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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: 2 K 198/05
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG, UStG


Vorschriften:

AO 1977 § 30
AO 1977 § 146 Abs. 6
AO 1977 § 147 Abs. 6
EStG § 4 Abs. 3
UStG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

2 K 198/05

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin nach Anordnung einer Außenprüfung zur Überlassung eines Datenträgers verpflichtet ist, der die elektronisch geführten Sachkonten in für die Prüfroutinen des Programmes WinIDEA auswertbarer Form enthält.

Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät. Sie berechnet die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten und ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung.

Zur Wahrnehmung ihrer steuerlichen Aufzeichnungspflichten werden im Büro der Klägerin die Ausgangs- und Eingangsrechnungen in zeitlicher Reihenfolge gemeinsam mit den dazugehörigen Kontoauszügen der Bank gesammelt. Darüber hinaus bedient sich die Klägerin eines automatisierten Verfahrens. Hierzu verwendet sie das Kanzlei-Rechnungswesen-Programm von A (RA) als so genannte inhome-Lösung, d.h. auf einem in der Kanzlei befindlichen büroeigenen Rechner. Die Kanzleidaten werden zunächst auf einer Festplatte am Arbeitsplatz des Gesellschafters W gespeichert. Die Auswertung und Aufbewahrung nebst Datensicherung und Instandhaltung wird in dem Büro eigenverantwortlich vorgenommen.

Die vereinnahmten Entgelte ebenso wie die zum Vorsteuerabzug berechtigenden Eingangsleistungen werden geordnet nach Jahren und Voranmeldungszeiträumen und unter Ausweis der Art des Umsatzes bzw. des Namens des Kunden, der Bemessungsgrundlage und der Steuer in einer Exceldatei erfasst, indem die entsprechenden Daten aus dem RA-Programm extrahiert werden. Die geschuldete Umsatzsteuer und die abziehbaren Vorsteuerbeträge werden mit Hilfe des RA-Programms ermittelt.

Zur Aufbewahrung der erfassten Kanzleidaten wird zudem am Ende des Kalenderjahres ein Datentransport der auf der Festplatte des Gesellschafters W befindlichen RA-Aufzeichnungen in eine Worddatei durchgeführt.

Am 04.04.2005 erließ der Beklagte nach internem Ausweis einer Bedarfsprüfung (Betriebsprüfungsarbeitsakte - BpA - Bl. 2) gegenüber der Klägerin eine Prüfungsanordnung betreffend Umsatzsteuer und gesonderte Feststellung des Gewinns 2002 und 2003. Als Prüfungsbeginn wurde der 17.05.2005 festgelegt. Mit Schreiben vom 05.04.2005 bat die Prüferin die Klägerin gem. § 147 Abs. 6 Abgabenordnung (AO), ihr vor Prüfungsbeginn ihre Buchführungsunterlagen auf CD-Rom zu überlassen (BpA Bl. 22). Die Klägerin stellte der Prüferin daraufhin nur eine CD-Rom mit den als Word-Datei gespeicherten Daten zur Verfügung (s. Schriftsätze vom 26.04.2005 und vom 04.05.2005 BpA Bl. 23 f). Die Klägerin vertrat die Meinung, dass eine weitergehende Herausgabepflicht nicht bestehe. Als Kompromiss bot sie an, den Datenbestand auf einem separaten PC mit der Software R in einem dafür zur Verfügung gestellten Raum im Büro der Klägerin zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.

Mit Schreiben vom 02.06.2005 forderte der Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Prüfungsanordnung und §§ 147 Abs. 6, 200 Abs. 1 S. 2 AO auf, bis zum 01.07.2005 die Sachkonten der Jahre 2002 und 2003, soweit diese in elektronischer Form geführt würden, in maschinell auswertbarer Form auf CD vorzulegen (BpA Bl. 34). Zur Begründung führte er an, dass die automationsunterstützten Prüfroutinen mit WinIDEA auf externen Rechnern nicht eingesetzt werden könnten. Mit in Bezug genommenem Schreiben vom 17.05.2005 hatte der Beklagte zudem auf die zur Auswertung notwendigen Informationen z.B. über die Dateistruktur, die Datenfelder, die internen und externen Verknüpfungen hingewiesen (BpA Bl. 26).

Mit am 23.06.2005 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag (BpA Bl. 85) legte die Klägerin gegen die Aufforderungen vom 04.05. und 02.06.2005 Einspruch ein. Sie berief sich u.a. darauf, dass der gewünschte Datenzugriff mangels Buchführungspflicht der Klägerin nicht zulässig sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.07.2005 (BpA Bl. 88) widerrief der Beklagte "zur Vermeidung von Irritationen" die Aufforderung vom 05.04.2005 und wies den Einspruch gegen die Aufforderung vom 02.06.2005 als unbegründet zurück. Aufgrund der Aufzeichnungspflichten gem. § 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) könne der Beklagte die Rechte aus § 147 Abs. 6 AO gegenüber der grundsätzlich nicht buchführungspflichtigen Klägerin geltend machen. Der Beklagte beruft sich auf die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU, BMF-Schreiben vom 16.07.2001). Die Forderung zur Überlassung der Daten außerhalb der betrieblichen Räume des Steuerpflichtigen sei zu Recht erhoben, da die Prüfer mitunter abweichende Arbeitszeiten hätten und schon zur Wahrung des Steuergeheimnisses gehalten seien, das benutzte Notebook nicht unverschlossen in den betrieblichen Räumen zurückzulassen. Im Anschluss an die Überlassung des Datenträgers würden die Daten mit Hilfe der bundesweit eingesetzten Software WinIDEA überspielt. Danach werde nicht mehr auf den überlassenen Datenträger, sondern ausschließlich auf die konvertierten Daten auf dem Notebook zugegriffen. Die EDV-Buchführung der Klägerin könne ohne Zusatzaufwand zur Gewährleistung einer nur kurzen Prüfung vor Ort auf einem maschinell auswertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden, so dass die Bitte der Prüferin auch ermessensfehlerfrei sei. Der von der Klägerin angebotene Kompromiss sei keine vertretbare Alternative, da die automationsunterstützten Prüfroutinen mit WinIDEA auf externen Rechnern nicht eingesetzt werden könnten und damit der beabsichtigte Rationalisierungseffekt nicht erreicht werde.

