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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.06.2007
Aktenzeichen: 7 K 3484/04 H(L)
Rechtsgebiete: AO, GmbHG, EStG


Vorschriften:

AO § 34 Abs. 1
AO § 69
AO § 191 Abs. 1
GmbHG § 35
EStG § 41a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 3484/04 H(L)

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger war Gesellschafter/Geschäftsführer der N.-Verwaltungs GmbH in A-Stadt Mitte 2001 stellte er für die GmbH den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der am 10. Januar 2002 mangels Masse abgelehnt wurde.

Für den Zeitraum ab Februar 2001 gab der Kläger Lohnsteueranmeldungen über 0 DM ab.

Der Beklagte nahm den Kläger durch Haftungsbescheid vom 22. September 2003 nach §§ 34, 35, 69, 191 AO wegen rückständiger geschätzter Lohnsteuer März 2000 bis Januar 2001 in Höhe von 5.659,10 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 6.451,06 EUR in Anspruch.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, er habe seine Pflichten nicht schuldhaft verletzt. Er sei bis zur Einstellung der Geschäftstätigkeit im Mai 2001 regelmäßig an der Geschäftsadresse anwesend gewesen. Die Geschäftstätigkeit sei dann eingestellt worden, weil die Vertragspartnerin, die Fa. T., die für das Recycling verantwortlich gewesen sei, ihren Verpflichtungen nicht mehr nachgekommen sei. Es seien sämtliche Mitarbeiter mit Ausnahme von Herrn D. entlassen worden. Gegen die vom Finanzamt erlassenen Schätzungsbescheide seien Einsprüche eingereicht worden. Hierzu sei Herr D. von dem Kläger ausdrücklich bevollmächtigt worden. Der Kläger habe dafür Sorge getragen, dass dem Finanzamt die Veränderungen bei der Firma N. sowohl bezüglich der Entlassung der Mitarbeiter als auch des Wegfalls der Notwendigkeit der Abgabe von Lohnsteueranmeldungen mitgeteilt würden, ebenso die Einstellung der Geschäftstätigkeit. Damit sei das Finanzamt zur Schätzung nicht mehr befugt gewesen. Der Kläger übersandte Kopie eines Schreiben vom 1. 7. 2001 an Herrn D. und eines Einspruchsschreibens an das Finanzamt, das sich auf geschätzte Umsatzsteuer bezog. Bereits seit Ende 2000 hätten erhebliche Zahlungsschwierigkeiten bestanden. Aufgrund von Pfändungsmaßnahmen des Finanzamtes sei seit Ende 2000 eine geordnete Arbeit kaum noch möglich gewesen.

Am 12. Mai 2004 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Er führte aus, der Kläger als Geschäftsführer der GmbH habe seine steuerlichen Pflichten grob fahrlässig verletzt. Nach seinem Schreiben vom 20. 8. 2003 seien bis Januar 2001 Gehälter gezahlt worden. Gleichwohl sei keine Lohnsteuer abgeführt worden. Die Inanspruchnahme des Klägers sei auch ermessensgerecht. Eine Vollstreckung in das Vermögen der GmbH sei erfolglos geblieben und nicht mehr möglich.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

