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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.02.2008
Aktenzeichen: 8 Ko 249/08 GK
Rechtsgebiete: GKG, AO


Vorschriften:

GKG § 52 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 2
AO § 284
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

8 Ko 249/08 GK

Tenor:

Die Kostenrechnung vom 10. Januar 2008 (Kassenzeichen) wird aufgehoben. Die Sache wird an die Kostenbeamtin (Kostenstelle) des Gerichts zurückgegeben, die eine neue Kostenrechnung unter Ansatz eines Streitwerts von 500.000 Euro zu erstellen haben wird.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Erinnerungsführer war Kläger im Verfahren 8 K 3814/07 KV, in dem ein Anspruch des Erinnerungsführers auf Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens streitig war. Diesen Anspruch machte er vor folgendem Hintergrund geltend:

Im September 2007 schuldete der Erinnerungsführer dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW) Abgaben i.H.v. 1.103.827 Euro, die nahezu vollständig aus Einkommensteuernachforderungen sowie steuerlichen Nebenleistungen für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 herrührten. Da zahlreiche Vollstreckungsversuche in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Erinnerungsführers ohne nennenswerten Erfolg geblieben waren, beantragte das Finanzamt (FA) am 17. September 2007 beim Amtsgericht (AG) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erinnerungsführers. Nachdem der beschließende Senat am 23. Oktober 2007 einen Antrag des Erinnerungsführers auf einstweiligen Rechtsschutz wegen des Insolvenzeröffnungsantrags als unbegründet abgelehnt hatte (Az. 8 V 3815/07 AE(KV)), beglich der Erinnerungsführer die Forderung des FA. Daraufhin nahm das FA den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim AG zurück, was den Erinnerungsführer zur Rücknahme seiner Klage veranlasste. Das Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 18. Dezember 2007 eingestellt.

Mit Gerichtskostenrechnung vom 10. Januar 2008 setzte die Kostenbeamtin des Gerichts gegenüber dem Erinnerungsführer Gerichtsgebühren i.H.v. 9.812 Euro an. Dabei ging die Kostenbeamtin von einem Streitwert in Höhe der im Zeitpunkt des Insolvenzeröffnungsantrags offenen Abgabenverbindlichkeiten (1.103.827 Euro) aus.

Hiergegen wendet sich der Erinnerungsführer mit seiner Erinnerung vom 22. Januar 2008. Zur Begründung führt er aus, er habe sich mit seiner Klage nicht gegen die Höhe der Abgabenverbindlichkeiten oder gegen die diesen zu Grunde liegenden Steuerbescheide gewandt, sondern gegen das Handeln des FA bei Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags. Die Klage habe eine Rücknahme des Antrags durch das FA bewirken sollen, da er als Druckantrag wirtschaftlich sinnlos und existenzvernichtend gestellt worden sei. Sein Interesse habe in der Abwehr der aus einem Insolvenzantrag resultierenden wirtschaftlichen Risiken für seine Tätigkeit als ...... und seiner wirtschaftlichen Existenz bestanden. Es sei bekannt, dass es ab Antragstellung zu weiteren wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit Kunden und Lieferanten komme, da diese regelmäßig insolvente Unternehmen mieden. In der Regel führe ein Insolvenzantrag auch zu weitergehenden Finanzierungskündigungen. Biete der Sach- und Streitstand - wie hier - für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, sei gem. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ein Streitwert von 5.000 Euro anzusetzen.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Kostenrechnung vom 10. Januar 2008 aufzuheben und unter Ansatz eines Streitwerts von 5.000 Euro eine neue Kostenrechnung zu erstellen sowie die aufschiebende Wirkung der Erinnerung anzuordnen.

Die Vertreterin der Staatskasse des Landes NRW ist der Erinnerung entgegengetreten.

II.

Die Erinnerung ist insoweit begründet, als der Kostenrechnung vom 10. Januar 2008 ein höherer Streitwert als 500.000 Euro zu Grunde gelegt worden ist.

1. Der Erinnerungsführer hat die erhobenen Einwendungen gegen den der Kostenrechnung zu Grunde gelegten Streitwert zu Recht mit der Erinnerung geltend gemacht, weil der Streitwert im vorliegenden Fall nicht durch das Gericht festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), sondern durch die Kostenbeamtin im Rahmen des Kostenansatzes (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 26. September 2002 VII E 10/02, [...], unter II. 1. der Gründe m.w.N.).

2. Im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Nur wenn der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist gem. § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000 Euro anzuwenden (sog. Auffangstreitwert).

a) Im Verfahren wegen Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 284 der Abgabenordnung (AO) hat der BFH mehrfach ausgeführt, dass der Steuerrückstand, aus dem vollstreckt wird, einen Anknüpfungspunkt für das finanzielle Interesse bildet, das der Kläger mit dem von ihm betriebenen Verfahren verfolgt. Wegen der Nichtvorhersehbarkeit, ob und in welchem Ausmaß spätere Vollstreckungsmaßnahmen Erfolg haben werden, hat er den Streitwert regelmäßig mit 50 % der rückständigen Steuerbeträge angenommen (BFH-Beschluss vom 20. April 1993 VII E 8/92, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV 1994, 118 m.w.N.), den Streitwert bei hohen Rückständen jedoch auf einen Höchstbetrag von 1 Mio. DM (BFH-Beschluss vom 29. Juli 1999 VII E 6/99, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1999, 756, unter 5. der Gründe) oder 500.000 Euro (BFH-Beschluss vom 23. Oktober 2003 VII E 14/03, BFH/NV 2004, 351, unter II.1. der Gründe) begrenzt.

