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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 9 K 1274/04 E
Rechtsgebiete: AStG, EG, AO, EStG, FGO, GG


Vorschriften:

AStG § 6
AStG a.F. § 6
EG Art. 43
EG Art. 234 Abs. 1
EG Art. 234 Abs. 2
AO § 90 Abs. 2
AO § 121 Abs. 1
AO § 121 Abs. 2 Nr. 2
AO § 125
AO § 127
AO § 162
AO § 164 Abs. 2
AO § 169 Abs. 2 S. 2
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
EStG a.F. § 17 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 1 S. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 100 Abs. 1

Entscheidung wurde am 10.06.2008 korrigiert: das Verkündungsdatum wurde korrigiert
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

9 K 1274/04 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Feststellungen einer Betriebsprüfung bei der Klägerin und bei deren Ehemann, dem Kläger in dem Verfahren 9 K 1270/04 E.

Nach den Feststellungen der BP in Tz. 11 des Berichtes vom 18.6.2003 war die Klägerin nach einer Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten und Tätigkeit in einem Steuerbüro seit 1972 als freiberufliche Kauffrau tätig. Sie hielt verschiedene Beteiligungen an Unternehmen. Bis zum Jahre 1998 lebten die Klägerin und ihr Ehemann in Deutschland. Im Oktober oder Dezember 1998 - das genaue Datum ist zwischen den Beteiligten umstritten - verzogen sie zunächst nach Belgien. Nach einer Hausdurchsuchung am 6.3.2001 u.a in ihrem Wohnhaus in Belgien zogen sie in die Schweiz. Der derzeitige genaue Aufenthaltsort ist dem Gericht nicht bekannt.

Die Klägerin gab zusammen mit ihrem Ehemann zunächst für die Streitjahre Einkommenssteuererklärungen ab, aufgrund derer der Beklagte die Einkommensteuer festsetzte. Vom 1.3.2000 fand bei der Klägerin und ihrem Ehemann eine Betriebsprüfung statt, die mit dem hier streitigen Bericht vom 18.6.2003 endete. Am 6.3.2001 wurde gegen die Eheleute ein Steuerstrafverfahren eingeleitet.

Nach Ansicht der Betriebsprüfung in Tz. 7 haben die Klägerin und ihr Ehemann nicht an der Aufklärung des erheblichen Sachverhaltes mitgewirkt. Insbesondere wurden keine Angaben über die genauen Beteiligungshöhen an den Gesellschaften, insbesondere der N und der I gemacht. Auch seien Aufforderungen zur Vorlage von Kontoauszügen über ausländische Konten unerfüllt geblieben. Insbesondere seien Vorgänge und Sachverhalte hinsichtlich der Kapitaleinlagen und Veräußerungsvorgänge im Zusammenhang mit ausländischen Gesellschaften, der Tätigkeiten für die ausländischen Gesellschaften und deren Vergütung, Einnahmen aus Kapitalvermögen auf Guthaben bzw. Depots bei ausländischen Banken, Spekulationsgewinne aus Depots bei ausländischen Instituten und Arbeitslohn aus Kommissionsnachlässen mangels hinreichender Mitwirkung unaufgeklärt geblieben.

Im Einzelnen traf die Betriebsprüfung folgende Feststellungen:

Im Rahmen der Feststellung einer Besteuerung von Kapitaleinkünften nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) wurde die Beteiligungsquote der Klägerin an der N in dem Zeitraum von fünf Jahren vor dem Wegzug nach Belgien auf mehr als 25 v.H. geschätzt.

In dem Bericht heißt es unter Tz. 20 hierzu, auch nach Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen sei eine genaue Entwicklung der Gesellschafterstruktur der N nicht einwandfrei möglich. Bei den Aktien der N habe es sich um leicht übertragbare, bis zum Börsengang im Jahre 1995 auch nicht depotbankverwahrte Inhaberaktien gehandelt. Nach dem Börsengang seien von US-amerikanischen Banken für diese Aktien Aktienzertifikate, sogen. ADR (American Depositary Receipt's) ausgegeben worden, die den Handel in den USA ermöglichten. Dabei repräsentierten zunächst 10 ADR eine Aktie; nach einem im Jahre 1998 durchgeführten Split standen für eine Aktie 30 ADR.

Grundlage für die Schätzung, dass die Klägerin zu verschiedenen Zeitpunkten an der N mit mehr als 25 v.H. beteiligt gewesen sein soll, waren nach Ansicht der Betriebsprüfung u.a. ihre Teilnahme an der Hauptversammlung am 21.6.1993. Auf dieser Versammlungen war die Klägerin mit 50 v.H. am Kapital der N beteiligt (Tz. 20 lit.e)).

Desweiteren war die Klägerin in der Körperschaftssteuererklärung für die N für das Jahr 1993 mit eine Beteiligung von 61,74 v.H. angegeben (Tz. 20 lit.d)). aufgrund von ausgegebenen Aktienzertifikaten der N sei die Klägerin zum 31.12.1993 noch als Inhaberin von 4.000 Stück Aktien von insgesamt 9.000 Stück anzusehen (Tz. 20 lit.e)).

Ferner habe sie sich an einer Kapitalerhöhung im Jahre 1993 beteiligt und einen Zeichnungsschein unterzeichnet und abgegeben, der auf eine Beteiligung in Höhe von 65,95 v.H. schließen lasse (Tz. 20 li.f). Insgesamt ergäben sich erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Anteile den Ehegatten insgesamt zuzuordnen seien und nach außen die Zuordnung wechselnd je nach persönlicher Disposition getroffen werde. Der Prüfer ging davon aus, dass die Klägerin auch wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile gewesen sei. Für ein wirtschaftliches Eigentum des Ehemannes gäbe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Klägerin sei geschäftlich nicht unerfahren und in verschiedenen Unternehmen leitend tätig gewesen (Tz. 20 lit. h)).

Nach Tz. 25 veräußerte die Klägerin 1995 im Rahmen des Börsengangs der N insgesamt 4.034 Aktien und erzielte hieraus Einkünfte in Höhe von 691.427 DM.

Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung (Tz. 26) veräußerte die Klägerin über ein Bankhaus im Jahre 1998 im Zeitraum 6.8. bis 28.10.1998 94.305 ADR und im Zeitraum vom 29.10. bis 16.12.1998 weitere 30.253 ADR, insgesamt 1.500 ADR. Die Erlöse habe die Klägerin zunächst auf einem Depotkonto gutschreiben lassen und von dort aus ab dem 7.8.1998 auf ein Tagegeldkonto transferiert. Von hier aus erfolgte am 4.11.1998 eine Überweisung in Höhe von 5.188.300 DM. Im Mai 1998 und vom 1.12. bis 3.12.1998 hat die Klägerin insgesamt weitere 150.501 ADR über ein Bankhaus veräußert. Die Einkünfte der Klägerin beliefen sich auf 11.687.354 DM.

Hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG bezüglich der N stellte der Betriebsprüfer in Tz. 27 fest, dass der Börsenkurs für den angenommenen Wegzugszeitpunkt zwischen dem 14.12. und dem 31.12.1998 zwischen 19 USD und 37 USD gelegen habe. Im Wege einer Schätzung sei daher von einem Tagesdurchschnittskurs von 23,39 USD auszugehen. Ausgehend von einer Beteiligungshöhe nach dem Börsenprospekt 1995 in Höhe von 888.480 ADR, entsprechend 29.616 Aktien, und unter Berücksichtigung diverser Ver- und Ankäufe sei die Klägerin im Zeitpunkt des Wegzugs Inhaberin von 642.174 ADR (21.406 Aktien) der N gewesen. Hieraus ergäben sich nach § 6 AStG zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 25.021.620 DM.

