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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 7 K 363/05 F
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1 S. 2
EStG § 4 Abs. 4 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 363/05 F

Tenor:

Der Bescheid für das Jahr 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.01.2005 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 15.603 DM (= 7.977,69 EUR) gemindert werden. Die genaue Berechnung der festzustellenden Beträge wird dem Beklagten auferlegt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 13. November 1999 errichtet. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die A Verwaltungs GmbH. Sie ist am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt. Einzige Kommanditistin mit einer Stammeinlage von 500 DM war seinerzeit Frau B, die Beigeladene zu 1). Sie hielt auch die Anteile an der A Verwaltungs GmbH.

Mit Vertrag vom 13. November 1999 vermietete die Klägerin ein im Erdgeschoss des Grundstücks Z-Straße in Z-Stadt belegenes Ladenlokal an die Firma E GmbH. Das Mietverhältnis begann am 15. November 1999.

Eigentümerin dieses Grundstücks war Frau B. Sie hatte dies von ihrem am 1. September 1999 verstorbenen Ehemann, Herrn F, geerbt. Dieser hatte bis zu seinem Tod das im Erdgeschoss gelegene Ladenlokal zu eigenbetrieblichen Zwecken (Juweliergeschäft) genutzt und als notwendiges Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens behandelt. Mit Vertrag vom 13. November 1999 wurde das bewegliche Anlagevermögen und das Umlaufvermögen des Juweliergeschäfts an die Firma E GmbH veräußert. Das Grundstück und die in der Bilanz des Einzelunternehmens aufgeführten Verbindlichkeiten wurden in der Eröffnungsbilanz der Klägerin zum 13.11.1999 in der Sonderbilanz für Frau B aufgeführt. Als Aktiva wurden ausgewiesen: Grund und Boden 600 DM, Gebäude 4.491 DM. Als Passiva (Sonderbilanz) waren folgende Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten bilanziert: 1. Darlehen: 169.275 DM (Konto Nr. 6); 2. Darlehen: 300.000 DM (Konto Nr. 7); Verbandssparkasse Z-Stadt 78.066,61 DM.

Mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen stellte der Beklagte die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß für 1999 auf ./. 6.176 DM und für 2000 auf 3.838 DM fest. Die Bescheide vom 18. Juli 2001 (1999) und vom 10. April 2002 (2000) ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 10. Februar 2000 (UR-Nr. 28 und 29/2000, Notar in Z-Stadt) übertrug Frau B das Grundstück Z-Straße in Z-Stadt und ihren Geschäftsanteil an der A Verwaltungs GmbH auf ihren Stiefsohn Herrn C, dem Beigeladenen zu 2). Am gleichen Tag übertrug Frau B ihren Kommanditanteil (250 EUR) an der Klägerin auf Herrn C und schied aus der Gesellschaft aus.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 11. Februar 2000 (UR-Nr. 32/2000, Notar in Z-Stadt) übertrug Herr C einen ideellen Miteigentumsanteil von 1/2 an dem oben genannten Grundstück unentgeltlich auf seine Ehefrau, Frau D (Beigeladene zu 3)). Außerdem übertrug er die Hälfte seiner Beteiligung an der Klägerin (125 EUR) und die Hälfte seines Geschäftsanteils an der A Verwaltungs GmbH auf seine Ehefrau D.

