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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 09.07.2007
Aktenzeichen: 2 K 175/06
Rechtsgebiete: EStG, KStG, AO, KStR 2004


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 2
KStG § 10
AO § 233a Abs. 2
AO § 233a Abs. 5
KStR 2004 R 48 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob und ggf. in welcher Höhe Rückstellungen gewinnerhöhend aufzulösen sind, die die Klägerin für die Zahlung von Steuern und Zinsen für die Jahre 1994 und 1996 gebildet hatte.

Die Klägerin betrieb im Streitjahr ein Unternehmen zur Herstellung elektrischer Hoch- und Niederspannungsanlagen. Sie wurde steuerlich bis einschließlich 1998 beim Finanzamt für Körperschaften III in Berlin geführt. Aufgrund einer Sitzverlegung nach Hamburg - unter Beibehaltung einer Zweigniederlassung in Berlin - wurde die Klägerin ab 1999 beim Beklagten geführt. Im Jahr 1998 führte das Finanzamt für Körperschaften III in Berlin bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 1994 bis 1996 durch (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom 23.07.1999, Betriebsprüfungsakten - BpA - Berlin Bl. 5 ff.). Die Betriebsprüferin war der Auffassung, dass Tantiemezahlungen an den Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln seien, und berücksichtigte in den Prüferbilanzen entsprechend höhere Gewerbesteuerrückstellungen (BpA Berlin Bl. 29). Der Beklagte übernahm die Ergebnisse aus dem Betriebsprüfungsbericht und erließ am 17.02.2000 geänderte Körperschaft- und Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheide für 1994 bis 1996 sowie auch für die Jahre 1997 und 1998. Hieraus ergaben sich folgende Nachforderungen:

Körperschaftsteuer 1994: DM 37.107,00

Körperschaftsteuer 1996: DM 61.820,00

Solidaritätszuschlag 1996: DM 4.636,50

Gewerbesteuer 1994: DM 12.960,00

Gewerbesteuer 1996: DM 23.341,00

Gegen die Änderungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die der Beklagte gewährte.

Für die aufgrund dieser Änderungen zu erwartenden Steuernachzahlungen passivierte die Klägerin in der Bilanz zum 31.12.1998 Rückstellungen. In der am 28.12.2000 zusammen mit den Steuererklärungen beim Beklagten eingereichten Bilanz zum 31.12.1999 waren diese Rückstellungen noch in Höhe von insgesamt DM 133.381,25 enthalten.

Der Beklagte erließ am 24.07.2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Körperschaftsteuerbescheid für 1999. Unter dem 23.06.2003 und dem 29.04.2004 erfolgten Bescheidänderungen; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils bestehen. In dem letztgenannten Änderungsbescheid wurden bei einem Steuerbilanzgewinn von DM 52.751,00 u.a. folgende außerbilanzielle Korrekturen vorgenommen: Körperschaftsteuer für Jahre ab 1977: /. DM 13.674,00, Solidaritätszuschlag für Vorjahre: + DM 2.661,00. Mit Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheid für 1999 vom 23.06.2003 setzte der Beklagte einen Gewerbesteuermessbetrag und eine Gewerbesteuer von 0 fest und mit Bescheid vom selben Tag über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999 einen Gewerbeverlust von DM 37.510,00.

Im Jahr 2005 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 durch. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Bildung der Rückstellungen zum Teil nicht gerechtfertigt sei, und löste Rückstellungen in Höhe von insgesamt DM 99.454,50 gewinnerhöhend auf:

 Verbindlichkeitlt. Bilanz der Klägerinlt. BeklagtemDifferenz
Körperschaftsteuer (KSt) 199437.107,0037.107,000
KSt 199628.308,0061.820,00./. 33.512
Solidaritätszuschlag (SolZ) 19964.221,754.636,50./. 414,75
Gewerbesteuer (GewSt) 199412.960,0012.960,000
GewSt 199623.341,0023.341,000
Zinsen KSt 19948.533,008.347,50185,50
Zinsen KSt 19966.798,006.489,00309,00
Zinsen GewSt 19943.031,002.902,50128,50
Zinsen GewSt 19962.679,002.446,50232,50

 Rückstellungenlt. Bilanz der Klägerinlt. BeklagtemDifferenz
KSt Vor-Bp43.585,00043.585,00
SolZ Vor-Bp4.778,2504.778,25
Zinsen GewSt Vor-Bp20.090,00020.090,00
Zinsen KSt Vor-Bp55.349,00055.349,00
GewSt Vor-Bp3.699,0003.699,00
Zinsen SolZ Vor-Bp5.880,0005.880,00

