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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 9 K 3270/04 E
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 171 Abs. 10
AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger war in den Streitjahren 1978 bis 1981 u.a. an der GmbH & Co III KG (im Folgenden: KG) beteiligt. Für die KG wurden Feststellungserklärungen abgegeben; Feststellungsbescheide ergingen jedoch zunächst nicht. Auf Grund von Mitteilungen der KG über die in den Feststellungserklärungen erklärten Verluste beantragte der Kläger bei den jeweiligen Einkommensteuerveranlagungen auf ihn entfallende Verluste zu berücksichtigen. Der Beklagte berücksichtigte diese Verluste in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden zunächst antragsgemäß.

Mit Schreiben vom 15. Juni 1990 teilte das für die KG zuständige Finanzamt mit, dass die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung für die KG abgelehnt worden sei, mithin auf den Kläger keine Verlustanteile entfielen. Dem lagen entsprechende Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 zu Grunde. Daraufhin änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 17. September 1990 für 1979 und 27. September 1990 für 1978 bis 1981 die Einkommensteuerbescheide gem. § 175 AO und berücksichtigte die Verluste nicht mehr. Mit Bescheiden vom 9. August 1991 hob das für die KG zuständige Finanzamt die Feststellungsbescheide für die KG vom 6. November 1989 auf, da diese Bescheide nichtig seien. Mit Bescheiden vom selben Tag stellte das für die KG zuständige Finanzamt für die Streitjahre erneut fest, dass dem Kläger keine Anteile aus der KG zuzurechnen seien und teilte diese dem Beklagten mit. Der Beklagte änderte die Einkommensteuerbescheide vom 17. und 27. September 1990 nicht, da sich keine Änderung bei der Festsetzung der Einkommensteuer ergab. Lediglich der Einkommensteuerbescheid für 1981 wurde aus anderen Gründen am 3. Juli 1995 nochmals geändert. Gegen die Ablehnung der Feststellung von Einkünften für die KG wurden Einsprüche eingelegt und anschließend Klagen erhoben. Das Finanzgericht Berlin entschied in einem Parallelverfahren bezüglich der KG II mit Urteil vom 11. April 2000 (Az.: 5 K 5256/96) dass für die Jahre 1978 bis 1981 Feststellungsverjährung eingetreten sei. Daraufhin hob das Finanzamt für Körperschaften IV in Berlin als nunmehr für die KG zuständiges Amt mit Bescheiden vom 20. August 2003 die Feststellungsbescheide 1978 bis 1981 vom 9. August 1991 ebenfalls wegen Verjährung auf.

Der Kläger beantragte am 2. September 2003 die Einkommensteuerbescheide 1978 bis 1981 gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern und die erklärten Verluste aus der KG zu berücksichtigen. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19. Dezember 2003 und 19. Mai 2004 eine Änderung ab. Die Aufhebung der Feststellungsbescheide durch das Finanzgericht Berlin habe keine Bindungswirkung, weil die Einkommensteuerbescheide nicht auf Grund der von diesem Gericht aufgehobenen Feststellungsbescheide sondern auf Grund der bereits zuvor erfolgten Ablehnung der Durchführung eines Feststellungsverfahrens geändert worden seien. Der Kläger erhob hiergegen Einsprüche, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 4. und 24. Mai 2004 als unbegründet zurückwies.

Der Kläger hat am 3. und 17. Juni 2004 unter den Aktenzeichen 9 K 3270/04 und 9 K 3514/04 Klagen erhoben. Er vertritt die Ansicht, die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Nr.1 AO seien erfüllt. Die Aufhebung der Feststellungsbescheide für die KG für die Jahre 1978 bis 1981 durch das Feststellungsfinanzamt am 20. August 2003 führe dazu, dass Grundlagenbescheide nicht mehr bestünden und wegen Ablaufs der Feststellungsfrist auch nicht mehr ergehen könnten. Damit sei der Rechtszustand wieder herzustellen, wie er vor der ersten Änderung der Einkommensteuerbescheide bestanden habe. Es sei nicht überzeugend, wenn der Beklagte eine Änderung deshalb abgelehnt habe, weil Einkommensteuerbescheide nicht durch die zuletzt aufgehobenen Feststellungsbescheide geändert worden seien. Denn auf Grund der Feststellungsbescheide vom 9. August 1991 habe keine Änderung der Einkommensteuerbescheide erfolgen können, weil diese Bescheide inhaltlich die bereits früher ergangenen Bescheide wiederholten und sich daher keine steuerlichen Auswirkungen ergaben. Der Kläger habe gegen die Einkommensteuerbescheide vom 17. bzw. 27. September 1990 auch keine Rechtsmittel einlegen können, da sich diese gegen den Grundlagenbescheid hätte richten müssen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten die Einkommensteuerbescheide für 1978 bis 1981 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. Mai und 11. Juni 2004 zu ändern und Verluste aus der Beteiligung des Klägers an GmbH & Co. III KG in erklärter Höhe zu berücksichtigen,

im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen,

im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, die Einkommensteuerbescheide für 1978 bis 1981 vom 17. und 27. September 1990, deren Änderung der Kläger begehrt, seien auf Grund der Ablehnung der Feststellung des Betriebsstättenfinanzamtes vom 16. November 1989 geändert worden und nicht auf Grund der Feststellungsbescheide vom 9. August 1991, sodass bereits aus diesem Grunde eine Änderung ausscheide. Da der Kläger die geänderten Einkommensteuerbescheide vom September 1990 nicht angefochten habe, sehe sich der Beklagte nicht in der Lage, diese Bescheide zu korrigieren.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Verfahren 9 K 3270/04 und 9 K 3514/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten Bezug genommen; alle Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klagen sind nicht begründet. Die Ablehnung der Änderung der Einkommensteuerbescheide ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1978 bis 1981 vom 17. und 27. September 1990 dahingehend geändert werden, dass Verluste aus der Beteiligung an der KG Berücksichtigung finden. Eine derartige Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO scheidet aus.

Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 AO, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Allerdings kann dahinstehen, ob der Auffassung des Beklagten, wonach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dahingehend auszulegen ist, dass das Merkmal der Bindungswirkung für einen Steuerbescheid/Folgebescheid nur dann besteht, wenn der geänderte Grundlagenbescheid - hier der Bescheid über die Ablehnung der gesonderten Feststellung von Einkünften für die KG vom 9. August 1991 - tatsächlich Anlass für eine Änderung des Steuerbescheides/Folgebescheides - hier die Steuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1981 - gewesen ist. Diese Auffassung dürfte nicht zutreffen. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs - von der abzuweichen keine Veranlassung besteht - wird die Verpflichtung des Finanzamtes zur Anpassung eines Folgebescheides auf Grund der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides nicht dadurch beseitigt, dass das für den Erlass des Folgebescheides zuständige FA einen Grundlagenbescheid übersehen oder dessen Inhalt nicht oder nicht in der richtigen Weise in den Folgebescheid übernommen hat (vgl. BFH Urteile vom 17. Februar 1993 II R 15/91, BFH/NV 1994,1 und vom 14.Juni 1991 III R 64/89, BFHE 165, 438, BStBl II 1992, 52, 53 m.w.N.). Entsprechendes muss auch dann gelten, wenn das für den Folgebescheid zuständige FA eine Übernahme des Inhaltes des Grundlagenbescheides deshalb ablehnt, weil sich - wie hier - keine Änderung der festgesetzten Steuer ergibt. Indes bedarf dies keiner weiteren Vertiefung.

Selbst wenn der Beklagte auf Grund der geschilderten Rechtsprechung grundsätzlich verpflichtet war, auf Grund der Aufhebung des bisherigen Feststellungs-/ Grundlagenbescheides durch den Bescheid vom 20. August 2003 auch die Steuer-/Folgebescheide zu ändern, so fehlt ein Grundlagenbescheid, welcher den Beklagten inhaltlich dazu verpflichtet, bei der Einkommensteuer für die Jahre 1978 bis 1981 die vom Kläger erklärten Verluste zu berücksichtigen. Es sind zu keinem Zeitpunkt Bescheide über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der GmbH & Co. III KG ergangen, aus denen sich die vom Kläger erklärten Verluste ergäben. Derartige Bescheide sind jedoch erforderlich, um die Einkommensteuerbescheide entsprechend dem Klägerbegehren zu ändern. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber mit § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 AO den Zweck verfolgt, die Festsetzung der zutreffenden Steuer in einem Folgebescheid sicherzustellen, wobei der materiellen Richtigkeit des Folgebescheides der Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits früher ergangenen Folgebescheides eingeräumt wird. Aus der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides für den Folgebescheid ergibt sich, dass dieser die Aufgabe hat, dem Folgebescheid in verbindlicher Weise bestimmte Besteuerungsgrundlagen zuzuführen. (vgl. BFH Urteil vom 17. Februar 1993 II R 15/91, a.a.O.). Dies bedeutet indessen nicht, dass jeder Änderung eines Grundlagenbescheides synchron eine Änderung des Folgebescheides nachzufolgen hat. Ob und in welchem Umfange ein Folgebescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist, hängt davon ab, welche Anpassung die Bindungswirkung des Grundlagenbescheides verlangt (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Tz. 6 zu § 175 AO), m. a. W. die Anpassung des Folgebescheides wird bestimmt durch den Inhalt des Grundlagenbescheides. Deshalb muss ein Folgebescheid auch nur dann erlassen bzw. aufgehoben oder geändert werden, wenn nicht bereits ein entsprechender Folgebescheid ergangen war (Loose in Tipke/Kruse, a.a.O.).

Gemessen hieran waren die Steuerbescheide nicht dergestalt zu ändern, dass bei dem Kläger nunmehr in den Streitjahren wiederum die erklärten Verluste aus der GmbH & Co. III KG zu berücksichtigen waren. Inhalt des Grundlagenbescheides vom 20. August 2003 war nämlich nicht die Feststellung solcher Verluste, sondern lediglich die Aufhebung der bisherigen Ablehnung der gesonderten Feststellung von Einkünften für die KG und die Feststellung, dass wegen Verjährung eine gesonderte Feststellung nicht mehr durchgeführt werde.

Etwas anderes ergibt sich nicht unter Berücksichtigung des Urteils des Finanzgerichts Münster vom 1. Dezember 2004, Az.: 10 K 553/03 E. Unabhängig davon, dass die Sachverhalte nicht völlig vergleichbar sind, geht das Gericht in dieser Entscheidung wohl davon aus, dass mit der Aufhebung von Grundlagenbescheide, die eine gesonderte Feststellung ablehnen, zugleich der Zustand bezüglich der Steuerbescheide wiederhergestellt werden müsse, wie er auf Grund der vorläufigen Mitteilungen über die Verluste bestanden habe. Dieser - nicht näher begründeten Ansicht - kann, auf Grund der dargelegten Gründe nicht gefolgt werden.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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