In den Jahren 2002 bis 2003 fand bei der Klägerin (Prüfungszeitraum 1999 und 2000) und bei dem Einzelunternehmen des verstorbenen Herrn F eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer war zunächst der Ansicht, dass sämtliche im Sonderbetriebsvermögen gebuchten Verbindlichkeiten auszubuchen seien, da diese weder in unmittelbaren Zusammenhang mit dem aktiven Sonderbetriebsvermögen stünden noch aus anderen wirtschaftlichen Gründen dem Betrieb der Klägerin dienen würden (vgl. Prüfungsbericht vom 13. Dezember 2002). Nach Rücksprache mit der OFD änderte der Prüfer seine Rechtsauffassung und vertrat nunmehr die Ansicht, das die Schulden aus dem Einzelunternehmen im Sonderbetriebsvermögen als Verbindlichkeiten angesetzt werden könnten. Diese seien in einen betrieblichen und einen privaten Anteil entsprechend den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht des Einzelunternehmens vom 29. November 2002 aufzuteilen (vgl. Tz. 2.3.1 des Betriebsprüfungsberichtes vom 12. Mai 2003). Die Einbringung des Grundstücks Z-Straße aus dem Einzelunternehmen bzw. die Einbringung der verbliebenen Schulden sei als Entnahme aus dem abgegebenen Betriebsvermögen und als Einlage in das aufnehmende Betriebsvermögen zu behandeln; dies gelte auch dann, wenn die Überführung zu Buchwerten erfolgt sei (vgl. Tz. 2.4. des Betriebsprüfungsberichtes vom 12. Mai 2003; Hinweis auf BMF Schreiben vom 22. Mai 2000). Insgesamt seien nach den Berechnungen des Prüfers im Jahr 1999 Überentnahmen in Höhe von 393.734 DM entstanden (davon Entnahmen wegen Einbringung der Schulden im Sonderbetriebsvermögen in Höhe von: 396.903 DM) mit der Folge, dass im Jahr 2000 Schuldzinsen in Höhe von 15.603 DM gemäß § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz - EStG - nicht als Betriebsausgabe abziehbar seien (vgl. Berechnung in Anlage 2 des Prüfungsberichtes vom 12. Mai 2003).

Der Beklagte erließ für 1999 und 2000 am 30. Mai 2003 geänderte Feststellungsbescheide und erhöhte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1999 auf ./. 415,25 DM (Hinzurechnungsbetrag § 4 Abs. 4 a EStG: 0 DM) und für 2000 auf 25.358,88 DM (Hinzurechnungsbetrag § 4 Abs. 4 a EStG: 15.603 DM). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Gegen die geänderten Feststellungsbescheide legte die Klägerin Einsprüche ein und führte aus: Durch die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen werde der Tatbestand der Entnahme nicht erfüllt. Eine Entnahme liege nur vor, wenn - anders als im Streitfall - durch die Überführung des Wirtschaftsgutes eine spätere Erfassung der stillen Reserven nicht mehr gewährleistet sei (Hinweis auf Urteil des FG Düsseldorf vom 30. April 2003 16 K 2934/01 E, EFG 2003, 1180).

Mit Einspruchsentscheidungen vom 12. Januar 2005 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Der Beklagte verweist zur Begründung auf Tz. 10 des BMF-Schreiben vom 22. Mai 2000 IV C 2 - S 2144-60/00 (BStBl I 2000, 588). Danach sei die Überführung oder Übertragung von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen als Entnahme bzw. Einlage zu behandeln, auch wenn dieser Vorgang zu Buchwerten erfolgt sei. An die Auffassung des BMF sei der Beklagte gebunden.

Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:

Der Tatbestand der "nicht abziehbaren Schuldzinsen im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG" sei nicht verwirklicht. Durch die Einbringung der Wirtschaftsgüter aus dem Einzelunternehmen in das Sonderbetriebsvermögen derselben Steuerpflichtigen werde die private Vermögenssphäre nicht berührt. Es fehle an einer Entnahmehandlung, denn eine Vermögensverschiebung aus dem betrieblichen Bereich des Einzelunternehmens in das Sonderbetriebsvermögen I der Kommanditistin der Klägerin berühre die private oder außerbetriebliche Vermögenssphäre nicht. Außerdem sei kein Entnahmewille erkennbar. Durch die Überführung der negativen Wirtschaftsgüter des Einzelunternehmens in das Sonderbetriebsvermögen werde auch keine Vermögensmehrung im privaten Bereich ausgelöst. Vielmehr seien betriebliche Schulden auch im betrieblichen Bereich der Steuerpflichtigen, der Mitunternehmerin, verblieben. Auch wirtschaftlich habe sich keine Vermögensverschiebung ergeben, da der über dem Buchwert liegende Verkehrswert der Immobilie die Schulden nahezu erreiche. Der Beklagte lasse außer Acht, dass die Überführung des wesentlichen Betriebsvermögens aus dem vorherigen Einzelunternehmen dazu geführt habe, dass dieses Unternehmen untergegangen sei. Bei der Betrachtungsweise des Beklagten stelle sich zwangsläufig die Frage, wie die "Einlage" in das untergegangene Einzelunternehmen aus der Übertragung von Verbindlichkeiten steuerlich für den Einbringenden zu würdigen sei. Im übrigen liege auch nach Auffassung der Finanzverwaltung in Fällen der Strukturänderung eines Betriebes keine Entnahme vor, im vorliegenden Fall sei es aber noch nicht einmal zum Wechsel der Gewinneinkunftsart gekommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für das Jahr 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.01.2005 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 15.603 DM (Hinzurechnungsbetrag § 4 Abs. 4 a EStG) gemindert werden;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung trägt er vor:

