgt sei.

Nach Ansicht des Klägers habe der Prüfer in seinem Bericht fälschlich nicht berücksichtigt, dass es sich bei den von der Gemeinschuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnenen und vom Insolvenzverwalter erst in den Streitjahren fertiggestellten und endabgerechneten Bauleistungen nach einem neueren Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteil vom 25. April 2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, WM 2002, 1199) um teilbare Leistungen i.S.v. § 105 InsO gehandelt habe. Diese Bauleistungen seien daher entsprechend dieser zivilrechtlichen Rechtsprechung auch umsatzsteuerlich in einen Anteil vor Insolvenzeröffnung und in einen Anteil nach Insolvenzeröffnung aufzuteilen. Nur, soweit Umsatzsteuer auf die - bei dieser Aufteilung - erst nach Insolvenzeröffnung erbrachten Bauleistungen entfalle, dürfe diese Steuer als Masseforderung i.S.v. § 55 Abs.1 InsO in den streitigen Umsatzsteuerfestsetzungen 2001 und 2002 gegen den Kläger als Insolvenzverwalter in Ansatz gebracht werden.

Eine derartige Aufteilung der Bauleistungen sei sachgerecht anhand der von den Bauleitern monatlich gemeldeten Bauleistungen und Baufortschritte vor und nach der Insolvenzeröffnung vorzunehmen. Diesbezüglich verweist der Kläger auf die von ihm dem Gericht mit Schreiben vom 24.9.2004 vorgelegten Unterlagen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Eine nachträgliche Vereinbarung von Teilleistungen sei dem Kläger nicht möglich gewesen, da der Versuch, die offenen Bauvorhaben nach seiner Einsetzung als Insolvenzverwalter auf eine neue vertragliche Grundlage zu stellen, die Geschäfte insgesamt in ihrem Bestand gefährdet hätte.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5.5.2004 die Umsatzsteuerbescheide 2001 vom 17.7.2003 und 2002 vom 23.8.2005 dahin gehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2001 um 490.120,04 € und für 2002 um 473.980,64 € herabgesetzt wird;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA bezieht sich in seinem Klageabweisungsantrag auf die Feststellungen des Umsatzsteuersonderprüfers in dessen Bericht vom 22.5.2003 und auf den in dieser Sache bereits ergangenen Beschluss des Senats 5 V 4859/03 A(U) vom 25.2.2004, mit dem die vom Kläger gemäß § 69 Abs.3 und 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -beantragte Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2001 und des seinerzeit noch wirksamen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für Oktober 2002 abgelehnt wurde. Hiernach ist das FA der Auffassung, dass eine Aufteilung der Bauleistungen in solche vor und solche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens deshalb ausgeschlossen sei, weil hinsichtlich dieser Leistungen mit den Auftraggebern der Gemeinschuldnerin bzw. mit dem Kläger keine Teilleistungen i.S.v. § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) UStG vereinbart gewesen seien. Mangels gesondert vereinbarter Teilleistungen sei daher gem. § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) UStG von einheitlichen Bauleistungen auszugehen, die mit Fertigstellung der jeweiligen Bauwerke und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt worden seien. Die Steuern seien daher als Masseforderungen gegen den Kläger als Insolvenzverwalter festzusetzen, wobei gem. § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) Satz 4 UStG die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon versteuerten Abschlagszahlungen - wie in den streitigen Bescheiden auch unstreitig berücksichtigt - in Abzug zu bringen seien.

Während des Klageverfahrens hat das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung 2002 durchgeführt und hierbei den zunächst vom Kläger angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Oktober 2002 durch den Jahresbescheid 2002 vom 23.8.2005 ersetzt.

In der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten dahingehend verständigt, dass die vom Kläger - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - vorgenommene Aufteilung der Ausgangsumsätze in einen Anteil vor und einen nach Ergehen des Insolvenzeröffnungsbeschlusses rechnerisch zutreffend ist.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger durch die von ihm angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2002, wobei der Jahresbescheid für 2002 gemäß § 68 FGO anstelle des zunächst angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides Oktober 2002 zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 100 Abs.1 Satz 1 FGO).

