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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: 6 K 7193/00 K,G,U,F
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 14 Abs. 1
UStG a.F. § 3 Abs. 2
UStG a.F. § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Abänderung der Bescheide zur Körperschaftsteuer 1995 und 1996 vom 26.8.1998, der Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuer-Messbetrag 1995 vom 28.9.1998 bzw. 1996 vom 26.10.1998, der Bescheide zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995 vom 4.9.1998 bzw. auf den 31.12.1996 vom 7.9.1998, der Bescheide zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1995 und den 31.12.1996 vom 26.8.1998, und der Bescheide zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG auf den 31.12.1995 und den 31.12.1996 vom 26.8.1998 - sämtliche Bescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2000 - werden

1. die Körperschaftsteuer 1995 mit der Maßgabe festgesetzt, dass der einkommenserhöhende Ansatz nicht abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 291.052 DM - unter Korrektur der Gewerbesteuer-Rückstellung von 41.010 DM - unterbleibt; die Körperschaftsteuer 1996 wird ohne Ansatz einer Gewerbesteuer-Rückstellung von 4.024 DM und unter Berücksichtigung eines zum 31.12.1995 festgestellten Verlustabzuges festgesetzt; das jeweilige Einkommen und die jeweilige Tarifbelastung werden entsprechend festgestellt;

2. werden die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31.12.1995 unter Ansatz des geänderten Einkommensbetrages bzw. der geänderten Tarifbelastung und ohne den zu 1. dargestellten Abzug nicht abziehbarer Betriebsausgaben vom unbelasteten Eigenkapital, die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31.12.1996 unter Berücksichtigung des geänderten Einkommensbetrages und des geänderten Eigenkapitalbestandes zum 31.12.1995 festgestellt,

3. wird der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1995 und den 31.12.1996 entsprechend der Änderung zu 1. und der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1996 zusätzlich unter Berücksichtigung des geänderten Betrages zum 31.12.1995 festgestellt;

4. werden die Gewerbesteuer-Messbeträge 1995 und 1996 bzw. die vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.1995 und den 31.12.1996 unter Berücksichtigung der Änderungen zu 1. festgestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung der geänderten Steuer- bzw. Einkommensbeträge und der geänderten Feststellungen wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 72 v.H., der Beklagte zu 28 v.H.

Gründe:

Streitig ist der Ansatz von sog. nichtabziehbaren Betriebsausgaben und die Nichtanerkennung von Vorsteuerbeträgen.

Unternehmensgegenstand der durch Satzung vom 24.10.1989 errichteten Klägerin ist der "Handel mit und der Im- und Export von Modeartikeln und mit Waren aller Art" (nach den Streitjahren wurde diese Satzungsregelung durch Gesellschafter-Beschluss vom 11.02.1997 ergänzt um "Handel mit Computern und Elektronikartikeln"). Gesellschafter in den Streitjahren waren Herr B. C. A zu 90 v.H. und sein (in 2003 verstorbener) Bruder D A zu 10 v.H.; als Geschäftsführer waren laut Handelsregister-Auszug die Gesellschafter bestellt, darüber hinaus bis März 1996 ein Herr E. F. G.