Zielsetzung der Einführung der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG sei gewesen, die Möglichkeiten einzudämmen, privat veranlasste Schuldzinsen durch Gestaltung als Betriebsausgaben absetzen zu können. Diese Zielsetzung habe sich auch nach der Neufassung des § 4 Abs. 4 a EStG nicht geändert. Die Ermittlung der nicht als Betriebsausgaben abziehbaren Schuldzinsen finde in einer typisierten Form statt. Ausgehend von dem grundlegenden Ansatz, dass ein Steuerpflichtiger mit Fremdkapital keine Entnahmen gewinnmindernd finanzieren können solle, orientiere sich die Bemessung des steuerunschädlichen entnahmefähigen Betrags nicht mehr nach der jeweiligen Liquidität, sondern an dem im jeweiligen Betrieb noch befindlichen Eigenkapital und Gewinnen abzüglich erfolgter Entnahmen. Die Entziehung von Eigenkapital - auch in Form von Überführung von Wirtschaftsgütern - müsse den entnahmefähigen Betrag mindern. Wechselten Wirtschaftsgüter zwischen verschiedenen Betrieben, handle es sich für Zwecke des § 4 Abs. 4 a EStG daher zwingend um Entnahmen und Einlagen. Dies gelte auch für die zwangsweise Überführung einer Verbindlichkeit, die im Zusammenhang mit der Überführung eines Grundstücks nach § 6 Abs. 5 S. 2 EStG zu Buchwerten übergehe. Die Regelung in Tz. 10 des BMF-Schreibens entsprächen sowohl den Grundsätzen der betriebsbezogenen Gewinnermittlung des § 4 Abs. 1 EStG als auch dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 a EStG.

Mit Beschluss vom 09.03.2007 wurden zu dem Verfahren beigeladen:

1. Frau B

2. Herr C

3. Frau D

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid für das Jahr 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Zu Unrecht hat der Beklagte angenommen, dass betrieblich veranlasste Schuldzinsen zu einem Betrag in Höhe von 15.603 DM auf Überentnahmen beruhen und daher gemäß § 4 Abs. 4 a EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind.

Die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung gemäß § 4 Abs. 4 a EStG sind im Streitjahr nicht erfüllt.

Nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 des § 4 Abs. 4 a EStG sind Schuldzinsen nur dann nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind (§ 4 Abs. 4 a S. 1 EStG).

Im Wirtschaftsjahr 2000 wurden aber von der Klägerin insgesamt keine Überentnahmen, sondern Unterentnahmen in Höhe von 2.113,33 DM getätigt, weil zur Ermittlung des endgültigen Überentnahmebetrages für das Jahr 2000 zu den im laufenden Wirtschaftsjahr 2000 unstreitig getätigten Unterentnahmen in Höhe von 4.036,00 DM (vgl. Anlage 2 des Prüfungsberichtes vom 12. Mai 2003) verbliebene Überentnahmen aus dem Vorjahr 1999 nur in Höhe von 1.922,67 DM (./. 4.036,00 DM + 1.922,67 DM = ./. 2.113,33 DM) und nicht in Höhe von 393.734,28 DM (vgl. Berechnung Anlage 2 des Prüfungsberichtes vom 12. Mai 2003) hinzuzurechnen sind.

Gemäß § 4 Abs. 4 a S. 2 EStG ist eine Überentnahme der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit sechs vom Hundert der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4 a S. 4 EStG).

Die Einbringung der aus dem Einzelunternehmen verbliebenen Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 396.902,61 DM (= Verbandssparkasse Z-Stadt in Höhe von 78.066,61 DM + Darlehen Nr. 7 in Höhe von 207.485,00 DM + Darlehen Nr. 6 in Höhe von 111.351,00 DM) im Jahr 1999 führt nicht zu einer Entnahme im Sinne von § 4 Abs. 4 a EStG.