Das FA hat in seinen Bescheiden zu Recht das von dem Kläger in den Streitjahren vereinnahmte Entgelt für die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Gemeinschuldnerin vertraglich vereinbarten und begonnenen und erst danach fertig gestellten Bauvorhaben der Umsatzsteuer unterworfen.

Die Umsatzsteuer entsteht für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten --wie hier-- mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG). Das gilt auch für Teilleistungen; sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG). Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG).

Die letztgenannte Vorschrift trägt nach der Gesetzesbegründung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe durch Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) Rechnung (vgl. BTDrucks 8/1779 S. 40). Wenn Anzahlungen geleistet werden, bevor die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung bewirkt ist, so entsteht nach dieser Bestimmung der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 2001, V R 68/00, BFHE 195, 446, BStBl II 2002, 255).

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die umsatzsteuerrechtlichen Leistungstatbestände (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) für sämtliche vom Kläger als Insolvenzverwalter - nach positiver Ausübung des Wahlrechts i.S.d. § 103 Abs.1 InsO - erbrachten Werkleistungen erst mit jeweiligem Ablauf der Voranmeldungszeiträume verwirklicht wurden, in denen die fertig gestellten Bauwerke endabgerechnet und abgenommen wurden.

Bei den ausgeführten Bauleistungen handelte es sich um Werklieferungen, die allesamt von den Auftraggebern erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in den Streitzeitjahren 2001 und 2002 abgenommen wurden. Gesondert abzurechnende Teilleistungen i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Sätze 2 und 3 UStG wurden bezüglich dieser Bauvorhaben mit den Auftraggebern der Gemeinschuldnerin unstreitig nicht vereinbart.

Da das Finanzamt auch die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Gemeinschuldnerin vereinnahmten und bereits entsprechend § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Satz 4 UStG der Umsatzsteuer unterworfenen Abschlagszahlungen bei der Festsetzung der streitigen Umsatzsteuerbeträge korrekt und entsprechend den Vorgaben des Bundesfinanzhofs - BFH - in dessen Urteil V R 68/00 vom 21. Juni 2001 (BFHE 195, 446, BStBl II 2002, 255) in Abzug gebracht hat, entsprechen die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen2001 und 2002 offensichtlich den gesetzlichen Vorgaben des § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) UStG.

Diese - § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) UStG entsprechende - Besteuerung der hier streitigen Umsätze in den angefochtenen Steuerbescheiden ist auch nicht aufgrund anders lautender Vorschriften des Insolvenzrechts i.S.d. Rechtsauffassung des Klägers zu modifizieren: Zwar gilt nach der Rechtsprechung des BFH während des Insolvenzverfahrens der Vorrang des Insolvenzrechts vor den steuerrechtlichen Vorschriften für das gesamte steuerrechtliche Festsetzungsverfahren und Erhebungsverfahren. Ausschlaggebend für die insolvenzrechtliche Begründung eines Steueranspruchs ist hiernach nicht der Zeitpunkt, zu dem die steuerrechtlichen Entstehungstatbestände erfüllt sind, sondern derjenige, in dem die zivilrechtlichen Grundlagen für die Entstehung des materiell-rechtlichen Steueranspruchs gelegt worden sind (vgl. Urteil des BFH vom 17. Dezember 1998, VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423).

Bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt fallen jedoch der Zeitpunkt der umsatzsteuerlichen Entstehung der Steuern auf die Werkleistungen gem. § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) Satz 1 UStG und der Zeitpunkt, in dem die zivilrechtlichen Grundlagen für die Entstehung des materiell-rechtlichen Steueranspruchs gelegt worden sind, nicht auseinander, sondern sind vielmehr deckungsgleich: Gemäß § 641 Abs.1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ist die Vergütung bei Abnahme des Werkes zu entrichten. Entsprechend ist für die Entstehung der Steuer gem. § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) UStG in der Regel der Zeitpunkt der Abnahme des Werkes maßgebend (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist; UStG-Kommentar, § 13, Rdnr. 79). Lediglich, wenn das Werk vereinbarungsgemäß in Teilen abzunehmen und eine Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt ist, ist die Vergütung bereits für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten (§ 641 Abs.1 Satz 2 BGB). Nichts anderes gilt für die hier in Frage stehenden Werklieferungsverträge betreffend die Errichtung von Gebäuden (vgl. § 651 BGB). Entsprechende Konsequenzen bezüglich des Entstehungszeitpunktes der Umsatzsteuer sieht § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) Sätze 2 und 3 UStG im Falle der werkvertraglichen Vereinbarung von Teilleistungen vor. Derartige Vereinbarungen von Teilabnahmen und -vergütungen wurden hier aber zwischen den Auftraggebern und der Gemeinschuldnerin bzw. dem Kläger als Insolvenzverwalter unstreitig nicht getroffen.

Einer Besteuerung der hier in Frage stehenden Werkleistungen widerspricht auch nicht - wie der Kläger meint - den Vorschriften der InsO bzw. dem von ihm angeführten Urteil des BGH IX ZR 313/99 vom 25.4.2002 (BGHZ 150, 353, WM 2002, 1199):

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass § 105 InsO - mit dem für die Zwecke des Insolvenzverfahrens die zivilrechtlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts (§ 641 BGB) modifiziert werden - schon seinem Wortlaut nach auf die hier zu beurteilende Abwicklung der offenen Bauvorhaben durch die Gemeinschuldnerin im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht anwendbar ist, da die hierin geregelte Aufteilung teilbarer Leistungen nur für Leistungen an die Gemeinschuldnerin gilt, jedoch keine Aussage betreffend der Leistungen enthält, welche die Gemeinschuldnerin selbst im laufenden Insolvenzverfahren nach positiver Ausübung des durch § 103 Abs.1 InsO dem Insolvenzverwalter eingeräumten Wahlrechts an ihre Vertragspartner erbringt.

Soweit der BGH in dem von dem Kläger angeführten Urteil IX ZR 313/99 vom 25.4.2002 (BGHZ 150, 353, WM 2002, 1199) ausführt, bei Bauleistungen sei grundsätzlich von deren "Teilbarkeit" auszugehen, so dürfen derartige "teilbare Leistungen" i.S.v. § 105 Satz 1 InsO nicht automatisch mit "Teilleistungen" i.S.v. § 641 Abs.1 Satz 2 BGB bzw. § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) UStG gleich zu setzen sein, da hierfür - neben der vom BGH definierten "Teilbarkeit" - notwendigerweise noch zusätzlich eine Verständigung bzw. Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien darüber notwendig ist, dass das zu erbringende Werk in Teilleistungen abgenommen und abgerechnet werden solle. Auf diese vertragliche Vereinbarung von Teilleistungen kommt es nach dem Wortlaut des § 105 InsO in den dort geregelten Fällen nicht an, da hierin an die bloße "Teilbarkeit" der Leistungen Rechtsfolgen geknüpft werden. § 105 InsO betrifft jedoch nur das Verhältnis der Vertragspartner der Gemeinschuldnerin zum Insolvenzverwalter in Fällen des § 103 InsO. Für die Frage des Entstehungszeitpunktes der auf die Erbringung einer "teilbaren" Leistung i.S.d. § 105 InsO entfallenden Umsatzsteuer - und der damit zusammenhängenden Einordnung als Insolvenz- oder Masseforderung - hat diese Vorschrift nach Ansicht des Senats keine Bedeutung. Die Entstehung der Steuer bei Werkleistungen wird vielmehr durch § 13 Abs.1 UStG abschließend geregelt, wobei der Zeitpunkt der Erfüllung der Leistung und damit der Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer in Übereinstimmung mit den zivilrechtlichen Vorschriften (namentlich §§ 640, 641 BGB) geregelt ist.