Am 10.08.2005 hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor:

Die Regelungen in §§ 140 - 145 AO fänden für die Klägerin keine Anwendung, da die Klägerin nicht zu dem in §§ 140 - 143 AO bestimmten Kreis von Steuerpflichtigen gehöre. Wenngleich die Aufzeichnungen gem. § 22 UStG auch für die Einkommensteuer Bedeutung habe, sei aus § 22 UStG keine allgemeine Aufzeichnungspflicht gem. § 140 AO - § 145 AO herzuleiten. Die insoweit auch für die Klägerin geltenden Ordnungsvorschriften des § 146 AO habe die Klägerin erfüllt, indem sie die Eingangs- und Ausgangsrechnungen in zeitlicher Reihenfolge hinter den einzelnen Kontoauszügen der kontoführenden Banken abgeheftet und zudem die vereinnahmten Entgelte, Bemessungsgrundlagen und Vorsteuerbeträge nach Ablauf der Kalenderjahre als Word-Dokument gespeichert und als Ausdruck zu den Akten genommen habe. Die Angaben in der Excel-Datei seien aus den Kontoauszügen der Bank abgeleitet und mit diesen abstimmbar. Eine Erfassung in der EDV ohne zugrunde liegenden Papierbeleg gebe es nicht.

Gem. § 146 Abs. 5 1. Halbsatz AO stehe es den Steuerpflichtigen frei, die notwendigen Belege geordnet abzulegen oder auf Datenträger zu speichern. Die Klägerin habe von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und damit ihrer Dokumentationspflicht genügt, indem sie die mit Hilfe des Programms MS Word gespeicherten speziellen Aufzeichnungen postalisch zur Verfügung gestellt habe. Für freiwillige Aufzeichnungen sei aus § 146 Abs. 6 AO nur eine Verweisung auf § 146 Abs. 1-5 AO, nicht aber auf § 147 Abs. 6 AO zu entnehmen. Ebenso wenig könne sich der Beklagte für sein Begehren auf Datenzugriff der Klasse Z3 auf § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO stützen; denn diese Vorschrift sei kein Auffangtatbestand. Allein die Steuerrelevanz begründe keine Aufbewahrungspflicht. Diese sei vielmehr an eine konkrete Aufzeichnungspflicht geknüpft. § 146 Abs. 6 AO solle verhindern, dass der Fiskus durch freiwillige, aber falsch geführte Bücher und Aufzeichnungen getäuscht werde. Freiwillig geführte, aber nicht aufbewahrte Bücher und Aufzeichnungen könnten jedoch nicht täuschen. Fehle wie bei Überschussrechnung eine konkrete Aufzeichnungspflicht, so bestehe auch keine Aufbewahrungspflicht mit der Folge, dass die Klägerin die freiwilligen Aufzeichnungen, die mit Hilfe eines automatisierten Verfahrens erstellt wurden, jederzeit löschen dürften. Es dürfe nicht derjenige, der freiwillig aufzeichne, gegenüber denjenigen benachteiligt werden, die keinerlei Aufzeichnungen über die gesetzlich notwendigen hinaus geführt hätten.

Auch wenn der Beklagte die Aufforderung vom 02.06.2005 auf die Daten gem. § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO beschränkt habe, bestehe keinesfalls ein Anspruch auf Überlassung der digitalisierten Daten im Vorwege der Betriebsprüfung zur Mitnahme auf einem Notebook der Prüferin. Dies sei schon deshalb nicht notwendig, weil das Büro der Klägerin arbeitstäglich von 7.15 bis 18.00 Uhr besetzt sei und der Prüferin ein ca. 20 qm großer Besprechungsraum mit Tisch, Stühlen und einem Regal zur Verfügung gestellt worden sei. Anders als manuelle Aufzeichnungen und Kopien der Prüferin seien die in Rede stehenden digitalisierten Daten Eigentum der Sozietät. Auch die konvertierten neuen Daten blieben Daten des Steuerpflichtigen. Anderenfalls würden die Daten dem Schutzbereich des Bundesdatenschutzgesetzes entzogen. Demzufolge greift auch das von dem Beklagten angeführte Datenschutzargument nicht gegenüber der Klägerin. Mit der Übergabe einer CD außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen gebe es keine Kontrolle mehr darüber, wie oft die Daten eingespielt würden, wer sie einspielt und ob und wie der Beklagte dafür Sorge trägt, dass die Daten vor Angriffen von außen durch sog. Hacker geschützt würden. Auch könne aus der Verwendung des Begriffs "zur Verfügung" stellen in § 147 Abs. 6 AO nicht geschlossen werden, dass die Daten zur Mitnahme zu überlassen seien. Die Mitnahme der Daten zur Auswertung an Amtsstelle komme einer Prüfung in den Räumen des Finanzamts gleich. Hierzu sei der Beklagte nicht befugt, da angemessener Raum in dem Büro der Klägerin vorhanden sei.

Schließlich sei nach Ansicht der Klägerin die Herausgabe von Unterlagen auch nicht unter die Mitwirkungspflichten der §§ 90 ff AO zu subsumieren.

An dem von der Klägerin unterbreiteten Kompromissvorschlag, der Prüferin einen Zugriff der Klasse Z1 zu gewähren, fühle sich die Klägerin nicht mehr gebunden. In diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass das RA-Programm kein Prüfprogramm sei und der Zugriff der Klasse Z1 nur einen Lesezugriff ohne maschinelle Auswertung beinhalte.

