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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 7 K 3855/05 F
Rechtsgebiete: EStG, HGB, BGB


Vorschriften:

EStG § 11 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 2. Halbsatz
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 2. Halbsatz
HGB § 230
HGB § 233 Abs. 2
BGB § 716
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin zu 1) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Vertrieb von Spezialschuhen.

Die Klägerin zu 2) ist seit Jahren Arbeitnehmerin der Klägerin zu 1). Ihre Tätigkeit umfasst Büroarbeiten, insbesondere bestimmte Buchhaltungsarbeiten (u.a. Berechnung von Akkordlöhnen). Mit Wirkung vom 1. Dezember 1998 beteiligte sie sich als stille Gesellschafterin an dem Handelsgewerbe der Klägerin zu 1) mit einer Einlage von 5.000 DM. Auf den Inhalt des Vertrages zur Errichtung einer stillen Gesellschaft vom 26. November 1998 wird verwiesen. Hiernach stehen der Klägerin zu 2) u.a. die Informations- und Kontrollrechte gemäß § 716 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- zu.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z-Stadt für die Jahre 1998 bis 2001 stellte der Prüfer u. a. fest, dass die von der Klägerin zu 1) für die Klägerin zu 2) gezahlten Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung dem Gewinn der atypisch stillen Gesellschaft hinzuzurechnen und bei der Gewinnverteilung der atypisch stillen Gesellschafterin (Klägerin zu 2)) zuzuweisen seien (vgl. Tz. 2.2 des Betriebsprüfungsberichtes vom 11. September 2003). Auf den weiteren Inhalt des Betriebsprüfungsberichtes vom 11. September 2003 wird verwiesen. Die Hinzurechnung der Arbeitgeberanteile führe zu Gewinnerhöhungen von:

1998: 448 DM, 1999: 9.658 DM , 2000: 10.015 DM, 2001: 10.027 DM

Der Beklagte schloss sich den Feststellungen des Prüfers an und erließ am 14. November 2003 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1998 bis 2001.

Hiergegen wurde Einspruch eingelegt mit der Begründung, der Bundesfinanzhof - BFH - habe mit Urteil vom 6. Juni 2002 (VI R 178/97, BStBl II 2003, 34) seine bisherige Rechtsprechung geändert und entschieden, dass der Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht zum Arbeitslohn gehöre. Aus diesem Grunde könne im Streitfall der Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung auch nicht mehr zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gerechnet werden.

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hierzu führte er aus: Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehöre die Vergütung, die ein Gesellschafter, der als Mitunternehmer anzusehen sei, von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen habe, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Hierzu sei auch der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung zu rechnen. Die stille Gesellschafterin sei unstreitig als Mitunternehmerin anzusehen. Ein Mitunternehmer könne - ebenso wie ein Einzelunternehmer - von der Gesellschaft kein Gehalt beziehen. Durch die Tätigkeit des Mitunternehmers im Dienste der Gesellschaft dürfe der Gewinn nicht belastet werden. Daher seien alle Aufwendungen die unmittelbar auf dem Dienstverhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft beruhen, in den Gewinn einzubeziehen und bei der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung dem jeweiligen Gesellschafter zuzuteilen. Das BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 stehe nur scheinbar in Widerspruch zu den hier einschlägigen Ausführungen in dem Urteil des Großen Senates - GrS - des BFH vom 19. Oktober 1970 (GrS 1/70, BStBl II 1971, 177). Zum einen seien in den beiden Urteilen unterschiedliche Rechtsfragen zu beurteilen gewesen, zum anderen habe der VI. Senat seine Urteilsgründe auf die Entscheidung des GrS vom 19. Oktober 1970 gestützt, ohne diese in Frage zu stellen. Nach der Entscheidung des GrS seien die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung für einen Mitunternehmer dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen. Durch die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG werde bestimmt, dass Vergütungen, die ihrem Wesen nach einer anderen Einkunftsart zuzuordnen wären, zu Einkünften aus gewerblicher Beteiligung umzuqualifizieren seien. Dadurch verliere derjenige, der diese Vergütung zahle, die Eigenschaft eines fremden Arbeitgebers. Der dem BFH-Urteil vom 6 Juni 2002 zugrunde liegende Gedanke, dass die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung anzusehen seien, weil diese Beiträge vom Arbeitgeber auf Grund eigener, ihm aus sozialen Gründen unmittelbar auferlegter öffentlicher Verpflichtung zu entrichten seien und daher im Rahmen des sogenannten Generationenvertrags ausschließlich Dritten zu gute kämen, sei dem GrS bei seiner Entscheidung bewusst gewesen. Das Prinzip des Generationenvertrags habe sich seit dieser Einschätzung durch den GrS im Jahr 1970 (Streitjahre 1961 und 1962) trotz der Umstellung vom Kapitaldeckungsverfahren auf das Umlageverfahren nicht grundlegend verändert.

