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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 14.03.2007
Aktenzeichen: 1 K 218/02
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 118 S. 1
FGO § 44 Abs. 2
FGO § 138 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

1 K 218/02

Gründe:

Im Streitfall hat das Gericht nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Entsprechend den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist von der Erledigung des gesamten Rechtsstreits in der Hauptsache auszugehen. Das Gericht hat wegen der konstitutiven Wirkung der abgegebenen Erklärungen nicht zu prüfen, ob und inwieweit der Rechtsstreit tatsächlich eine Erledigung gefunden hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 1972 - VII B 46/71 - BStBl II 1972, 706; vom 27. Juli 1988 - VI B 2/88 - BFH/NV 1989, 190 und vom 15. April 1986 - VII R 152/83 - BFH/NV 1986, 575).

Mit der vorliegenden Klage betreibt die Klägerin die Anfechtung der Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1995 vom 27.05.1997. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach einem Vorverfahren weiterhin der ursprüngliche Verwaltungsakt, nunmehr in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat, § 44 Abs. 2 FGO. Die Klägerin hat im Streitfall keine isolierte, nur auf die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 bezogene, Anfechtungsklage erhoben.

Zur Überprüfung durch das Gericht steht nicht das Verwaltungshandeln, sondern die von der Verwaltung getroffene Regelung im Sinne des § 118 Satz 1 AO. Gegenüber dem Ausgangsbescheid trifft die Einspruchsentscheidung nur insoweit eine neue Regelung, wie gegebenenfalls eine Änderung reicht. Ursprünglicher Verwaltungsakt und Einspruchsentscheidung sind an sich separate Verwaltungsakte. Für die Beurteilung im Gerichtsverfahren bilden sie jedoch einen Verbund und eine Verfahrenseinheit in der Weise, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, d.h. mit dem Inhalt, zu beurteilen ist, den er durch die Einspruchsentscheidung erhalten hat (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Juni 1999 - VII B 303/98 - BFH/NV 1999, 1585 und BFH-Urteil vom 19. Mai 1998 - I R 44/97 - BFH/NV 1999, 314 sowie Tipke/Kruse-Tipke FGO § 44 Rd 16). Abweichend davon kann nach gefestigter Rechtsprechung zulässiger Gegenstand einer Anfechtungsklage allein die Einspruchsentscheidung sein, u.a. wenn sie einen Dritten erstmals beschwert oder wenn sich das Finanzamt mit einem Einspruch befasst hat, den der Kläger nicht eingelegt hat (vgl. Tipke/Kruse-Tipke a.a.O. Rd 17 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

Im Streitfall hat die Regelung der Umsatzsteuerbescheide vom 27.05.1997 durch die Einspruchsentscheidung keine inhaltliche Änderung erfahren. Gegenstand der Klage bleiben daher grundsätzlich die Ursprungsbescheide respektive die darin getroffene Regelung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht ausdrücklich eine nur auf die Kassation der Einspruchsentscheidung abzielende Klage erhoben wurde. Vorliegend wäre dies zulässig und sinnvoll (dazu nachfolgend) gewesen, da der Beklagte auf den Einspruch der Einzelunternehmerin G in Firma A eine Einspruchsentscheidung gegenüber der A Vermögensverwaltung KG erlassen hat. Damit hat der Beklagte einen von der KG nicht eingelegten Einspruch beschieden und diese hinsichtlich der Umsatzsteuer 1993 bis 1995 zur Verfahrensbeteiligten gemacht.

Mit der während des Klageverfahrens durch den Bescheid vom 15.02.2007 erfolgten Aufhebung (nur) der Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 hat der Beklagte dem dargestellten prozessualen Anfechtungsbegehren der Klägerin auf Kassation der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide nicht stattgegeben. Hierdurch wurde weder deren Existenz beseitigt, noch deren Regelungsgehalt geändert. Die Voraussetzung für die Anwendung der zwingenden Kostenregelung nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO sind damit im Streitfall nicht gegeben. Über die Kosten muss gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entschieden werden (vgl. BFH-Beschluss vom 02. März 1971 - VII R 74/68 - BStBl II 1971, 498).