Dem Finanzamt sei seit spätestens Anfang 2000 bekannt gewesen, dass die GmbH Zahlungsschwierigkeiten gehabt habe. Seit dem 15. März 2000 habe die GmbH Pfändungen erhalten, die die gesamte finanzielle Manövriermasse lahm gelegt hätten. Der Kläger habe keine Entscheidungsmöglichkeit mehr gehabt, welche Verbindlichkeiten er in dieser schwierigen Lage noch erfüllen könne. Zahlungen der GmbH an das Finanzamt hätten zudem zu einer unzulässigen Besserstellung des Fiskus geführt, der im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Rückzahlung verpflichtet gewesen wäre. Auch die Gehaltszahlungen seien nicht mehr oder verspätet ausgeführt worden. Sozialversicherungsbeiträge hätten seit April 2000 nicht mehr abgeführt werden können. Die Verhängung von Säumniszuschlägen sei ermessensfehlerhaft. Dies gelte erst recht für die Zeit ab Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit. Die Zustellung der Steuerbescheide an die gelöschte GmbH werde mit Nichtwissen bestritten. In 2001 habe die GmbH nur Einnahmen von 41.801 DM erzielt. Die Pfändungsmaßnahmen hätten ein Mehrfaches betragen. Die Lohnsteuerschulden lägen nur bei 5.659 EUR. Die Nichtzahlung sei nicht grob fahrlässig, wenn das Finanzamt sämtliche Geldeingänge pfände, bevor sie dem Geschäftsführer überhaupt zur Verfügung stünden. Das Finanzamt müsse Feststellungen treffen über die Höhe der im Haftungszeitraum verfügbaren Zahlungsmittel und der Gesamtverbindlichkeiten und Zahlungen; daran fehle es hier. Soweit Löhne ausgezahlt worden seien, seien dafür Mittel verfügbar gewesen, im Zeitpunkt der abzuführenden Lohnsteuer jedoch nicht, insbesondere wegen der Pfändungen durch den Beklagten. Der Kläger habe Gehälter aus privaten Mitteln gezahlt.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 22. September 2003 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 6. Juni 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Der Kläger selbst habe mitgeteilt, es seien erst ab Januar 2001 keine Gehälter mehr gezahlt worden. Er sei verpflichtet gewesen, die Gehälter nur anteilig auszuzahlen, damit entsprechende Lohnsteuer abgeführt werden könne. Die Grundsätze der quotalen Befriedigung gälten nicht für die Lohnsteuer. Für November 2000 bis Januar 2001 seien nach vorheriger Schätzung berichtigte Lohnsteueranmeldungen abgegeben worden. Eine Bekanntgabe besonderer Steuerbescheide sei nicht gesetzlich vorgesehen. Säumniszuschläge würden für die Zeit ab Insolvenzantrag (Juli 2001) bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung nur in Höhe von 50 % angefordert. Die Gesamtsumme der Haftung reduziere sich damit auf 7.897,60 Euro, im übrigen werde der Bescheid teilweise nach § 131 AO zurückgenommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2007 hat der Vertreter des Beklagten die Haftungssumme auf 7.897,60 Euro herabgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Haftungsbescheid, der durch die Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 6. 6. 2007 der Höhe nach herabgesetzt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Zu Recht hat der Beklagte den Kläger gemäß §§ 191 Abs. 1 , 69, 34 Abs. 1 AO als Haftungsschuldner für die rückständige Lohnsteuer der GmbH in Anspruch genommen.

Nach § 69 T.z 1 AO haften die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Der Kläger war als Geschäftsführer der GmbH nach § 35 GmbHG deren gesetzlicher Vertreter und hatte die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Die GmbH traf steuerrechtlich die Pflicht, die auf die ausgezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen, § 41 a EStG, wofür der Kläger als Geschäftsführer der GmbH zu sorgen hatte. Dieser Verpflichtung ist der Kläger zumindest grob fahrlässig und damit schuldhaft i.S. von § 69 AO nicht nachgekommen.

Entrichtet ein GmbH-Geschäftsführer die einzubehaltende Lohnsteuer nicht zum gesetzlichen Fälligkeitstermin, indiziert die Nichtentrichtung der Steuer die Schuldhaftigkeit der damit verbundenen Pflichtverletzung (BFH vom 20. 10. 2005 VII B 17/05 BFH/NV 2006,241). Soweit der Kläger hiergegen einwendet, der GmbH hätten zu den Fälligkeitsterminen keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestanden, um die Lohnsteuer zu zahlen, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Der Kläger als Geschäftsführer wäre in einer solchen Situation verpflichtet gewesen, die Löhne nur gekürzt auszuzahlen, um aus den vorhandenen Mitteln die anteilige Lohnsteuer noch an das Finanzamt abführen zu können. Auch der Einwand des Klägers, er habe Gehälter aus privaten Mitteln gezahlt, soweit die GmbH hierzu nicht in der Lage gewesen sei, ist für die Frage des groben Verschuldens unerheblich, denn die Pflicht des Geschäftsführers, Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen, besteht auch dann, wenn Zahlungen auf die von der GmbH geschuldeten Löhne von einem Gesellschafter-Geschäftsführer aus seinem eigenen Vermögen erbracht werden, ohne dass die Vermögenssphäre der Gesellschaft berührt wird und ohne dass der Geschäftsführer dazu schuldrechtlich verpflichtet war (BFH Urteil vom 21. Oktober 1986 VII R 144/83 BFH/NV 1987, 286;vom 22. November 2005 VII R 21/05 BFHE 211,407 BStBl II 2006,397 ). Auch wenn ein Gesellschafter Lohnschulden der Gesellschaft aus seinem eigenen Vermögen tilgt, handelt er dabei in Vertretung der Gesellschaft. Denn seine Leistungsbereitschaft beruht auf dem Gesellschaftsverhältnis. Ungeachtet der diesbezüglichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses zur Gesellschaft und erst recht der kontomäßigen und buchhalterischen Abwicklung der Lohnzahlungen stellen diese keine privaten, seine Vermögenssphäre betreffenden Zuwendungen des Gesellschafters an die Arbeitnehmer der GmbH dar, die lediglich die Folge hätten, dass diese von ihrer Lohnschuld frei wird. Ein Gesellschafter, der Schulden der Gesellschaft begleicht, stellt dadurch vielmehr mittelbar der Gesellschaft Vermögensmittel in einer Weise zur Verfügung, die es rechtfertigt, die Gesellschaft steuerrechtlich genauso wie bei der entsprechenden Verwendung eigener Mittel zu behandeln (BFH vom 22. November 2005 aaO.). Selbst bei einem Dritten - z.B. einer Bank - dürfte es ein Geschäftsführer nach der Rechtsprechung des BFH nicht hinnehmen, dass auf deren Betreiben lediglich die Löhne ausgezahlt werden, der Gesellschaft eingeräumte Kredite aber für die Entrichtung von Lohnsteuer nicht zur Verfügung gestellt werden(Beschluss vom 12. Juli 1983 VII B 19/83, BFHE 138, 424, BStBl II 1983, 655).