Gesamt|300.990,25|200.680,34|100.310,00

Hinsichtlich der Ermittlung der Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen für die Steuern und Zinsen aufgrund der vorherigen Betriebsprüfung wird auf den Aktenvermerk des Beklagten vom 01.06.2006 (Rechtsbehelfsakten - RbA - Bl. 20 ff.) sowie auf das Schreiben des Beklagten an die Klägerin vom 07.06.2006 (RbA Bl. 23 ff.) Bezug genommen. Der Beklagte nahm die im Schreiben vom 07.06.2006 angedrohte Verböserung durch die Verminderung der Verbindlichkeiten für die Zinsen auf die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1994 und 1996 in Höhe von insgesamt DM 855,50 (s.o.) nicht vor. Die Gesamtdifferenz verringerte sich dadurch auf DM 99.454,50. Der Jahresüberschuss für 1999 erhöhte sich nach Auffassung der Betriebsprüfung hierdurch um DM 54.607,50 auf DM 107.358,00 (vgl. Übersicht in Bp-Bericht, Betriebsprüfungsakten - BpA - Bl. 106). Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zog die Betriebsprüfung außerbilanziell einen Betrag von insgesamt DM 23.747,00 für Körperschaftsteuer für Vorjahre vom Jahresüberschuss ab und addierte u.a. einen Betrag von DM 3.076,00 für Solidaritätszuschlag für Vorjahre (wegen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wird auf den Bp-Bericht, BpA Bl. 120, Bezug genommen).

Der Beklagte erließ am 19.12.2005 entsprechend geänderte Bescheide für 1999 (vgl. Körperschaftsteuerbescheid, Körperschaftsteuerakten - KStA - Bd. IV Bl. 127 ff.; Bescheid zum 31.12.1999 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Akten betr. Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals - vEKA - Bl. 99, Gewerbesteuermessbetrags- und Gewerbesteuerbescheid für 1999, Gewerbesteuerakten - GewStA - Bl. 184 f., Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes, GewStA Bl. 187, und Bescheid für 1999 über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages, GewStA Bl. 186). Mit Schreiben vom 07.06.2006 (RbA Bl. 23 ff.) erläuterte der Beklagte die Auflösung der Rückstellungen und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11.07.2006. Mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe die Höhe der gebildeten Rückstellungen nicht rechtfertigen können.

Hiergegen richtet sich die am 01.08.2006 durch die Klägerin eingereichte und auf Aufhebung der Änderungsbescheide gerichtete Klage. Nachdem die Klägerin die Klage wegen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages 1999 und Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG zum 31.12.1999 zurückgenommen hatte, hat das Gericht das diesbezügliche Verfahren abgetrennt (neues Az.: 2 K 117/07).

Die Klägerin trägt vor, dass die Bildung der Rückstellungen gerechtfertigt gewesen sei. Die geänderten Steuerbescheide für 1994 bis 1996 seien bereits erlassen gewesen, als die Bilanz für 1999 erstellt worden sei. Zwar sei die Vollziehung der Bescheide auf Antrag der Klägerin ausgesetzt worden. Daher habe sie, die Klägerin, keine Verbindlichkeiten, sondern Rückstellungen passiviert. Hierzu sei sie auch verpflichtet gewesen. Die durch die Betriebsprüfung vorgenommene Bilanzberichtigung für die Jahre 1994 bis 1996 sei rechtswidrig gewesen. Bilanzberichtigungen könnten zum einen nur durch den Steuerpflichtigen vorgenommen werden, und zum anderen sei der gewählte Bilanzansatz nicht unrichtig gewesen. Im Einspruch gegen die Steuerbescheide für 1994 bis 1996 sei der Hauptantrag auf Aufhebung der Bescheide gerichtet gewesen, da keine verdeckten Gewinnausschüttungen vorgelegen hätten. Hilfsweise sei beantragt worden, auf die Bilanzänderung in den Betriebsprüferbilanzen durch Ansatz der Mehrsteuern zu verzichten, weil die Körperschaft- und Gewerbesteuersätze in Berlin seinerzeit niedriger gewesen seien. Wäre die Klägerin mit dem Hilfsantrag erfolgreich gewesen, hätten noch höhere als die veranlagten Nachforderungen und dementsprechend auch höhere Zinsen gedroht. Die entsprechenden Steuerrückstellungen habe die Klägerin daher in der Bilanz für 1998 vorgenommen. Die Höhe der Rückstellungen sei geschätzt worden. Die Klägerin nimmt insoweit auf die Erläuterungen im Jahresabschluss für 1998 (BilA Bl. 235 f.) Bezug.

