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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 2 K 14/09
Rechtsgebiete: VersStG 1996, BGB


Vorschriften:

VersStG 1996 § 1 Abs. 1
VersStG 1996 § 1 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Versicherungsteuer.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und als Leasingunternehmerin tätig. Sie verleast Kraftfahrzeuge an Unternehmen, mit denen entweder Rahmenverträge bei Abnahme einer Vielzahl von Fahrzeugen oder Einzelverträge bestehen. Als Leasinggeberin bleibt sie jeweils zivilrechtlich Eigentümerin der verleasten Fahrzeuge und erfasst diese deshalb in ihrer Bilanz.

Den Leasingverträgen liegen von der Klägerin gestellte Allgemeine Bedingungen für das Leasing von Fahrzeugen (AGB) zu Grunde, wobei unterschiedliche Fassungen für Einzelkunden und Rahmenvertragskunden verwendet werden. Mit den Leasingverträgen werden zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Risikotragung angeboten. Der Leasingnehmer kann wählen, ob er das nach den Leasingverträgen von ihm zu tragende Risiko der Beschädigung, des Verlustes und der Wertminderung versichert, entweder durch eine von der Klägerin vermittelte Versicherung oder eine eigene Versicherung, oder ob er eine Befreiung von diesem Haftungsrisiko in Anspruch nimmt und hierfür ein Entgelt an die Klägerin leistet.

Nach den AGB für Einzelkundenverträge (Teil A Ziffer VI) wie auch nach den AGB für Rahmenverträge (§ 8) haftet der Leasingnehmer für Untergang, Verlust, Beschädigung und Wertminderung des Fahrzeuges und seiner Ausstattung auch ohne Verschulden, jedoch nicht bei Verschulden der Klägerin.

Nach Teil A Ziffer VIII der AGB-Einzelkundenverträge bzw. § 10 der AGB-Rahmenverträge wird der Leasingnehmer verpflichtet, neben der Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von maximal 1.000 EUR zusammen mit einer Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von maximal 150 EUR für die Dauer des Leasingvertrages abzuschließen und aufrecht zu erhalten. Die Art der abzusichernden Risiken wird in den AGB im Einzelnen weiter beschrieben.

Nach Teil A Ziffer IX der AGB-Einzelkundenverträge bzw. § 10 Nr. 4 und 6 der AGB-Rahmenverträge ist der Leasingnehmer verpflichtet - sofern er bei der Schadensabwicklung nicht die Dienste der Klägerin in Anspruch nimmt - Entschädigungsleistungen, die nicht zur Begleichung von Reparaturen benötigt und verwendet werden, an die Klägerin weiterzuleiten. Ebenso ist er verpflichtet, Entschädigungsleistungen für Wertminderungen des Kfz an die Klägerin weiterzuleiten.

Die Klägerin bietet den Leasingnehmern auf entsprechenden Antrag an, für diese eine Teil- bzw. Vollkaskoversicherung für den Leasinggegenstand bei einem Versicherer abzuschließen (Teil G Ziffer I der AGB-Einzelkundenverträge, für Rahmenverträge Dienstleistungsvereinbarung "Versicherung"). Bei Abschluss dieser Dienstleistung übernimmt die Klägerin die Abwicklung bei Schadensfällen (Teil G Ziffer IV der AGB-Einzelkundenverträge, § 3. 3 der Dienstleistungsvereinbarung "Versicherung"). Die Klägerin zahlt die Versicherungsbeiträge an die Versicherung und stellt diese den Leasingnehmern im Rahmen der Abrechnung zusammen mit der Leasingrate in Rechnung (Teil G Ziffer VI der AGB-Einzelkundenverträge, §§ 4, 5 der Dienstleistungsvereinbarung "Versicherung").

Seit dem 01.01.2007 bietet die Klägerin den Leasingnehmern eine Zusatzvereinbarung "Haftungsbefreiung mit Eigenanteil" (im Weiteren Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung) an. Durch die Bezugnahmen in dieser Zusatzvereinbarung auf die beiden verschiedenen AGB Einzelkundenverträge und Rahmenverträge gibt es zwei Versionen der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung, die sich inhaltlich jedoch nicht unterscheiden.