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen vor:

Nach der Entscheidung des VI. Senates vom 06. Juni 2002 habe der Arbeitnehmer durch die Zahlung der Arbeitgeberanteile keinerlei Vorteil. Eine Subsumtion der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung unter § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sei daher nicht mehr möglich (Hinweis auf Bolk, Der sozialversicherungspflichtige Kommanditist, Finanz Rundschau - FR - 2003, 839). Dass bei der Gesellschaft ein entsprechender Aufwand entstanden sei, reiche für die Erfassung als gewerbliche Einkünfte nicht aus. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG setzte nicht nur einen Aufwand der Gesellschaft, sondern eine "bezogene Vergütung" des Gesellschafters voraus. Die Aufrechterhaltung des Generationenvertrages stelle keinen individuellen Vorteil dar.

Die Kläger beantragen,

1. unter Änderung der Feststellungsbescheide des Beklagten vom 14.11.2003 und der Einspruchsentscheidung vom 15.08.2005 die Einkünfte 1998 bis 2001 ohne die Hinzurechnung von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung festzustellen,

2. die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen und festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten auch für das Vorverfahren notwendig war (§ 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -),

3. für den Fall der vollen oder teilweisen Ablehnung der Klage die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er trägt vor:

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG seien sämtliche Aufwendungen einer Gesellschaft für die Tätigkeit eines Gesellschafters im Interesse der Gesellschaft in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren. Dazu seien auch die Aufwendungen für die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu rechnen. Dem GrS sei bei seiner Entscheidung bekannt gewesen, dass der Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung nicht dem einzelnen Arbeitnehmer direkt zukomme.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 FGO).

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Als Beteiligte eines Steuerprozesses, der die einheitliche Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb des gewerblichen Betriebs betrifft, kommen bei der atypisch stillen Gesellschaft nur der Inhaber des Handelsgeschäfts und der atypisch stille Gesellschafter in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin zu 1) für die Klägerin zu 2) gezahlten Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung dem Gewinn aus Gewerbebetrieb in den Jahren 1998 bis 2001 hinzugerechnet und bei der Gewinnverteilung der atypisch stillen Gesellschafterin (Klägerin zu 2)) zugewiesen.

Die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung sind ebenso wie die damit im Zusammenhang stehenden Gehaltszahlungen der GmbH an die Klägerin zu 2) als gewerbliche Einnahmen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG im Rahmen der mitunternehmerischen Beteiligung an der GmbH und Still einzustufen.

Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, bezieht die Klägerin zu 2) aus ihrer Beteiligung an der zwischen ihr und der Klägerin zu 1) bestehenden atypisch stillen Gesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil sie sich an dem Handelsgewerbe, welches die Klägerin zu 1) betreibt, als stille Gesellschafterin (§ 230 Handelsgesetzbuch -HGB-) beteiligt hat und als Mitunternehmerin anzusehen ist (vgl. § 15 Abs. 1 Nr.2, § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 1, 2. Halbsatz EStG). Die Einordnung eines stillen Gesellschafter als Mitunternehmer setzt voraus, dass dem stillen Gesellschafter schuldrechtlich die Vermögensrechte eingeräumt sein müssen, die ein Kommanditist erlangen muss, um als Mitunternehmer anerkannt zu werden; dieser ist nur Mitunternehmer, wenn er annähernd die Rechte besitzt, die er nach den im Handelsgesetzbuch getroffenen Regelungen hat (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1998 VIII R 62/97, BFH/NV 1999, 773 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin zu 2) ist mit Wirkung vom 1. Dezember 1998 mit einer Einlage von 5.000 DM am Handelsgewerbe der Klägerin zu 1) beteiligt. Ihr stehen - abweichend von § 233 Abs. 2 HGB - neben anderen Rechten (vgl. § 4 Abs. 2 und § 7 des Vertrages vom 26. November 1998) die Informations- und Kontrollrechte gemäß § 716 BGB zu.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören neben den Gewinnanteilen der Gesellschafter auch die "Vergütungen", die der Gesellschafter für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezogen hat (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG).