Hinsichtlich der I habe nach Tz. 28 das Verzeichnis der erschienenen Aktionäre in der Hauptversammlung der I am 14.9.1995 die Klägerin und ihren Ehemann mit jeweils einer Beteiligungsquote in Höhe von 27,83 v.H. ausgewiesen. Auch die Aktien der I wurden in den USA nur über ADR gehandelt, wobei einer Aktie 40 ADR entsprachen. Im Zeitpunkt des Wegzugs aus der Bundesrepublik sei die Klägerin noch mit 26.895 Aktien (entsprechend 1.075.800 ADR) an der I beteiligt gewesen. Der Börsenkurs habe zwischen 5,50 USD und 3,50 USD gelegen; daraus ergebe sich ein Tagesdurchschnittskurs in Höhe von 4,21 USD (vgl. Tz. 31). Hieraus ergaben sich nach Auffassung der Betriebsprüfung Einkünfte in Höhe von 7.429.152 DM.

Die Klägerin war nach den Feststellungen der BP 1990 an der P AG beteiligt. Nach Tz. 32 veräußerte sie ihre Anteile in Höhe von 27,5 v.H. an die N. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 50.000 DM. Als Gegenleistung habe die Klägerin Anteile an der NY im Wert von 114.000 DM erhalten; ferner sei für den Restkaufpreis ein Darlehen in Höhe von 86.000 DM mit einer Laufzeit bis zum 25.6.1992 vereinbart worden. Der N sei eine Option eingeräumt gewesen, wonach sie innerhalb eines Jahres die Anteile an der NY habe zurückkaufen können. Nach dem Aktionärsverzeichnis sei die Klägerin am 23.3.1992 wieder mit 27,5 v.H. an der P AG beteiligt gewesen. Wann zwischen dem 30.9.1991 und dem 23.3.1992 der erneute Erwerb der Anteile durch die Klägerin an der P AG erfolgt sei, sei unbekannt. Nach der Aktionärsliste der P AG zum 14.4.1994 sei die Klägerin nicht mehr beteiligt gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin seit Anfang 1994 nicht mehr an der P AG beteiligt gewesen war. Die Betriebsprüfung berücksichtigte Einkünfte nach § 17 EStG für 1991 in Höhe von 150.000 DM (200.000 DM VK ./. 50.000 DM AK) und für 1994 bei geschätzten Anschaffungskosten von 200.000 DM und einem geschätzten Veräußerungspreis von 500.000 DM von 300.000 DM.

Nach Ansicht der Betriebsprüfung in Tz. 45 wurden der Klägerin in den Jahren von 1995 bis 1998 von ihrer Arbeitgeberin, der N, Kommissionsnachlässe auf Wertpapiergeschäfte, die über die Bank abgewickelt wurden, gewährt. Da der Grund für diese Nachlässe in dem Arbeitsverhältnis gelegen habe, seien diese Vorteil als Arbeitslohn steuerpflichtig. Die Höhe der Sachbezüge sei nicht festzustellen und könne daher nur geschätzt werden. Aufgrund von Fragmenten der Kommissionslisten werde von einem Nachlass in Höhe von 80 v.H. ausgegangen. Für 1998 seien die Nachlässe bereits im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der N festgestellt worden. Die Nachlässe beliefen sich für 1995 auf 39.209 DM, für 1996 auf 97.773 DM, für 1997 auf 126.773 DM und 1998 laut Lohnsteueraußenprüfung auf 33.362 DM.

Anlässlich der Betriebsprüfung wurde festgestellt (Tz. 47 bis 58), dass die Klägerin und ihr Ehemann bei in- und ausländischen Banken Konten unterhielten, deren Erträge bislang nicht angegeben worden waren und dass sie Inhaberin ausländischer Investmentanteile war. Hierzu gehörten u.a. ausländische Fonds, die in Deutschland nicht registriert waren, sogen. schwarze Fonds i.S.v. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG. Die Einordnung dieser Fonds sei unter Mitwirkung des Bundesamtes für Finanzen erfolgt. (Tz. 48). Die Höhe der Einnahmen aus Kapitalvermögen betrage lt. Anlage 3 lit.b) und lit.c) für 1993 6.305,07 DM, für 1994 6.365,06 DM, für 1995 85.112,7 DM (aus Anlage 3 lit.b 80.819,19 DM und aus 3 lit.c) 4.293,51 DM), und für 1996 79.380,68 DM.

Nach Tz. 56 war anlässlich einer Vor - Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Jahre 1990 bis 1992 festgestellt worden, dass der Ehemann der Klägerin an diese monatlich Zinszahlungen in Höhe von 2.083,33 DM leistete. Nach den Angaben des damaligen Steuerberaters habe es sich nicht um Darlehenszinsen gehandelt, sondern um Zahlung im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit des Klägers mit seinem früheren Arbeitgeber. Nunmehr sei ein schriftlicher Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann vorgefunden worden. Nach diesem Vertrag vom 4.10.1990 habe die Klägerin ein Darlehen über 250.000 DM, bei einer Laufzeit 10 Jahre mit einer monatlichen Verzinsung von 2.083,33 DM gewährt. Ab April/Mai 1993 habe der Ehemann weitere 2.000 DM an die Klägerin gezahlt; der Rechtsgrund hierfür sei unbekannt. Der Prüfer berücksichtigte hieraus Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 4.166 DM für 1990, 25.000 DM für 1991 und 1992, 41.000 DM für 1993, 49.000 DM für 1994 und 1995 sowie 40.833 DM für 1996.

Nach Tz. 57 habe während der Prüfung festgestellt werden können, dass bei ausländischen Banken mehrere Konten unterhalten wurden, deren Erträge nicht erklärt waren. Es sei daher eine Zuschätzung geboten, der ein geschätztes Ausgangsvermögen 1990 in Höhe von 100.000 DM und ein Zinssatz von 5 v.H. p.a. zugrunde zulegen sei. Aufgrund der Tatsache, dass 1996 die Ehefrau des Klägers weitere 313.000 DM auf Konten in den USA eingezahlt habe, sei im Rahmen einer Schätzung das Vermögen ab 1996 um diesen Betrag erhöht worden. Die geschätzten Zinseinnahmen seien der Klägerin und ihrem Ehemann jeweils hälftig zuzurechnen. Die Zuschätzungen beliefen sich bei der Klägerin auf 2.500 DM für 1990, 2.625 DM für 1991, 2.756 DM für 1992, 2.894 DM für 1993, 3.038 DM für 1994, 3.190 DM für 1995, 11.175 DM für 1996, 11.733 DM für 1997 und 12.320 DM für 1998.

Am 11.12.2001 erließ die BP zunächst einen Zwischenbericht. Mit Bescheiden vom 11.11.2003 erließ der Beklagte geänderte Einkommensteuerbescheide für 1995 bis 1998 und führte eine getrennte Veranlagung durch. Mit weiteren Bescheiden vom 8.2.2004 änderte der Beklagte die bisherigen Bescheide für 1990 bis 1994 und führte nunmehr auf Antrag der Klägerin und ihres Ehemannes auch in diesen Jahren eine getrennte Veranlagung durch. Mit Einspruchsentscheidungen vom 12.3.2004 bzw. 4.2.2004 wies das FA Einsprüche der Klägerin zurück.