Eine analoge Anwendung des § 105 InsO auf die hier zu beurteilende Frage des Entstehungszeitpunktes der Umsatzsteuer bei Werkverträgen ist deshalb abzulehnen, weil es insoweit schon an einer planwidrigen Gesetzeslücke, welche im Wege einer Analogie zu schließen wäre, fehlt. Insoweit ist der Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer auf Werkleistungen in § 13 UStG abschließend und in Übereinstimmung mit den zivilrechtlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts (§ 641 ff. BGB) geregelt.

Einer Aufteilung der von der Gemeinschuldnerin erbrachten Bauleistungen und der hierauf entfallenden Umsatzsteuer in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des BGH in dessen Urteil IX ZR 313/99 vom 25.4.2002 (a.a.O.), in dem der BGH von der grundsätzlichen Teilbarkeit von Leistungen, die an die Gemeinschuldnerin aufgrund eines Bauwerkvertrages erbracht werden, i.S. von § 105 InsO ausgeht, kommt schließlich auch deshalb nicht in dem hier zu beurteilendem umgekehrten Fall, in dem die Gemeinschuldnerin ihrerseits nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Bauwerkverträge erfüllt hat, in Betracht, weil der Kläger die Umsatzsteuer, die nach den von ihm erstellten Schlussrechnungen von den Auftragnehmern der Gemeinschuldnerin nach Abnahme der jeweiligen Bauwerke noch zu entrichten war, tatsächlich auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nach positiver Ausübung des ihm durch § 103 Abs.1 InsO eingeräumten Wahlrechts in Rechnung gestellt und erhalten hat. Dementsprechend hatten die Auftraggeber der Gemeinschuldnerin aus diesen Rechnungen auch den vollen (und nicht nur quotenmäßigen) Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs.1 Nr.1 UStG.

(Schluss-) Rechnungen, in welchen die Bauwerke entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu § 105 InsO (Urteil IX ZR 313/99, a.a.O.) abgerechnet worden wären (Zuordnung und Aufteilung der Bauleistung in den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung), wurden vom Kläger nicht erstellt.

Wollte man bei dieser Sachlage der Ansicht des Klägers - analoge Anwendung des § 105 InsO im Umsatzsteuerfestsetzungsverfahren anstelle einer Besteuerung entsprechend § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a) UStG - folgen, so verbliebe es bei den Auftraggebern der Gemeinschuldnerin endgültig beim vollen Vorsteuerabzug aus den Abschlussrechnungen, während die entsprechende Umsatzsteuer, die auf die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Bauleistungen rechnerisch entfiele, nur in Höhe der sich für die Insolvenzgläubiger ergebenden Quote abzuführen wäre. Eine Korrekturmöglichkeit entsprechend der Quote auch hinsichtlich des Vorsteuerabzugs bei den Auftraggebern gem. § 17 Abs.1 und 2 UStG bestünde mangels Änderung der Bemessungsgrundlage bzw. weil ein Fall der Uneinbringlichkeit nicht gegeben wäre, nicht. Demgegenüber wäre in den durch § 105 InsO geregelten Fällen der Aufteilung teilbarer Leistungen in die Zeit vor und nach Insolvenzeröffnung, in denen die Gemeinschuldnerin als Leistungsempfängerin in Erscheinung tritt, seitens des Leistenden eine Korrektur der abzuführenden Umsatzsteuer wegen Uneinbringlichkeit und korrespondierend hierzu bei der Gemeinschuldnerin eine Korrektur und Minderung des Vorsteuerabzugs (§ 17 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 17 Abs.1 UStG) vorzunehmen.

Schließlich ist die vom Kläger geforderte Aufteilung der Umsatzsteuer entsprechend § 105 InsO auch deshalb abzulehnen, weil ein schutzwürdiges Interesse des Klägers als Insolvenzverwalter an dieser Aufteilung der Bauleistungen für den Senat nicht erkennbar ist. Der Kläger hatte es selbst in der Hand, durch Ablehnung der Vertragserfüllung im Rahmen des ihm durch § 103 InsO eingeräumten Wahlrechts und Fertigstellung der angefangenen Bauvorhaben aufgrund neuer Verträge mit den Auftraggeberfirmen Masseverbindlichkeiten in Form der hier streitigen Umsatzsteuerrückstände gegenüber dem Fiskus zu vermeiden. Dies hat er indes nicht getan, wobei das von ihm angegebene Motiv, er habe befürchten müssen, dass sich die Auftraggeber in diesem Fall von der Klägerin abgewandt hätten, für das Gericht nicht überprüfbar ist.

