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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.12.2005
Aktenzeichen: 8 K 383/02 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 3 Satz 4
EStG § 32c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Entlastungsbetrages i.S.v. § 32 c Einkommensteuergesetz (EStG) im Jahr 1999.

Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden.

Der Kläger erzielte in 1999 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 8.080 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 77.018 DM, negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 21.125 DM und Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 292.820 DM. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 6.670 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 5.400 DM, negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 37.979 DM sowie sonstige Einkünfte i.H.v. 366 DM. Der Verlust aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. insgesamt 59.104 DM war gemäß § 2 Abs. 3 EStG in vollem Umfang ausgleichsfähig. Die der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG unterliegenden gewerblichen Einkünfte betrugen laut Mitteilung vom 10. Januar 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 289.387 DM.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1999 legte der Beklagte bei der Ermittlung des Entlastungsbetrages gemäß § 32 c EStG - programmgesteuert - als tarifbegünstigte Einkünfte i. S. d. § 32 c Abs. 2 EStG die gemäß § 2 Abs. 3 Satz 4 EStG anteilig geminderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu Grunde. Er berücksichtigte einen Entlastungsbetrag i.H.v. 1.016 DM und setzte mit Einkommensteuerbescheid vom 29. November 2000 die Einkommensteuer für 1999 auf 106.506 DM fest. Die Steuerfestsetzung erging im Hinblick auf die Anhängigkeit von Verfassungsbeschwerden bzw. Revisionen hinsichtlich der Anwendung des § 32 c EStG nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig.

Hiergegen legten die Kläger u.a. mit der Begründung Einspruch ein, dass der Entlastungsbetrag gemäß § 32 c EStG 3.214 DM betragen würde. Der Entlastungsbetrag sei auf Grundlage der ungekürzten gewerblichen Einkünfte zu berechnen. Die Auffassung des Beklagten stehe im Widerspruch zu dem Wortlaut des § 32 c Abs. 2 EStG, der eine Kürzung der gewerblichen Einkünfte durch die Verlustverrechnung nach § 2 Abs. 3 EStG nicht vorsehe. Zudem würde § 32 c Abs. 3 Satz 2 EStG ins Leere laufen, wenn die Auffassung des Beklagten zutreffend wäre.

Der Beklagte erließ am 31. Januar 2001 einen aus anderen Gründen geänderten Einkommensteuerbescheid. Den Einspruch wies er in Anlehnung an eine Entscheidungshilfe der Oberfinanzdirektion "E-Stadt" mit der Begründung ab, dass ab dem Veranlagungszeitraum 1999 vorgesehen sei, dass bei Berechnung der im zu versteuernden Einkommen enthaltenen gewerblichen Einkünfte der Verlustausgleich nach § 2 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sei. Gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 32 c EStG könnten nur im zu versteuernden Einkommen enthalten sein, wenn sie nicht durch Vorschriften der Verlustausgleichs- und Verlustabzugsbeschränkungen zwingend auszugleichen seien. Für § 34 EStG sei festgelegt, dass § 2 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sei. Die Eingangssätze in § 34 Abs. 1 EStG und § 32 c Abs. 1 EStG würden die gleichen Formulierungen enthalten. Aus diesem Grund müsse die für § 34 EStG getroffene Aussage hinsichtlich der Höhe der begünstigten Einkünfte für § 32 c gleichermaßen gelten. § 32 c Abs. 3 Satz 2 EStG sei in Folge dieser Voraussetzung obsolet geworden, da dieser Fall seit der Einführung der Mindestbesteuerung nicht mehr eintreten könne. § 32 c Abs. 3 EStG sei im Zusammenhang mit der Einführung der Mindestbesteuerung nicht angepasst worden.

Die Kläger haben am 18. Januar 2002 die vorliegende Klage erhoben.