Der Klägerin hat am 2.3.2004 (1995 bis 1998) und am 24.3.2004 (1990 bis 1994) Klagen erhoben. Sie trägt vor, die Bescheide seien bereits formell rechtswidrig. Der Prüfungsbericht vom 18.3.2003 enthalte in weitem Umfange Bezugnahmen auf Unterlagen, die durch die Steuerfahndung beschlagnahmt worden seien. Am 10.12.2003 hätte der Bevollmächtigte der Klägerin in die beschlagnahmten Unterlagen Einsicht nehmen wollen. Dies sei jedoch aus praktischen Gründen daran gescheitert, dass die Unterlagen (ca. 50 bis 60 Ordner) unsortiert aufbewahrt wurden. Die Bescheide genügten nicht dem Grundsatz der Begründungspflicht nach § 121 Abs. 1 AO. Bezugnahmen auf die Arbeitsunterlagen des Prüfers genügten der Begründungspflicht nur dann, wenn sich die dem Bericht zugrunde liegenden Unterlagen in der Verfügungsgewalt des Steuerpflichtigen befänden. Dies sei hier nicht der Fall. Die Möglichkeit der Einsichtnahme in die nicht sortierten Unterlagen bei der Steuerfahndung reichten nicht aus. Eine Heilung des Mangels nach § 126 AO scheide aus, weil die fehlende Begründung nicht nachgeholt worden sei. Der Mangel sei auch nicht nach § 127 AO unbeachtlich.

Zur Sache trägt die Klägerin Folgendes vor:

Die Ergebnisse des Prüfungsberichtes beruhten im Wesentlichen auf Schätzungen, wobei der Klägerin der Vorwurf der mangelnden Mitwirkung gemacht werde. Nach ihrer Auffassung seien die Zuschätzungen nicht gerechtfertigt, weil der Prüfer nicht alle Erkenntnismittel ausgeschöpft habe. Dass die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen sei, ergäbe sich exemplarisch aus den Feststellungen zum tatsächlichen Wegzugstermin. So habe sie nachweislich schriftlich den genauen Termin ihres Wegzugs aus der Bundesrepublik angegeben. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liege daher nicht vor, es fehle bereits an einer Schätzungsbefugnis.

Im Einzelnen:

Die Frage der wesentlichen Beteiligung der Klägerin könne entgegen der Feststellungen in dem Betriebsprüfungsbericht nicht einheitlich getroffen werden. Vielmehr komme es auf die jeweiligen Veräußerungsgeschäfte an. Problematisch sei insoweit, dass in dem Prüfungsbericht Zeiträume, die z. T. mehrere Monate umfassten zugrunde gelegt würden. Dem Bericht sei zu entnehmen, dass für den Zeitraum April/Mai 1993 von einer Beteiligung der Klägerin an der N von 64,17 v.H. ausgegangen worden sei. Selbst wenn man dies als richtig unterstelle, könne daraus nicht gefolgert werden, dass auch noch zu späteren Zeitpunkten eine entsprechende Beteiligung bestanden habe. Der fünfjährige Betrachtungszeitraum beginne mit der ersten Veräußerung, Mai 1998, im Mai 1993. Ob im Mai 1998 eine oder mehrere Veräußerungen stattgefunden habe, könne nicht dahinstehen. Schon im Mai 1993 habe die Beteiligungsquote möglicherweise weniger als 25 v.H. betragen. Entsprechendes gelte für die übrigen Veräußerungszeiträume. Es sei unbeachtlich, welche Beteiligungsquoten vor dem maßgeblichen Betrachtungszeitraum bestanden habe. Es gebe keine Verpflichtung, wonach die Klägerin über ihre Beteiligungen Aufzeichnungen zu führen habe. Das Nichtbestehen einer Dokumentationspflicht könne nicht dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger beweisen müsse, dass er an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich beteiligt gewesen sei.

Die Beteiligungsverhältnisse an der N seien so gestaltet worden, dass keines der Familienmitglieder zu mehr als 25 v.H. am Kapital beteiligt war. Insoweit werde auf das Vorbringen des Ehemannes in dem Verfahren 9 K 1270/04 Bezug genommen.

Soweit sich der Prüfer zur Feststellung der wesentlichen Beteiligung auf handschriftliche Aufzeichnungen des Ehemannes der Klägerin bezogen habe, trägt die Klägerin vor, diese Aufzeichnungen sollten nicht die eigentumsrechtliche Lage an den Aktien widerspiegeln. Die Aufzeichnungen habe der Kläger nur für sich selbst angefertigt. Aus der Körperschaftssteuererklärung für die N für 1993 ergäbe sich nichts anderes. Diese Angabe sei durch den Steuerberater erfolgt, und dem Ehemann der Klägerin, der die Erklärung unterzeichnet habe, sei deren Unrichtigkeit nicht aufgefallen. Dass insoweit auch die Ehefrau des Klägers als Aktieninhaberin angegeben worden sei, sei im Hinblick auf den Rechtsstreit mit dem früheren Arbeitgeber erfolgt. Hierdurch sollten die Anteile vor einem Zugriff durch diese als potenzieller Gläubigerin geschützt werden. Zwischen den Eheleuten habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Übertragung nicht wirksam sein solle. Die Quote von 61,74 v.H., die laut Erklärung auf die Klägerin entfiele, gebe nur die Gesamtbeteiligung der Familie wieder. Auf die Listen bei den Hauptversammlungen komme es nicht an. Die hier dokumentierten Beteiligungsquoten gäben nicht die tatsächlichen Beteiligungen wieder. Es sei gängige Praxis, dass die Inhaber der Aktien sich vertreten ließen, ohne dies nach außen offenkundig zu machen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin oder ihr Ehemann tatsächlich entsprechend der in der Hauptversammlung vorgelegten stimmberechtigten Aktien an der N beteiligt waren. Zudem habe es jedem Inhaber der Aktien freigestanden, seine Anteile formlos auf andere zu übertragen. Auch aus den Zeichnungsscheinen, die auf eine Beteiligung der Klägerin in Höhe von 65,95 v.H. im Jahre 1993 schließen ließen, folge nichts anderes. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin insoweit stellvertretend für die übrigen Familienmitglieder gehandelt habe. Im Übrigen seien die Anteile dem Ehemann der Klägerin wirtschaftlich zuzurechnen.

Hinsichtlich der Vermögenszuwachsbesteuerung nach § 6 AStG trägt die Klägerin vor, zum einen sei sie - wie dargelegt - nicht im maßgeblichen Zeitraum wesentlich beteiligt gewesen. Die Neuregelung des Außensteuergesetzes mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft u.a. (BGBl I, 2006, 2782) habe keinen Einfluss auf den Rechtsstreit. Nach § 21 Abs. 13 Satz 1 AStG n.F. sei der Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden. Das BMF - Schreiben vom 8.6.2005, welches die Anwendung des AStG a.F. während des Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland regele, sei nicht anwendbar. Die Unvereinbarkeit einer nationalen Steuervorschrift mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht könne nicht durch eine Verwaltungsvorschrift geheilt werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Entscheidungvom 26.10.1995 Rs. C-151/94) könne die Unvereinbarkeit nationaler Vorschriften nur durch solche Rechtsnormen behoben werden, welche die gleiche rechtliche Wirkung besitzen, wie die zu ändernde EG-rechtswidrige Bestimmung. Demnach habe sich an der Europarechtswidrigkeit weder etwas durch die Verwaltungsvorschrift noch durch die Neufassung des AStG geändert. Soweit nach § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG die Regelungen über eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistung und die Berücksichtigung von Wertverlusten während des Aufenthaltes im europäischen Ausland auf alle noch offenen Einkommenssteuerfälle anwendbar seien, führe dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Es handle sich insoweit um eine verfassungswidrige Rückwirkung. Die Klägerin habe bei Wegzug aus der Bundesrepublik Deutschland darauf vertrauen können und dürfen, dass die Vorschriften des AStG europarechtswidrig seien und sie den Vermögenszuwachs nicht entsprechend § 17 EStG zu versteuern brauche. Es werde angeregt, in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 Abs. 2 EG-Vertrag dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Regelung in § 6 AStG gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG-Vertrag verstößt.

