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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 7 K 844/05 GE
Rechtsgebiete: GrEStG, AO 1977, ZVG


Vorschriften:

GrEStG § 8 Abs. 1
GrEStG § 9 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2
ZVG § 114a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 844/05 GE

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit notariell beurkundetem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 16. Juni 2000 (URNr. 1/2000 des Notars C, Z-Stadt; vgl. Blatt 19 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00) erwarb die Klägerin von der Bank D in Liquidation / in Konkurs eine in dem Vertrag näher bezeichnete Gesamt-Grundschuld in Höhe von 7.850.000 DM und die zugrundeliegenden schuldrechtlichen Forderungen einschließlich aufgelaufener Zinsen und sonstigen Nebenleistungen zu einem Kaufpreis von 3.000.000 DM. Die Gesamt-Grundschuld war in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern des Amtsgerichts Y-Stadt Blätter 1-72 in der Abt. III unter lfd Nr. 6 seit dem 22. April 1994 zugunsten der Bank D eingetragen. Als Eigentümer der vorstehend bezeichneten 72 Wohnungs- und Teileigentumseinheiten war jeweils der am 13. März 1999 verstorbene Herr E, der zuletzt den Nachnamen "F" führte, eingetragen. Auf den weiteren Inhalt des Vertrages wird verwiesen.

Seit 1999 war für die 72 Einheiten die Zwangsverwaltung angeordnet. Die Y-Stadt beantragte am 18. Mai 2000 die Anordnung der Zwangsversteigerung beim Amtsgericht Y-Stadt.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2003 (vgl. Blatt 212 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00) beantragte die Klägerin beim Amtsgericht Y-Stadt den Beitritt zu der angeordneten Zwangsversteigerung zuzulassen. Gleichzeitig beantragte die Klägerin, sämtliche Versteigerungsverfahren gemäß § 18 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung -ZVG- zu verbinden, da nur bei Verbindung der Versteigerung aller Einzelwohnungen sichergestellt sei, dass ein finanzkräftiger Investor die Objekte erwerbe und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen ergreife. Darüber hinaus führte die Klägerin in dem Schreiben vom 17. Juli 2003, auf dessen Inhalt verwiesen wird, aus, welche persönlichen Forderungen - neben der dinglichen Forderung aus der Gesamtgrundschuld - gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Y-Stadt vom 11. November 2003 wurden die 72 Zwangsversteigerungsverfahren unter den führenden Az. 5 K 71/00 verbunden (vgl. Blatt 304 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00). Der Verkehrswert des Grundbesitzes wurde gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG auf insgesamt 2.137.200,07 Euro festgesetzt (vgl. Blatt 533 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00).

Im Versteigerungstermin am 24. Mai 2004 war die Klägerin mit dem baren Gebot von 200.001 Euro für den oben genannten Grundbesitz Meistbietende geblieben. Mit Beschluss des Amtsgerichts Y-Stadt wurden der Klägerin die 72 Einheiten zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen zugeschlagen (vgl. Blatt 871 ff der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00). Ausweislich des Schreibens vom 17. August 2004 (vgl. Blatt 1055 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00) meldete die Klägerin gegen Herrn E / F (Schuldner) Ansprüche zur Berücksichtigung im Verteilungstermin von über 8 Mio. Euro an.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 setzte der Beklagte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 52.261 Euro fest.

Besteuerungsgrundlage war das Meistgebot in Höhe von 200.001 Euro zuzüglich eines Betrages in Höhe von 1.296.039 Euro (Forderungsverlust). In der Anlage zum Bescheid heißt es:

"Laut BFH-Urteil vom 16. Oktober 1985 II R 99/95 gehört der Forderungsverlust mit zur Gegenleistung. Er wurde wie folgt ermittelt:

Verkehrswert 2.137.200 Euro x 7/10 =1.496.040 Euro

abzüglich Meistgebot: 200.001 Euro

Forderungsverlust: 1.296.039 Euro"