Bei Erlass der Bescheide für 1998 hätten dem Beklagten die angefochtenen Steuerbescheide aufgrund der vorherigen Betriebsprüfung vorgelegen. Der Beklagte habe die Rechtsauffassung der Klägerin dabei ebenso wenig beanstandet wie bei der erstmaligen Veranlagung für 1999. Obwohl alle Informationen vorgelegen hätten, habe der Beklagte die Rückstellungen nicht aufgelöst.

In jedem Fall aber müsse die Auflösung der für die Zinsen gebildeten Rückstellungen in Höhe von insgesamt DM 61.229,00 erfolgsneutral erfolgen. Dies ergebe sich aus Abschn. 48 der Körperschaftsteuerrichtlinien (KStR) und gelte ungeachtet des Umstandes, dass die Bildung der Rückstellungen aufgrund der früheren Rechtslage gewinnmindernd erfolgt sei. Wenn die Finanzverwaltung die Rechtsänderung zum Nachteil des Steuerpflichtigen berücksichtige, müsse sie dies konsequenterweise auch in Fällen tun, die für die Steuerpflichtigen vorteilhaft seien. Die Richtlinienbestimmung sei entsprechend § 54 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) 1999 uneingeschränkt auf die Auflösung aller Rückstellungen für Nachzahlungszinsen auf Personensteuern anzuwenden, unabhängig davon, wann die jeweilige Rückstellung gebildet worden sei. Dasselbe gelte für die Rückstellung für Zinsen zum Solidaritätszuschlag, auch wenn derartige Zinsen nicht erhoben würden.

Ferner sei dem Gewinn fälschlicherweise ein Betrag von DM 3.076,00 für den Solidaritätszuschlag für Vorjahre hinzugerechnet worden. Tatsächlich dürfe sich die Hinzurechnung allenfalls auf DM 1.701,90 belaufen.

Im Übrigen fehle der Einspruchsentscheidung die notwendige Begründung, weil auf die Begründung des Einspruchs seitens der Klägerin nicht eingegangen und auch die Abweichung von den einschlägigen Richtlinienbestimmungen nicht erläutert worden sei. Nach der Betriebsprüfung habe auch keine Schlussbesprechung stattgefunden; das gebotene rechtliche Gehör sei nicht gewährt worden. Nachdem die angefochtenen Bescheide für die Jahre 1994 bis 1998 im Jahr 2003 aufgehoben worden seien, seien auch die streitgegenständlichen Rückstellungen aufgelöst worden. Eine Rückwirkung dieses nachträglich eingetretenen Umstandes auf das Jahr 1999 komme nicht in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1999, den geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 1999 und den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999, jeweils vom 19.12.2005, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass die Bildung von Rückstellungen für nachzuzahlende Steuern selbstverständlich zulässig sei, dass aber die durch die Klägerin gebildeten Rückstellungen über die durch den Beklagten anerkannten Rückstellungen bzw. Verbindlichkeiten hinaus der Höhe nach nicht nachvollziehbar seien. Der Beklagte verweist wegen der Einzelheiten auf die Einspruchsentscheidung, sein Schreiben vom 07.06.2006 und seinen Aktenvermerk vom 01.06.2006. Zudem seien gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 c EStG künftige Vorteile, hier die Berlinvergünstigung und der niedrigere Hebesatz, bei der Bewertung von Rückstellungen zu berücksichtigen.

Auch wenn auf den Ansatz der Mehrsteuern aufgrund der Betriebsprüfung in den Bescheiden für 1994 bis 1996 verzichtet worden wäre, ergebe sich maximal eine um DM 1.541,23 höhere Nachzahlung. Tatsächlich sei die Nachzahlung im Hinblick auf die bei der Errechnung nicht berücksichtigte Berlinförderung aber wohl geringer bzw. es sei überhaupt nicht mit einer Nachzahlung zu rechnen. Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 08.06.2007 (FGA Bl. 58) wird insoweit Bezug genommen.

Die Auflösung der Körperschaftsteuerrückstellung in Höhe von DM 10.073,00 sei gewinnneutral behandelt worden. Hinsichtlich der Rückstellung für "Zinsen zum Solidaritätszuschlag" sei davon auszugehen, dass sich die Bildung der Rückstellung gewinnmindernd ausgewirkt habe, so dass eine gewinnerhöhende Auflösung vorzunehmen sei. Die gewinnerhöhende Auflösung der Rückstellung für Körperschaftsteuerzinsen sei deshalb gerechtfertigt, weil die Bildung dieser Rückstellung nach damaliger Rechtslage (§ 10 Nr. 2 KStG in der Fassung bis einschließlich 1998) zu einer Gewinnminderung geführt habe.

Auf die Protokolle des Erörterungstermins vom 11.05.2007 und der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2007 wird Bezug genommen.