Gegen die nur vom Insolvenzverwalter vorgenommene und von den Auftraggebern in keiner Weise überprüfte Aufteilung der Bauleistungen in solche vor und solche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einer dieser Aufteilung entsprechenden umsatzsteuerlichen Zuordnung der Entgelte sprechen schließlich auch die hiermit verbundenen tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung dieser Umsätze: Anders als im Falle der Erfüllungsverweigerung und anschließenden Fertigstellung der begonnenen Bauvorhaben aufgrund neuer Verträge mit dem Insolvenzverwalter hätte es in diesem Fall der Insolvenzverwalter weitgehend selbst in der Hand, die Abgrenzung zu Gunsten der Vermeidung von Masseverbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt vorzunehmen. Zwar obläge ihm in diesem Fall unter Berücksichtigung des BGH Urteils IX ZR 313/99 die Beweislast für die Richtigkeit seiner Abgrenzung, anders als in dem dort entschiedenen Fall hätten aber insbesondere die Vertragspartner, in diesem Fall die Auftraggeber der Gemeinschuldnerin, kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Richtigkeit der Aufteilung und Zuordnung der Bauleistungen. Während in dem vom BGH entschiedenen Fall die Vertragspartner der dortigen Klägerin ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse an der korrekten Aufteilung hatten, um nicht über Gebühr mit ihren Forderungen aus Bauleistungen auf die Insolvenzquote verwiesen zu werden, fehlt dieses Korrektiv in dem hier vorliegenden umgekehrten Fall, in dem die Gemeinschuldnerin ihrerseits Werkverträge während des Insolvenzverfahrens erfüllt, diese gegenüber den Auftraggebern insgesamt nach Abnahme abrechnet und eine Aufteilung der Bauleistungen nur intern für Umsatzsteuerzwecke vornimmt.

Dies gilt umso mehr, weil die Auftraggeber der Gemeinschuldnerin aus den vom Kläger erteilten Abschlussrechnungen gar nicht entnehmen bzw. überprüfen könnten, welchen Anteil der abgerechneten Leistungen der Kläger der Zeit vor und welchen Anteil er der Zeit nach Insolvenzeröffnung zugerechnet hat.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs.1 FGO abzuweisen, da das FA zu Recht die hier streitigen Umsatzsteuerbeträge als Masseforderungen i.S.v. § 55 Abs.1 Nr.1 InsO (siehe hierzu Hess, Kommentar zur InsO, § 55 Rdnr.576) gegenüber dem Kläger festgesetzt hat.

Die Revision war vor dem Hintergrund, dass sich der BFH bisher lediglich vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung mit der hier streitigen Frage auseinandergesetzt und diese im Sinne der hier vertretenen Rechtsauffassung entschieden hat (vgl. Urteil des BFH vom 2. Februar 1978, V R 128/76, BFHE 125, 314, BStBl II 1978, 483) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Es erscheint insoweit klärungsbedürftig, ob § 105 InsO auch Bedeutung für die Umsatzsteuerfestsetzung hat. Während das Sächsische Finanzgericht in seinem Urteil vom 29.7.2003 (3 K 1910/01, Fundstelle: JURIS) auch nach Geltung der Insolvenzordnung - ebenso wie der erkennende Senat - eine umsatzsteuerlich relevante Aufteilung von Werkleistungen ablehnt, wird in der Literatur zum Teil eine abweichende Rechtsauffassung vertreten und eine Teilung der Leistungen vor und nach der Eröffnung des Verfahrens als Zuordnung zu den Handlungen des Gemeinschuldners einerseits und des Insolvenzverwalters andererseits gefordert (so Onusseit/Kunz, Steuern in der Insolvenz, 2. Auflage, 1997, S. 144 ff; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz - Kommentar; § 13, Rdnr.92).

Ende der Entscheidung

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