Bei der Bewertung der Veräußerungserlöse habe der Beklagte nicht beachtet, dass neben den nicht handelbaren weil in Depots verwahrten Inhaberaktien auch die handelbaren ADR's bestanden haben. Es habe sich um verschiedene Wirtschaftsgüter gehandelt, die auch unterschiedlich zu bewerten seien. Hinsichtlich der Inhaberaktien fehle es an den Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1 BewG. Danach sei der gemeine Wert, sofern er sich nicht aus Verkäufen ableiten lasse, unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen. Aufgrund von Beschränkungen für den Umtausch von Inhaberaktien in ADR's - es hätten vierteljährlich nur 1 v.H. der depotverwahrten Aktien gewandelt werden können - hätten nicht alle Aktien sofort umgewandelt werden können. Bei der Wertermittlung hätte zudem berücksichtigt werden müssen, dass der Kurswert der ADR's der N seit dem Wegzug 1989 bis zum 14.12.1999 auf 10,36 DM und bis zum 13.12.2000 sogar auf nur 1,11 DM gesunken sei. Bei der I sei der Kurswert von 7,03 DM über 3,72 DM zum 28.2.2000 auf 2,74 DM zum 13.11.2000 gefallen. Seit dem Wegzug hätte die Klägerin ihre Aktien nur zu dem geringeren Wert veräußern können. Deshalb hätte bei der Wertermittlung eine Trennung zwischen den Aktien an sich und den ADR's erfolgen müssen.

Aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin schon nach weniger als einem Jahr in derselben Höhe an der P AG beteiligt war, wie vor dem Aktien - Tausch mit den Aktien der NY, lege nahe anzunehmen, dass die N das ihr eingeräumte Optionsrecht ausgeübt habe. Es bestünden Bedenken, in 1991 einen Veräußerungsgewinn anzusetzen, weil wegen des Optionsrechtes auf Rückübertragung noch kein endgültiger wirtschaftlicher Übergang eingetreten sei. Die Schätzung eines Veräußerungspreises im Jahre 1994 in Höhe 500.000 DM sei nicht nachvollziehbar. Alleine der Umstand, dass die P AG nach vorangegangenen Verlustjahren wieder Gewinne erzielt habe, sei nicht geeignet, eine solche Schätzung zu rechtfertigen.

Bezüglich der Kommissionsnachlässe habe die Außenprüfung pauschal unterstellt, dass die Transaktionskosten um einen Nachlass von 80 v.H. auf den üblichen Wert dieser Kosten gemindert worden seien und dass dieser Nachlass steuerpflichtig sei. Hiernach sei durch die Klägerin zumindest ein Viertel der insgesamt nachgelassenen Summe tatsächlich als Transaktionskosten aufgewendet worden. Der Klägerin habe mehr Transaktionskosten bezahlt, als der N an Kosten entstanden seien. Zudem sei die Angemessenheit der Höhe des Nachlasses von 80 v.H. nicht nachprüfbar.

Hinsichtlich der Einkünfte nach § 18 Abs. 3 AuslInvemG sei nicht erkennbar, wie die Einordnung der Fonds als sogen. "Schwarze Fonds" in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Finanzen erfolgt sei. Es gäbe nach der Rechtsprechung des BFH keine Bindung an die Auskünfte derartiger Auskünfte (Bezug auf BFH Urteil vom 7.4.1992, BStBl II, 1992, 786). Zudem sei die Darstellung in der Anlage 3a um Prüfungsbericht insgesamt nicht nachvollziehbar. Es fehlten Angaben über die Quellen der einzelnen Werte. Zudem erschlösse sich die Berechnungsmethode nicht.

Zu den Zinseinnahmen aus einem Darlehen zwischen den Eheleuten (Tz. 56) trägt die Klägerin vor, es werde nach wie vor daran festgehalten, dass den Zahlungen zwischen den Eheleuten kein Darlehensvertrag zugrunde gelegen habe. Auf den schriftlichen Vertrag komme es nicht an. Tatsächlich sei kein Darlehen gewährt worden. Die Vereinbarung sei nur zum Schein abgeschlossen worden. Es habe der Familienunterhalt der Klägerin und deren Familie gesichert werden sollen, sofern der Ehemann der Klägerin in seinem Rechtsstreit unterliegen sollte. Es sei niemals zur Durchführung des Darlehensvertrages gekommen. Der Beklagte möge nachweisen, dass es tatsächlich zur Auszahlung des Darlehensbetrages gekommen ist.

Die Klägerin wendet sich des Weiteren gegen die pauschalen Zuschätzungen (Tz. 57) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.500 DM (1990), 2.625 DM (1991), 2.756 DM (1992), 2.894 DM (1993) und 3.039 DM (1994) 3.190 DM (1995), 11.175 DM (1996), 11.733 DM (1997) und 12.320 DM (1998). Sie trägt vor, die Erhöhung sei rechtswidrig. Die von der BP ausgewerteten Unterlagen stünden ihr nicht zur Verfügung. Die Feststellungen müssten mit Nichtwissen bestritten werden. Jedenfalls ergäbe sich aus den Unterlagen keine Anhaltspunkte für die Annahme der BP, dass den Eheleuten 1990 ein Anfangsvermögen von 100.000 DM zur Erzielung von Kapitaleinkünften zur Verfügung gestanden habe. Es sei lediglich eine Überweisung der Ehefrau des Klägers in Höhe von 20.000 DM dokumentiert. Da die Unterlagen, auf denen die Feststellungen über die ausländischen Konten der Klägerin beruhten, nicht zur Verfügung stünden, würde die Rechtmäßigkeit der Zuschätzungen bestritten.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 28.4.2005 den Einkommensteuerbescheid für 1998 geändert. Dabei wurden im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Einkünften aus Wertpapierverkäufen die Gewinne aus Spekulationsgeschäften insgesamt von der Besteuerung ausgenommen. In der mündlichen Verhandlung haben sich die Erschienenen dahingehend verständigt, dass der Beklagte sich verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 1998 zu ändern und die Folgen der Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung gem. Tz. 36 des Berichtes rückgängig zu machen.

Der Klägerin beantragt,

die aufgrund der BP erlassenen angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1998 in der jeweils letzten Fassung aufzuheben,

hilfsweise,

im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung,

so weit er sich nicht verpflichtet hat, den Bescheid für 1998 zu ändern.

Er trägt vor, nach wie vor sei von einer fehlenden Mitwirkung der Klägerin auszugehen. Die Klägerin bzw. deren Bevollmächtigte hätten mehrfach Gelegenheit gehabt, die beschlagnahmten Unterlagen an Amtsstelle einzusehen. Dies sei schließlich auch erfolgt. Allerdings sei während des laufenden Strafverfahrens eine Herausgabe der Unterlagen nicht möglich. Generell beschränke sich die Klägerin darauf, die Darlegungen und Feststellungen der Betriebsprüfung in Zweifel zu ziehen oder mit Nichtwissen zu bestreiten, ohne selbst konkrete Angaben über die steuerlichen Verhältnisse zu machen. Die Vorwürfe, der Beklagte sei nicht hinreichend seiner Ermittlungspflicht nachgekommen und habe nicht alle Feststellungen durch geeignete Unterlagen belegt, sei haltlos. Vielmehr habe die Klägerin an der Aufklärung bereits während der Prüfung überhaupt nicht mitgewirkt. Sie sei näher an den Beweismitteln und müsse am ehesten die genauen Umstände der einzelnen Geschäfte kennen. Wenn eine mangelnde Sachaufklärung darauf beruhe, dass der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme, dürfe das FA auch zu seinen Lasten von einem geringeren Überzeugungsgrad ausgehen und Schlüsse zu seinem Nachteil ziehen. Dass die Klägerin ab Mai 1993 wesentlich an der N beteiligt war, ergäbe sich an Hand der von der Betriebsprüfung ausgewerteten Unterlagen, insbesondere der Aktionärslisten und der Körperschaftssteuererklärung für 1993. Es sei insgesamt nicht mehr nachvollziehbar, dass die Erklärung nun auch hinsichtlich der Beteiligungshöhe unrichtig sein soll. Das Geschäft hinsichtlich der Beteiligungen der Klägerin an der P AG sei nicht nur vereinbart, sondern auch tatsächlich durchgeführt worden, so dass von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Klägerin ausgegangen werden müsse. Etwaige Einschränkungen seien nicht erkennbar.

