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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 7 K 6034/03 E
Rechtsgebiete: KiStO
Vorschriften:
EStG § 34 |
Finanzgericht Düsseldorf
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 23.8.2002 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer unter Anwendung des § 34 EStG auf die vom Kläger erhaltene Abfindung herabgesetzt wird.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Streitig ist die Anwendung des § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) auf eine vom Kläger erhaltene Abfindung.
Der Kläger schloss am 09.09.1997 einen Anstellungsvertrag als Geschäftsführer mit der Z Aktiengesellschaft (Arbeitgeber) für die Zeit vom 01.10.1997 bis zum 30.09.2002. Vereinbart wurde ein Jahresgehalt von brutto 255.000 DM, zahlbar in 12 gleichen Teilbeträgen. Zusätzlich vereinbarten die Vertragsparteien eine erfolgsabhängige Tantieme. Durch Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 08.08.2000 wurde das Jahresgehalt mit Wirkung vom 01.07.1999 auf 400.000 DM erhöht. In den Jahren 1998 bis 2000 erhielt der Kläger folgenden Bruttoarbeitslohn (Fixum, Tantieme und geldwerter Vorteil durch Kfz-Nutzung):
1998: 399.056 DM
1999: 428.294 DM
2000: 696.513 DM.
Auf Veranlassung des Arbeitgebers wurde das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2001 beendet. Zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche erhielt der Kläger 550.000 DM. Einen Teilbetrag von 16.000 DM beließ der Beklagte gemäß § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei. Eine Tarifbegünstigung nach § 34 EStG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 EStG wurde wegen fehlender Zusammenballung von Einnahmen nicht gewährt. Insgesamt erzielte der Kläger Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 566.683 DM.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben.
Sie tragen vor:
Bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hätte sich 2001 ein Bruttoarbeitslohn von 416.316 DM (12 x 34.693 DM) ergeben. Der Betrag setze sich zusammen aus dem Festgehalt und dem geldwerten Vorteil durch Pkw-Nutzung. Da die Abfindung jedoch 550.000 DM betragen habe, liege eine Zusammenballung der Einkünfte vor und der Tatbestand für die Begünstigung des § 34 EStG sei erfüllt. Auf den Bruttoarbeitslohn der vergangenen Jahre sei nicht abzustellen, da hier konkrete Vereinbarungen über das Gehalt vorlägen. Auf jeden Fall seien dabei aber die Tantiemen nicht einzubeziehen. Für 2000 sei keine Tantieme gezahlt worden. Es könne nicht unterstellt werden, dass 2001 auch automatisch eine Tantieme angefallen wäre. Die Tantieme werde vom Aufsichtsrat festgesetzt. Einen gesetzlichen Anspruch darauf habe der Kläger nicht gehabt. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass die hohen Einkünfte des Jahres 2000 wirtschaftlich andere Zeiträume beträfen. 2000 sei eine Nachzahlung in Höhe von 72.499,98 DM aus dem Jahr 1999 geleistet worden. Ferner sei im Jahr 2000 eine Tantieme in Höhe von 180.000 DM ausgezahlt worden, die wirtschaftlich das Jahr 1999 betreffe.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 23.8.2002 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Anwendung des § 34 EStG auf die vom Kläger erhaltene Abfindung herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er trägt vor:
Nach ständiger Rechtsprechung setze die Anwendung der begünstigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG u. a. voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zuflössen. Übersteige die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Zuflussveranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen nicht, sei das Merkmal der Zusammenballung von Einkünften nicht erfüllt. Entscheidend sei, ob es unter Einschluss der Entschädigung infolge der Beendigung des Dienstverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt zu einer über die normalen Verhältnisse hinausgehenden Zusammenballung von Einkünften komme. Bei Berechnung der Einkünfte, die der Stpfl bei Fortbestand des Vertragsverhältnisses im Veranlagungszeitraum bezogen hätte, sei auf die Einkünfte des Vorjahres abzustellen. Der Tantiemeanspruch sei dabei einzubeziehen. Er stelle nach § 2 Ziffer 2 des Anstellungsvertrages zusätzliches Entgelt für die vom nichtselbstständig tätigen Stpfl. zu erbringende Arbeitsleistung dar und sei damit Teil des Arbeitslohns.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dem Kläger steht die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG für den den Freibetrag des § 3 Nr. 9 EStG übersteigenden Abfindungsbetrag zu.
Nach § 34 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG sind im Einkommen enthaltene außerordentliche Einkünfte nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1a EStG kommen Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen als außerordentliche Einkünfte in diesem Sinne in Betracht. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass es sich bei der im Jahr 2001 gezahlten Abfindung um eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1a EStG handelt.