Hiergegen legte die Klägerin am 13. August 2004 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Der Bescheid sei formal und materiell fehlerhaft. Es seien 72 Einzelsteuerbescheide zu erlassen. Nur aus verfahrenstechnischen Gründen seien 72 einzelne Einheiten unter dem führenden Aktenzeichen 5 K 71/00 des Amtsgerichts Y-Stadt versteigert worden. Tatsächlich handle es sich um 72 unterschiedliche Zwangsversteigerungen. In materieller Hinsicht sei der ermittelte Forderungsverlust um 598.416 DM zu mindern. Der Forderungsverzicht sei nur bei 10% der Verfahren anhand der 7/10 Grenze zu ermitteln. Bei 70% der Verfahren sei die 5/10 Grenze und bei 20% der Verfahren die 0/10 Grenze anzusetzen, da die Wohneinheiten teilweise 3 bis 4 Jahre im Zwangsversteigerungsverfahren gewesen seien. Der endgültige Verzichtsbetrag könne erst nach dem Verteilungstermin ermittelt werden. Das vom Beklagten zitierte BFH-Urteil sei nicht einschlägig. Im Streitfall sei bereits fraglich, ob ein Forderungsverzicht überhaupt bestehe, weil der Schuldner E bzw. F bereits verstorben sei und die Erben die Erbschaft ausgeschlagen hätten. Dementsprechend bestehe gar keine rechtliche Forderung mehr. Ungeachtet dessen seien die gerichtlichen Grundstückswertgutachten veraltet und am Ersteigerungsstichtag unverkennbar überhöht gewesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hierzu führte er aus: Der Beklagte sei nicht gehalten gewesen, 72 getrennte Bescheide zu erlassen. Zwar sei grundsätzlich die Grunderwerbsteuer gesondert festzusetzen. Eine Zusammenfassung beeinträchtige jedoch dann nicht die Bestimmtheit des Steuerbescheides, wenn gleichwohl eindeutig feststehe, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst würden und auch ansonsten keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung bestehe. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid sei auch der Höhe nach rechtmäßig. Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz -GrEStG- gehörten zur Gegenleistung auch die Leistungen, die der Erwerber dem Grundstücksveräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewähre. Hierzu gehöre auch der Betrag, hinsichtlich derer der Erwerber gemäß § 114 a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gelte. Insoweit habe der Erwerber den früheren Grundstückseigentümer kraft Gesetzes von einer Schuld befreit, ohne dass dieser habe leisten müssen. Maßgebend für die Höhe der zusätzlichen Leistung bleibe der Wert des Grundstückes, wie er während des Zwangsversteigerungsverfahrens festgestellt worden sei. Der nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzte Verkehrswert des zugeschlagenen Grundstücks sei für die Anwendung der Befriedigungsfiktion gemäß § 114 a ZVG und damit auch für die Bemessung der Grunderwerbsteuer bindend.

Mit der hiergegen erhobenen Klage wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor:

Die Klägerin habe mit der Y-Stadt eine Rückflussklausel getroffen. Danach habe die Stadt die Absicht erklärt, auf etwa 50% der Grundbesitzabgaben zu verzichten. Der endgültige Verzichtsbetrag könne erst nach dem Verteilungstermin ermittelt werden und müsse auf die einzelnen Verfahren aufgeteilt werden.

Im Rahmen des ersatzweisen Klageantrages sei festzustellen, dass die Ausführungen des BFH in dem Urteil vom 16. Oktober 1985 nicht überzeugten. Es sei auf das Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein III-100/84 vom 14. August 1984 hinzuweisen. Zudem könne die Fiktion gemäß § 114 a ZVG im Streitfall nicht angewendet werden, weil hier kein Schuldner mehr bestehe. Da der Schuldner E/F verstorben sei und die Erben das Erbe ausgeschlagen hätten, habe es keinen Schuldner mehr gegeben, dem die Befriedigungsfiktion zu Gute gekommen sei. Darüber hinaus sei das ersteigerte Objekt am Ersteigerungstermin viel weniger Wert gewesen, als im gerichtlichen Wertgutachten festgestellt worden sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessvertreter der Klägerin noch ergänzend vorgetragen, dass Forderungen gegen den Schuldner nicht vollwertig gewesen seien, weil Herr E / F überschuldet gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 22. Juli 2004 ersatzlos aufzuheben und für die einzelnen ersteigerten Objekte getrennte Grunderwerbsteuerbescheide zu erlassen;