Zur Ergänzung ihrer Begründung führen sie an, dass die Finanzverwaltung im Rahmen des § 34 EStG für die Ermittlung der außerordentlichen Einkünfte die Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 EStG in R 197 Abs. 3 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1999 festgelegt hätte. Im Zusammenhang mit der Ermittlung der tarifbegrenzten gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 32 c EStG fehle dagegen eine entsprechende Vorschrift bzw. der Verweis auf eine analoge Anwendung. Die Auffassung der Finanzverwaltung stehe im Widerspruch zu dem Wortlaut des § 32 c Abs. 2 EStG, der die gewerblichen Einkünfte genau definiere und eine Kürzung der gewerblichen Einkünfte durch die Verlustverrechnung nach § 2 Abs. 3 EStG nicht vorsehe.

Der Beklagte hat am 24. April 2003 einen gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999 erlassen und einen Entlastungsbetrag i.H.v. 1096 DM berücksichtigt. Der Steuerbescheid ist gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Steuerbescheides Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 24. April 2003 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 1999 unter Berücksichtigung eines Entlastungsbetrages gemäß § 32 c EStG auf Grundlage begünstigter gewerblicher Einkünfte i.H.v. 289.387 DM niedriger festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen und

2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 17. Dezember 2001.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 24. April 2003 ist rechtswidrig und beeinträchtigt die Kläger in ihren Rechten.

Unter Berücksichtigung eines Entlastungsbetrages gemäß § 32 c EStG i.H.v. 3.231 DM ist die Einkommensteuer für 1999 auf 105.037 DM festzusetzen.

Gemäß § 32 c Abs. 1 EStG ist von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach § 32 c Abs. 4 EStG abzuziehen, wenn in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 32 c Abs. 2 EStG enthalten sind, deren Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 93.744 DM beträgt. Der Begriff der gewerblichen Einkünfte wird in § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG dahingehend definiert, dass es sich vorbehaltlich des Satzes 2 der Vorschrift um Gewinne oder Gewinnanteile handeln muss, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 Gewerbesteuergesetz (GewStG) der Gewerbesteuer unterliegen.

Im vorliegenden Streitfall betragen die der Tarifbegrenzung gemäß § 32 c EStG unterliegenden gewerblichen Einkünfte 289.387 DM. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 32 c Abs. 2 EStG nicht lediglich die anteilig geminderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Anwendung des Verlustausgleichs gemäß § 2 Abs. 3 EStG (vgl. Urteil des Finanzgerichts -FG- Düsseldorf vom 03. Dezember 2001 8 K 1864/01 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 466). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 32 c Abs. 2 EStG ist eine solche anteilige Verlustverrechnung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 4 EStG bei Ermittlung der gewerblichen Einkünfte nicht vorgesehen. Auch fehlt ein Verweis in der zum 01.01.1994 in Kraft getretenen Vorschrift des § 32 c Abs. 2 EStG auf die Regelung des § 2 Abs. 3 EStG; vielmehr hat der Gesetzgeber den Text des § 32 c EStG nach Einfügung der Sätze 2 bis 8 in § 2 Abs. 3 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 unverändert gelassen. Für einen ungekürzten Ansatz der gewerblichen Einkünfte spricht auch die Regelung des § 32 c Abs. 3 Satz 2 EStG, wonach der Entlastungsbetrag nach Abs. 4 auf der Grundlage des gesamten zu versteuernden Einkommens zu ermitteln ist, wenn die gewerblichen Einkünfte nach Abs. 2 die Summe der Einkünfte übersteigen. Die Regelung dieser Vorschrift kann nur greifen, wenn die gewerblichen Einkünfte nicht gemäß § 2 Abs. 3 EStG begrenzt werden. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er den Gesetzestext des § 32 c Abs. 3 EStG nach Einführung des § 2 Abs. 3 Sätze 2 bis 8 EStG nur versehentlich nicht geändert hat und der Satz 2 des § 32 c Abs. 3 EStG - wie der Beklagte vorträgt - obsolet geworden ist. Auch aus der Eingangsformulierung "Sind in dem zu versteuernden Einkommen", die der des § 34 EStG gleicht, kann eine anteilige Verlustverrechnung nicht abgeleitet werden.