Die Entschädigung gem. § 24 Nr. 1a EStG ist nach ständiger Rspr. des BFH (BFH-Urteile vom 6. September 1995 XI R 71/94, BFH/NV 1996, 204; vom 16. Juli 1997 XI R 13/97, BFHE 183, 535, BStBl II 1997, 753; vom 6. September 2000 XI R 19/00, BFH/NV 2001, 431, und vom 15. Oktober 2003 XI R 17/02, BFHE 203, 490, BStBl II 2004, 264), der sich der Senat anschließt, nur dann gem. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem VZ zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben. Dementsprechend sind Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1a EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Stpfl. im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat.
Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt auch eine Zusammenballung der Einkünfte im Streitjahr vor, denn der Kläger hat infolge der Entschädigung im Jahr 2001 mehr erhalten, als er bei ungestörter Fortsetzung des Dienstverhältnisses bekommen hätte. Bei der Vergleichsberechnung der Einkünfte, die der Kläger bei Fortbestand des Dienstverhältnisses im Veranlagungszeitraum mutmaßlich bezogen hätte, ist auf die Einkünfte der Vorjahre abzustellen (vgl. BFH vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787; FG Köln Urteil vom 15. März 2005 15 K 4753/05 EFG 2005, 962. - rechtskräftig -; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34 EStG Anm. 54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die Verhältnisse des Vorjahres, sondern der Durchschnitt der vergangenen Jahre. Der Senat folgt hier ausdrücklich der Entscheidung des BFH (Urteil vom 4. März 1998, a.a.O), wonach auf die Lohneinkünfte der Vorjahre abzustellen ist. Das gilt insbesondere dann, wenn - wie beim Kläger - die jährlichen Bezüge aufgrund eines nicht geringen Anteils erfolgsabhängiger Tantiemen sehr stark schwanken. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses 2001 eine Tantieme ausgezahlt worden wäre, die mindestens die Höhe der im Jahr 2000 ausgezahlten Tantieme erreicht hätte. Nach der entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag war die Tantieme nämlich nicht nur von dem Gewinn des Vorjahres anhängig. Vielmehr konnte der Aufsichtsrat die Bemessungsgrundlage für die Tantieme jährlich neu festlegen. Im Streitfall ist ferner zu beachten, dass die im Jahr 2000 erfolgten Zahlungen auch die für das Jahr 1999 festgesetzte Tantieme und die nachträgliche Erhöhung des Grundgehalts erfassten. Im Hinblick hierauf erscheint die Einbeziehung nur des Vorjahres nicht sachgerecht (ebenso FG Köln Urteil vom 15. März 2005, a.a.O., zu einem vergleichbaren Fall). Ob im Streitjahr auf den Durchschnitt der Einnahmen der letzten drei Jahre (so FG Köln, a.a.O.) oder auf den Durchschnitt der letzten zwei Jahre abzustellen ist, kann indes dahinstehen, denn die durchschnittlichen Einnahmen liegen in beiden Fällen unter dem, was dem Kläger tatsächlich aufgrund der Abfindung im Streitjahr zugeflossen ist.
In den Jahren 1998 bis 2000 hat der Kläger insgesamt 1.523.863 DM (399.056 + 428.294 + 696.513 DM) Einkünfte aus § 19 EStG erzielt. Dies ergibt einen durchschnittlichen Verdienst in Höhe von 507.954 DM. Selbst wenn man wegen des erheblich angehobenen Grundgehalts für 1999 nur die letzten beiden Jahre vor der Auflösung des Vertrages mit einbezieht, ergibt sich ein Durchschnittsverdienst in Höhe von lediglich 562.403 DM (1.124.807 DM / 2). In beiden Fällen liegt die Prognose dessen, was bei ungestörtem Verlauf des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden wäre, unter dem, was tatsächlich im Streitjahr vom Kläger nach § 19 EStG zu versteuern ist (insgesamt 566.683 DM).
Die Anwendung der Tarifermäßigung des § 34 EStG scheitert auch nicht daran, dass - bezieht man nur die letzten beiden Jahre in die Vergleichsberechnung ein - nur eine geringfügige Überschreitung vorliegt. Diese Konsequenzen ergeben sich aus der vom Gesetz vorgegebenen Einkünfteermittlung für den einzelnen Veranlagungszeitraum. Der BFH hat in seinem Urteil vom 4. März 1998 (XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787) auch die geringfügige Überschreitung genügen lassen und daraufhingewiesen, dass auch in anderen Fällen, wie z. B. § 5 EigZulG, aus Gründen der Praktikabilität keine gestaffelte Abstufung vorgesehen ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, denn die Entscheidung folgt ausdrücklich der Rechtsprechung des BFH und hat über den Streitfall hinaus keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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