In 1995 kam es nach der Darstellung der Klägerin auf Vermittlung eines Herrn H. I. J zu Einkaufs- und Verkaufsgeschäften über Computerteile (je sieben Geschäfte mit insgesamt 3.600 "Simm-Modulen"), wobei sich Einkauf und Verkauf unmittelbar miteinander deckten. Lieferant von drei Partien im Gesamtwert von 1.134.600 DM zzgl. Umsatzsteuer 170.190 DM soll eine Firma K mbH (im Folgenden: K GmbH) mit Sitz in A-Stadt gewesen sein. Alleiniger Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer dieser Gesellschaft war ein Herr L. M. Die Eingangsrechnungen datieren vom 29.06. (Nettobetrag: 377.400 DM), 31.07. (Nettobetrag: 367.800 DM) und vom 26.10.1995 (Nettobetrag: 389.400 DM). Die Bezahlung erfolgte im Wesentlichen durch Übergabe von Schecks; darüber hinaus wurde am 06.10.1995 ein Betrag von 3.000 DM bzw. ein Betrag von 288.052 DM in bar bezahlt (Gesamtbetrag: 291.052 DM; auf zwei Quittungsbelege wird verwiesen). Die Ware wurde nach der Darstellung der Klägerin unmittelbar von diesem Lieferanten durch einen Spediteur an die Abnehmerin - eine Firma N mit Sitz in B-Stadt/Niederlande bzw. eine Frau O. P. R - versandt (auf die Quittungen bzw. Abliefernachweise des Spediteurs T wird verwiesen). Die Klägerin rechnete durch Rechnungen vom 01.08.1995 (371.478 DM), 03.07.1995 (381.174 DM) und 23.10.1995 (393.294 DM) ab; unter dem 06.10. quittierte sie, Beträge i.H.v. 203.478 DM bzw. 87.574 DM (Gesamtbetrag: 291.052 DM) in bar erhalten zu haben. Lieferant von vier Partien soll eine Firma S mbH (auch: S ...bzw. S ... GmbH; im Folgenden: S GmbH) mit Sitz in A-Stadt (zu einem Gesamtnettowert von 1.164.900 DM zzgl. 174.735 DM Umsatzsteuer) gewesen sein. Alleingesellschafterin und zugleich Geschäftsführerin der Gesellschaft war Frau U. V. W-J (geb. W), die Ehefrau des Herrn H. I. J. Die S GmbH erteilte Rechnungen unter dem 03.10.

(Nettobetrag: 174.700 DM), 06.10. (Nettobetrag: 194.700 DM), 23.10. (Nettobetrag 389.400 DM) und 15.11.1995 (Nettobetrag 386.100 DM). Die betreffenden Computerteile sollen an eine Firma I. X (im Folgenden: I. X) mit Sitz in E-Stadt/Türkei erfolgt sein. Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer dieser Gesellschaft war Herr H. I. J, Gesellschafter war darüber hinaus Herr Y. W. Die Klägerin erteilte insoweit Rechnungen unter dem 06.10. (2 x 196.647 DM) und unter dem 23.10. (393.294 DM). Der Transport erfolgte nach dem Vortrag der Klägerin teilweise durch Luftfracht, teilweise durch körperliche Mitnahme (durch Frau W-J) bei Reisen in die Türkei.

Die Klägerin hatte Herrn J Kontovollmacht über das Unterkonto erteilt, über das der Handel mit den Computerteilen abgewickelt werden sollte; es gab auch Zahlungsvereinbarungen dahin, die Lieferanten erst bei Eingang der Kundenzahlungen zu bezahlen und es gab bezogen auf eine Rechnung der Firma S GmbH eine Stundungsvereinbarung über 200.000 DM bis zur Auszahlung eines Umsatzsteuerguthabens an die Klägerin. Zahlungen der Klägerin an die S GmbH erfolgten entsprechend den in Rechnung gestellten Beträgen mit Ausnahme eines Restbetrages von 200.000 DM (dieser Betrag ist nach der Darstellung der Klägerin weiterhin offen). Zahlungen der Firma I. X auf die Rechnungen der Klägerin erfolgten mit einer Überzahlung von 21.000 DM.

Die Klägerin machte aus den Eingangsrechnungen - zunächst in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen (für sechs der sieben angeführten Rechnungen [eine Umsatzsteuer-Voranmeldung betr. November 1995 wurde nicht eingereicht]) - Vorsteuerbeträge geltend; für die deklarierten Verkaufsgeschäfte fiel mit Blick auf die nicht im Inland ansässigen Geschäftspartner keine Umsatzsteuer an.