Der schriftliche Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann sei erst bei einer Durchsuchung gefunden worden. Dies habe die Änderung in der rechtlichen Beurteilung der Zahlungen bewirkt. Zu einer Durchführung des Darlehensvertrags sei es bereits deshalb gekommen, weil die Zinszahlungen erfolgt seien. Der Beklagte müsse keinen weiteren Nachweis zur Auszahlung des Betrages erbringen, weil die Vertragsparteien sich bezüglich Rückzahlungen und Tilgungen vertragskonform verhalten hätten.

Der Ausgangsbestand von 100.000 DM sei geschätzt worden. Er hätte durchaus auch höher angesetzt werden können. Es handle sich um einen Auslandssachverhalt, bei dem den Klägerin eine erhöhte Mitwirkungspflicht treffe. Da die Auslandszahlungen jeweils auf Gemeinschaftskonten des Klägers mit seiner Ehefrau erfolgt seien, sei eine hälftige Zurechnung nicht ermessensfehlerhaft. Im Übrigen habe der Steuerfahndungsprüfer im Rahmen einer Besprechung am 9.9.2004 die Klägervertreter auf zwei Festgeldkonten aus dem Jahre 2000 des Klägers und seiner Frau hingewiesen, die ein Guthaben von ca. 12 Mio EUR aufwiesen.

Hinsichtlich der Einkünfte aus den ausländischen Fonds sei die Mitwirkung des Bundesamtes für Finanzen durch eine Abfrage der Fonds erfolgt. Eine solche Möglichkeit bestehe auch für die Klägerin. Soweit die Klägerin mit der Ermittlung der erzielten Einnahmen nicht einverstanden sei, könne sie eigene Ermittlungen vornehmen.

Hinsichtlich der Bewertung der Inhaberaktien bzw. der ADR's macht sich der Beklagte insoweit eine Stellungnahme der Wirtschaftsreferentin in einem früheren Strafverfahren gegen die Klägerin und ihren Ehemann zu Eigen (vgl. Anlage VIII zum Schriftsatz vom 26.10.2005). Hiernach könne der Wert der depotverwahrten und somit selbst nicht handelbaren Inhaberaktien aus dem Kurswert der ADR's geschlossen werden. In ihren wesentlichen Merkmalen stimmten ADR's mit den Aktien überein. ADR's gewährten den Inhabern ähnliche Rechte, wie die Aktien selbst. Gesellschaftsanteile, die als Aktien an deutschen Börsen, als ADR's an US-Börsen gehandelt werden, würden wertmäßig parallel behandelt. Investoren stuften Aktien und ADR's als gleichwertig ein. Dies dürfte auch dann gelten, wenn - wie hier - die Inhaberaktie selbst nicht gehandelt werde. Dem stehe nicht entgegen, dass die Aktien erst in ADR's umgewandelt werden müssten, da dies sehr kurzfristig erfolgen können.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Verfahren 9 K 1274/04 und 9 K 1797/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten auch in 9 K 1270/04 und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO).

1. In formeller Hinsicht begegnet die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide keinen Bedenken. Eine Änderungsmöglichkeit ergibt sich hinsichtlich der Jahre 1990 bis 1994 jedenfalls aus § 173 Abs. 1 Nr.1 AO. Die für diese Jahre bereits ergangenen Bescheide 1990 bis 1994 durften auch noch innerhalb der zehnjährigen Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO geändert werden, da durch die unvollständigen und fehlerhaften Steuererklärungen von einer Steuerhinterziehung auszugehen ist. Hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1998 beruhte die Änderung auf § 164 Abs. 2 AO

Die Bescheide sind auch durch die Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht hinreichend begründet. Nach § 121 Abs. 1 AO ist ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Einer Begründung bedarf es gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist. Bei einem Schätzungsbescheid ist das Ergebnis der Schätzung jedenfalls dann der Höhe nach zu begründen, wenn ein besondere Anlass dazu besteht. Eine darüber hinaus gehende Pflicht zur Begründung besteht nicht (vgl. BFH Urteil vom 11.2.1999, V R 40/98 BFHE 188, 10, BStBl II 1999, 382). Gemessen hieran ist die Begründung der Steuerbescheide nicht zu beanstanden. Die geänderten Bescheide nehmen ausdrücklich Bezug auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung. Der Beklagte macht sich damit die einzelnen Feststellungen, wie sie in dem Prüfungsbericht vom 18.6.2003 getroffen wurden, zu Eigen. In diesem Bericht sind die Schätzungen nach Art und Methode ausführlich dargelegt. Dies braucht jedoch nicht vertieft zu werden, da ein etwaiger Begründungsmangel jedenfalls unbeachtlich wäre. Nach § 127 AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der - wie hier - nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht alleine deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von u.a. Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Der formelle Verstoß muss sich daher ursächlich auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, AO - FGO, § 127 AO Tz. 13). Es ist nicht ersichtlich, wie sich die Begründung eines Verwaltungsaktes auf dessen Inhalt soll auswirken können.

2. Die Klägerin hat aus den Veräußerungen von Aktien und Aktienzertifikaten an den Kapitalgesellschaften P AG in 1991 und 1994, N in 1995 und N und I in den Jahren 1998 Einkünfte nach § 17 EStG erzielt. Dabei waren die Höhe der Beteiligungsquote der Klägerin sowie die Höhe der erzielten Gewinne teilweise nach § 162 AO, der nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren gilt, zu schätzen (vgl. a)). Die vorgenommenen Schätzungen sind weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden (vgl. b)).

a) Nach § 17 Abs. 1 EStG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung gehörte der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung war gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Der Beklagte hat zu Recht die Höhe der Beteiligungsquoten der Klägerin teilweise geschätzt. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO sind Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit die Finanzbehörde diese nicht ermitteln kann. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Erklärung zu geben vermag, er eine weitere Auskunft verweigert oder seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, folgt aus der gemeinsamen Verantwortung von Steuerpflichtigen einerseits und Finanzbehörde sowie Finanzgericht andererseits für die vollständige Sachaufklärung im Abgabenrecht, dass sich dann, wenn ein Steuerpflichtiger die ihm auferlegte allgemeine oder besondere Mitwirkungs-, Informations- oder Nachweispflichten verletzt, grundsätzlich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde oder des Finanzgerichtes entsprechend mindert. Die Kriterien und das Ausmaß der Reduzierung von Sachaufklärungspflichten und Beweismaß lassen sich nicht generell festlegen sondern nur von Fall zu Fall bestimmen (vgl. BFH Urteil vom 15.2.1989, X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 1187).