Der von der Klägerin angebotene Kompromiss hätte, so die Klägerin, den Datenbestand der Kanzlei, geführt über das Kanzlei-Rechnungswesen-Programm beinhaltet und dementsprechend auch die Auswertungsmöglichkeiten über dieses Programm zugelassen. Theoretisch sei es möglich, auch die so genannte GDPdU-Schnittstelle zur Verfügung zu stellen, mittels derer ein Datentransport auf einen anderen Datenträger und eine Umwandlung in diejenige Maschinensprache vorgenommen werden könne, die notwendig sei, um das WinIDEA-Programm laufen zu lassen. Bei buchführungspflichtigen Mandanten würden die Daten auch in der entsprechenden Form zur Verfügung gestellt. Dieses habe der Kompromissvorschlag allerdings nicht vorgesehen, da die Klägerin gerade diesen Datentransport nicht habe ermöglichen wollen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 02.06.2005 betreffend die Aufforderung zur Vorlage der Sachkonten 2002 und 2003 in maschinell auswertbarer Form auf CD aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Der Beklagte könne den Datenzugriff gem. § 147 Abs. 6 AO auch bei nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen in Anspruch nehmen, sofern diese steuerlich relevante Aufzeichnungspflichten nach Einzelvorschriften, hier gem. § 22 UStG, treffe. Zudem erfordere auch die Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG Aufzeichnungen über die Einnahmen und die Ausgaben. Aufzeichnungen könnten steuerliche Zwecke nicht erfüllen (§ 145 Abs. 2 AO), wenn sie nicht für Außenprüfungen zur Verfügung stünden. Die Aufbewahrungspflicht sei akzessorisch zur Aufzeichnungspflicht. Eine Beschränkung auf die nach §§ 140, 141 AO Buchführungspflichtigen sei § 147 Abs. 1 und Abs. 6 AO nicht zu entnehmen.

Auch freiwillig geführte Bucher und Aufzeichnungen seien aufbewahrungs- und aufzeichnungspflichtig gem. §§ 200, 146 Abs. 6, 147 AO. Die Aufbewahrungspflicht gehöre zu den Ordnungsvorschriften, auf die § 146 Abs. 6 AO auch für freiwillige Aufzeichnungen verweise. Nur diese Auslegung führe zu dem notwendigen Gleichklang von Vorlage- und Aufbewahrungspflicht.

Die von der Klägerin mit Hilfe des Programms MS Word gespeicherten Aufzeichnungen erfüllten die Anforderungen des § 147 Abs. 6 AO nicht, da es sich nicht um auswertbare Daten in originär digitaler Form (in elektronischer Form eingehende bzw. im Datenverarbeitungssystem erzeugte Daten) handele. Die Finanzverwaltung verstehe unter dem Begriff "maschinelle Auswertung" im Sinne des § 147 Abs. 6 AO den wahlfreien Zugriff auf alle gespeicherten Daten einschließlich der Stammdaten und Verknüpfungen mit Sortier- und Filterfunktionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Das Recht des Beklagten umfasse die Überlassung der Daten zur Mitnahme in die Räume des Beklagten. § 200 AO stehe dem nicht entgegen. Es würden nicht die Daten der Klägerin mitgenommen, sondern die mit Hilfe der Software WinIDEA konvertierten neuen Daten, die vergleichbar seien mit handschriftlichen Aufzeichnungen oder Kopien des Prüfers. Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden insoweit nicht. Hierzu verweist der Beklagte auf das Urteil des FG Thüringen vom 20.04.2005, III 46/05 V und auf das Zinsbesteuerungsurteil des BVerfG (BVerfGE 84, 239, 280), das § 30 AO als ausreichenden Schutz erachtet habe.

Im Übrigen weist der Beklagte darauf hin, dass die Prüfer nicht berechtigt seien, das Programm WinIDEA auf externen Rechnern - nach hierzu erforderlicher Installation der Prüfungssoftware - einzusetzen.

Schließlich habe der Beklagte sein Ermessen auch fehlerfrei ausgeübt. Im Rahmen dieses Ermessens könne er eine oder auch alle in § 147 Abs. 6 AO genannten, als sachlich gleichwertig eingeräumten Möglichkeiten des Datenzugriffs ausüben. Aus dem Ausweis als "Bedarfprüfung" ergebe sich insoweit keine Einschränkung, da es sich nicht um eine Form der sog. abgekürzten Außenprüfung handele, sondern dieser Begriff nur im Zusammenhang mit einer amtsinternen Auswahl stehe.

Dem Senat haben je ein Band Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten, Umsatzsteuerakten, Bilanzakten und Betriebsprüfungsarbeitsakten vorgelegen.

Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 19.05.2006 und der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2006 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtene Aufforderung war wegen Ermessensüberschreitung aufzuheben.

1.

Die Aufforderung des Beklagten, den Datenzugriff zu dulden und durch Übergabe des Datenträgers hieran mitzuwirken, ist ein Verwaltungsakt, der durch Einspruch angefochten werden kann (Drüen in: Tipke/Kruse AO § 147 Lfg. März 2004 Tz. 82; Brockmeyer in: Klein AO 9. Aufl. § 147 Rn. 16; Sauer in: Beermann AO § 147 Lfg. Aug. 2004 Rn. 49; vgl. a. BFH, Beschluss vom 11.09.1996, VII B 176/94, NV 1997, 166; BFH, Urteil vom 15.19.1992, VII R 66/91, NV 1993, 76; krit. Rüsken in: Klein AO 9. Aufl. § 200 Rn. 6: jedenfalls Rechtsschutzbedürfnis zu prüfen; gegen Verwaltungsaktqualität von Prüfungsanfragen, nach dem Leitsatz auch von Vorlageersuchen, sofern diese der Ermittlung steuermindernder Tatsachen dienen und damit nicht erzwingbar sind, BFH, Urteil vom 10.11.1998, VIII R 3/98, BStBl II 1999, 199).

2.

Der Beklagte kann die Übergabe eines auswertbaren Datenbestands auf Datenträger - auch mit dem Ziel der Nutzung durch die Betriebsprüfung an Amtsstelle - nur insoweit verlangen wie die Aufzeichnungspflicht der Klägerin reicht.

Im Streitfall geht die Aufforderung darüber hinaus und war wegen Ermessensüberschreitung aufzuheben.

a) Der Beklagte kann die Befugnisse des § 147 Abs. 6 AO grundsätzlich auch gegenüber der Klägerin in Anspruch nehmen.