Im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ermittelte der Beklagte weitere Sachumstände. So ergibt sich aus einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen vom 07.03.1996, dass Lieferungen in der Buchführung der Firma N nicht erfasst sind; "Rechnungen und Zahlungseingänge" wurden nicht aufgefunden, ein innergemeinschaftlicher Erwerb wurde nicht erklärt. Nach einem weiteren Vermerk des Finanzamts A-Stadt vom 02.02.1996 hat Herr M über seinen Rechtsanwalt versichert, dass er "nie etwaige Waren" an die Klägerin geliefert habe. Nach einer Auskunft der türkischen Behörden konnte die Verbuchung eines Wareneinganges bei der Firma I. X festgestellt werden, allerdings zu einem anderen Wert (so sei eine Lieferung über 600 Simm-Module à 16 MB mit einem Wert von 390.000 DM bei der Firma I. X als Lieferung von 600 Simm-Modulen à 1 MB mit einem Wert von 24.000 DM erfasst worden). Eine Prüfung bei der Firma K GmbH ergab, dass diese Firma weder eine Vorsteuer aus Einkäufen von diesen Computerteilen noch eine Umsatzsteuer aus dem Verkauf von Computerteilen an die Klägerin angemeldet hat (Vermerk vom 15.11.1995). Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der K GmbH endete mit einem Bericht vom 18.06.1996, in dem im Wesentlichen festgestellt wird, dass die K GmbH niemals unternehmerisch tätig gewesen sei. Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der S GmbH endete mit einem Bericht vom 22.10.1996, in dem im Wesentlichen festgehalten ist, dass die S GmbH nur ein "Mantel" für tatsächlich handelnde andere Personen gewesen sei. In beiden Berichten wird Herr H. I. J als "bestimmende Person" bezeichnet. Die im Zusammenhang mit den genannten Firmen angeführten Personen J, Frau W-J und M sind zurzeit flüchtig bzw. unbekannten Aufenthalts.

Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin endete damit, dass der Beklagte die Vorsteuerbeträge der in Umsatzsteuer-Voranmeldungen deklarierten sechs der sieben Einkaufsgeschäfte (drei Geschäfte S GmbH, drei Geschäfte K GmbH) i.H.v. 287.010 DM nicht anerkannte (Bericht vom 10.03.1997). Auf dieser Grundlage erging ein Umsatzsteuerbescheid 1995 unter dem 27.06.1997. Ertragsteuerlich erfasste der Beklagte die Verkaufserlöse als Betriebseinnahmen; der Ansatz der Einkaufsrechnungen als Betriebsausgaben wurde abgelehnt. Unter dem 26.08.1998 ergingen insoweit Bescheide zur Körperschaftsteuer 1995 und 1996, gemäß § 10d Einkommensteuergesetz -EStG- (in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz -KStG-) 1995 und 1996 bzw. gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1995 und zum 31.12.1996. Auf dieser Grundlage ergingen weiterhin Bescheide zum Gewerbesteuermessbetrag 1995 (28.09.1998) bzw. 1996 (26.10.1998) bzw. gemäß § 10a Gewerbesteuergesetz -GewStG- zum 31.12.1995 (04.09.1998) bzw. zum 31.12.1996 (07.09.1998).

Im Einspruchsverfahren gegen die Bescheide kam es insoweit zu einer Abhilfe, als der Beklagte nunmehr die durch Scheck bzw. Überweisung gezahlten Einkaufsrechnungen als Betriebsausgaben ansetzte; soweit unter dem 06.10.1995 eine Barzahlung i.H.v. 288.052 DM bzw. 3.000 DM erfolgt sein sollte, verweigerte der Beklagte den Ansatz einer abziehbaren Betriebsausgabe unter Hinweis auf § 160 Abgabenordnung -AO- (Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2000).

Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin insbesondere geltend, dass es in der Konsequenz der Annahme von Scheingeschäften liege, weder die Verkaufsrechnungen als Betriebseinnahmen noch die Einkaufsrechnungen als Betriebsausgaben zu behandeln. Im Übrigen seien auch die Barzahlungen als Betriebsausgabe anzusetzen; mit der Quittung des Herrn M sei der Empfänger der Zahlungen - nämlich die K GmbH bzw. Herr M - in ausreichendem Maße benannt. Insoweit verweist sie auf die Unterschrift des Herrn M auf den Quittungsbelegen und legt in der mündlichen Verhandlung die Niederschrift einer Aussage des Herrn M, die eine eigenhändige Unterschrift trägt, vor. Soweit der Beklagte die Bezahlung von Einkaufsrechnungen als Betriebsausgaben berücksichtigt habe, müsse ein Vorsteuerabzug gewährt werden. Die Klägerin habe letztlich mit Blick auf die Geschäfte alles ihr Mögliche unternommen, um die Geschäfte ordnungsgemäß abzuwickeln; sie habe insbesondere zeitnah eine einwandfreie Dokumentation über den jeweiligen Geschäftsverlauf und den Zahlungsverkehr erstellt. Das "unversicherte" Versenden von Ware sei durchaus geschäftsüblich, ebenso die Weitergabe von Schecks zahlungshalber. Die (auf die Durchführung dieser Geschäfte beschränkte) Kontovollmacht für Herrn J sei nur eingerichtet worden, um Zahlungen an die Lieferanten sicherzustellen, wenn sich der Geschäftsführer der Klägerin - wie es häufiger vorkam - geschäftlich im Ausland aufhielt. Die Stundungsvereinbarung mit der S GmbH sei erst im Zuge der Ermittlungen des Beklagten getroffen worden. Letztlich seien die hier angesprochenen Geschäfte von der Klägerin nur abgeschlossen worden, um Liquiditätsschwierigkeiten auszugleichen; so habe jedenfalls ein Ertrag i.H.v. jeweils 1 v.H. der Einkaufssumme (11.346 DM aus den Einkäufen K GmbH, 11.688 DM aus den Einkäufen S GmbH) erwirtschaftet werden können. Der Geschäftsführer der Klägerin habe Herrn J bei einer früheren gemeinschaftlichen Tätigkeit kennen und als seriöser Geschäftspartner schätzen gelernt. Die vom Beklagten und dem Gericht im Aussetzungsbeschluss angeführten "Indizien" seien jedenfalls nicht dazu geeignet, an den Geschäftsverkehr der Klägerin "erhöhte Anforderungen" zu stellen.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Bescheide (Umsatzsteuer 1995, Körperschaftsteuer 1995, Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995, Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1995, Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1995, Gewerbesteuermessbescheid 1995, Körperschaftsteuerbescheid 1996, Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1996, Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaft-steuer auf den 31.12.1996, und Bescheid Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1996) jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2000 insoweit aufzuheben bzw. abzuändern, als weitere Vorsteuerbeträge 1995 mit 287.010 DM zu berücksichtigen sind und das Einkommen 1995 um 291.052 DM unter Korrektur der Gewerbesteuerrückstellung zu mindern ist,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidungen vom 24.10.2000.

Ein gerichtliches Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung blieb erfolglos (auf den Beschluss vom 08.02.2001 in der Sache 6 V 7194/00 wird verwiesen).