Soweit die Ermittlung der Einkünfte auf Schätzungen seitens der Beklagten über die Höhe der Beteiligungsquote beruhte, lag ein Schätzungsanlass vor. Dabei kommt es - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht darauf an, ob die Finanzbehörde ausdrücklich nach bestimmten für die Steuerfestsetzung erheblichen Umständen gefragt hat. Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO kommen die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß darlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Hieraus ergab sich für die Klägerin die Pflicht, auch ungefragt seine Beteiligungsverhältnisse an den Gesellschaften offen zu legen und gegebenenfalls Veränderung in den Beteiligungsquoten nachzuweisen.

aa) Hinsichtlich der Veräußerungen der Beteiligungen der Klägerin an der P AG in den Jahren 1991 und 1994 ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Beteiligungen, die mit 27,5 v.H. mehr als 25 v.H. betrugen, zunächst wirksam auf die N übertragen hat und anschließend wieder zurückerworben haben muss. Einer Veräußerung nach § 17 EStG durch den Tausch mit den Anteilen an der NY im Jahre 1991 steht nicht entgegen, dass der N hinsichtlich der Anteile an der NY eine Option auf Rückerwerb eingeräumt war. Eine solche nur schuldrechtliche Verpflichtung lässt die dingliche Übertragung der Anteile unberührt. Auch hinsichtlich der Zurückübertragung der Anteile bis zu einer erneuten Veräußerung 1994 bestehen an der Schätzung des Beklagten keine durchgreifenden Bedenken. Ein derartiges Ergebnis erscheint nicht von vorne herein ausgeschlossen. Die Klägerin hat - außer Vermutungen zu äußern - nichts dazu beigetragen, den tatsächlichen Verlauf der An- und Verkäufe zu klären.

bb) Auch bezüglich der Veräußerungen von Aktienzertifikaten an der N im Jahre 1995 und im Jahre 1998 lag eine wesentliche Beteiligung der Klägerin im Sinne von § 17 EStG vor. Die Schätzung der Beteiligungshöhe mit mehr als 25 v.H. durch den Beklagten ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Insoweit hat sich die Klägerin am 13.4.1993 nach den Feststellungen der BP sich an einer Kapitalerhöhung bei der N beteiligt und hierbei einen Zeichnungsschein unterzeichnet und abgegeben, der auf eine Beteiligung in Höhe von 65,95 v.H. schließen lässt. Im selben Jahr 1993 gab der Ehemann der Klägerin in der Körperschaftssteuererklärung der N deren Beteiligung mit 61,74 v.H. an. Aus diesen Umständen scheint eine Beteiligung der Klägerin mit mehr als 25 v. an der N zumindest wahrscheinlich. Die Klägerin tritt dem mit der Behauptung entgegen, ihre Beteiligungsquote habe nie mehr als 25 v.H. betragen. Vielmehr seien die Beteiligungen an der N innerhalb der Familie so erfolgt, dass keines der Familienmitglieder mehr als 25 v.H. in seinem Besitz gehabt habe. Der Senat konnte sich von der Richtigkeit dieser Darlegungen jedoch nicht überzeugen. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Anteile tatsächlich auf die Familienmitglieder übertragen wurden. Es fehlt insoweit bereits an einer überzeugenden Darlegung, wann und aus welchem Grunde die Anteile übertragen worden sein sollen. Nachweise über die zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfte oder über die dinglichen Übertragungen wurden nicht vorgelegt. Es kommt nicht darauf an, dass es für die Übertragung von Inhaberaktien keine gesetzliche Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflicht gibt. Letztlich liegt es in der Hand des Steuerpflichtigen zum Zwecke eines nachträglichen Nachweises entsprechende Übertragungen zu dokumentieren. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin hier Geschäfte mit nahen Angehörigen behauptet. Der Klägerin war wohl auch bewusst, dass sie solche Übertragungen, vor allem, soweit sie innerhalb seiner Familie erfolgten, gegebenenfalls im Rahmen seiner Steuerpflichten wird nachweisen müssen. Sie hätte daher eine entsprechende Beweisvorsorge treffen können und müssen. Dieser Einschätzung, dass die Klägerin 1993 mit 61,74 v.H. am kapital der N beteiligt war, steht nicht entgegen, dass ihr Ehemann in den Jahren 1991 und später wieder 1994 an der N wesentlich beteiligt war. Es erscheint durchaus nachvollziehbar, wenn die Klägerin selbst vorträgt, ihr seien die Anteile für einen bestimmten Zeitraum übertragen worden, um sie einem Zugriff möglicher Gläubiger zu entziehen. Aus der Behauptung der Klägerin, die Übertragung sei nicht ernstlich gewollt gewesen und zwischen den Eheleuten haben darüber Einigkeit bestanden, dass sie nicht gelten solle, ergibt sich nichts anderes. Eine derartige Behauptung steht im Widerspruch zu dem beabsichtigten Zweck, da die Anteile nur dann aus dem Haftungsvermögen des Klägers ausgeschieden sind, wenn sie tatsächlich wirksam auf die Klägerin übertragen wurden.

cc) Auch die Einkünfte aus den Veräußerungen von Aktienzertifikaten an der I im Jahre 1998 sind als Veräußerungsgewinne gem. § 17 EStG zu erfassen. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG hinsichtlich der Besteuerung von Wertpapiergeschäften in dem Streitjahr 1998 durch das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 9.3.2004 (Az. 2 BvL 17/02) für verfassungswidrig erklärt wurde. Die Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Jahre 1998 geltenden Fassung lässt die Geltung des § 17 EStG unberührt.

Die Klägerin war in dem maßgeblichen Zeitraum mit mehr als 25 v.H. und daher wesentlich an der I beteiligt. Ausweislich der Feststellungen der Betriebsprüfung, die insoweit von der Kläger nicht angegriffen werden, haben die Klägerin und ihr Ehemann an der Hauptversammlung der I am 14.9.1995, also innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums, als Aktionäre mit einer Beteiligungsquote von jeweils 27,83 v.H., mithin mehr als 25 v.H. teilgenommen. Auf eine Schätzung kommt es daher nicht an.

b) Die Schätzungen der Höhe der veräußerten Anteile und deren Werte, wie sie vom Beklagten im Anschluss an die Feststellungen der Betriebsprüfung in deren Bericht vom 18.6.2003 vorgenommen wurden, ist nachvollziehbar und begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Mit Hilfe der Schätzung sollen die Besteuerungsgrundlagen ermittelt werden, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl. BFH Urteil vom 18.12.1984, VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II, 1986, 226).

Soweit der Beklagte, den Auffassungen der Betriebsprüfung folgend, die Anzahl der im Jahre 1995 und 1998 veräußerten Anteile an der N und der I geschätzt und deren Wert an Hand der Börsenwerte der Aktienzertifikate (American Deposite Receipt's - ADR's) ermittelt hat sind seine Ergebnisse nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der Zahl der veräußerten ADR's in den Jahren 1995 und 1998 an der N und der I beruhen die Feststellungen der Betriebsprüfung u.a. auf der Auswertung des Börsenprospekts den N und von Depotauszügen, die im Rahmen der Durchsuchungen beschlagnahmt worden waren. Die insoweit gezogenen Schlüsse sind nachvollziehbar. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf den Betriebsprüfungsbericht vom 18.6.2003, insbesondere dessen Tz. 25 bis 26 Bezug genommen.