hilfsweise

die Grunderwerbsteuer nach dem Meistgebot in Höhe von 200.001 EUR zu bemessen und die Grunderwerbsteuer auf 7.035 Euro herabzusetzen;

hilfsweise

die Grunderwerbsteuer auf 31.416,84 Euro (= 897.624 Euro x 3,5%) herabzusetzen;

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Auch die Beträge, hinsichtlich derer der Erwerber gemäß § 114 a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gelte, seien bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer einzubeziehen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Zivilrechtlich sei für das Prozessgericht bei der Anwendung des § 114 a ZVG der Wert des Grundstückes, wie er während des Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß § 74a Abs. 5 ZVG festgestellt worden sei, bindend. Unter diesen Umständen könne bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG i. V. m. § 114 a ZVG auch grunderwerbsteuerrechtlich nichts anderes gelten. Eine von der Befriedigungsfiktion abweichende Berechnung, so wie die Klägerin diese beantragt, lasse das Gesetz nicht zu. Der Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, 72 Einzelsteuerbescheide zu erlassen. Hierzu habe im Streitfall keine Notwendigkeit bestanden.

Das Gericht hat die Zwangsversteigerungsakten des Amtsgerichts Y-Stadt (Az. 5 K 71/00) zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass für den Erwerbsvorgang vom 24. Mai 2004 (Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren 5 K 71/00 des Amtsgerichts Y-Stadt) die Grunderwerbsteuer in 72 Bescheiden festgesetzt wird. Die Ablehnung des Antrages auf Aufhebung des (einheitlichen) Grunderwerbsteuerbescheides vom 22. Juli 2004 und der Erlass von 72 Einzelsteuerbescheide war rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 S. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat den Antrag zu Recht abgelehnt. Gründe dafür, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben und durch 72 Einzelsteuerbescheide zu ersetzen ist, sind nicht ersichtlich.

Der angefochtene Bescheid leidet nicht an einem Bestimmtheitsmangel. Schriftliche Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 S. 2 Abgabenordnung - AO -). Dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 22. Juli 2004 lässt sich unzweifelhaft entnehmen, dass von der Klägerin als Steuerschuldnerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 52.261 Euro verlangt werden soll. Auch der vom Finanzamt zur Besteuerung herangezogene Lebenssachverhalt ist aus dem Bescheid bei Berücksichtigung seines gesamten Inhalts zu erkennen. Dadurch, dass der Beklagte den Namen des Amtsgerichts (Y-Stadt), das Aktenzeichen (5 K 71/00), das Datum an dem der Klägerin der Zuschlag erteilt wurde (8. Juni 2004) und die Höhe des Meistgebotes (200.001 Euro) in dem Bescheid aufgeführt hat und darüber hinaus bei der Berechnung des Forderungsverlustes in der Anlage zum Bescheid von einem Verkehrswert in Höhe von 2.137.200 Euro ausgegangen ist, wird unzweifelhaft deutlich, welcher Rechtsvorgang der Besteuerung zugrundegelegt werden sollte.

Zwar wird im Bescheid der Rechtsvorgang als "Kaufvertrag" bezeichnet mit der UR-Nr. "5 K 71/00" und dem Notar "Amtsgericht Y-Stadt", obwohl es sich hier tatsächlich nicht um einen Kaufvorgang, sondern um das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (Az. 5 K 71/00) beim Amtsgericht Y-Stadt gehandelt hat. Die falsche Bezeichnung "Kaufvertrag" beeinträchtigt aber nicht die Bestimmtheit des Bescheides, weil aus dem weiteren Inhalt des Bescheides (Besteuerungsgrundlagen) hervorgeht, dass das Meistgebot - und nicht ein Kaufpreis - in Höhe von 200.001 Euro der Besteuerung zugrundegelegt worden ist.