Gemäß § 32 c Abs. 3 Satz 1 EStG bemisst sich der auf gewerbliche Einkünfte entfallende Anteil am zu versteuernden Einkommen (gewerblicher Anteil) nach dem Verhältnis der gewerblichen Einkünfte nach § 32 c Abs. 2 EStG zur Summe der Einkünfte. Eine Regelung des Begriffs der "Summe der Einkünfte" ergibt sich aus § 2 Abs. 3 EStG. Ob die Summe der Einkünfte in der Vorschrift des § 32 c Abs. 3 EStG die ist, die sich nach Berücksichtigung der Verlustausgleichsbegrenzung nach § 2 Abs. 3 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes für 1999 ergibt (vgl. Urteil des FG Düsseldorf, a.a.O; Schmidt, EStG, 21. Aufl., § 32 c Anm. 25), kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall wirkt sich die Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG nicht auf die Höhe des zu versteuernden Einkommens aus, da die negativen Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung in vollem Umfang gemäß § 2 Abs. 3 EStG ausgleichsfähig sind.

Zur Ermittlung des Entlastungsbetrages wird gemäß § 32 c Abs. 4 EStG zunächst für den abgerundeten gewerblichen Anteil die Einkommensteuer nach § 32 a EStG berechnet. Von diesem Steuerbetrag sind die Einkommensteuer, die nach § 32 a EStG auf ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 93.690 DM entfällt, sowie 45 % des abgerundeten Anteils, soweit er 93.690 DM übersteigt, abzuziehen. Gemäß § 32 c Abs. 5 EStG beträgt der Entlastungsbetrag bei Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden, das Zweifache des Entlastungsbetrages, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach den Abs. 1 bis 4 ergibt.

Der Entlastungsbetrag berechnet sich danach wie folgt:

 gemäß § 32 c Abs. 2 EStG begünstigte gewerbliche Einkünfte289.387,00 DM
Summe der Einkünfte331.250,00 DM
zu versteuerndes Einkommen290.817,00 DM
gewerblicher Anteil am zu versteuernden Einkommen:127.031,93 DM
289.387 x 290.817 DM 
331.250 x 2 
abgerundet auf den nächsten durch 54 teilbaren Betrag127.008,00 DM
Steuer lt. Grundtabelle auf gewerblichen Anteil44.428,24 DM
Steuer lt. Grundtabelle auf 93.690 DM27.820,00 DM
zuzügl. 45 % von 33.318 (127.008 DM ./. 93.690 DM)14.993,10 DM
42.813,10 DM
halber Entlastungsbetrag (44.428,24 DM ./. 42.813,10 DM)1.615,14 DM
Entlastungsbetrag3.231,00 DM.

Daraus ergibt sich folgende festzusetzende Einkommensteuer für 1999:

 Einkommensteuer (Splitting) lt. Steuerbescheid108.318 DM
Entlastungsbetrag./. 3.231 DM
Ermäßigung gemäß § 34 g EStG./. 50 DM
Einkommensteuer lt. Urteil105.037 DM

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war wegen der Schwierigkeit des Falles notwendig, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO n. F. zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Zwar kommt nach der Rechtsprechung des BFH zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a. F. Rechtsfragen, die ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu; die Vorschrift des § 32 c EStG ist letztmals für den Veranlagungszeitraum 2000 anzuwenden (§ 52 Abs. 44 EStG). Eine Ausnahme besteht jedoch dann - wie auch im vorliegenden Streitfall -, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage noch für eine Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich ist (vgl. insoweit Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 22. November 1999 III B 58/99, BFH/NV 2000, 748). Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass sich die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Vielzahl von Einsprüchen zur Höhe des Entlastungsbetrages veranlasst gesehen hat, eine einheitliche Regelung zu treffen.

Ende der Entscheidung

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