Vergütungen sind alle Entgelte in Bar- oder Sachwerten, gleichgültig ob einmalig oder laufend (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2003 IV R 42/02, BFHE 204, 223, BStBl II 2004, 353). Sie müssen für Leistungen gewährt werden, die wirtschaftlich "durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind" (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 24. Auflage, § 15 EStG Rz. 652 m. w. N.). Dabei ist eine gesellschaftliche Veranlassung auch zu bejahen, wenn die nicht auf dem Gesellschaftsrechtsverhältnis, sondern auf einem schuldrechtlichen Vertrag (sogenanntes Drittverhältnis) beruhenden Leistungen des Gesellschafters der Sache nach zur Verwirklichung des Gesellschaftszweckes beitragen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1982 I R 9/79, BFHE 138, 184, BStBl II 1983, 570).

Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, erfüllen die monatlichen Gehaltszahlungen (ohne die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung) der GmbH an die Klägerin zu 2) diese Voraussetzungen. Die Arbeitsleistung der Klägerin zu 2) beruht auf einem schuldrechtlichen Vertrag, denn sie schuldet diese aufgrund ihres Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses mit der GmbH. Sie trägt durch ihre Arbeitsleistung auch wirtschaftlich zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks der atypisch stillen Gesellschaft bei, obwohl der Arbeitsvertrag nicht mit der atypisch stillen Gesellschaft, sondern mit der GmbH geschlossen worden ist. Denn unabhängig davon, dass die atypisch stille Gesellschaft eine reine Innengesellschaft ist und es im zivilrechtlichen Sinne eine Tätigkeit der atypisch stillen Gesellschaft nicht gibt, verkörpert jeder Mitunternehmer für seine Person die Gesellschaft, so dass die Tätigkeit für einen Mitunternehmer auch gleichzeitig eine Tätigkeit für die Gesellschaft ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. August 1960 I 221/59 S,BFHE 71, 425, BStBl III 1960, 408; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Dezember 1998 VIII R 62/97, BFH/NV 1999, 773 zum Geschäftsführergehalt des atypisch stillen Gesellschafters einer GmbH & Still). Für die Zurechnung der Gehaltszahlungen zu den Sondervergütungen spielt es auch keine Rolle, ob die Gesellschafter- und damit Mitunternehmereigenschaft oder die Arbeitnehmereigenschaft überwiegt (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 1996 VIII R 53/94, BFHE 180, 371, BStBl II 1996, 515). Durch die pflichtgemäße Arbeitnehmertätigkeit handelt die atypisch stille Gesellschafterin sowohl im Interesse der GmbH als auch im Interesse des mitunternehmerischen Gesellschaftsvermögens der atypisch stillen Gesellschaft.

Aus den gleichen Gründen sind die von der GmbH entrichteten Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung als der Klägerin zu 2) für ihre Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft gewährte "Vergütung" im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. Beschluss des Großen Senates des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70, BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177; BFH-Urteil vom 8. April 1992 XI R 37/88, BFHE 167, 522, BStBl II 1992, 812), der sich der Senat anschließt, gehören Arbeitgeberanteile eines Kommanditisten, der sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer der KG angesehen wird, zu den Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG, weil die Entrichtung der Arbeitgeberanteile unmittelbare Folge der Tätigkeit des Gesellschafters für die Gesellschaft ist. Hätte die Gesellschaft kein Arbeitsverhältnis mit dem Gesellschafter, brauchte diese den Arbeitgeberanteil auch nicht zu bezahlen. Diese Rechtsprechung ist auch auf den Streitfall anzuwenden, weil zum einen die Rechtsstellung eines atypisch stillen Gesellschafters und eines Kommanditisten trotz gewisser struktureller Unterschiede der Gesellschaften miteinander vergleichbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1998 VIII R 62/97, BFH/NV 1999, 773 m. w. N.) und zum anderen dies auch wegen der Gleichwertigkeit der einzelnen Formen der Mitunternehmerschaft gerechtfertigt ist.

Die Behandlung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung als Sondervergütung im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. Schmidt/Wacker EStG, 24. Auflage 2005, § 15 Rz. 582 ff, Reiß in Kirchhof, EStG 5. Auflage, § 15 Rz. 394 und Fußnote 9, Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, § 15 EStG Rz. 522; Bitz in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 15 EStG Rz. 83; Kaufmann in Frotscher EStG, § 15 Rz. 285; Richter/Markl in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 15 EStG Anm. 656).