Die Klägerin trifft eine Aufzeichnungspflicht und in diesem Rahmen eine Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht.

aa) Die Klägerin ist nicht nach handelsrechtlichen Vorschriften buchführungspflichtig gem. § 140 AO. Jedoch ist sie ungeachtet der von ihr zulässigerweise gem. § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung zur Führung von Aufzeichnungen verpflichtet. Dies ebenso wie der Umfang der Aufzeichnungspflicht ergibt sich hier schon aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63ff UStDV. § 63 Abs. 1 UStDV entspricht der Regelung in § 145 Abs. 1, 2 AO. § 145 AO enthält im Übrigen nur selbstverständliche Ordnungsvorschriften, ohne die die Normierung einer Aufzeichnungspflicht keinen Sinn ergäbe. Da Aufzeichnungspflichten im Wesentlichen im Interesse einer späteren Überprüfungsmöglichkeit normiert werden, folgt aus der Aufzeichnungspflicht gleichzeitig auch die Pflicht, die entsprechenden Aufzeichnungen aufzubewahren (BFH, Urteil vom 26.02.2004, XI R 25/02, BStBl II 2004, 599, 600 zur Akzessorietät zwischen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht). Denn eine sinnvolle spätere Überprüfung ist regelmäßig nur anhand aufbewahrter Unterlagen möglich. Während der gegenständliche Umfang der Aufzeichnungspflicht im UStG geregelt ist, ergeben sich die weiteren Einzelheiten der an diese Aufzeichnungen zu stellenden Anforderungen aus der Abgabenordnung. Dass § 146 AO nicht nur auf die handelsrechtlich Buchführungspflichtigen, sondern auch auf die nach steuerrechtlichen Regelungen Aufzeichnungspflichtigen anzuwenden ist, ergibt sich schon aus dem ausdrücklichen Hinweis in § 146 Abs. 5 S. 1 2. Halbsatz AO. Hieraus wie aus dem vorerwähnten notwendigen Zusammenhang zwischen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht folgt zudem die Anwendbarkeit auch des § 147 AO auf Aufzeichnungspflichten gem. § 22 UStG (s.a. ausdrücklich BTDrs. 7/4292S. 31 S. 31 zur Anwendung des § 147 AO auf Freiberufler; vgl. a. BFH, Urteil vom 26.02.2004, XI R 25/02, BStBl II 2004, 599; FG Hamburg, Urteil vom 22.03.1991, VII 164/90, EFG 1991, 636; Drüen in: Tipke/Kruse AO § 147 Lfg. Okt. 2003 Tz. 74; Brockmeyer in: Klein AO 9.Aufl. § 147 Rn.1; a.A.: Schaumburg DStR 2002, 829, 835).

bb) Zwar ist die Klägerin nicht verpflichtet, die aufzeichnungspflichtigen Gegenstände digital zu erfassen. Soweit eine solche Erfassung allerdings vorhanden ist, unterliegt sie den Zugriffsrechten des Beklagten gem. § 147 Abs. 6 AO. Dies gilt auch, wenn und soweit parallel anderweitige, nicht digitale Aufzeichnungen geführt werden.

Die auf § 147 Abs. 1 AO Bezug nehmende Regelung in § 147 Abs. 6 AO knüpft nicht an eine Verpflichtung an, aufzeichnungspflichtige Vorgänge mittels eines Datenverarbeitungssystems aufzuzeichnen. Eine solche Form der Aufzeichnungspflicht kennt das Gesetz weder für buchführungspflichtige Steuerpflichtige noch für solche, die ihren Gewinn gem. § 4 Abs. 3 EStG ermitteln und allein den steuergesetzlichen Aufzeichnungspflichten unterliegen. Vielmehr räumt § 146 Abs. 5 i.V.m. § 147 Abs. 2 AO dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht hinsichtlich der Aufzeichnung, Aufbewahrung und Vorlage von Datenträgern ein. Verbindlich geregelt ist zunächst in außersteuerlichen Normen bzw. in Einzelsteuergesetzen allein der Inhalt der Aufzeichnungen, nicht die Art der Aufzeichnungen. Entscheidet sich der Steuerpflichtige aber für die Aufzeichnung und Aufbewahrung auf einem Datenträger, hat er gem. §§ 146 Abs. 5 S. 2, 147 Abs. 2 AO sicherzustellen, dass innerhalb der Aufbewahrungsfrist die jederzeitige Lesbarkeit und (seit 01.01.2002) maschinelle Auswertbarkeit sichergestellt ist. Seit der Neufassung des § 147 Abs. 2 AO zum 01.01.2002 genügt das Bereithalten eines bloßen Ausdrucks nicht mehr. Dies ist ebenso wie die mit der jederzeitigen Lesbarkeit einhergehende Aufbewahrungspflicht der Aufzeichnungen selbstverständlich, sofern der Steuerpflichtige die aufzeichnungspflichtigen Angaben ausschließlich auf Datenträgern aufzeichnet. Allerdings ist die Formulierung der an § 147 Abs. 2 AO anknüpfenden Verpflichtungen in § 147 Abs. 5 und 6 AO nicht auf ausschließlich in digitaler Form erstellte und aufbewahrte Unterlagen beschränkt. Während § 147 Abs. 5 AO die Verpflichtung, Hilfsmittel für die Lesbarkeit zur Verfügung zu stellen, nur für den Fall begründet, dass der Steuerpflichtige von sich aus aufzubewahrende Unterlagen auf Datenträgern vorlegt, räumt § 147 Abs. 6 AO seinem Wortlaut nach der Finanzbehörde ein eigenes Einsichts-, Nutzungs- und Auswertungsrecht der mittels eines Datenverarbeitungssystems gespeicherten aufzeichnungspflichtigen Daten ein, jeweils ohne danach zu differenzieren, ob der Steuerpflichtige zusätzlich noch Aufzeichnungen in herkömmlicher nicht digitaler Form führt und aufbewahrt. Aus der Gesetzesbegründung zu der Einführung des § 147 Abs. 6 AO und der gleichzeitig erfolgten Änderung des § 147 Abs. 5 AO (BTDrs. 14/2683 S. 130) zeigt sich, dass eine solche Beschränkung auch nicht gewollt war. Bis zur Einfügung des § 147 Abs. 6 AO durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 (BGBl. I S. 1433) zum 01.01.2002 galt die Hilfspflicht gem. § 147 Abs. 5 AO ausdrücklich allein für denjenigen, der aufzubewahrende Unterlagen "nur" in Form einer Wiedergabe auf Datenträgern "vorlegen kann". Seit dem 01.01.2002 besteht diese Hilfspflicht für jeden, der aufzubewahrende Aufzeichnungen in Form von Datenträgern "vorlegt". Nach der Gesetzesbegründung war die Streichung des Wortes "nur" sachlich erforderlich, zum einen im Hinblick darauf, dass gem. § 147 Abs. 2 AO nunmehr die Datenträger selbst - und nicht nur die Ausdrucke - aufzubewahren sind, zum anderen im Hinblick auf das Zugriffsrecht auf die in einem DV-System erzeugten Daten gem. § 147 Abs. 6 AO. Hieraus kann nach Ansicht des Senats auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, das Zugriffsrecht gem. § 147 Abs. 6 AO immer schon dann zu begründen, wenn Datenverarbeitungsunterlagen vorhanden sind, gleichgültig ob die erfassten Daten zusätzlich noch in anderer Form geführt und aufbewahrt werden. Damit ist die Akzessorietät zu einer Aufzeichnungspflicht keineswegs aufgegeben; allerdings bezieht sich diese Akzessorietät nicht auch auf eine Pflicht zu einer bestimmten Form der Aufzeichnung, sondern allein auf den Inhalt der aufzuzeichnenden Angaben (Aufzeichnungsgegenstand). In Verbindung mit der Gesetzesbegründung zu der Neufassung des § 147 Abs. 5 AO kann allein dies gemeint sein, wenn in der Begründung zu § 147 Abs. 6 AO (BTDrs. 14/2683 S. 130) klarstellend erwähnt wird, dass der "sachliche Umfang der Außenprüfung ... nicht erweitert" wird und "Gegenstand der Außenprüfung ... weiterhin nur die nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen" sind.

