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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.05.2007
Aktenzeichen: 9 K 3554/06 G
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 129
AO § 169 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

9 K 3554/06 G

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Der Kläger betrieb im Streitjahr 1990 zwei Einzelfirmen:

die Herstellung von Maschinen für das Druckgewerbe (im folgenden Herstellungsbetrieb) und den Großhandelsbetrieb (im folgenden Großhandelsbetrieb).

Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen die Änderung des Gewerbesteuermessbescheids 1990 vom 26.8.2003, den der Beklagte unstreitig aufgrund einer Verwechselung der Steuernummern für den Herstellungsbetrieb erlassen hat.

Der Beklagte wollte einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid 1990 für den Großhandelsbetrieb erlassen; wegen der Einkünfte aus dieser Firma hatte der Kläger mehrere Klageverfahren geführt (u.a. 9 K 2678/00 G), die mit einer tatsächlichen Verständigung vom 8.7.2003 beendet wurden. Nach dem Inhalt der Verständigung war u.a. der Gewerbesteuermessbetrag des Großhandelsbetriebs für das Jahr 1990 um 96.855DM zu mindern, was der Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 26.8.2003 auch tun wollte, dabei aber die Steuernummern der zwei Firmen des Klägers verwechselte, so dass die Herabsetzung des Messbetrags um 96.855 DM fälschlicherweise bei demHerstellungsbetrieb vorgenommen wurde (festgesetzter Messbetrag: 484.332 DM, davor seit 1997 bestandskräftig: 581.187 DM).

Dieser falsche Bescheid vom 26.8.2003 wurde dem (damaligen und jetzigen) Prozessvertreter mit dem Erläuterungstext:

"Auf das Ergebnis des Erörterungstermins bei Finanzgericht Düsseldorf vom 8.7.2003 wird hingewiesen."

übersandt. Der Prozessvertreter erklärte daraufhin den Rechtsstreit für den Großhandelsbetrieb, Az 9 K 2678/00 G, in der Hauptsache für erledigt.

Dem Beklagten fiel die Verwechselung der Firmen bei der Auswertung der tatsächlichen Verständigung vom 8.7.2003 erst im Jahr 2005 nach einem Hinweis des städtischen Steueramts auf. Um den Fehler zu korrigieren, erließ der Beklagte am 29.4.2005 gegenüber dem Kläger einen Änderungsbescheid, mit dem der Gewerbesteuermessbetrag 1990 für den Herstellungsbetrieb auf die ursprüngliche Höhe wieder heraufgesetzt wurde. Als Änderungsvorschrift wurde § 129 AO, Änderung wegen offenbarer Unrichtigkeit, benannt.

Gleichzeitig nahm der Beklagte am 29.4.2005 die nunmehr zutreffende Änderung des Gewerbesteuermessbescheid 1990 für den Großhandelsbetrieb entsprechend der tatsächlichen Verständigung vom 8.7.2003 vor (Minderung des Messbetrages um 96.855 DM, d.h. von 105.168 DM auf 8.313 DM).

Gegen den wegen offenbarer Unrichtigkeit geänderten Bescheid vom 29.4.2005 für den Herstellungsbetrieb erhob der Kläger fristgerecht Einspruch und trug vor, eine Änderung nach § 129 AO sei unzulässig, weil hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrages 1990 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Eine Berichtigungsmöglichkeit sei nach § 169 Abs. 1 S. 2 AO nur gegeben, wenn die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Es werde auch nicht die vom Beklagten erbetene Zustimmung zur Änderung des unrichtigen Bescheides vom 26.8.2003 erteilt (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO). Die Voraussetzungen des § 174 AO lägen ebenfalls nicht vor.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9.8.2006 als unbegründet zurück. Der Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der tatsächlichen Verständigung im Klageverfahren vom 8.7.2003, wonach der Gewebesteuermessbetrag für den Großhandelsbetrieb um 96.855 DM zu mindern war, nicht aber auch noch zusätzlich derjenige des Herstellungsbetriebs. Der Kläger habe aufgrund des Auswertungsfehlers des Beklagten den entsprechenden Gewerbesteuer-Erstattungsbetrag zweimal erhalten. Die Fehlerhaftigkeit des ersten Bescheids vom 26.8.2003 könne ihm wegen der Unterschiedlichkeit der zugrundeliegenden Gewinne nicht verborgen geblieben sein. Eine korrekte Auswertung der Einigung vor dem Finanzgericht erfordere daher - neben dem Erlass des zutreffenden Bescheides - auch die am 29.4.2005 vorgenommene Änderung des unrichtigen Bescheides.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, mit der er seine Ansicht, der unrichtige Bescheid vom 26.8.2003 dürfe nicht mehr geändert werden, weil nach der Abgabenordnung keine Änderungsvorschrift vorhanden sei (weder § 129 AO, noch § 174 AO, auch keine Zustimmung des Klägers gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO) im einzelnen weiter ausführt. Im Ergebnis ist der Kläger der Ansicht, er dürfe die fälschlicherweise doppelt erhaltene Steuererstattung behalten.