Der Grunderwerbsteuerbescheid leidet auch nicht deswegen an einem Bestimmtheitsmangel, weil mit ihm unaufgegliedert eine einheitliche Steuer für die durch das Meistgebot zugeschlagenen 72 Wohnungs- und Teileigentumseinheiten festgesetzt worden ist. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des Steuerbescheides erscheint im Streitfall eine differenzierte Festsetzung der Grunderwerbsteuer für jedes einzelne Grundstück nicht geboten.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass der "Erwerbsvorgang" (hier Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) vom "Erwerb", d. h. der auf der Erwerberseite eintretende Erfolg des Rechtsvorgangs (Änderung der Zuordnung der Grundstücke im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG), zu unterscheiden ist und das Besteuerungsgrund der Grunderwerbsteuer nicht der Erwerbsvorgang selbst, sondern der Erwerb ist (vgl. Pahlke/Franz, GrEStG, § 1 Rz. 10). Dementsprechend liegen grundsätzlich ebensoviele Grunderwerbsteuerfälle vor, wie Grundstücke im Sinne des § 2 GrEStG übergegangen sind (vgl. Boruttau, GrEStG, § 2 Rz. 231). Diese erfordern auch grundsätzlich eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden bzw. bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück für jeden Steuerfall eine gesonderte Festsetzung der Steuer (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162 m. w. N.). Die gesetzlich nicht ausdrücklich untersagte Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid ist jedoch nicht schlechthin und in jedem Fall unzulässig. Ob durch eine derartige Zusammenfassung die erforderliche hinreichende Bestimmtheit des Steuerbescheides beeinträchtigt wird, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1983 II R 56/81, BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140).

Eine Zusammenfassung beeinträchtigt dann nicht die Bestimmtheit des Steuerbescheides, wenn gleichwohl eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden und auch ansonsten keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung besteht. Nach Auffassung des II. Senates des Bundesfinanzhofes ist die Wirksamkeit eines Grunderwerbsteuerbescheids dann nicht beeinträchtigt, wenn er den Erwerb mehrerer Grundstücke in einem einheitlichen Bescheid zusammenfasst, die durch einen Vertrag von einem Erwerber zu einem einheitlichen Kaufpreis erworben worden sind. Für die Bestimmtheit des Steuerbescheids ist es in einem derartigen Fall ausreichend, wenn sich durch ausdrückliche Bezugnahme auf den Kaufvertrag, in dem der Erwerb mehrerer Grundstücke zu einem einheitlichen Kaufpreis beurkundet ist, ergibt, für welche Grundstückserwerbsvorgänge die aus dem Gesamtkaufpreis festgesetzte Steuer erhoben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162 m. w. N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist davon auszugehen, dass die Zusammenfassung der 72 Grundstückserwerbe in einem Steuerbescheid, die Bestimmtheit dieses Steuerbescheides nicht beeinträchtigt hat. Umstände, die im Streitfall eine Differenzierung in 72 Einzelsteuerbescheide notwendig machen würden, sind nicht erkennbar.

Die 72 Grundstücke wurden der Klägerin in einem einheitlichen Zwangsversteigerungsverfahren durch die Abgabe eines Meistgebotes zugeschlagen. Aus dem Beschluss des Amtsgerichts Y-Stadt (Az. 5 K 71/00) vom 08.07.2004, auf den bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer Bezug genommen wird, ergibt sich, für welche einzelnen Grundstücke die Steuer erhoben worden ist. Hinzu kommt, dass im Streitfall für alle Grundstücke ein einheitlicher Verkehrswert nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzt wurde, welcher der Beklagte für die Berechnung des Forderungsverlustes zugrunde gelegt hat. Auch die Problemstellung, nach welchem Maßstab das einheitliche Meistgebot von 200.001 Euro auf die 72 Grundstücke aufzuteilen wäre, legt es nahe, die Steuerfestsetzung in nur einem Bescheid vorzunehmen. Eine künstliche Zerlegung eines einheitlichen Erwerbsvorgangs erscheint insoweit nicht geboten. Für einen einheitlichen Bescheid spricht auch der Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 S. 2 GrEStG, der eine vom bürgerlichen Recht abweichende Regelung für die Fälle trifft, in denen sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke oder auf einen bzw. mehrere Teile eines Grundstücks bezieht. Darüber hinaus handelt es sich bei dem dinglichen Recht der Klägerin an dem Grundstück um eine Gesamt-Grundschuld, die zu Lasten aller 72 Grundstücke zusammen eingetragen wurde.