Zwar sind unter Berücksichtigung der hier vertretenen gesellschaftsbezogenen Betrachtungsweise (vgl. auch Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rdnr Ea 122; gegenwärtig ist noch ungeklärt - vgl. BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2005 VIII R 96/03, BFH/NV 2006, 789 -, ob die Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 4 a EStG gesellschafts- oder gesellschafterbezogen zu ermitteln sind) die einzelnen Entnahmen von einzelnen Gesellschaftern im Sonderbetriebsbereich bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages mit einzubeziehen, so dass grundsätzlich eine Entnahme der Beigeladenen zu 1) im Wirtschaftsjahr 1999 in Höhe von 396.902,61 DM bei der Berechnung des endgültigen Überentnahmebetrages für das Jahr 2000 hinzuzurechnen wäre. Nach Auffassung des Senates stellt aber die Einbringung der aus dem Einzelunternehmen verbliebenen Verbindlichkeiten 396.902,61 DM in das Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen zu 1) keine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG dar, die bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages zu berücksichtigen wäre.

Entnahmen sind nach der Legaldefinition alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat (§ 4 Abs. 1 S. 2 EStG). Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, ob nach dieser Definition die Einbringung eines negativen Wirtschaftsgutes (Verbindlichkeiten) in ein Betriebsvermögen gleichzeitig als "Entnahme" aus diesem Betriebsvermögen betrachtet werden kann. In der Literatur wird - soweit ersichtlich - dieses Problem nicht besprochen. Lediglich die Ausführungen in Beispiel 3 des Aufsatzes von Meyer/Ball, "Beratungsempfehlungen zum Schuldzinsenabzug unter Berücksichtigung des BMF-Schreibens vom 22. Mai 2000" (Inf 2000, 459 (461)) behandeln den umgekehrten Fall, dass die Entnahme von Verbindlichkeiten aus einem Betriebsvermögen in das Privatvermögen spiegelbildlich als "Einlage" in das Betriebsvermögen zu betrachten sei, wobei noch zwischen Verbindlichkeiten, die aus dem entnommenen Aktivvermögen hätten getilgt werden können, und Verbindlichkeiten, die ein Rest-Betriebsvermögen bilden, unterschieden wird.

Dies dahingestellt, liegen im Streitfall auch die weiteren Voraussetzungen einer Entnahme durch die Einbringung der Verbindlichkeiten des Juweliergeschäfts in das Sonderbetriebsvermögen nicht vor.

Eine Entnahme erfordert nämlich grundsätzlich einen Entnahmewillen und eine Entnahmehandlung (vgl. nur BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474, 478 unter III 3 a). Der Steuerpflichtige entscheidet im Rahmen der objektiv möglichen betrieblichen Veranlassung, ob und wann der Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und dem Betrieb gelöst werden soll. Er muss grundsätzlich mit der Absicht handeln, stille Reserven aufzudecken. Wird daher ein Wirtschaftsgut, das für den Betrieb nicht mehr verwendet wird, im Rahmen der Bilanzierung ausgebucht, kann hierin grundsätzlich auch eine Entnahme gesehen werden (so auch BFH-Urteil vom 26. September 2001, IV R 22/00, BFHE 196, 559, BStBl II 2001, 762).

Eine solche Ablösung des Zusammenhangs zwischen dem (negativen) Wirtschaftsgut "Verbindlichkeiten" und dem Betrieb vermag der Senat hier nicht zu erkennen. Zwar werden unter betriebsfremden Zwecken auch Zwecke eines anderen Betriebes verstanden, d. h. auch die gewinnneutrale Verlagerung im Gewinnbereich eines Steuerpflichtigen führt grundsätzlich zu Entnahmen und Einlagen im Sinne von § 4 Abs. 4 a EStG (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 7. Auflage § 4 Rz. 524; so auch Tz. 10 des BMF Schreibens vom 17. November 2005).

Im Streitfall ist aber kein einzelnes (negatives) Wirtschaftsgut von einem Betrieb der Beigeladenen zu 1) abgelöst worden, um dies nicht mehr für diesen Betrieb zu verwenden. Vielmehr verblieb weiterhin ein Zusammenhang zwischen den betrieblichen Verbindlichkeiten in Höhe von 396.902,61 DM und dem Geschäftsgrundstück des Einzelunternehmens (Juweliergeschäft). Das Einzelunternehmen, welches die Beigeladene zu 1) von ihrem verstorbenen Ehemann als Rechtsnachfolgerin im Jahr 1999 übernommen hatte, ist tatsächlich zu keinem Zeitpunkt aufgegeben worden.