Dem Gericht haben Band II der Gewerbesteuerakten, Bände III und IV der Körperschaftsteuerakten, Band II der Akten betr. Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals, ein Band Umsatzsteuerakten, Band I der Betriebsprüfungsakten, ein Band Betriebsprüfungsarbeitsakten, ein Band Bilanz- und Bilanzberichtsakten 1994-1998, ein Band Bilanz- und Bilanzberichtsakten 1999-2002 und ein Band Rechtsbehelfsakten des Beklagten zur St.-Nr. ... vorgelegen sowie ein Band Betriebsprüfungsakten des Finanzamtes für Körperschaften III, Berlin.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet.

I.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit bei der Festsetzung des zu versteuernden Einkommens bzw. des Gewerbeertrages nicht eine zusätzliche Rückstellung für Steuernachzahlungen aufgrund der vorherigen Betriebsprüfung in Höhe von insgesamt DM 958,50 berücksichtigt, sondern die durch die Klägerin gebildeten, streitgegenständlichen Rückstellungen in voller Höhe gewinnerhöhend aufgelöst wurden. Die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag waren entsprechend niedriger und der vortragsfähige Gewerbeverlust entsprechend höher festzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das Gericht darf auch dann nach dieser Vorschrift verfahren, wenn nur ein Aufhebungsantrag gestellt wurde (Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 17).

1. Der Beklagte hat die streitigen Rückstellungen für Steuernachforderungen in Höhe von DM 98.496 zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst.

a. Eine Rückstellung ist nicht nur dann gewinnerhöhend aufzulösen, wenn die Gründe für ihre Bildung weggefallen sind, sondern auch, wenn sie von Anfang an zu Unrecht gebildet worden ist oder wenn die Voraussetzungen für die Bildung schon in früheren Jahren weggefallen sind und die entsprechenden Bilanzen und Veranlagungen nicht mehr berichtigt werden können (BFH-Urteil vom 25. April 1990 I R 78/85, BFH/NV 1990, 630). Zwar ist ein unrichtiger Bilanzansatz grundsätzlich in derjenigen Schlussbilanz zu korrigieren, in der er erstmals aufgetreten ist. Eine Nachholung der Korrektur nach dem Grundsatz des "formellen Bilanzenzusammenhangs" kommt nur in Betracht, wenn und soweit die Schlussbilanzen für vorangegangene Jahre Grundlagen für Steuerbescheide sind, die aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden dürfen (BFH-Beschluss vom 13. Juni 2006 I R 58/05, DB 2006, 1654). Da die Veranlagungen für 1998 und die Vorjahre bereits bestandskräftig waren, konnte der Beklagte die Rückstellungen nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs im Streitjahr auflösen. Dies verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen die Bestandskraft der für die Vorjahre durchgeführten Veranlagungen (BFH-Urteil vom 25. April 1990 I R 78/85, BFH/NV 1990, 630).

b. Die Rückstellungen waren in Höhe von DM 98.496 gewinnerhöhend aufzulösen. Ein Grund für ihre Bildung bzw. Beibehaltung ist nicht erkennbar.

aa. Hinsichtlich der für "Zinsen Solidaritätszuschlag" gebildeten Rückstellung in Höhe von DM 5.880,- war die gewinnerhöhende Auflösung vorzunehmen, weil die Bildung dieser Rückstellung von Anfang an zu Unrecht erfolgt ist. Zinsen auf den Solidaritätszuschlag werden nicht festgesetzt.

bb. Die Auflösung der Rückstellungen für Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer und Zinsen war in der genannten Höhe ebenfalls rechtmäßig, in Höhe von DM 958,50 aber rechtswidrig.

(1) Der Beklagte hat im Aktenvermerk vom 01.06.2006 (RbA Bl. 20 ff.) und im Schreiben vom 07.06.2006 (RbA Bl. 23 ff.) ausführlich dargelegt, mit welchen Nachforderungen aufgrund der am 17.02.2000 ergangenen Änderungsbescheide für die Jahre 1994 bis 1998 zu rechnen war. Die dort aufgeführten Beträge stimmen mit den jeweiligen Bescheiden überein und werden durch die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Auch die Zinsberechnung ist zutreffend. Nach § 233 a Abs. 5 Abgabenordnung (AO) sind für den Unterschiedsbetrag zwischen einer durch einen Änderungsbescheid festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer Nachforderungszinsen festzusetzen. Der Zinslauf beginnt nach § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Der Beklagte hat bei der Zinsberechnung in zutreffender Weise die Nachforderungsbeträge auf den nächsten durch DM 100 teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 Abs. 2 AO a.F.) und Zinsen von 0,5% (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) pro vollem Monat angesetzt. Zwar endet der Zinslauf nach § 233 a Abs. 2 Satz 3 AO erst mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (hier mit Zugang der Änderungsbescheide vom 17.02.2000), doch durften Rückstellungen nur für die Zeit bis einschließlich zum 31.12.1999 gebildet werden. Diese Differenz hat der Beklagte zugunsten der Klägerin nicht berücksichtigt und eine entsprechende Verböserung im Rechtsbehelfsverfahren nicht vorgenommen. Im Wege der Saldierung ist der hierauf entfallende Betrag von DM 855,50 (s.o. S. 5) jedoch zu berücksichtigen (s.u.).