Eine Meinung in der Literatur vertritt hingegen die Ansicht (vgl. Aufsatz Bolk, Der sozialversicherungspflichtige Kommanditist, FR 2003, 839), dass die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung keine "Vergütung" darstellen können, weil der VI. Senat des BFH in seinem Urteil vom 6. Juni 2002 (VI R 178/97, BFHE 199, 524, BStBl 2003, 34) entschieden hat, dass die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung eines Arbeitnehmers nicht zum Arbeitslohn gehören. Der VI. Senat habe zur Begründung ausgeführt, dass die Entrichtung der Arbeitgeberanteile nicht als Arbeitslohn zu werten sei, weil die Entrichtung des Arbeitgeberanteils nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu beurteilen sei. Dem einzelnen pflichtversicherten Arbeitnehmer fließe durch die Zahlung des Arbeitgeberanteils weder ein individueller mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil zu, noch habe er einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs.

Diese Ausführungen des VI. Senates stünden im Widerspruch zu den Ausführungen des Großen Senates in dem Beschluss vom 19. Oktober 1970 (GrS 1/70, BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177), weil danach die Arbeitgeberanteile für die Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft gewährt würden und der Gesellschafter einen geldwerten Vorteil beziehe.

Dieser Literaturansicht ist nicht zu folgen. Sie verkennt, dass die Urteile zu unterschiedlichen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und damit zu unterschiedlichen Tatbestandsmerkmalen ergangen sind. Während der VI. Senat sich mit der Frage des "Arbeitslohns" (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) beschäftigt, welcher "zufließen" muss, betreffen die Ausführungen des Großen Senates "Vergütungen" (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG), die der Gesellschafter von der Gesellschaft "bezieht".

Zwar wird grundsätzlich der Arbeitslohn, welcher ein Gesellschafter-Arbeitnehmer von der Gesellschaft bezogen hat, nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziert. Hieraus kann aber nicht umgekehrt geschlossen werden, dass eine Tätigkeitsvergütung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG immer auch gleichzeitig Arbeitslohn nach § 19 EStG darstellen muss. Vielmehr ist es unerheblich, ob und in welcher anderen Einkunftsart die Vergütung ohne § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG zu erfassen wäre (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 24. Auflage 2005, § 15 EStG Rz. 561 m. w. N.).

Die Tatbestandsmerkmale "Vergütung" und "beziehen" sind weiter zu fassen, als die Begriffe "Arbeitslohn" und "zufließen". Voraussetzung für eine "Vergütung" im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG ist nicht, dass sie Gegenleistung für eine Arbeitsleistung ist, vielmehr reicht es aus, wenn sie - wie oben dargestellt - für Leistungen gewährt wird, die wirtschaftlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Unter dem Begriff "bezogen" ist auch nicht der Zufluss von Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG zu verstehen, es reicht aus, wenn die Zahlung im Interesse des Gesellschafters liegt und ihm einen geldwerten Vorteil verschafft (Beschluss des Großen Senates des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70, BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177).

Diese Anwendung der unterschiedlichen Rechtsprechung hat zwar zur Folge, dass bei einem ("normalen") Arbeitnehmer die Arbeitgeberanteile mangels Arbeitslohn keine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit darstellen, hingegen sind die Arbeitgeberanteile bei einem Gesellschafter, der gleichzeitig sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer der Gesellschaft ist, (steuerpflichtige) Einnahmen aus Gewerbebetrieb.

Der sachliche Grund für diese Ungleichbehandlung ist aber die Mitunternehmereigenschaft des Gesellschafters und Arbeitnehmers. Der Gesellschafter einer Personengesellschaft soll nach Möglichkeit so gestellt werden, wie er als Einzelunternehmer stünde. Da ein Einzelunternehmer von seinem Einzelunternehmen kein Gehalt beziehen kann und der Gewinn des Einzelunternehmers durch die Tätigkeit des Unternehmers im Dienst seines Unternehmens nicht belastet ist, sind alle Aufwendungen, die unmittelbar durch das Dienstverhältnis des Gesellschafters veranlasst sind, in den Gewinn einzubeziehen und bei der einheitlichen Gewinnermittlung den Gesellschaftern zuzurechnen. Dies ist der Zweck des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG. Eine Gleichstellung des Mitunternehmers mit einem Arbeitnehmer ist hingegen nicht beabsichtigt.

Im Hinblick auf die abweichende Auffassung im Schrifttum zur Frage der Qualifikation der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung des Mitunternehmers als Sondervergütung im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 2. Halbsatz EStG und der bislang nicht abschließenden höchstrichterlichen Klärung dieser Streitfrage lässt der Senat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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