Eine Aufhebung des angefochtenen Grunderwebsteuerbescheides könnte auch dann nicht verlangt werden, wenn die Behauptung der Klägerin zuträfe, dass der Bescheid durch die Zusammenfassung der 72 Grundstückserwerbe formell rechtswidrig sei. Es kann dahinstehen, ob durch die Zusammenfassung tatsächlich Vorschriften über die Form oder das Verfahren verletzt werden.

Gemäß § 127 AO kann nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

Demnach bestünde im Streitfall nur dann ein Anspruch auf Aufhebung eines formell rechtswidrig zusammengefassten Grunderwerbsteuerbescheides, wenn durch den Erlass von 72 Einzelsteuerbescheiden eine andere (niedrigere) Grunderwerbsteuer festzusetzen wäre. Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn die Vergünstigung des § 3 Nr. 1 GrEStG (Bagatellgrenze) auf eines der 72 Grundstücke anzuwenden wäre. Hierfür sind jedoch im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Vielmehr ist im Streitfall die Höhe der festgesetzten Grunderwerbsteuer - ob in 72 Einzelsteuerbescheiden oder in einem einheitlichen Bescheid festgesetzt - der Summe nach gleich hoch. Die Höhe der Bemessungsgrundlage wird durch die Zusammenfassung der Grundstückserwerbe in einem Bescheid im Streitfall nicht beeinträchtigt. Dem Argument der Klägerin, dass die Aufteilung in 72 Einzelsteuerbescheide dazu führen würde, dass für die verschiedenen Objekte verschiedene Bemessungsgrundlagen zu ermitteln wären, weil die unterschiedlichen Verfahrensstände der Versteigerungen zu berücksichtigen seien, ist nicht zu folgen.

Der Beklagte berücksichtigte zwar bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 1.296.039 Euro. Er bezieht sich aber dabei auf § 114 a ZVG (Befriedigungsfiktion). Diese Vorschrift bewirkt zivilrechtlich das Erlöschen eines Anspruchs bis zu einem Betrag, der sich aus der Differenz zwischen 7/10 des nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzten Grundstückswerts und dem Meistgebot ergibt. Unterschiedliche Verfahrensstände der Versteigerungen bei den verschiedenen Grundstücken haben ausweislich des Wortlautes des § 114 a ZVG keinen Einfluss auf die Berechnung des Betrages für den gemäß § 114 a ZVG die Befriedigungsfiktion eintritt. Hierbei ist nur die Differenz zwischen 7/10 des nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzten Grundstückswerts und dem Meistgebot maßgeblich. 5/10 oder 0/10 des Verkehrswertes spielen für die Berechnung der Befriedigungsfiktion keine Rolle.

Ebenso steht die Höhe des Meistgebotes, welches unstreitig bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer zu berücksichtigen ist, fest und wird durch eventuelle unterschiedliche Verfahrensstände der Versteigerungen nicht berührt.

Die Hilfsanträge der Klägerin, die Grunderwerbsteuer auf 7.035,00 Euro (1. Hilfsantrag) bzw. auf 31.416,84 Euro (2. Hilfsantrag) herabzusetzen, sind ebenfalls nicht begründet.

Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid vom 22. Juli 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2005 ist auch materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

Zu Recht hat der Beklagte die Grunderwerbsteuer auf 52.261,00 Euro festgesetzt.

Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gelten beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistgebot (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) - hier unstreitig 200.001 Euro.

Darüber hinaus gehören zur Gegenleistung auch bestimmte zusätzliche Leistungen an den Veräußerer des Grundstücks (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Eine solche Leistung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. BFHUrteile16. März 1994 II R 14/91, BFHE 174, 191, BStBl II 1994, 525;vom 15. November 1989 II R 71/88, BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228;vom 16. Oktober 1985 II R 99/85, BFHE 145, 95, BStBl II 1986, 148), der sich der Senat anschließt, auch dann anzunehmen, wenn der Gläubiger, der das Meistgebot abgegeben hat, im Rahmen des § 114 a ZVG wegen bestimmter Forderungen gegen den Vollstreckungsschuldner aus dem Grundstück als befriedigt gilt. Denn der ersteigernde Gläubiger verliert aufgrund seines Meistgebots und des anschließenden Zuschlags seine Forderungen gegen den Vollstreckungsschuldner ganz oder teilweise. Zu der durch Meistgebot und Zuschlag vereinbarten Gegenleistung tritt die Tilgungswirkung des § 114 a ZVG als zusätzliche Leistung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG hinzu. Dementsprechend war im Streitfall eine nach § 114 a ZVG eingetretene Befriedigungsfiktion als Teil der Gegenleistung bei der Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen.

Zu Recht hat der Beklagte angenommen, dass der Betrag, in dessen Höhe die Klägerin mit dem Zuschlag nach § 114 a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gilt, 1.296.039 Euro (= 1.496.040 Euro (7/10 des nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgestellten Verkehrswertes) ./. 200.001 Euro (Meistgebot)) beträgt.

Wird einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten der Zuschlag erteilt zu einem Gebot, das hinter 7/10 des Grundstückswerts zurückbleibt, so gilt der Ersteher gemäß § 114 a ZVG auch insoweit als aus dem Grundstück befriedigt, als sein Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot zum Betrag der 7/10 Grenze gedeckt sein würde.

Die Klägerin war seit dem Erwerb der Gesamt-Grundschuld in Höhe von 7.850.000 DM zur Befriedigung aus den 72 Grundstücken berechtigt. Das Meistgebot betrug 200.001 EUR und der gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG festgestellte Verkehrswert 2.137.200 Euro. Gegen den Schuldner standen der Klägerin nach eigenem Bekunden dingliche und schuldrechtliche Ansprüche von mehreren Millionen Euro zu (vgl. Schreiben vom 17. August 2004, Blatt 1055 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00).

Dementsprechend wären die Ansprüche der Klägerin gegen den Schuldner noch um einen weiteren Betrag in Höhe von 1.296.039 Euro aus dem Grundbesitz befriedigt worden, wenn ein Gebot in Höhe von 7/10 von 2.137.200 Euro = 1.496.040 Euro abgegeben worden wäre.

Für die Anwendung des § 114 a ZVG i. V. m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - unbeachtlich, dass der frühere Grundstückseigentümer Herr E / F zu dem Zeitpunkt, als der Zuschlag erteilt wurde und die Befriedigungsfiktion nach § 114 a ZVG eintrat, bereits verstorben war und die Erben - nach Bekundungen der Klägerseite - das Erbe ausgeschlagen hatten.