Nach Ansicht des Senats sind die der Betriebsprüfung damit eingeräumten Möglichkeiten keineswegs unangemessen ausgeweitet worden. Vielmehr hat der Gesetzgeber eine "Waffengleichheit" hergestellt, indem er Erfassungs- und Auswertungserleichterungen, die der Steuerpflichtige für sich nutzt, auch der Betriebsprüfung zugesteht. Zudem erscheint es dem Senat als berechtigtes Anliegen zu verhindern, dass dem Steuerpflichtigen in Bezug auf aufzeichnungspflichtige Vorgänge eine "Schattenbuchhaltung" ermöglicht wird, in die der Betriebsprüfung eine Einsicht verwehrt ist.

Damit ist allerdings keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Steuerpflichtige, der die digitale Aufzeichnung parallel zu einer anderen Form der Aufzeichnung für sich nutzt, verpflichtet ist, die digitale Erfassung innerhalb der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen zu erhalten oder ob er berechtigt ist, sie noch "rechtzeitig" vor Beginn einer Betriebsprüfung zu vernichten.

b) Der Beklagte hat seine Entschließung, überhaupt einen Datenzugriff im Sinne des § 147 Abs. 6 AO durchführen zu wollen, ermessensfehlerfrei ausgeübt. Dies gilt auch für die Entscheidung, die Rechte gemäß der 3. Alternative des § 147 Abs. 6 AO in der Form der Übergabe der Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger auch zur Mitnahme an Amtsstelle in Anspruch nehmen zu wollen.

aa) Die in § 147 Abs. 6 AO vorgesehenen Möglichkeiten (Einsicht und Nutzung des Systems - einschließlich dessen Auswertungsmöglichkeiten - S. 1, Auswertung durch den Steuerpflichtigen nach Vorgabe des Prüfers - S. 2 1. Alt., Zurverfügungstellen der auswertbaren Daten auf Datenträger - S. 2 3. Alt.) stehen dem Prüfer alternativ, nach der Gesetzesbegründung BTDrs. 14/2683 S. 130 auch kumulativ zur Verfügung. Die Entscheidung hinsichtlich des "Ob" der Wahrnehmung der Rechte aus § 147 AO sowie die Auswahlentscheidung hat der Prüfer nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen (Drüen a.a.O. § 147 Lfg. Okt. 2003 Rn. 76; Burchert INF 2001, 230, 235; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2005, 4 K 2167/04, EFG 2005, 667; FG Thüringen, Beschluss vom 20.04.2005, III 46/05 V, EFG 2005, 1406). Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber nur einen stufenweisen Einsatz der Alternativen ermöglichen bzw. eine bestimmte Rangfolge anordnen wollte, besteht nicht (s.a. Drüen a.a.O. § 147 Tz. 76).

Der Hinweis des Beklagten auf die gewünschten Rationalisierungseffekte der automationsunterstützten Prüfroutinen genügt nach Würdigung des Senats im Streitfall den Anforderungen an die sachgerechte Ausübung des Ermessens, auf die Datenverarbeitung der Klägerin zugreifen und damit die Rechte des § 147 Abs. 6 AO in einer Weise in Anspruch nehmen zu wollen, die den Einsatz der prüfereigenen Software ermöglicht. Im Rahmen einer Betriebsprüfung jedenfalls bei einer Sozietät der vorliegenden Größenordnung eines Umsatzes in den Streitjahren von mehr als 400.000 EUR kann es auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht als ermessensfehlerhaft betrachtet werden, die Erleichterungen der Datenverarbeitung nutzen zu wollen. Im Interesse einer effizienten und qualifizierten Prüfung ist es angemessen und erforderlich, dass der Prüfer hierbei nicht auf die Nutzung der Auswertungsmöglichkeiten beschränkt bleibt, die das System der Steuerpflichtigen bietet, sondern dass er die Möglichkeit des Einsatzes der Prüftechniken, hier des Programmes WinIDEA (zu den Möglichkeiten des Prüfprogramms IDEA s. Burchert INF 2002, 677; vgl. a. ders. INF 2001, 230), hat, die ihm aus der täglichen Arbeit vertraut sind und sich bewährt haben.