(2) Die Klägerin wendet allerdings mit Erfolg ein, dass sie in dem gegen die Änderungsbescheide für 1994 bis 1996 geführten Rechtsbehelfsverfahren die Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellungen im Rahmen der damaligen Betriebsprüferbilanzen abgelehnt habe und deshalb zur Bildung insgesamt höherer Rückstellungen berechtigt gewesen sei.

(a) Die Klägerin wollte nach ihrem Vortrag eine Gewinnminderung durch erhöhte Gewerbesteuerrückstellungen aufgrund der Betriebsprüfung in den Jahren 1994 bis 1996 vermeiden und auf das Jahr 1998 verschieben, weil sie vor der Sitzverlegung noch eine Berlinvergünstigung in Anspruch nehmen konnte und der Gewerbesteuerhebesatz in Berlin niedriger war als in Hamburg. Der Beklagte (bzw. das Finanzamt für Körperschaften III in Berlin) war nicht berechtigt, der Besteuerung für die Jahre 1994 bis 1996 von den Handels- und Steuerbilanzen der Klägerin abweichende Prüferbilanzen zugrunde zu legen. Eine Prüferbilanz ist keine berichtigte Bilanz i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Eine derartige Bilanzberichtigung kann nur der Steuerpflichtige vornehmen, nicht das Finanzamt. Kommt das Finanzamt bei der Bearbeitung eines Steuerfalls aber zu dem Ergebnis, dass die vom Steuerpflichtigen eingereichte Bilanz nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung oder den Vorschriften des Einkommensteuerrechts entspricht, darf es diese falsche Bilanz der Besteuerung nicht zugrunde legen und muss eine eigene Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich mit ggf. auf der Grundlage der Bilanz abgeänderten Werten vornehmen (BFH-Urteil vom 4. November 1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129). Ein Bilanzansatz ist aber nur dann unrichtig, wenn er objektiv gegen ein handels- oder steuerrechtliches Bilanzierungsge- oder -verbot verstößt und der Steuerpflichtige diesen Verstoß nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten über die zum Bilanzstichtag gegebenen objektiven Verhältnisse bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung erkennen konnte (BFH-Urteil vom 5. April 2006 I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl II 2006, 688). Da die Betriebsprüfung im Zeitpunkt der Bilanzerstellung für die Jahre 1994 bis 1996, die jeweils im Folgejahr vorgenommen wurde, noch nicht einmal begonnen hatte, waren die Bilanzen nicht unrichtig, denn die Klägerin musste auch bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung nicht mit Mehrsteuern aufgrund verdeckter Gewinnausschüttungen rechnen. Die aufgrund der Betriebsprüfung erlassenen Änderungsbescheide für 1994 bis 1996 wurden nach dem Vortrag der Klägerin im Jahr 2003 auch aufgehoben.

(b) Hätte der Beklagte die Gewerbesteuerrückstellungen für die Jahre 1994 bis 1996 in den jeweiligen Bilanzen entsprechend dem (im Einspruchsverfahren "hilfsweise" gestellten) Begehren nicht erhöht, wären der Gewinn und Gewerbeertrag und entsprechend die Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie die darauf entfallenden Nachforderungszinsen höher gewesen. Die durch die Betriebsprüfung zusätzlich berücksichtigten Gewerbesteuerrückstellungen beliefen sich in 1994 auf DM 9.807,-, in 1995 auf DM 2.748,- und in 1996 auf DM 23.358,- (BpA Berlin Bl. 30).