In § 1 der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung für Einzelkundenverträge heißt es:

"1. 1 Die Dienstleistungsvereinbarung "Haftungsbefreiung mit Eigenanteil" regelt die entgeltliche Freistellung des Kunden abweichend von §§ IV, IX Teil A -Allgemeine Bedienungen - und § I Teil G - zusätzliche Bedingungen für Leasingverträge mit Versicherungs-Service - für Beschädigungen, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs und seiner fest eingebauten, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Teile gemäß diesem Vertrag infolge einer der unter § 2 nachfolgend genannten Ursachen"

Im Rahmen dieser Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung können die Leasingnehmer zwischen einer teilweisen Befreiung und einer vollständigen Haftungsbefreiung wählen (jeweils § 2 der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung). Sowohl bei der teilweisen als auch bei der vollständigen Haftungsbefreiung wird für den Leasingnehmer ein von ihm zu tragender Eigenanteil individuell vereinbart (§ 2 Nr. 2.1.8 der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung).

Nach § 3 Nr. 3.8 der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung gilt die Haftungsbefreiung nicht, wenn der Leasingnehmer oder seine Erfüllungsgehilfen den Schadensfall durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben. In diesen Fällen haftet der Leasingnehmer vollen Umfangs für die eingetretene Beschädigung, Zerstörung oder den Verlust. Der von dem Leasingnehmer zu zahlende Beitrag für die Haftungsbefreiung berechnet sich nach dem Schadensverlauf von eingetretenen Schäden im Rahmen der Haftungsbefreiung und kann auf Grund von negativen oder positiven Schadensverlauf unter bestimmten zeitlichen Vorgaben angepasst werden (vgl. § 9 der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung). Auf die Regelungen in den von der Klägerin vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung wird ergänzend Bezug genommen. Die Klägerin versichert das von ihr übernommene Risiko nicht bei einer Versicherung.

Die Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung war Gegenstand eines von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.12.2006 gestellten Antrags auf verbindliche Auskunft. Mit Schreiben vom 13.03.2007 teilte der Beklagte mit, dass die beabsichtigte Vereinbarung einer Haftungsbefreiung mit Eigenanteil im Rahmen des Abschlusses von Leasingverträgen einen Versicherungsvertrag im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes darstelle. Das für die Haftungsbefreiung von dem Leasingnehmer gezahlte Entgelt sei folglich eine Versicherungsprämie im Sinne des § 3 Abs. 1 Versicherungsteuergesetz (VersStG) und unterliege daher der Versicherungsteuer.

Die Klägerin teilte dem Beklagten monatlich die aus der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung erzielten Einnahmen mit. Auf der Grundlage dieser Mitteilungen schätzte der Beklagte die Versicherungsteuer und erließ seit Januar 2007 monatliche Versicherungsteuerbescheide, gegen die die Klägerin jeweils Einspruch einlegte.

Mit Schreiben vom 06.02.2008 teilte die Klägerin dem Beklagten für Januar 2008 mit, dass aus Verträgen über eine Haftungsbefreiung im Rahmen des Abschlusses von Leasingverträgen Entgelte in Höhe von 89.911,27 EUR erzielt worden seien. Entgegen der Verbindlichen Auskunft des Beklagten unterlägen ihrer Auffassung diese Entgelte nicht der Versicherungsteuer. Dementsprechend gab sie eine Versicherungsteueranmeldung für Januar 2008 mit einem Steuerbetrag von 0 EUR ab.

Der Beklagte erließ daraufhin am 13.02.2008 einen Versicherungsteuerbescheid für Januar 2008 und setzte die Steuer auf 17.083,14 EUR fest. Der Beklagte hatte seiner Schätzung die im Januar 2008 vereinnahmten Entgelte aus den Verträgen über Haftungsbefreiungen zu Grunde gelegt. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Schreiben vom 19.02.2008 legte die Klägerin Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 04.03.2008 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Am 04.04.2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass der Abschluss der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung nicht zu einem Versicherungsverhältnis im Sinne des Versicherungsteuerrechts führe. Bei dem hier streitgegenständlichen Vertragsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer fehle es an einer für ein Versicherungsverhältnis notwendigen Übertragung eines Risikos von der Klägerin auf eine andere Person. Bei dem Kaskorisiko (Risiko der Beschädigung, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeuges sowie bestimmte mit versicherte Teile ohne Verschulden) handle es sich um das Risiko, welches originär der Eigentümer zu tragen habe. Zu einer Übertragung dieses Kaskorisikos komme es daher nur in dem Fall, in dem dies vertraglich vereinbart werde. Durch die Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung komme es gerade nicht zu einer solchen Übertragung des Kaskorisikos auf den Leasingnehmer. Eine Kaskoversicherung versichere stets das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung des zur Verfügung stehenden Fahrzeuges ab. Bleibe nach den vertraglichen Vereinbarungen das Kaskorisiko bei dem Eigentümer und werde es nicht auf eine andere Person übertragen, könne auch ein Versicherungsverhältnis nicht vorliegen. In der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung sei ausdrücklich geregelt, dass die Vertragspartner abweichend von den Regelungen der AGB zur Risikoverteilung eine Regelung treffen. Mit Abschluss der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung finde gerade eine Risikoübertragung nach Teil A Ziffer VI der AGB-Einzelkundenverträge bzw. § 8 der AGB-Rahmenverträge nicht statt. Das Risiko der schuldlosen Beschädigung bzw. des schuldlosen Untergangs verbleibe als Eigentümerrisiko beim Leasinggeber. Die Risikoverteilung wirke sich auf die Höhe des Nutzungsentgelts/Leasingrate aus. Je weniger Risiko bei der Klägerin verbleibe, desto stärker reduziere sich das Entgelt für die Nutzungsüberlassung.