Es erscheint dem Senat einleuchtend und wird auch von der Klägerin nicht bestritten, dass ein Einsatz der prüfereigenen Software auf einem externen Rechner des Steuerpflichtigen sei es aus lizenzrechtlichen Gründen, sei es im Interesse der Sicherheit für die Dateien des Steuerpflichtigen nicht in Betracht kommt (s.a. Brockmeyer in: Klein AO 8. Aufl. § 147 Rn 12; Rüsken in: Klein AO § 200 Rn. 5). Mithin scheidet für die geschilderten Bedarfe der Prüfung der Einsatz der in § 147 Abs. 6 AO in der ersten und zweiten Alternative eröffneten Möglichkeiten am Rechner des Steuerpflichtigen selbst aus und kommt allein die 3. Alternative in Betracht. Die hier vorgesehene Zurverfügungstellung der gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger setzt im Unterschied zu der zweiten Alternative der Nutzung des Datenverarbeitungssystems des Steuerpflichtigen den von der Klägerin bislang auch im Rahmen des seinerzeit angebotenen Kompromisses verwehrten Datentransport auf eine CD voraus und impliziert den Transport in einer Weise, der die spezifischen Auswertungsmöglichkeiten mit dem von der Klägerin verwendeten Kanzlei-Rechnungswesen-Programm und darüber hinaus die Konvertierbarkeit in eine zum Einsatz von WinIDEA erforderliche Syntax zulässt. Gleichzeitig beinhaltet diese Alternative die Möglichkeit des Überspielens der Daten von der CD auf ein prüfereigenes Notebook bzw. einen prüfereigenen PC; denn allein dies kann Sinn eines Datentransfers auf eine CD sein.

Der Beklagte ist bei der Wahrnehmung dieser Möglichkeiten wie im Rahmen jeder Prüfung zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet. § 30 AO erhält mit der vom Gesetzgeber eröffneten neuen Prüfmöglichkeit eine besondere Bedeutung. Mit der Erweiterung der Möglichkeiten der Betriebsprüfung geht die Obliegenheit des Steuerpflichtigen einher, seinerseits Vorsorge zu treffen, dass die von ihm benutzten Datenverarbeitungssysteme technisch mit einer Software ausgestattet werden, die eine Beschränkung des Zugriffs der Finanzverwaltung auf die steuerlich relevanten Verhältnisse ermöglicht (s. ausdrücklich die Gesetzesbegründung zu dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 147 Abs. 6 in Art. 97 § 19b Einführungsgesetz zur Abgabenordnung BTDRs 14/3366 S. 125).

bb) Grundsätzlich ist auch die Aufforderung zur Mitnahme und Nutzung des Datenträgers außerhalb der Geschäftsräume des Klägers an Amtsstelle ermessensfehlerfrei.

Die Aufforderung des Beklagten vom 02.06.2005 lässt nicht eindeutig erkennen, dass die Vorlage auch zur Benutzung an Amtsstelle gemeint ist. Jedoch ergibt sich dies im Wege einer Auslegung aus der seinerzeitigen Aufforderung vom 05.04.2005, die ausdrücklich um Übersendung der CD bittet, in Verbindung mit dem Schreiben vom 17.05.2005 sowie dem Vortrag unter Ziff. 2.2. der Einspruchsentscheidung. Der Senat legt die Aufforderung als eine solche zu umfassender Vorlage aus, die je nach Entscheidung des Prüfers zur Nutzung an Amtsstelle oder in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen berechtigen soll.

Die Frage, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, dem Betriebsprüfer das Recht zur Mitnahme des Datenträgers in das Amt zu gewähren, ist in § 147 Abs. 6 AO nicht ausdrücklich geregelt. Nach Ansicht des Senats deutet die gewählte Formulierung "zur Verfügung stellen" auf ein umfassendes Bestimmungsrecht hin. Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung (BTDrs. 14/2683 S. 130), die für die ersten beiden Alternativen des § 147 Abs. 3 AO auf die Nutzung der Datenverarbeitung des Steuerpflichtigen "vor Ort" hinweist, demgegenüber die 3. Alternative mit dem "Überlassen" des Datenträgers kennzeichnet (gegen das Recht zur Mitnahme Drüen a.a.O. Tz. 80a, der das Zur-Verfügung-Stellen enger als den Begriff des Überlassens wertet und sich gegen diesen "absichtsvoll" vom BMF im Schreiben vom 16.07.2001 IV D 2 - S 3016 - 136 - 01 DStR 2001, 1299 verwendeten Begriff ausspricht).

Jedenfalls ist nach Auffassung des Senats auch die Entscheidung über den Ort der Verwendung der CD Gegenstand der im Rahmen des § 147 Abs. 6 AO zu treffenden Ermessensentscheidung. Dabei ist auch die allgemeine Vorschrift in § 200 Abs. 2 AO zu beachten, aufgrund derer eine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen nur besteht, wenn kein geeigneter Geschäftsraum vorhanden ist (BFH, Urteil vom 11.03.1992, X R 116/90, NV 1992, 757; für Anwendung des § 200 Abs. 2 Schaumburg DStR 2002, 829, 834; s.a. Brockmeyer a.a.O. § 147 Rn. 14: in erster Linie in den Geschäftsräumen; vgl. a. Rüsken a.a.O. § 200 Rn. 5).