Der Beklagte hat den Wert der Aktien auch zu Recht an Hand der Kurswerte der ADR's geschätzt. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Inhaberaktien - die nicht gehandelt, sondern nach dem Börsengang in den USA depotverwahrt wurden - und die an der US - Börse handelbaren ADR's unterschiedliche Wirtschaftsgüter seien. Der Beklagte hat zu Recht den Wert der Aktien mit dem Wert dieser Aktienzertifikate bemessen. Dabei ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Aktien der N und der I selbst an der New Yorker Börse nicht gehandelt wurden, vielmehr stellvertretend für sie, die ADR. Dementsprechend heißt es in dem Hinterlegungsvertrag der N, dass die ADS (American Deposite Shares) die Anteile an den hinterlegten Aktien der NYDB vertreten, ebenso, wie die ADR, welche die Rechte an den Anteilen an den hinterlegten Aktien verbriefen. Aufgrund dieses Umstandes, kann eine Ermittlung des gemeinen Wertes der Aktien nur an Hand der handelbaren ADR erfolgen. Nach der Rechtsprechung des BFH, von der abzuweichen keine Veranlassung bestehen dürfte, kann der Wert nicht börsennotierter Anteile ausnahmsweise an Hand des Wertes börsennotierter Anteile derselben Gesellschaft ermittelt werden (vgl.Urteil vom 9.3.1994, II R 39/90, BStBl II 1994, 394). Der Börsenpreis der börsennotierten Anteile kann als Verkaufspreis i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gelten, aus dem der gemeine Wert der anderen, nicht börsennotierten Anteile abgleitet werden kann (Rid in Gürsching/Stenger BewG und VStG § 11 BewG Anm. 77). Auf spätere Kursverluste kommt es dabei ebenso wenig an, wie auf den Umstand, dass die hinterlegten Aktien innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur in einem bestimmten Umfange in ADR's umgewandelt werden durften. Es ist nicht erkennbar, inwieweit diese Beschränkung auf den tatsächlichen Kurswert der ADR's Einfluss haben sollte. Die in dem maßgeblichen Veräußerungszeiträumen geltenden Kurswerte hat der Kläger nicht konkret angegriffen. Bedenken an der Höhe der angesetzten Tagesdurchschnittswerte ergeben sich nicht.

3. Durch den Wegzug der Klägerin im Jahre 1998 nach Belgien war der Vermögenzuwachs ihrer Anteile an der N und der I gem. § 6 AStG zu besteuern. Dabei ist nach § 21 Abs. 13 Satz 1 des Gesetzes über die Besteuerung von Auslandsbeziehungen - Außensteuergesetz (AStG n.F.) - in der Fassung des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2007 - BGBl I 2006, 2782 - weiterhin der Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. anzuwenden. Hiernach ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtigt war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch die Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet, auf Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Ergänzt wird dieser Grundtatbestand dadurch, dass nach gem. § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG i.d.F. des SEStEG § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F. in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.

Nach Auffassung des Senates verstößt die Vermögenszuwachsbesteuerung in dieser Fassung des § 6 AStG nicht gegen höherrangiges Europa-Recht (vgl. a)). Zudem liegt durch die Anordnung der Anwendung des § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F. auf alle noch offenen Einkommensteuerveranlagungen keine verfassungswidrige Rückwirkung vor (vgl. b)). Die Höhe der geschätzten Einkünfte ist nicht zu beanstanden (vgl. c)).

a) Der Senat hat keine Veranlassung im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 Abs. 2 EG Vertrag dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob § 6 AStG a.F. bzw. n.F. gegen Art. 43 EG - Vertrag verstößt. Nach Art. 234 Abs. 1 EG - Vertrag entscheidet der Europäische Gerichtshof im Wege einer Vorabentscheidung u.a. über die Auslegung des EG - Vertrages. Nach Art. 234 Abs. 2 kann ein Gericht eines Mitgliedstaates, wenn ihm eine Frage zur Auslegung des EG - Vertrages vorgelegt wird, dem Gerichtshof diese Frage zur Entscheidung vorlegen, wenn es eine Entscheidung dieser Frage zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Der Senat hält eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht für erforderlich. Er ist vielmehr davon überzeugt, dass § 6 AStG den EG - Vertrag nicht verletzt.

Ein Verstoß gegen Art. 43 des EG - Vertrages ergibt sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH nicht. Nach Art. 43 EG - Vertrag sind Beschränkungen des Rechts auf freie Niederlassung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten verboten. Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt das Verbot für Mitgliedstaaten, die Niederlassungsfreiheit zu beschränken, auch in Bezug auf steuerrechtliche Vorschriften und betrifft insbesondere die Fälle, in denen eine steuerrechtliche Norm aufgrund einer abschreckenden Wirkung geeignet ist, die Ausübung des Rechts zu beschränken (vgl. Urteil vom 11.3.2004 Rs C - 9/02, StRE 2004, 488). Nach den Entscheidungen des EuGH vom 11.3.2004 (Rs. C-9/02 a.a.O. ) undvom 7.9.2006 (Rs. C-470/04 Slg. der Rechtsprechung des EuGH 2006, S. I-07409), welche vergleichbare Regelungen in Frankreich bzw. den Niederlanden betrafen, bestanden gegen die Vermögenszuwachsbesteuerung nach § 6 AStG a.F. erhebliche europarechtliche Bedenken. Während der EuGH in der Entscheidung vom 11.3.2004 noch davon ausging, dass es die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags einem Mitgliedsstaat verwehrt, zur Vorbeugung gegen Steuerflucht eine Regelung einzuführen, wonach eine latente Wertsteigerung besteuert wird, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt, hat er mit der Entscheidung vom 7.9.2006 diesen Grundsatz näher präzisiert. Hiernach sind derartige Regelungen zwar geeignet die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EG - Vertrag zu beeinträchtigen. Ob diese Benachteiligungen im Hinblick auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel ausnahmsweise zugelassen werden können, hängt nach Auffassung des Gerichtshofs jedoch von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Bestimmungen zur Durchführung der Besteuerung ab. Demnach hat der Gerichtshof eine Wegzugsbesteuerung von latenten Wertzuwächsen nicht generell verworfen. Jedenfalls in der Entscheidung vom 7.9.2006 wurde die bisherige Rechtsprechung dahingehend klargestellt, dass der Wegzugsstaat auf die Besteuerung der während der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen im Inland entstandenen Wertzuwächse nicht endgültig verzichten muss (vgl. Richter/Escher in FR 2007, 674, 680 m.w.N.). Es kommt mithin auf die konkrete Ausgestaltung der Durchsetzung des Steueranspruches an. Diese ergänzenden Regelungen, die sich gem. § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG n.F. für - wie hier - noch offene Einkommensteuerveranlagungen aus § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F. ergeben, bedeuten keine unverhältnismäßige Einschränkung der Niederlassungsfreiheit. Nach diesen Vorschriften wird der festgesetzte Steueranspruch zinslos und ohne die Verpflichtung zur Stellung von Sicherheiten zunächst gestundet. Für den Fall des Widerrufs der Stundung werden die in der Zwischenzeit eingetretenen Wertminderungen bei der nachträglichen Änderung der ursprünglichen Festsetzung grundsätzlich berücksichtigt. Auch die Verpflichtung zur regelmäßigen Angabe des Wohnortes und der fortdauernden Beteiligung bedeutet keine unverhältnismäßige Einschränkung. Zweifel daran, ob und in welchem Umfange nach der Rechtsprechung des EuGH Wertminderungen, die während des Aufenthaltes in dem anderen Staat eintreten, zu berücksichtigen sind, und ob die Regelungen des § 6 Abs. 6 AStG insoweit ausreichen, stellen sich im vorliegenden Verfahren nicht. Diese Fragen sind erst in dem Verfahren nach Widerruf der Stundung zu beantworten. Erst dann ist zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe etwaige Wertminderungen, die nach dem Wegzug aus der Bundesrepublik eingetreten sind, zu berücksichtigen sind.

b) Auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) scheidet nach Ansicht des Senates aus. Nach Art. 100 GG ist das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungerichtes einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da nach Auffassung des Senats die rückwirkende Anwendung des § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F. nach § 21 Abs. 13 AStG n.F. auf alle noch nicht bestandskräftig entschiedenen Einkommenssteuerfestsetzungen keine verfassungswidrige Rückwirkung bedeutet.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines die Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht und in seiner Freiheit erheblich gefährdet, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 10.3.1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 285;vom 8.6.1977 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 167 f.; vom 14.5.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 257 f.;vom 3.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78). Der Staatsbürger muss die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (BVerfG Urteil vom 19. 12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271 und Beschluss vom 26.2.1969 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 290). Dies gilt auch und besonders im Steuerrecht. Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG ist zwar auf Steuergesetze nicht, auch nicht entsprechend anwendbar (BVerfG Beschluss vom 24.7.1957 1 BvL 23/52, BVerfGE 7, 89, 95); da jedoch Abgabengesetze vom Staatsbürger Geldleistungen fordern, wenn er bestimmte Tatbestände verwirklicht, orientiert er sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen an den jeweils geltenden Steuergesetzen. Er muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. Soweit Steuertatbestände an Handlungen anknüpfen, muss also die Rechtsfolge bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich vorgesehen sein (BVerfG Urteil vom 19.12.1961, 2 BvL 6/59 a.a.O. BVerfGE 13, 261, 271 ; vgl. auch BFH Beschluss vom IX R 46/02, BFHE 204, 228 , BStBl II, 2004, 284).