Der erkennende Senat kann der Ansicht der Klägerin, die Befriedigungsfiktion sei nicht anzuwenden, weil diese im Streitfall keinem Schuldner zugute komme, nicht folgen. Ob dem Schuldner selbst oder seinen Erben die Befriedigungsfiktion zugute kommt, ist bereits nach dem Wortlaut des § 114 a ZVG unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, dass tatsächlich eine persönliche Forderung besteht. Die Tilgungswirkung kann höchstens in der Höhe eingreifen, in der eine Forderung tatsächlich besteht (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 1995 II B 66/94, BFH/NV 1995, 927). Im Streitfall standen der Klägerin gegen den Schuldner E/F nach eigenen Angaben schuldrechtliche Ansprüche (z. B. rückständige Zinsen) in Millionenhöhe zu. Dies ergibt sich auch aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 16. Juni 2000, mit dem die Klägerin neben der Gesamt-Grundschuld auch die zugrundeliegenden schuldrechtlichen Forderungen einschließlich aufgelaufener Zinsen und sonstigen Nebenleistungen erworben hatte. Durch den Erbfall sind diese schuldrechtlichen Ansprüche der Klägerin nicht erloschen. Gemäß § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Das Vermögen geht auch über, wenn die Schulden überwiegen. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt (§ 1953 Abs. 1 BGB). Schlagen alle Erben die Erbschaft aus, fällt diese dem Fiskus an (§ 1936 Abs. 1 BGB), der nicht ausschlagen kann (§ 1942 Abs. 2 BGB). Dementsprechend bestanden im Streitfall die Forderungen der Klägerin auch noch nach Ausschlagung der Erbschaft und die Tilgungswirkung des § 114 a ZVG ging nicht ins Leere.

Im übrigen war die Klägerin im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahren auch nicht der Ansicht, dass ihre Ansprüche gegen den verstorbenen Schuldner dadurch erloschen seien, dass die Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben, denn ansonsten hätte diese ihre Ansprüche zur Berücksichtigung im Verteilungstermin gar nicht geltend gemacht. Hinzu kommt, dass die Klägerin die Gesamt-Grundschuld und die schuldrechtlichen Forderungen zu einem Zeitpunkt erworben hat, als der Schuldner bereits verstorben war. Wenn die Klägerin tatsächlich der Ansicht war, dass zum Zeitpunkt der Ausschlagung der Erbschaft gar keine rechtliche Forderung mehr bestanden habe, ist unverständlich, warum sie diese neben der Gesamt-Grundschuld erworben hat und dann bereit war, hierfür insgesamt 3.000.000 DM zu zahlen.

Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass die Forderungen gegenüber dem früheren Grundstückseigentümer nicht vollwertig gewesen seien, weil Herr E/ F überschuldet gewesen sei. Die Klägerin wird infolge des § 114 a ZVG zivilrechtlich so behandelt, als habe der Grundstückseigentümer die Schuld insoweit bezahlt. Es besteht insoweit auch keine Veranlassung, die Forderung, hinsichtlich der die Befriedigungswirkung eingetreten ist, nicht als vollwertig anzusehen.

Der Einwand der Klägerin, das ersteigerte Objekt sei am Ersteigerungstermin viel weniger Wert gewesen, als im gerichtlichen Wertgutachten festgestellt worden sei, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung in der Sache.

Maßgebend für die Höhe der zusätzlichen Leistung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 114 a ZVG bleibt der Wert des Grundstückes, wie er während des Zwangsversteigerungsverfahrens festgestellt worden ist. Der BGH hat sich bereits dahin ausgesprochen, dass der nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzte Verkehrswert des zugeschlagenen Grundstücks für das Prozessgericht bei Anwendung des § 114a ZVG bindend ist (vgl. BGHZ 99, 110). Daraus folgt, dass für die zivilrechtliche Befriedigungsfiktion von diesem Wert auszugehen ist. Unter diesen Umständen kann bei Anwendung des § 9 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 114a ZVG auch grunderwerbsteuerrechtlich nichts anderes gelten (BFH-Urteil vom 15. November 1989 II R 71/88, BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass ein Gläubiger, der an dem Zwangsversteigerungsverfahren beteiligt ist, auf die Feststellung des Verkehrswertes des Grundstücks gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG Einfluss nehmen und ggf. auch Rechtsmittel einlegen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird zum Zwecke der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen. Die Rechtsfrage, ob die Tilgungswirkung des § 114 a ZVG als zusätzliche Leistung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auch bei wirtschaftlich wertlosen Forderungen des meistbietenden Gläubigers zu berücksichtigen ist, ist - soweit ersichtlich - noch ungeklärt. An der Klärung dieser Rechtsfrage besteht auch ein Allgemeininteresse.

Ende der Entscheidung

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