Bei der im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu treffenden Abwägung steht auf der einen Seite das Interesse des Steuerpflichtigen an einem Schutz vor Datenverlust und Zugriff auf die Daten durch unbefugte Personen, die sich ggf. über das System des Betriebsprüfers Zugang zu den Daten verschaffen können. Dass die Daten auch nach erfolgter Konvertierung dem Datenschutz unterliegen, ist nach Ansicht des Senats zweifelsfrei, da die schützenswerten Inhalte der Dateien erhalten bleiben. Gleichermaßen steht für den Senat fest, dass ein ernst zu nehmendes Risiko unberechtigten Datenzugriffs stets trotz der Schutzvorschrift des § 30 AO vorhanden ist, zumal das Schreiben des BMF vom 13.07.2001 abgesehen von dem Hinweis auf die Rückgabe oder Löschung des Datenträgers nach Bestandskraft der nach der Außenprüfung ergangenen Bescheide keine Anweisungen zu konkreten Sicherheitsvorkehrungen enthält (s.a. Drüen a.a.O. § 147 Tz. 80a). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass selbst bei der nach Auskunft des Prüfers im Streitfall gewährleisteten Einrichtung eines Zugangsschutzes durch Passwort ein unberechtigter Zugriff auf die auf dem Notebook vorhandenen Daten nie vollständig auszuschließen ist. Diese Gefahr betrifft die Daten der Klägerin im Falle der Mitnahme des Datenträgers bzw. des Notebooks mit den aufgespielten Daten ebenso wie etwaige auf dem Notebook befindliche Daten anderer Steuerpflichtiger für den Fall, dass der Prüfer das Notebook für die Dauer der Prüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen zu belassen hat. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 147 Abs. 6 AO ungeachtet der allgemein bekannten Risiken der Datenverarbeitung und des Datentransfers die Möglichkeit des Verlangens auf Herausgabe eines Datenträgers vorgesehen hat. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Grundsatzentscheidung aus etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken in Frage zu stellen.

Nach Ansicht des Senats fällt bei der Abwägung entscheidend ins Gewicht, dass der Prüfer die abschließende tatsächliche und steuerliche Würdigung im Zweifel nicht unmittelbar nach der Sichtung der Aufzeichnungen vornehmen wird, zumal im Fall paralleler Prüfungen bei mehreren Steuerpflichtigen, sondern die Arbeitsorganisation die Verfassung des Abschlussberichtes häufig erst nach Ablauf längerer Zeit zulässt. Dass diese Arbeit in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen vorzunehmen ist, verlangt § 200 Abs. 2 AO nicht. Es bedeutete eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Arbeit der Prüfung, wollte man verlangen, dass bis zum Abschluss der Prüfung das Notebook mit den für den Abschlussbericht benötigten Auswertungen in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen belassen wird. Damit wäre der Prüfer gezwungen, bei ggf. sukzessiver Erstellung seines Berichtes für etwaige zwischendurch noch für erforderlich gehaltene Abfragen oder zur Prüfung unvorhergesehen sich ergebender Fragestellungen in die Geschäftsräume des Steuerpflichtigen zurückzukehren. Zudem wäre das Notebook bis zur Erstellung des Abschlussberichts für die Nutzung in anderen Prüfungen blockiert.

cc) Die Frage, ob die Aushändigung des Datenträgers schon vor angeordnetem Beginn der Betriebsprüfung zu geschehen hat und ob ggf. die Übergabe des Datenträgers im Zweifel als Beginn der Betriebsprüfung anzusehen ist (vgl. Drüen a.a.O. § 147 Tz. 83) ist im Streitfall schon deshalb nicht mehr entscheidungserheblich, weil der Beklagte die vor dem festgelegten Prüfungsbeginn an die Klägerin gerichtete Aufforderung vom 05.04.2005 aufgehoben hat und mithin nur noch die nach dem festgelegten Prüfungsbeginn erfolgte Aufforderung vom 02.06.2005 im Streit steht.

c) Die Aufforderung des Beklagten ist aber insoweit ermessensfehlerhaft, als sie Daten erfasst, die über die Aufzeichnungspflichten der Klägerin hinausgehen.

Die Rechte gem. § 147 Abs. 6 AO stehen dem Beklagten im Streitfall nur im Rahmen des Umfangs der Aufzeichnungspflichten gem. § 22 UStG i.V.m. §§ 63ff UStDV zu. Dies ist Folge der Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht zur Aufzeichnungspflicht, die nach Ansicht des Senats auch für die Pflichten gem. § 147 Abs. 6 AO gilt.

aa) Dabei kann der Umfang der Mitwirkungs- bzw. Vorlagepflicht nach den allgemeinen Vorschriften gem. §§ 90, 97, 200 AO unentschieden bleiben (nur im Rahmen einer Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht: Tipke in: Tipke/Kruse AO § 200 Lfg. Juli 2003 Tz. 10 und § 97 Lfg. Okt. 2004 Tz.5; a.A. für Vorlagepflicht aller tatsächlich vorhandenen steuerlich relevanten, auch freiwillig geführten Aufzeichnungen Rüsken in: Klein a.a.O. § 200 Rn. 5; FG Hamburg, Urteil vom 13.02.2001, VI 279/99, juris unter Hinweis auf BFH, Urteil vom 13.02.1968, GrS 5/67, BStBl II 1968, 365 zu § 195 AO a.F. und BFH, Beschluss vom 17.03.1982, II B 58/81, BStBl II 1982, 510 zur Vorlagepflicht von Urkunden durch einen nicht am Verfahren Beteiligten; FG Münster, Urteil vom 22.08.2000, 6 K 2712/00 AO, 6 K 3116/00 AO, EFG 2001, 4; vgl. a. BFH, Urteil vom 17.10.2001, I R 103/00, BStBl II 2004, 171; BFH, Beschluss vom 10.05.2001, I S 3/01, NV 2001, 957). Jedenfalls für die Pflichten gem. § 147 Abs. 6 AO ist nach Ansicht des Senats an den Umfang der Aufzeichnungspflicht und der hieran gebundenen Aufbewahrungspflicht anzuknüpfen. Dabei folgt nicht nur aus einer Aufzeichnungs- eine Aufbewahrungspflicht; vielmehr setzt auch die Aufbewahrungspflicht umgekehrt eine Aufzeichnungspflicht voraus (BFH, Urteil vom 26.02.2004 a.a.O. S: 600; Drüen a.a.O. § 147 Tz. 1 und Tz. 23 ausdr. zu § 147 Abs. 1 Nr.5 AO; s.a. ders. in StuW 2003, 365, 371; Trzaskalik in: Hübschmann/Hepp/Spitaler AO § 147 Lfg. März 2003 Rn. 6ff generell für Unanwendbarkeit des § 147 Abs. 1 für Überschussrechner; ders. vor §§ 140ff Rn. 34: Aufbewahrungspflicht für freiwillige Aufzeichnungen nur, wenn diese dieselben Rechtswirkungen entfalten wie Pflichtaufzeichnungen, z.B. bei freiwilliger Erstellung eines Abschlusses gem. §§ 4,5 EStG; a.A. Burchert INF 2002, 677, 680; Schmitz StBp 2002, 189, 195; Dumke in: Schwarz AO § 147 Lfg. 9/2005 Rn. 2; Brockmeyer a.a.O. § 147 Rn.1 und - ausdr. zu § 147 Abs. 6 AO Rn. 11; zu § 147 Abs. 6 AO auch Hantzsch Hefte zur Internationalen Besteuerung Nr. 138 S. 9; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.2006, 1 K 1743/05, StE 2006, 632 Tz. 57 juris jedenfalls im Sinne einer Vorlagepflicht aller tatsächlich vorhandenen Aufzeichnungen, sofern sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, aber unter strenger Prüfung der Verhältnismäßigkeit/Erforderlichkeit im Einzelfall). Dies bedeutet für die in § 147 Abs. 1 Nr. 2-5 AO genannten Unterlagen, dass sie insoweit aufzubewahren sind, als sie Aussagen über aufzeichnungspflichtige Vorgänge beinhalten bzw. Auskunft über die Erfüllung der Dokumentationspflicht geben können (vgl. Drüen a.a.O. Tz. 23; Trzaskalik a.a.O. § 147 Rn.8).