Gemessen an diesen Anforderungen lag nach Ansicht des Senates im Zeitpunkt des Wegzugs aus der Bundesrepublik 1998 kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin vor. Es erscheint zum einen bereits mehr als fraglich, ob das Vertrauen eines Steuerpflichtigen in darin, dass eine geltende Vorschrift des nationalen Rechts gegen höherrangiges Europarecht verstößt, überhaupt schützenswert ist. Zum anderen kommt es nach Ansicht des Senats entscheidend darauf an, dass § 6 AStG a.F. zum damaligen Zeitpunkt noch geltendes Recht war. Der Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG hat sich mit der Neufassung des SEStG nicht zum Nachteil der Klägerin geändert. Im Zeitpunkt des Wegzugs bestanden nach der Rechtsprechung des BFH auch keine europarechtlichen Bedenken an der Wegzugsbesteuerung (vgl.Beschluss vom 17.12.1997, I B 108/97, BFHE 185, 30, BStBl II 1998, 558). Im Ergebnis erfolgte die Änderung des § 6 AStG durch das SEStG nur, um etwaigen europarechtlichen Bedenken entgegen zu treten. Eine derartige rückwirkende Korrektur einer möglicherweise gegen höherrangiges Recht verstoßenden nationalen Vorschrift muss dem Gesetzgeber möglich sein.

c) Die Klägerin war in dem maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum des § 17 EStG wesentlich an der N und der I beteiligt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Auch die Höhe der geschätzten Einkünfte ist nicht zu beanstanden. Die Schätzung beruht insoweit auf Feststellungen hinsichtlich der Depots der Klägerin, unter Berücksichtigung des Börsenprospektes. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf Tz. 27 und 31 des Prüfungsberichtes vom 18.6.2003 Bezug genommen. Weder die Anzahl der geschätzten ADR's noch die Höhe der zugrunde gelegten Kurswerte werden von der Klägerin konkret in Zweifel gezogen.

4) Die Kommissionsnachlässe, die der Klägerin aufgrund ihrer Anstellung bei der N auf Wertpapiergeschäfte eingeräumt wurde, sind sonstige Bezüge nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH Urteil vom 15.3.1974 VI R 25/70, BFHE 112, 70, BStBl II 1974, 413). Der Senat schließt sich hinsichtlich der Höhe der Nachlässe für die Jahre 1995 bis 1997 den Schätzungen des Beklagten an. Die Nachlässe wurden durch die Betriebsprüfung für 1995 auf 39.209 DM, für 1996 auf 97.773 DM und 1997 auf 126.773 DM geschätzt. Für 1998 wurde der Betrag von 33.362 DM einer Lohnsteuerprüfung bei der N entnommen.

5) Die Klägerin hat durch die Zahlungen seitens ihres Ehemannes in den Jahren 1990 bis 1996 Einkünfte aus Kapitalvermögen gem § 20 EStG erzielt. Der Senat folgt insoweit mangels besserer Erkenntnisse den Feststellungen der BP in dem Bericht vom 18.6.2003 zu Tz. 56, wonach die Klägerin und ihr Ehemann am 4.10.1990 einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben und der Kläger nachweislich Zahlungen entsprechend der Vereinbarung sowie unter der Bezeichnung "Darlehenszinsen" weitere monatliche Zahlungen an die Klägerin geleistet hat. Soweit sich die Klägerin auf ein Scheindarlehen beruft, konnte der Senat ihr nicht folgen. Auch insoweit gilt, dass ein derartiger Vertrag von den Parteien tatsächlich gewollt sein muss, wenn sie mit ihm das beabsichtigte Ziel, nämlich Vermögenswerte einem Zugriff von Gläubigern zu entziehen, erreichen wollen. Die Höhe der Zahlungen steht aufgrund der Kontoauszüge, deren Richtigkeit von der Klägerin nicht bestritten wird, fest.

6) Ferner hat der Beklagte zu Recht auch weitere Zuschätzungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG vorgenommen. Diesen Schätzungen lagen Feststellungen der Betriebsprüfung zugrunde, wonach die Klägerin und ihr Ehemann bei ausländischen Banken Konten unterhielten, deren Zinseinnahmen nicht erklärt waren. Hinsichtlich des Schätzungsanlasses ergab sich dieser aus einer erhöhte Mitwirkungspflicht der Klägerin gem. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO, da es sich um Auslandssachverhalte handelte. Die Zuschätzungen selbst sind der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sowohl die Höhe des Anfangsvermögens von 100.000 DM 1990 wie auch der angesetzte Zinssatz von 5 v.H. p.a. sind liegen noch im Bereich des Wahrscheinlichen.

Schließlich ist auch die Berücksichtigung von Einkünften nach dem AuslInvestmG in der im Streitjahr noch geltenden Fassung nicht zu beanstanden. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehörten nach § 18 Abs. 1 AuslInvestmG grundsätzlich auch die Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile sowie weitere Erträge. Die Besteuerungsgrundlagen nach § 18 Abs. 1 AuslInvestmG waren gem. § 18 Abs. 2 AuslInvestmG nachzuweisen. Wurde dieser Nachweis nicht erbracht, waren nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG bei dem Empfänger entweder die Ausschüttungen oder 90 v.H. des Mehrbetrages zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis des Investmentanteils, mindestens jedoch 10 v.H. des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis anzusetzen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 AuslInvestmG), wobei nach § 18 Abs. 3 Satz 2 AuslInvestmG an die Stelle eines nicht festgesetzten Rücknahmepreises der Börsen- oder Marktpreis trat. Nach § 18 Abs. 3 satz 3 AuslInvestmG waren im Falle der Veräußerung 20 v.H. des Entgeltes zu berücksichtigen. Wegen der Ermittlung der insoweit anzusetzenden Einkünfte kann auf nach Anlage 3 A - C zum BP - Bericht vom 26.3.2003 Bezug genommen werden. Die Einordnung der jeweiligen Fonds als sogen. "schwarze Fonds" i.S.v. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG hat die Klägerin nicht konkret bestritten, ebenso wenig, wie die angesetzte Höhe der Kurswerte oder der Veräußerungsentgelte. Die Berechnungsweise der Höhe der angesetzten Einkünfte ist nachvollziehbar. Fehler ergaben sich bei der Überprüfung nicht.

Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Senat weist darauf hin, dass für eine teilweise Stattgabe im Hinblick darauf, dass der Beklagte sich verpflichtet hat, in nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens noch zu erlassenden Änderungsbescheiden für 1998 die steuerrechtlichen Folgen der bisherigen Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung kein Raum war. Es wird davon ausgegangen, dass insoweit auch eine Korrektur der Höhe der angesetzten Anschaffungskosten (vgl. Tz. 36 des BP - Berichtes) im Jahre 1998 erfolgen wird.

Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 2 FGO. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugesagt hat, die Klägerin hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttung im Jahre 1998 klaglos zustellen, ist er nur geringfügig unterlegen.

Ende der Entscheidung

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