Für die Körperschaftsteuer hätten sich folgende zusätzliche Nachzahlungen ergeben:

 199419951996
zvE lt. Bp443.745./. 59.234598.030
zzgl. GewStRSt9.8072.74823.358
zvE neu453.552./. 56.486621.388
KSt neu nach Berlin-Ermäßigung196.804,78./. 27.488279.624,60
KSt alt154.9470206.056
Differenz41.857./. 27.48873.568,60
Nachzahlg. lt. Bp37.107 61.820
Zusätzl. Nachzahlg. 4.75011.748,60

Für die Gewerbesteuer hätten sich folgende zusätzliche Nachzahlungen ergeben:

 199419951996
Gewinn aus Gew.453.552./. 56.486677.874
Hinzurechng.19.1521020
Kürzg.93.37347.60547.392
Verlustabzug96.3500103.989
=282.981./. 103.989526.493
gerundet282.900 526.400
Messbetrag14.145026.320
GewSt (300/340%)42.435089.488
GewSt alt28.005061.710
Nachzahlg.14.430 27.778
Nachzahlg. lt. Bp12.960 23.341
Zusätzl. Nachzahlg.1.470 4.437

Folgende weitere Nachzahlungen wären angefallen (bis 1999):

Zinsen auf Körperschaftsteuer 1994: DM 1.057,50 (DM 4.700 x 45 x 0,5%)

Zinsen auf Körperschaftsteuer 1996: DM 1.228,50 (DM 11.700 x 21 x 0,5%)

Zinsen auf Gewerbesteuer 1994: DM 315,00 (DM 1.400 x 45 x 0,5%)

Zinsen auf Gewerbesteuer 1996: DM 462,00 (DM 4.400 x 21 x 0,5%)

Solidaritätszuschlag 1996: DM 881,10 (DM 11.748 x 7,5%)

Insgesamt wären zusätzliche Nachzahlungen in Höhe von DM 26.349,70 entstanden.

(1) Andererseits hätte die Klägerin die Rückstellungen für diese erhöhten Steuerforderungen in der Bilanz auf den 31.12.1998 einstellen müssen, wodurch sich in diesem Jahr eine Steuerminderung ergeben hätte, die gegenzurechnen ist.

Im Einzelnen:

Nachzahlung Gewerbesteuer 1994: DM 14.430

Nachzahlung Gewerbesteuer 1996: DM 27.788

Zinsen Körperschaftsteuer 1994: DM 775,50 (DM 4.700 x 33 x 0,5%)

Zinsen Körperschaftsteuer 1996: DM 526,50 (DM 11.700 x 9 x 0,5%)

Zinsen Gewerbesteuer 1994: DM 231,- (DM 1.400 x 33 x 0,5%)

Zinsen Gewerbesteuer 1996: DM 198,- (DM 4.400 x 9 x 0,5%)

Gewinnminderung insgesamt: DM 43.939,-

Die Gewerbesteuerrückstellung wäre um DM 7.156,- zu mindern, so dass eine Gewinnminderung von DM 36.783,- verbliebe. Es entstünden folgende Steuerminderungen:

Gewerbesteuer 1998: DM 7.156,-

Körperschaftsteuer 1998: DM 16.552 (36.783 x 45%)

Solidaritätszuschlag 1998: DM 910,36 (16.552 x 5,5%)

Insgesamt: DM 24.618,36

Damit ergäben sich, wenn man die zusätzlichen Gewerbesteuerrückstellungen aufgrund der Betriebsprüfung in 1994 bis 1996 nicht berücksichtigte, um DM 1.731,34 erhöhte Nachzahlungen (DM 26.349,70 abzgl. DM 24.618,36), die sich wie folgt verteilen:

Körperschaftsteuer: ./. 53,40 (16.498,60 ./. 16.552)

Solidaritätszuschlag: ./. 29,26 (881,10 ./. 910,36)

Gewerbesteuer: ./. 1.249 (5.907 ./. 7.156)

Zinsen auf Gewerbesteuer: 777

Zinsen auf Körperschaftsteuer: 2.286

Hätte die Klägerin mit ihrem "Hilfsantrag" Erfolg gehabt, hätte sich bei den Steuern und dem Solidaritätszuschlag eine Ersparnis ergeben, bei den Zinsen dagegen zusätzliche Nachzahlungen. Die Differenzen bei den Rückstellungen für Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag hätten sich auf den Erfolg nicht ausgewirkt, da sie außerbilanziell hätten korrigiert werden müssen (§ 10 Nr. 2 KStG). In Höhe der Differenzen bei der Gewerbesteuer und den Zinsen, mithin in Höhe von DM 1.814, durfte die Klägerin erfolgswirksam zusätzliche Rückstellungen bilden.

Da die durch die Betriebsprüfung errechneten Rückstellungen für die Zinsen andererseits in Höhe der auf die Zeit nach dem 31.12.1999 entfallenden Zinsen von insgesamt DM 855,50 zu kürzen waren, ergibt sich durch eine Saldierung ein Betrag von DM 958,50. In dieser Höhe war die Auflösung der Rückstellungen rechtswidrig.

2. Der Beklagte hat die bei Auflösung der Rückstellungen erforderlichen außerbilanziellen Korrekturen zutreffend durchgeführt.