Der Beklagte hat einen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der K GmbH und der S GmbH zu Recht versagt. Denn ein Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG-) setzt nicht nur die Vorlage eines Abrechnungspapiers im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG voraus, sondern auch, dass in diesem Papier über eine "Lieferung oder sonstige Leistung, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen" tatsächlich ausgeführt worden sind, abgerechnet wird. Im Streitfall fehlt es nach der Überzeugung des Senats schon an Sachumständen, die auf einen entsprechenden Wareneinkauf schließen lassen. So hat der Geschäftsführer des vermeintlichen Lieferanten K GmbH ausgesagt, die Firma sei "mangels Einkauf" zu einer Lieferung nicht in der Lage gewesen und er sei zur Erteilung von Rechnungen durch Herrn J gezwungen worden. Zu einer Übergabe der Ware an die Klägerin kam es nicht, da die Ware nach dem Sachvortrag der Klägerin unmittelbar von der K GmbH per Spediteur in das Ausland geliefert worden sein soll (auch aus dem Umstand der Übergabe eines verschlossenen Kartons durch den Spediteur lässt sich nicht hinreichend sicher auf die Übergabe der in der Rechnung bezeichneten Ware an die Abnehmerin schließen). Auch die Stundungsvereinbarung mit der S GmbH lässt einen Rückschluss auf die Qualität von Wareneinkaufsgeschäften zu, wenn dort ein Rechnungsbetrag (200.000 DM - bis zur Realisierung eines Vorsteuer-Erstattungsanspruchs) gestundet wird (wobei der Rechnungsbetrag auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht beglichen ist), der weit über den Betrag hinausgeht, der als Vorsteuer aus dem vermeintlichen Lieferverkehr mit der S GmbH anfallen sollte (aus den vier Eingangsrechnungen der S GmbH 174.735 DM). Nach der Überzeugung des Senats sind die dargelegten Sachumstände auch nicht geeignet, in der gebotenen Eindeutigkeit einen entsprechenden Warenverkauf zu belegen. So gibt es nach den Feststellungen der niederländischen Finanzverwaltung keine eindeutigen Belege zum Erhalt der in den Rechnungen bezeichneten Ware beim niederländischen Abnehmer (die Bestätigungen des Spediteurs sind zur Frage des Inhalts der Kartons unergiebig) und es gibt erhebliche Diskrepanzen über den Wert des Liefergegenstandes auf der Grundlage eines Lieferscheines beim Abnehmer in der Türkei. Nicht zuletzt ist von Bedeutung, dass es in keiner Weise zu einer - wie auch immer gearteten - technischen Überprüfung der vermeintlich (und einen erheblichen Wert repräsentierenden) Ware gekommen ist.

Auch wenn man mit dem Vortrag der Klägerin von einer tatsächlichen Warenbewegung (der in den Rechnung bezeichneten Güter von ihren Lieferanten an ihre Abnehmer) ausgehen wollte, wäre ein Vorsteuerabzug der Klägerin allerdings zu versagen; denn die umsatzsteuerrechtliche Würdigung eines eigenständigen Einkaufs- (und Verkaufs-) Geschäfts durch die Klägerin im Rahmen eines sog. Reihengeschäfts (§ 3 Abs. 2 UStG alter Fassung) setzt voraus, dass der Klägerin "nach dem Gesamtbild der Verhältnisse" eine Rechtsstellung vermittelt wurde, die ihr ermöglichte, selbstständig über die Weiterverwendung des Liefergegenstandes zu entscheiden, da ihr zuvor "der Wert, die Substanz und der Ertrag des Liefergegenstandes" (einschränkungslos) zugewendet wurde (zur "Verschaffung der Verfügungsmacht" als Grundvoraussetzung einer Lieferung siehe § 3 Abs. 1 UStG; siehe auch z.B. Bundesfinanzhof -BFH- V R 76/84 vom 14.9.1989, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1989, 999; Finanzgericht Hamburg VI 132/93 vom 8.8.1996, juris STRE987189170 [in der Rechtsmittelinstanz bestätigt durch BFH V B 114/96 vom 20.8.1997, Sammlung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFH/NV 1998, 229; Verfassungsbeschwerde erfolglos - Bundesverfassungsgericht 1 BvR 2246/97 vom 30.3.1998, juris KVRE 282719801]). An einer solchen Rechtsstellung der Klägerin fehlt es. Nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin waren die Geschäftspartner der Klägerin sowohl auf der Lieferanten- als auch der Abnehmerseite durch Herrn J bestimmt (wobei zumindest die Unternehmen S GmbH, K GmbH und I. X dem Einflussbereich des Herrn J zuzurechnen sind), es gab insoweit auch von vornherein bestimmte Einkaufs- und Lieferpreise ohne einen Entscheidungsspielraum bei der Klägerin (selbst der Transport in die Türkei hat - jedenfalls teilweise - in den Händen von Herrn J bzw. Frau W-J gelegen). Das Geschäft war nach dem damaligen Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Klägerin auch als "branchenfremd" einzustufen, darüber hinaus nach dem Geschäftsvolumen (Wert) - im Vergleich zu den sonst gehandelten Waren - als "außergewöhnlich". Dass Herrn J "beherrschender Einfluss" zukam, lässt sich auch aus der bei der Klägerin bestehenden Kontovollmacht (soweit es um diese Liefergeschäfte ging) ableiten. Bei dieser Frage kommt es auch nicht darauf an, ob der Geschäftsführer der Klägerin getäuscht worden sein und guten Glaubens gehandelt haben sollte. Entgegen der Ansicht der Klägerin besteht auch kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Zahlungen (Anerkennung der Lieferantenzahlungen als Betriebsausgaben bei Ansatz der Käuferzahlungen als Betriebseinnahmen) und der umsatzsteuerrechtlichen Frage einer Leistungsbeziehung zwischen den (vermeintlichen) Lieferanten und der Klägerin bzw. der Klägerin und den (vermeintlichen) Abnehmern.