Der Tod des Inhabers des Juweliergeschäfts, Herrn F, führte nicht zu einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe, auch wenn der Betrieb mit dem Tode des Unternehmers zum Stillstand gekommen war (vgl. zum Erbfall auch BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716 zu § 18 EStG). Die Beigeladene zu 1) trat durch den Erbfall einkommensteuerrechtlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein. In einer solchen Situation endet der Betrieb einkommensteuerrechtlich erst durch ein Verhalten des Erben; ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn entsteht in seiner Person (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392).

Frau B hat nicht den gesamten Betrieb im Jahr 1999 veräußert. Mit Vertrag vom 13. November 1999 wurde nur das bewegliche Anlagevermögen und das Umlaufvermögen des Juweliergeschäfts an die Firma E GmbH verkauft. Das im Erdgeschoss des Grundstücks Z-Straße in Z-Stadt belegene Ladenlokal wurde an die Firma E GmbH ab dem 15. November 1999 vermietet.

Aus diesen äußerlich erkennbaren Umständen ergibt sich auch nicht eindeutig, dass der Betrieb endgültig aufgegeben werden sollte. Es wurde keine eindeutige Erklärung dieses Inhalts gegenüber dem Finanzamt abgeben.

Die Beigeladene zu 1) blieb weiterhin Eigentümerin des Geschäftsgrundstücks, wobei im Streitfall das vermietete Ladenlokal (mit eingemauertem Tresor und Stahlrollläden) eine wesentliche Betriebsgrundlage des Juweliergeschäfts gewesen sein dürfte, weil dies nach der funktionalen Betrachtungsweise dem Betrieb des Juweliergeschäftes das Gepräge gab. Außerdem blieb die Beigeladene zu 1) Schuldnerin der betrieblichen Verbindlichkeiten in Höhe von 396.902,61 DM. Diese Vorgehensweise - Vermietung der wesentlichen Betriebsgrundlage - deutet eher darauf hin, dass die gewerbliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) zunächst nur ruhen sollte. Ihr verblieb objektiv die Möglichkeit, den "vorübergehend" eingestellten Betrieb wiederaufzunehmen und fortzuführen.

Nur so sind auch die Ausführungen des Betriebsprüfers in dem Bericht vom 29. November 2002 Tz. 2. 6 zu verstehen, wonach weder eine Betriebsveräußerung, noch eine Betriebsaufgabe der Beigeladenen zu 1) vorliege.

Im Streitfall ist kein einzelnes (negatives) Wirtschaftsgut von einem Betrieb der Beigeladenen zu 1) abgelöst worden, um dies nicht mehr für den Betrieb zu verwenden. Die Vorgänge im Jahr 1999 sind vielmehr vergleichbar mit der Situation eines betrieblichen Strukturwandels oder des unentgeltlichen Übergangs eines Betriebes. Ein solcher Übergang führt auch nach Ansicht der Finanzverwaltung beim bisherigen Betriebsinhaber nicht zu Entnahmen im Sinne von § 4 Abs. 4 a EStG und beim Rechtsnachfolger nicht zu Einlagen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Tz. 10a des BMF-Schreibens vom 17. November 2005).

Dementsprechend ist auch die Einbringung des Betriebsgrundstücks in das Sonderbetriebsvermögen für die Berechnung des endgültigen Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4 a EStG nicht als Einlage zu betrachten. Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat (§ 4 Abs. 1 S. 5 EStG). Nach dem oben Gesagten hat die Beigeladene zu 1) dem Sonderbetriebsvermögen nicht nur ein einzelnes Wirtschaftsgut (Grundstück) zugeführt. Für die Beurteilung, ob eine Einlage vorliegt, ist das Grundstück nach dem oben Gesagten ebenfalls nicht isoliert von den eingebrachten Verbindlichkeiten zu betrachten.

Die hier vertretene Auslegung des Begriffs der Entnahme widerspricht auch nicht dem Zweck des § 4 Abs. 4 a EStG.