Nach § 10 Nr. 2 KStG sind u.a. die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern und die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen nichtabziehbar, d.h. sie sind Betriebsausgaben, die den Gewinn mindern, aber außerbilanziell zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wieder hinzuzurechnen.

a. Dementsprechend hat der Beklagte den Betrag, um den er die Rückstellung bzw. die Verbindlichkeit für den Solidaritätszuschlag für 1996 erhöht hat (DM 414,75), der in der Gewinnermittlung ausgewiesenen, entsprechenden Betriebsausgabe von DM 2.661,59 hinzugerechnet, den Gewinn hierdurch entsprechend gemindert und den Gesamtbetrag von DM 3.076,00 außerbilanziell hinzugerechnet.

b. Der Beklagte hat die Differenz zwischen der durch die Klägerin für die Körperschaftsteuernachforderung gebildeten Rückstellung von DM 43.585,00 und der durch den Beklagten als (zusätzliche) Verbindlichkeit berücksichtigten Betrag von DM 33.315,00, nämlich den Betrag von DM 10.073,00, zwar als Ertrag behandelt, ihn aber zutreffenderweise außerbilanziell wieder abgezogen (Erhöhung des Abzuges von DM 13.674,00 auf DM 23.747,00).

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die vom Finanzamt erstattete Körperschaftsteuer das steuerpflichtige Einkommen nicht erhöht (RFH-Urteil vom 8. Februar 1938 I 19/38, RStBl 1938, 494; BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 26/91, BFHE 167, 32, BSTBl II 1992, 686; Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 10 Rz. 41; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 10 Rz. 31), d.h. außerbilanziell zu kürzen ist. Grundlage der Erstattung ist dasselbe öffentlich-rechtliche Verhältnis, das der Zahlung zugrunde lag; die Erstattung ist der "actus contrarius" der Zahlung. Der § 10 Nr. 2 KStG gebietet nur die Nichtabziehbarkeit der Körperschaftsteuer. Die darüber hinausgehende Festsetzung von Körperschaftsteuer auf Überzahlungen ist vom Sinn und Zweck der Regelung nicht gedeckt (BFH a.a.O.). Entsprechendes gilt für die Auflösung von Rückstellungen, die für Personensteuern etc. gebildet wurden (Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 10 Rz. 31).

c. Dagegen war die Gewinnerhöhung aus der Auflösung der für Körperschaft-steuerzinsen gebildeten Rückstellung nicht außerbilanziell zu neutralisieren. Der Auffassung der Klägerin, die Auflösung dieser Rückstellungen müsse steuerneutral erfolgen, kann nicht gefolgt werden. Für eine derartige außerbilanzielle Korrektur gibt es keine Rechtsgrundlage.

Im Gegensatz zu der Rückstellung für Körperschaftsteuernachforderungen handelt es sich bei der Rückstellung für Nachforderungszinsen für die Zeit vor 1999 um abziehbare Betriebsausgaben. Zwar erfasst die Bestimmung in § 10 Nr. 2 KStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 (BGBl. I 1999, 402) sämtliche Nebenleistungen, also auch die streitgegenständlichen Nachzahlungszinsen gemäß § 233 a AO. Der Beklagte weist aber zu Recht darauf hin, dass sich die Rechtslage diesbezüglich geändert hat. Nach der bis einschließlich zum 31.12.1998 geltenden Fassung des § 10 Nr. 2 KStG galt die Nichtabziehbarkeit für die auf Personensteuern u.s.w. entfallenden Nebenleistungen nicht für Zinsen nach den §§ 233 a, 234 und 237 AO. Da für die Anwendbarkeit des § 10 Nr. 2 KStG n.F. entscheidend ist, für welchen Zeitraum die Rückstellung gebildet wurde, und Nachforderungszinsen auf Körperschaftsteuerzahlungen für die Zeiträume vor 1999 daher grundsätzlich noch der alten Rechtslage unterlagen und damit abzugsfähig waren (Schulte in Erle/Sauter, KStG, § 10 Rz. 42), führte die Bildung der Rückstellungen für die Körperschaftsteuerzinsen für 1994 bis 1996 aufgrund der vorherigen Betriebsprüfung zu abziehbaren Betriebsausgaben. Konsequenterweise erhöht die Auflösung dieser Rückstellungen das steuerpflichtige Einkommen.