Selbst wenn in der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung ein Versicherungsverhältnis im Sinne des Versicherungsteuerrechts gesehen werden sollte, handele es sich dabei um eine unselbstständige Nebenabrede im Rahmen des Leasingvertrags, also eines entgeltlichen Nutzungsüberlassungsverhältnisses. Da der Verbleib des Kaskorisikos bei der Klägerin dem Leasingnehmer die optimale Nutzung des Leasinggegenstandes ermögliche, könne eine selbstständige Nebenabrede nicht vorliegen. Auch aus der Bemessung der Leasingrate unter Einbeziehung des (verbleibenden) Eigentümerrisikos ergebe sich kein Rückschluss auf ein gesondertes Versicherungsverhältnis. Denn die Höhe der Leasingraten müsste bei Verbleib des Kaskorisikos bei der Klägerin gerade auch das potentielle Schadensrisiko umfassen. Im Übrigen habe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mitgeteilt, dass die Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung von ihnen nicht als erlaubnispflichtiges Betreiben von Versicherungsgeschäften gemäß §§ 1, 5 VAG eingestuft werde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 13.02.2008 über die Festsetzung von Versicherungssteuer für Januar 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 04.03.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die von der Klägerin für ihre Leasingkunden angebotene teilweise oder vollständige Haftungsbefreiung gegen Prämien als versicherungssteuerpflichtige Leistung zu bewerten sei. Das Kaskorisiko werde von der Klägerin nie auf den Leasingnehmer übertragen. Der Leasingnehmer werde nach den AGB der Klägerin nur verpflichtet, entweder eine Vollkaskoversicherung abzuschließen, um die Klägerin vor dem Risiko zu schützen, dass sie bei durch den Leasingnehmer verschuldeten Beschädigungen am Fahrzeug zwar einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Leasingnehmer habe, dieser aber mangels entsprechender Solvenz den Schaden nicht begleichen könne. Oder der Leasingnehmer müsse die Dienstleistung der Haftungsbefreiung in Anspruch nehmen. Bei der Dienstleistung der Haftungsbefreiung übernehme die Klägerin das Schadensersatzrisiko des Leasingnehmers gemäß § 823 Abs. 1 BGB in dem vertraglich bestimmten Umfang gegen Zahlung eines Entgelts durch den Leasingnehmer. Es werde damit durch die Klägerin eine Risikoübernahme gegen Entgelt gewährt. Die Prämie für die Risikoübernahme beruhe auf einer auf dem Gesetz der großen Zahl beruhenden Kalkulation, wobei die Klägerin die Prämie - ähnlich wie eine Versicherung - an der individuellen Schadenshistorie des jeweiligen Kunden ausrichte. Da die Klägerin das zivilrechtliche Haftungsrisiko des Leasingnehmers übernehme, liege kein Fall einer Selbstversicherung vor.

Die Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung sei keine unselbstständige Nebenabrede, denn die Klägerin erbringe bei Abschluss der Haftungsbefreiung gegenüber dem Leasingnehmer zwei selbstständige Leistungen: Zum einen die Nutzungsüberlassung eines konkreten Fahrzeugs für einen bestimmten Zeitraum, zum anderen die Übernahme des Haftungsrisikos für Fahrzeugschäden im fahrlässig selbstverschuldeten Schadensfall. Die Haftungsbefreiung habe keinerlei Einfluss auf die Benutzung des geleasten Fahrzeugs.