Die Vorschrift soll ihrem Sinn und Zweck nach verhindern, dass Schuldzinsen für Darlehen steuerlich geltend gemacht werden können, die zwar formal der betrieblichen Sphäre zuzuordnen sind, indes wirtschaftlich allein zur Finanzierung von Entnahmen aufgenommen und so letztlich privaten Zwecken zugeführt werden, dass mithin der gesetzliche Ausschluss privat veranlasster Schuldzinsen vom Steuerabzug durch geschickte Steuergestaltung umgangen wird (vgl. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rdnr Ea 20). Den Ausführungen des Beklagten ist insoweit zu folgen, dass ausgehend von dem grundlegenden Ansatz, dass ein Steuerpflichtiger mit Fremdkapital keine Entnahmen gewinnmindernd finanzieren können solle, sich die Bemessung des steuerunschädlichen entnahmefähigen Betrags nicht mehr nach der jeweiligen Liquidität, sondern an dem im jeweiligen Betrieb noch befindlichen Eigenkapital und Gewinn abzüglich erfolgter Entnahmen orientiere. Dem Beklagten ist auch insoweit zuzustimmen, dass die Entziehung von Eigenkapital - auch in Form von Überführung von Wirtschaftsgütern - den entnahmefähigen Betrag mindern müsse.

Im Streitfall wurde aber durch die Einbringung der Verbindlichkeiten dem Sonderbetriebsvermögen nicht nur Eigenkapital entzogen, sondern es wurde - ähnlich wie bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebes - auch ein Grundstück mit den darin enthaltenen stillen Reserven zugeführt.

Der Senat verkennt auch nicht, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 4 a EStG gedanklich an den jeweiligen Bestand (noch) vorhandenen Eigenkapitals anknüpft, ohne stille Reserven zu berücksichtigen. Hier ist aber auch zu beachten, dass es sich bei den hier streitigen Verbindlichkeiten um Schulden eines weit vor 1999 gegründeten Betriebs handelt. Es ist nicht mehr aufklärbar, wie die betrieblichen Verbindlichkeiten letztendlich entstanden sind; ob diese wirtschaftlich allein zur Finanzierung von Entnahmen aufgenommen wurden oder der Finanzierung von Betriebsmittel gedient haben. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 a EStG gemäß § 52 Abs. 11 S. 1 EStG ist aber grundsätzlich erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31. Dezember 1998 endet. Durch die Einführung der Sätze 2 und 3 in § 52 Abs. 11 EStG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2001 hat der Gesetzgeber außerdem zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich die Kapitalentwicklung vor dem 31. Dezember 1998 bei der Anwendung des § 4 Abs. 4 a EStG unberücksichtigt bleiben soll. Die Auffassung des Beklagten, dass die Einbringung der Verbindlichkeiten eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 4 a EStG darstelle, weil das Eigenkapital gemindert werde, hätte im Streitfall letztendlich die Konsequenz, dass die Kapitalentwicklung des weit vor 1999 gegründeten Juweliergeschäftes die Berechnung des Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4 a EStG negativ beeinflusst. Dies erscheint in Anbetracht der auf die Weise für die Klägerin entstehende Härte nach den Grundgedanken der Vorschrift nicht gerechtfertigt.

Zur Ermittlung des endgültigen Überentnahmebetrages für das Jahr 2000 ist die Berechnung des Prüfers in der Anlage 2 des Prüfungsberichtes vom 12. Mai 2003 dahingehend zu korrigieren, dass Überentnahmen aus dem Vorjahr 1999 nur in Höhe von 1.922,67 DM den unstreitig getätigten Unterentnahmen in Höhe von 4.036,00 DM hinzuzurechnen waren. Die bisher vom Beklagten berücksichtigten verbliebenen Überentnahmen aus 1999 in Höhe von 393.734,28 DM waren um den Betrag in Höhe von 396.902,61 DM (Buchwert der Verbindlichkeiten) zu mindern und um den Betrag in Höhe von 5.091 DM (Buchwert des Grundstücks) zu erhöhen. Die Entnahmen im Jahr 1999 betrugen nur 6.652,85 DM (= 403.555,46 DM bisher berücksichtigte Entnahmen ./. 396.902,61 DM Buchwert der Verbindlichkeiten) und die Einlagen nur 4.730,18 DM (= 9.821,18 DM bisher berücksichtige Einlagen ./. 5.091 DM Buchwert des Grundstücks).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob die Einbringung von Verbindlichkeiten aus einem Einzelunternehmen in das Sonderbetriebsvermögen einer Personengesellschaft eine "Entnahme" im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 4 a EStG darstellt, ist bisher - soweit ersichtlich - noch ungeklärt. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage liegt aus Gründen der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse.



Ende der Entscheidung

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