Die angefochtenen Bescheide sind jedoch insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als der Beklagte einen Betrag von 291.052 DM im Streitjahr 1995 als sog. nichtabziehbare Betriebsausgabe angesetzt hat.

Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt die Anwendung von § 160 AO im Streitfall nicht in Betracht. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin durch die Benennung von K GmbH bzw. Herrn M (und die Ähnlichkeiten im Schriftbild der Unterschriften auf den Quittungen und unter dem Vernehmungsprotokoll) den Empfänger in ausreichendem Maße benannt hat. Denn aus dem Erhalt von (als steuerpflichtige Betriebseinnahme erfasstem) Bargeld von einem vermeintlichen Abnehmer und der Weitergabe des identischen Betrages am gleichen Tage an einen vermeintlichen Lieferanten ergibt sich nach der Überzeugung des Senats ein "geschlossenes Bild" dahin, dass dieser eingenommene Betrag als "Teil des Geschäfts" an den "Geschäftsinitiator" (Herrn J - auf die Ausführungen zur umsatzsteuerrechtlichen Frage der Verschaffung der Verfügungsmacht wird verwiesen) weiterzuleiten war. Dies entspricht in rechtlicher Hinsicht der Annahme eines sog. durchlaufenden Postens, der wirtschaftlich gesehen nicht zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört und damit die Anwendung von § 160 AO ausschließt (BFH I R 99/94 vom 4.12.1996, BStBl II 1997, 404; zur Gewinnneutralität auch BFH I R 85/96 vom 13.8.1997, BStBl II 1998, 161).

Soweit der Beklagte in der Einspruchsentscheidung betr. Körperschaftsteuer 1995 und 1996 zugunsten der Klägerin als Folgewirkung aus der Hinzurechnung von nichtabziehbaren Ausgaben zum Einkommen in 1995 und in 1996 eine Gewerbesteuer-Rückstellung einkommensmindernd berücksichtigt hat, ist dies (infolge der Rückgängigmachung des Ansatzes nichtabziehbarer Betriebsausgaben) wieder zu korrigieren.

Die Berechnung der geänderten Steuer- bzw. Einkommensbeträge und der geänderten Feststellungsbeträge wird dem Beklagten auferlegt (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO sind nicht erfüllt; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs in diesem konkreten Einzelfall.



Ende der Entscheidung

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