Dem Gericht haben die Versicherungsteuerakte (Januar 2008) sowie der Vorgang "Verbindliche Auskunft" des Beklagten betreffend die Klägerin zu der Steuernummer 10/770/03718 vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch Erfolg. Der angefochtene Versicherungsteuerbescheid für Januar 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte ist zu Unrecht von einem Versicherungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Leasingnehmer bei Abschluss der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung ausgegangen. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Versicherungsteuer liegen nicht vor.

Nach § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt der Steuer die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses, soweit das VersStG nach § 1 Abs. 2 bis 4 grundsätzlich anwendbar ist.

Das VersStG enthält keine Bestimmung des Begriffs "Versicherungsverhältnis". Sein Inhalt muss demzufolge aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und, da dieser entscheidend vom Versicherungsrecht geprägt wird, aus dem allgemeinen Versicherungsrecht entnommen werden. Nach der Rechtsprechung sind unter Versicherungsverhältnis das Verhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen. Dabei ist der Begriff der Versicherung weit gefasst und nach dem besonderen Zweck des Versicherungsteuerrechts zu deuten. Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungsteuerrecht nur insoweit maßgebend, als das VersStG nichts anderes erkennen lässt. Die besonderen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten nicht ohne weiteres für das Versicherungsteuerrecht. Vor allem muss es sich nicht um eine der Versicherungsaufsicht unterliegende Versicherungsunternehmung handeln (BFH, Urteil vom 29.11.2006 - II R 78/04, BFH/NV 2007, 513, m.w.N.; Urteil vom 20.04.1977 - II R 36/76, BStBl II 1977, 688; Urteil vom 15.07.1964 - II 147/61, HFR 1965, 85).

Nach § 2 Abs. 1 VersStG gilt als Versicherungsvertrag auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können. Aus dieser Vorschrift ergeben sich wesentliche Elemente des Versicherungsverhältnisses.

Ein Wesensmerkmal des Versicherungsbegriffs ist die Gefahrengemeinschaft. Der Zusammenschluss zur Gefahrengemeinschaft wird getragen von dem subjektiven Interesse der Mitglieder der Gemeinschaft, Gefahren, d.h. ungewisse Schäden oder ungewisse Verluste, die die Mitglieder der Gefahrengemeinschaft unmittelbar selbst treffen, gemeinsam zu tragen. Daraus ergibt sich das weitere Grundprinzip der Versicherung, die Wechselseitigkeit der Bedarfsdeckung. Daher sind alle Vereinbarungen, Maßnahmen, Einrichtungen, die zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen getroffen werden, nur dann als Versicherungen anzusehen, wenn sie dazu bestimmt sind, Gefahren oder Schäden gemeinsam zu tragen, die die beteiligten Personen oder Mitglieder der Personenvereinigung materiell unmittelbar selbst treffen, wenn sie also der wechselseitigen Bedarfsdeckung dienen (Gambke-Flick, VersStG, 4. Auflage 1966, S. 90, 97; FG Münster, 19.10.167 - IV a 20/63, EFG 1968, 48).

Der Versicherungsvertrag ist ein schuldrechtlicher, zweiseitig verpflichtender Vertrag, bei welchem Beiträge und Gefahrentragung gegeneinander ausgetauscht werden. Er bewirkt die Einbeziehung des einen Vertragspartners in eine vom anderen Vertragspartner organisierte und von ihm repräsentierte Gefahrengemeinschaft, so dass die Mitgliedschaft in dieser Gefahrengemeinschaft das wesentliche Element des Versicherungsvertrages ist (Gambke-Flick, VersStG, 4. Auflage 1966, S. 93). Durch die Vereinbarung muss ein den Einzelnen betreffendes Risiko, durch den Eintritt eines ungewissen Ereignisses Verluste oder Schäden zu erleiden, auf einen größeren Kreis von Personen verteilt werden. Das Wagnis des Versicherers besteht darin, bei Eintritt des schädigenden Ereignisses den vereinbarten Ersatz leisten zu müssen. Die Gegenleistung dafür sind die von den Versicherungsnehmern gezahlten Versicherungsentgelte (BFH, Urteil vom 29.11.2006 - II R 78/04, a.a.O.; Finanzgericht Köln , Urteil vom 10.11.2004 - 11 K 7893/00, EFG 2005, 656).