Das Gericht hat den Prozessvertreter in der mündlichen Verhandlung zum Erhalt des angefochtenen Bescheides vom 26.8.2003 befragt. Der Prozessvertreter hat bestätigt, dass er diesen Bescheid ebenso wie die anderen Änderungsbescheide auf ihre Übereinstimmung mit dem Ergebnis der tatsachlichen Verständigung hin überprüft habe und dass ihm die Fehlerhaftigkeit des Gewerbesteuermeßbescheids 1990 vom 26.8.2003 hätte auffallen können, vielleicht auch aufgefallen sei, was er nicht mehr so genau wisse. Ein Einspruch sei nicht in Betracht gekommen, da es sich um eine Änderung zugunsten des Klägers gehandelt habe. Er habe sich aber auch nicht verpflichtet gesehen, den Beklagten auf den Fehler hinzuweisen, weil dem Beklagten genügend Verfahrensmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, um den Fehler zu berichtigen, z.B. den Bescheid binnen eines Jahres gemäß § 129 AO zu ändern (§ 171 Abs. 2 AO). Eine Zustimmung zur Änderung des fehlerhaften Bescheides werde jedenfalls nicht erteilt.

Der Kläger beantragt,

den Änderungsbescheid vom 29.4.2005 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Gewerbesteuermeßbescheid 1990 vom 29.4.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Beklagte hat mit diesem Bescheid zu Recht die bei Auswertung der tatsächlichen Verständigung im Klageverfahren 9 K 2678/00 G vorgenommene Minderung des Gewerbesteuermeßbetrags 1990 rückgängig gemacht.

Die Berechtigung des Beklagten zum Erlass des Berichtigungsbescheids vom 29.4.2005 folgt im Streitfall daraus, dass der Kläger verpflichtet war, an der inhaltlich zutreffenden Auswertung der tatsächlichen Verständigung vom 8.7.2003 mitzuwirken und seine Zustimmung zur Änderung des offenkundig fehlerhaften Bescheids vom 26.8.2003 nicht ohne Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verweigern kann (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO).

Der Bescheid vom 26.8.2003 war offenkundig fehlerhaft. Die Verwechselung der Steuernummern und der Betriebe war bereits wegen der stark unterschiedlichen Höhe der zugrundeliegenden Gewinnne und wegen der Bezugnahme des Bescheids auf das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung eindeutig erkennbar. Das Gericht ist aufgrund der Einlassung des Prozessvertreters in der mündlichen Verhandlung auch zu der Überzeugung gelangt, dass dem Prozessvertreter die Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 26.8.2003 aufgefallen ist. Der Prozessvertreter hat gleichwohl den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dieses Verhalten ist dem Kläger zuzurechnen.

Die dazu vom Prozessvertreter vorgetragene Rechtsansicht, eine Mitwirkung zur Berichtigung des Fehlers sei nicht notwendig, denn der Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, den fehlerhaften Bescheid binnen eines Jahres gemäß § 129 AO zu ändern, ist unzutreffend. Der Beklagte durfte wegen der für den Herstellungsbetrieb bereits bestehenden Festsetzungsverjährung weder den Bescheid vom 26.8.2003 noch den Änderungsbescheid vom 29.4.2005 erlassen. Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung ebenso wie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt ausdrücklich auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO). Vorliegend war die 4-jährige Festsetzungsfrist für die Gewerbesteuer 1990 des Herstellungsbetriebes spätestens 1998 abgelaufen. Das Klageverfahren 9 K 2678/00 G betraf ausdrücklich nur die Gewerbesteuer für den Großhandelsbetrieb Dies hatte zur Folge, dass der gleichwohl (ohne Beachtung der Festsesetzungsverjährung) am 26.8.2003 erlassene Bescheid rechtswidrig/wirksam und anfechtbar, aber nicht nichtig war (Tipke-Kruse, Vor § 169 Tz 2 AO mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine Änderung des fehlerhaften Bescheids vom 26.8.2003 konnte somit nur unter Mitwirkung des Klägers erfolgen, entweder aufgrund eines Einspruchs des Klägers (den er nicht eingelegt hat) oder mit Zustimmung zu einer Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO (die er ausdrücklich verweigert). Hätte der Kläger bzw. sein Prozessvertreter den offenkundigen Fehler nach Erhalt des Bescheides beanstandet, wäre der Fehler unzweifelhaft korrigiert worden, d.h. der unzulässigerweise erlassene Bescheid vom 26.8.2003 wäre aufgehoben und der zutreffende Gewerbesteuermessbescheid 1990 wäre erlassen worden; es wäre nicht zu der Steuerminderung für beide Einzelfirmen des Klägers gekommen.