Nach Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, die Kosten den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen. Hierbei ist der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens für den Fall zu prognostizieren, dass die Beteiligten die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt hätten.

Da die Einspruchsentscheidung gegenüber dem falschen Inhalts- und Bekanntgabeadressaten, der KG, ergangen war, ist sie nichtig oder zumindest rechtswidrig. Es bestand daher ein Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der Einspruchsentscheidung, ggf. des durch sie erzeugten Rechtsscheins. Bei streitiger Entscheidung wäre die Einspruchsentscheidung daher durch das Urteil aufzuheben gewesen.

Ein der Klage stattgebendes Urteil hinsichtlich der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide wäre hingegen schon deswegen nicht in Betracht gekommen, weil es der Klägerin insoweit an der Aktivlegitimation fehlt. Die streitigen Bescheide sind gegenüber der Einzelunternehmerin ergangen und tangieren die Rechte der KG nicht. Die erhobene Klage ist insoweit unzulässig.

Ein teils stattgebendes, teils abweisendes Urteil hätte die Klägerin zwar bei Erhebung einer nur isolierten Klage vermeiden können. Dies hat sie nicht getan, sondern - wie ausgeführt - wegen des durch die Einspruchsentscheidung in keiner Weise geänderten Regelungsgehaltes letztlich mit der Klage im Kern die Kassation der Ursprungsbescheide verfolgt. Ihr deswegen die Kosten des Verfahrens vollen Umfangs aufzuerlegen wäre gleichwohl unbillig. Die Aufhebung der Einspruchsentscheidung ist im Fall einer erfolgreichen Anfechtungsklage verfahrensmäßig zwingend und damit immer auch notwendig Gegenstand des prozessualen Begehrens. Zudem hat die fehlerhafte Einspruchsentscheidung des Beklagten die - insoweit berechtigte - Anrufung des Gerichts erst ausgelöst. Den Beklagten nicht an den Kosten zu beteiligen, käme daher nicht in Betracht.

Das Gericht hält es für angemessen, den anteiligen Streitwert der Einspruchsentscheidung in gleicher Höhe anzusetzen, wie den der Ursprungsbescheide. Zwar führte die Einspruchsentscheidung zu keiner Änderung der ursprünglichen Regelung und würde wertmäßig daher in der Entscheidung über die Ursprungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehen. Indes hätte sich der Streitwert im Fall einer isolierten Anfechtungsklage der Klägerin ebenfalls auf den streitigen Betrag der Umsatzsteuerbescheide belaufen.

Die hälftige Kostenverteilung wird den Umständen des Streitfalls auch insofern gerecht, als die Beteiligten nach den rechtlichen Hinweisen des Gerichts Einvernehmen über die nunmehr eingeschlagene Verfahrensweise hergestellt haben. Die Rücknahme der Einspruchsentscheidung und einvernehmliche Erledigungserklärung gegenüber dem Gericht ermöglichen den Beteiligten, im Rahmen des Einspruchsverfahrens nochmals eine einvernehmliche Beilegung des Streitfalls zu prüfen.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: Die getroffene Kostenverteilung würde sich auch nicht dadurch ändern, wenn - entgegen der hier vertretenen Auffassung - davon ausgegangen würde, dass in der Aufhebung der Einspruchsentscheidung, die verfahrensmäßig zwingend mit einer Aufhebung der Ursprungsbescheide einherzugehen hätte, eine jedenfalls teilweise Erledigung des prozessualen Anfechtungsbegehrens der Klägerin zu sehen ist. Zwar wären dann "insoweit", also hinsichtlich der Einspruchsentscheidung, dem Beklagten die Kosten gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO zwingend aufzuerlegen gewesen. Dies ist in der vorliegenden Entscheidung im Ergebnis auch über § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen, in dem der Rechtsgedanke des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO zum Tragen kommt, geschehen. Im Übrigen, also hinsichtlich der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide, hätte die Kostenlast nach § 138 Abs. 1 FGO nach dem Regelungsgehalt des § 135 Abs. 1 FGO gleichwohl aus den bereits genannten Gründen die Klägerin getroffen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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