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs wird durch den Abschluss der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung zwischen einem Leasingnehmer und der Klägerin nicht ein Versicherungsverhältnis begründet. Es fehlt an einem Zusammenschluss zu einer Gefahrengemeinschaft zur wechselseitigen Bedarfsdeckung im Schadensfall. Der Leasingnehmer überträgt durch die Vereinbarung nicht ein Risiko auf eine Gefahrengemeinschaft.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass bei den diesem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Finanzierungsleasinggeschäften das Risiko für Untergang, Verlust, Beschädigung und Wertminderung des Kraftfahrzeuges grundsätzlich als Risiko des Eigentümers bei der Klägerin liegt, da nach dem Leasingvertrag das Eigentum bei der Klägerin verbleibt. Dieses Risiko wird nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin entweder durch vertragliche Vereinbarung auf den Leasingnehmer übertragen und dieser hat das Risiko durch eine Kaskoversicherung - selbst oder über die Klägerin - abzusichern. Die vertragliche Vereinbarung in Teil A Ziffer VI der Einzelkundenverträge bzw. § 8 der Rahmenverträge geht über die gesetzlich geregelte Schadenersatzpflicht in § 823 Abs. 1 BGB hinaus, denn der Leasingnehmer haftet für das Risiko des Untergangs, Verlusts, der Beschädigung und Wertminderung auch ohne Verschulden. Oder das Risiko verbleibt in dem vertraglich bestimmten Umfang bei der Klägerin, wenn der Leasingnehmer sich für den Abschluss der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung entscheidet. Denn § 1. 1 der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung regelt, dass abweichend von der in den allgemeinen Bedingungen geregelten Übertragung des Eigentümerrisikos auf den Leasingnehmer dieser durch die Vereinbarung von dem Risiko der Beschädigung, Zerstörung oder des Verlusts des Fahrzeuges und mit dem Fahrzeug fest verbundener Teile bei fahrlässigem Verhalten (vgl. § 3. 8 der Zusatzvereinbarung) gegen Zahlung eines Entgelts freigestellt wird. In dem vertraglich vereinbarten Umfang verbleibt das Eigentümerrisiko bei der Klägerin. Soweit nach den allgemeinen Bedingungen (Teil A Ziffer VI der Einzelkundenverträge, § 8 der Rahmenverträge) der Leasingnehmer ohne Verschulden für Untergang, Verlust Beschädigung und Wertminderung des Fahrzeugs zu haften hätte, entsteht ein Risiko gar nicht erst bei dem Leasingnehmer. Er kann somit ein solches auch nicht gegen Entgelt auf die Klägerin übertragen.

Soweit die Klägerin auf eine Inanspruchnahme des bei fahrlässigem Verhalten des Leasingnehmers in dem vertraglich mit der Zusatzvereinbarung Haftungsbefreiung bestimmten Umfang verzichtet, übernimmt sie zwar ein Wagnis, bei Eintritt des schädigenden Ereignisses den vereinbarten Ersatz leisten zu müssen. Hierbei handelt es sich jedoch um eine in dem Vertragsverhältnis zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber getroffene Vereinbarung über die Risikotragung. Es wird kein Versicherungsverhältnis begründet. Der Leasingnehmer überträgt nicht das Risiko der Schadensersatzpflicht auf eine von der Klägerin organisierte und von ihr repräsentierte Gefahrengemeinschaft. Soweit die Klägerin sich die Übernahme des Risikos entgelten lässt und in ihre Kalkulation des Entgelts ähnlich wie möglicherweise bei einer versicherungsmathematischen Kalkulation die Wahrscheinlichkeit der Leistungspflicht einbezieht, führt dies nicht dazu, dass zwischen Leasingnehmer und der Klägerin ein Versicherungsverhältnis entsteht. Ebenso wenig wird eine Gefahrengemeinschaft dadurch begründet, dass die Klägerin mit einer Vielzahl von Leasingnehmern eine solche Risikotragung vereinbart. Denn die Leasingnehmer zahlen ein Entgelt für die Risikoverteilung im Rahmen des Leasingverhältnisses an den Leasinggeber. Es ist für sie dabei ohne Bedeutung, wie der Leasinggeber dieses Risiko absichert, ob er es selbst trägt oder sich insoweit versichert.

Der Versicherungsteuerbescheid vom 13.02.2008 ist danach ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte hat nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgt aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 FGO zugelassen.

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