b) Hinsichtlich der Streitwertbemessung für eine Klage wegen eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Finanzgericht (FG) des Saarlandes entschieden, dass der sog. Auffangstreitwert (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., jetzt § 52 Abs. 2 GKG) zu Grunde zu legen sei, wenn im Verfahrensstadium der Antragstellung ungewiss sei, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet werde und zu welchem Ergebnis das Insolvenzverfahren führen werde (FG des Saarlandes, Urteil vom 02. Juni 2004 1 K 437/02, [...]). Dieser Meinung hat sich ein Teil der Literatur - kommentarlos - angeschlossen (Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 139 FGO Anm. 298a; Gräber/Ruban, FGO, 6. Aufl., 2006, Vor § 135 Rz. 35 "Insolvenzverfahren"; wohl auch Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO Tz. 214).

c) Der Senat vermag der letztgenannten, auch vom Erinnerungsführer vertretenen Auffassung jedoch nicht zu folgen. Denn auch im Klageverfahren wegen eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bietet der Rückstand der Abgaben einen Anhaltspunkt für das finanzielle Interesse, das der Kläger mit dem von ihm betriebenen Verfahren vor dem FG verfolgt. Mit dem Begehren, das FA zur Rücknahme des Insolvenzeröffnungsverfahrens zu verurteilen, geht es dem Schuldner nicht - wie der Erinnerungsführer meint - nur darum, Kunden und Lieferanten weiter an sich zu binden. Vielmehr will er auch eine Befriedigung des Gläubigers (hier des FA) im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verhindern. Je höher die Rückstände sind, desto mehr wird der Schuldner daran interessiert sein, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu vermeiden. Dies wird auch durch den Ablauf des Klageverfahrens 8 K 3814/07 KV deutlich. Der Erinnerungsführer verfügte offenbar über die - dem Senat nicht näher bekannte - Möglichkeit, seine Steuerschulden (vermutlich mit Hilfe Dritter) zu begleichen, wollte von dieser Möglichkeit zunächst jedoch keinen Gebrauch machen. Nachdem das FA am 17. September 2007 einen Insolvenzeröffnungsantrag gestellt und der Senat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 23. Oktober 2007 abgelehnt hatte, hat der Erinnerungsführer jedoch innerhalb kurzer Zeit rund 1,1 Mio. Euro an das FA gezahlt, sodass dieses den Insolvenzeröffnungsantrag und der Erinnerungsführer am 12. Dezember 2007 die Klage zurückgenommen hat. Vor diesem Hintergrund ist die rückständige Abgabenschuld zumindest ein tragfähiger Anknüpfungspunkt für das zu beziffernde finanzielle Interesse, sodass für den Ansatz eines Auffangstreitwerts von 5.000 Euro (§ 52 Abs. 2 GKG) kein Raum ist.

d) Die Erinnerung ist jedoch insoweit begründet, als die Kostenbeamtin dem Kostenansatz einen höheren Streitwert als 500.000 Euro zu Grunde gelegt hat.

aa) Im Hinblick auf die Ungewissheit, dass im Zeitpunkt der Antragstellung durch das FA nicht vorauszusehen ist, ob der Insolvenzantrag in dem für das FA günstigsten Fall (wie hier) den Schuldner bewegt, die Abgabenschuld zu tilgen, oder ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, oder mit welcher Quote das FA im Fall der Insolvenzeröffnung befriedigt werden wird, ist der Streitwert regelmäßig auf einen Bruchteil von 50 % der Abgabenrückstände zu bemessen. Der Senat orientiert sich hierbei an der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BFH zur Anfechtung der Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses einschließlich der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Verfahren nach § 284 AO, wo - vergleichbar - ungewiss ist, ob die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung überhaupt zur Aufdeckung weiteren Vermögens des Vollstreckungsschuldners führen wird und welches Ausmaß eine mögliche spätere Vollstreckung haben wird.

bb) Um zu verhindern, dass die Rechtsverfolgung durch einen Schuldner, der sich gegen einen Antrag des FA auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Klage wenden möchte, in unzumutbarer Weise erschwert wird oder ihn sogar von der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes abhält, hält es der Senat für gerechtfertigt und angebracht, den Streitwert in einer solchen Angelegenheit auf höchstens 500.000 Euro zu begrenzen. Auch insoweit schließt er sich den Überlegungen des BFH zur Begrenzung des Streitwerts auf einen Höchstbetrag in Angelegenheiten der Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an (BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 1999 VII E 6/99, BStBl II 1999, 75, unter 5. der Gründe, und vom 23. Oktober 2003 VII E 14/03, BFH/NV 2004, 351, unter II.1. der Gründe).

3. Da die mit der Erinnerung beanstandete Kostenrechnung hinsichtlich des zu Grunde gelegten Streitwerts den obigen Ausführungen nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache geht an die Kostenbeamtin (Kostenstelle) des Gerichts zurück, die eine neue Kostenrechnung unter Ansatz eines Streitwerts von 500.000 Euro zu erstellen haben wird.

4. Über den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Erinnerung anzuordnen (§ 66 Abs. 7 Satz 2 GKG), muss nicht mehr entschieden werden, da auf Grund der vorliegenden endgültigen Entscheidung über die Erinnerung eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 1997 VII E 3/97, BFH/NV 1998, 75, unter II. 5. der Gründe, und vom 13. Juni 2000 VIII E 4/00, BFH/NV 2000, 1238, unter 4. der Gründe).

5. Die Gerichtsgebührenfreiheit sowie die Nichterstattung von Kosten ergibt sich aus § 66 Abs. 8 GKG.



Ende der Entscheidung

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