Unerheblich ist, ob dem Kläger diese Rechtsprechung des BFH bekannt war. Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit sind zwar die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Geschäftsführers zu berücksichtigen. Dem Kläger als Gesellschafter einer GmbH musste aber zum einen bewusst sein, dass er mit der Übernahme der Lohnverbindlichkeiten der Gesellschaft eine fremde Schuld tilgte und die lohnsteuerlichen Folgen, nämlich die Pflicht zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Steuer, bestehen blieben. Zum anderen musste ihm bekannt sein, dass die Verwendung privater Mittel für die Tilgung von Schulden der Gesellschaft im Ergebnis als Zuführung von Eigenkapital an die Gesellschaft zu werten ist mit der Folge, dass seine Zahlung an die Arbeitnehmer aus privaten Mitteln letztlich nur eine Abkürzung des Zahlungsweges bedeutete.

Die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers war auch ursächlich für den Schaden des Beklagten. Die Ursächlichkeit entfällt nicht deshalb, weil der Kläger Mitte 2001 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt hat. Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur diskutiert, ob ein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers ursächlich für den Schaden ist, wenn die Finanzbehörde aus insolvenzrechtlichen Gründen etwaige Zahlungen vor Eröffnung des Verfahrens ohnehin nicht hätte behalten dürfen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde im Januar 2002 jedoch mangels Masse abgelehnt, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Verwalter Zahlungen an das Finanzamt aufgrund der Vorschriften über die Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) hätte zurückfordern können.

Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe der Lohnsteuer laut Haftungsbescheid hat der Kläger nicht vorgebracht. Einsprüche gegen die Schätzungen liegen nach Aktenlage nicht vor. Seine Behauptung, es sei Einspruch durch den Mitarbeiter D. eingelegt worden, hat der Kläger nicht nachgewiesen. Soweit er vorträgt, er habe Herrn D. angewiesen, Einsprüche einzulegen, reicht dies nicht aus, ihn zu entlasten. Zwar kann der Geschäftsführer zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten für die GmbH die Hilfe von Mitarbeitern in Anspruch nehmen. In diesem Fall trifft ihn jedoch eine umfassende Überwachungspflicht, ob die Mitarbeiter ihren Pflichten gewissenhaft und zuverlässig nachkommen. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger seine Überwachungspflicht in Bezug auf Herrn D. erfüllt hat.

Auf ein Mitverschulden des Finanzamtes aufgrund der Tatsache, dass dieses in der Vergangenheit Vollstreckungsmaßnahmen gegen die GmbH durchgeführt und so deren Liquidität geschmälert hat, kann der Kläger sich ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Eine Berücksichtigung eines etwaigen Mitverschuldens der Finanzbehörde kann ohnehin nach der Rechtsprechung des BFH nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, bei denen das finanzbehördliche Fehlverhalten ein solch erhebliches Ausmaß annimmt, dass demgegenüber das Verschulden des Haftungsschuldners nicht entscheidend ins Gewicht fällt (BFH vom 11. Mai 2000 VII B 217/99, BFH/NV 2000, 1442; vom 28. August 1990 VII S 9/90, BFH/NV 1991, 290, undvom 2. Oktober 1986 VII R 28/83, BFH/NV 1987, 349, vom 11. 8. 2005 VII B 312/04 n.v.). Die Beitreibung von Steuerrückständen stellt kein solches Fehlverhalten der Finanzbehörde dar.

Für die Zeit ab Februar 2001 sind Lohnsteueranmeldungen über 0 DM abgegeben worden; dieser Zeitraum ist vom Haftungsbescheid auch nicht erfasst. Für den Haftungszeitraum hatte der Kläger dem Beklagten am 24. 7. 2003 eine Übersicht über die noch beschäftigten Mitarbeiter eingereicht; danach waren noch bis 2001 Mitarbeiter vorhanden. Die Geschäftstätigkeit ist auch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers erst im Mai 2001 eingestellt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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