Dem Argument der Klägerin, durch die Rechtsänderung habe sich der steuerliche Charakter der Zinsen geändert, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Die Klägerin verkennt bei ihrer Argumentation, dass die Vorschrift des § 10 Nr. 2 KStG die Steuerneutralität der Erstattung von (nichtabziehbaren) Zinsen nicht vorschreibt: Geregelt ist lediglich die Nichtabziehbarkeit der Nachforderungszinsen. Bei dem dargelegten Grundsatz, dass nichtabziehbare Steuern im Falle ihrer späteren Erstattung außerbilanziell zu neutralisieren sind, handelt es sich um eine erweiternde Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck bzw. um eine analoge Anwendung zugunsten des Steuerpflichtigen. Eine Erweiterung dieser erweiternden Auslegung in der Weise, dass auch die Erstattung abziehbarer Betriebsausgaben erfolgsneutral zu behandeln sei, kommt aber nicht in Betracht, weil dies dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht entspräche. Wird die Überzahlung einer Steuer oder Nebenleistung später erstattet, liegt ein "actus contrarius" vor, und das steuerliche Ergebnis ist so herzustellen, wie es ohne die Überzahlung bestünde. Ebenso, wie bei der Überzahlung einer nichtabziehbaren Steuer und späterer Erstattung keine Körperschaftsteuer auf die Überzahlung erhoben werden darf (s.o.), darf es bei Überzahlung einer abziehbaren Nebenleistung insoweit nicht zu einer Körperschaftsteuerreduzierung kommen, da sich das Betriebsvermögen im Ergebnis nicht gemindert hat. Dies ist vom Gesetzgeber nicht gewollt und wird daher, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten. Es bleibt folglich bei dem Grundsatz, dass eine erfolgswirksam gebildete Rückstellung auch erfolgswirksam aufzulösen ist.

Die Regelung in Abschn. 48 Abs. 2 Satz 3 KStR 2004, auf die die Klägerin sich beruft und derzufolge die Erstattung von Nachzahlungszinsen erfolgsneutral zu behandeln ist, stellt ebenso wenig eine Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte außerbilanzielle Korrektur dar. Diese Regelung bezieht sich erkennbar auf das neue Recht, also auf die Rückzahlung von Nachforderungszinsen, die nicht mehr abziehbar waren. Das Argument der Klägerin, dass die Verwaltung den gegenteiligen Fall zulasten des Steuerpflichtigen behandele und deshalb konsequenterweise im Streitfall zugunsten des Steuerpflichtigen zu entscheiden sei, kann der erkennende Senat nicht nachvollziehen. Zum einen ist der gegenteilige Fall einer gewinnerhöhenden Einnahme vor der Rechtsänderung und einer gewinnneutralen Rückzahlung danach kaum denkbar: Es müsste sich um eine Rückzahlung von Nachforderungszinsen durch den Fiskus vor der Rechtsänderung und eine Rückzahlung der Rückforderung nach der Rechtsänderung handeln, die so gut wie nie vorgekommen sein dürfte. Zum anderen ist dieser Fall in der Richtlinienbestimmung nicht geregelt. Vor allem aber handelt es sich bei Abschn. 48 Abs. 2 Satz 3 KStR 2004 um eine Verwaltungsrichtlinie, an die das Gericht ohnehin nicht gebunden ist.

d. Die Gewinnerhöhung aus der Auflösung der Rückstellung für "Zinsen zum Solidaritätszuschlag" war ebenso wenig außerbilanziell abzuziehen. Die Bildung dieser Rückstellung war, wie dargelegt, von Anfang an nicht berechtigt und stellte somit keine Betriebsausgabe dar, so dass es auf die Abzugsfähigkeit nicht ankommt.

3. Die angefochtenen Bescheide sind auch formell rechtmäßig. Die Einwände der Klägerin, es habe keine Schlussbesprechung stattgefunden, weshalb der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei, und es fehle an der erforderlichen Begründung der Bescheide, greifen nicht durch. Der Beklagte hat die angefochtenen Bescheide jedenfalls durch sein Schreiben vom 07.06.2006 ausführlich begründet und der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. §§ 121 Abs. 1, 201 AO).

4. Die Körperschaftsteuer war demgemäß wie folgt festzusetzen:

zu versteuerndes Einkommen bisher: 139.397

abzgl. Auflösung Rückstellung: 959

zzgl. Anpassung Gewerbesteuerrückstellung: 168

zu versteuerndes Einkommen neu: 138.606

Tarifbelastung 40%: 55.442

Der Gewerbesteuermessbetrag ändert sich wie folgt:

Gewinn aus Gewerbebetrieb bisher: 153.562

abzgl. Auflösung Rückstellung: 959

zzgl. Anpassung Gewerbesteuerrückstellung: 168

Gewinn aus Gewerbebetrieb neu: 152.771

abzgl. Kürzungen: 79.774

verbleiben: 72.997

abzgl. Verlustabzug: 33.472

verbleiben: 39.525

abgerundet: 39.500

Steuermessbetrag auf den Gewerbeertrag: 1.975

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Beklage unterlag nur geringfügig. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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