Hierfür spricht gerade der Standort des § 147 Abs. 6 AO im Rahmen der eigenständigen Regelung für die Aufbewahrungspflicht und nicht nur im Rahmen von § 200 AO. Die Erstreckung der Ordnungsvorschriften auf freiwillige Aufzeichnungen in § 146 Abs. 5 AO bezieht sich nach der Systematik des Gesetzes auf die in den voranstehenden Absätzen geregelten Ordnungsvorschriften für die Aufzeichnungen; demgegenüber enthält § 147 AO eigenständige Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung, ohne diese entsprechend § 146 Abs. 6 AO für freiwillige Aufzeichnungen für anwendbar zu erklären. § 200 Abs. 1 AO gibt dem Beklagten nach Ansicht des Senats in Bezug auf digitale Unterlagen keine weitergehenden Befugnisse, da diese Vorschrift in S. 2 allein auf die Befugnisse im Sinne von § 147 Abs. 6 AO Bezug nimmt. Schließlich weist auch die Begründung zu § 147 Abs. 6 AO (BTDrs. 14/2683 S. 130) klarstellend darauf hin, dass der "sachliche Umfang der Außenprüfung ... nicht erweitert" wird und "Gegenstand der Außenprüfung ... weiterhin nur die nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen" sind.

bb) Der Umfang der Aufzeichnungspflicht der Kläger ergibt sich aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63ff UStDV.

Da die Klägerin die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet, sind schon auf der Grundlage von § 22 Abs. 2 Nr. 1 S. 5 UStG die tatsächlich erfolgten Einnahmen aufzuzeichnen, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedarf, ob die Aufzeichnungspflicht insoweit auch aus § 4 Abs. 3 EStG zur Ermöglichung einer Gewinnermittlung folgt (vgl. dazu BFH, Urteil vom 10.03.1983, IV R 236/81, n.v. juris).

Eine weitergehende Aufzeichnungspflicht z.B. hinsichtlich der Betriebsausgaben über die Pflichten nach dem Umsatzsteuergesetz hinaus besteht nach Ansicht des Senates nicht.

Soweit sich in den Sachkonten der Klägerin z.B. Eingangsumsätze befinden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, besteht eine Aufzeichnungspflicht nach dem Umsatzsteuergesetz nicht (§ 22 Abs. 3 S. 1 UStG). Ein Bedarf für die Ausdehnung der Aufzeichnungspflicht über § 22 UStG hinaus generell auf Betriebsausgaben unter Rückgriff auf § 4 Abs. 3 EStG besteht nicht (gegen Aufzeichnungspflicht für Betriebsausgaben für Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG auch BFH, Urteile vom 15.04.1999, IV R 68/98, BStBl II 1999, 481, 482; Urteil vom 18.05.1988, X B 185/87, NV 1988, 731 Tz.12 juris; Urteil vom 02.03.1982, VIII R 225/80, BStBl II 1984, 504, 507; Urteil vom 11.08.1992, VII R 90/91, NV 1993, 346: auch gegen eine Aufzeichnungspflicht für Einnahmen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 22 UStG; s.a. Drüen a.a.O. § 147 Tz. 23, 74). Da die Steuerpflichtigen die Feststellungslast hinsichtlich geltend gemachter Betriebsausgaben tragen, stellen Aufzeichnungen insoweit eine Obliegenheit dar, deren Verletzung zur fehlenden Anerkennung der Betriebsausgaben führt, wenn diese nicht anderweitig nachgewiesen werden können.

Eine weitergehende Beschränkung des Zugriffsrecht ergibt sich nicht aus der intern angeordneten Bedarfsprüfung; denn die Prüfungsanordnung ist uneingeschränkt erfolgt.

cc) Die Aufforderung des Beklagten geht mit der allgemeinen und uneingeschränkten Aufforderung zur Vorlage der Sachkonten - was in Übereinstimmung mit dem Verständnis der Klägerin als Aufforderung zur Vorlage von Aufzeichnungen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO zu verstehen ist - über die Aufzeichnungspflicht des § 22 UStG hinaus. Damit hat der Beklagte sein Ermessen überschritten. Das Gericht ist gem. § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Überprüfung der Ermessensentscheidung beschränkt. Es darf grundsätzlich nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörde setzen, sofern nicht das Ermessen auf Null reduziert ist und nur eine Entscheidung in Betracht kommt. Eine Ermessensreduzierung liegt im Streitfall nicht vor, da der Beklagte seine Aufforderung gem. § 147 Abs. 6 AO im Rahmen der Aufzeichnungspflichten der Klägerin gestalten kann. Demzufolge war die Aufforderung insgesamt aufzuheben.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

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