Vor diesem Hintergrund kann der Kläger nicht seine Zustimmung zu einer Änderung des fehlerhaften Bescheides vom 26.8.2003 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO verweigern, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen. Der Kläger war aufgrund der getroffenen tatsächlichen Verständigung vom 8.7.2003 nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet - ebenso wie der Beklagte - , an der Umsetzung der getroffenen Verständigung durch den Erlass von Änderungsbescheiden mitzuwirken. Er hatte in diesem Zusammenhang dem Erlass der erforderlichen Änderungsbescheide zuzustimmen, und zwar in dem Umfang, in dem Änderungsbescheide erlassen werden mußten, um die tatsächliche Verständigung zutreffend, d.h. dem Inhalt entsprechend auszuwerten (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO). In der Rechtsprechung wurde wiederholt entschieden, dass eine Änderung oder Aufhebung des Bescheides auch dann zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige nicht zugestimmt oder einen diesbezüglichen Antrag gestellt hat, die Versagung der Zustimmung indessen gegen Treu und Glauben verstoßen würde, weil er sich hierdurch in Widerspruch zu früherem Verhalten setzt, z.B. wenn der Steuerpflichtige durch Einschaltung des Gerichts ein bestimmtes steuerliches Ergebnis erstritten hat, aber später durch sein Verhalten verhindern will, dass die entsprechenden materiell-rechtlichen Folgerungen gezogen werden (BFH, Urteil vom 3.12.1998, BStBl II 1999, 158 m.w.N.)

Damit ist der vorliegende Sachverhalt vergleichbar. Auch der Kläger hatte im Klageverfahren 9 K 2678/00 G eine Steuerminderung für seinen Großhandelsbetrieb erstritten und seine Zustimmung dazu erteilt, dass zur Umsetzung entsprechende Steuerbescheide erlassen werden. Die vom Beklagten sodann erfolgte Umsetzung durch den Bescheid vom 26.8.2003 entsprach wegen der Verwechselung der Einzelfirmen erkennbar und eindeutig nicht der tatsächlichen Verständigung vom 8.7.2003. Daher muss die Zustimmung des Klägers zum Erlaß von zutreffenden Änderungsbescheiden nach Maßgabe der Verständigung auch den Erlaß eines Korrekturbescheides umfassen, der erforderlich ist, um die Verständigung dem Inhalt nach zutreffend umzusetzen.

Der Einwand des Klägers, die verweigerte Zustimmung verstoße vorliegend nicht gegen Treu und Glauben, da es sich um eine Fallgestaltung einer widerstreitenden Steuerfestsetzung handele, bei der eine Änderung nach § 174 Abs. 2 AO unzulässig sei, weil die widerstreitende Steuerfestsetzung nicht auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sei (BFH, Urteil vom 3.12.1998, V R 29/98, BStBl 1999 II S. 158), geht fehl. Die Regelung des § 174 Abs. 2 AO dient dem Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen in den Bestand eines Bescheides. Auf diesen Vertrauensschutz kann sich jedoch nicht berufen, wem die Rechtswidrigkeit des Bescheides bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war (Rechtsgedanke aus § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO, s. Tipke-Kruse, § 174 Rn 25 m.w.N.). Von letzterem ist im Streitfall jedoch - wie oben dargelegt - auszugehen. Der Kläger und/oder sein Prozessvertreter haben bei Erhalt des Bescheides vom 26.8.2003 dessen Fehlerhaftigkeit erkannt. Der Kläger konnte nicht auf den Bestand dieses Bescheides vertrauen, da er wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, dass dieser Bescheid der tatsächlichen Verständigung inhaltlich nicht entsprach.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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