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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 09.07.2007
Aktenzeichen: 2 K 243/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 1 S. 1
EStG § 2 Abs. 1 S. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

2 K 243/06

Tatbestand:

Es geht in diesem Verfahren um die Frage, ob der Kläger auch solche Erhaltungsaufwendungen im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann, die die Mutter des Klägers bezahlt hat.

Der Kläger hat Ende 1995 von seinen Eltern eine Wohnung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertragen bekommen, welche diese 1978 Jahre gekauft hatten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den eingereichten Grundstücksübertragungsvertrag vom 30.12.1995 verwiesen (Einkommensteuerakte Bl. 84).

Die Wohnung ist ca. 30 qm groß und befindet sich in A, X-Weg 1. Die Mutter des Klägers, welche ca. 50 km entfernt in B wohnt, kümmert sich um die Verwaltung der Wohnung. In diesem Zusammenhang beauftragt sie auch Handwerker. Im Streitjahr 2002 verstarb die langjährige Mieterin des Klägers. Es war erheblicher Renovierungsbedarf entstanden, so dass vor einer Neuvermietung einige Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden mussten. Die Mutter des Klägers beauftragte, nach Rücksprache mit dem Kläger, die Handwerker die entsprechenden Aufgaben durchzuführen und bezahlte anschließend die Rechnungen.

In seiner Einkommensteuererklärung 2002 erklärte der Kläger Mieteinnahmen aus der Wohnung in A, Y-Straße 2 in Höhe von 4.132 EUR und Werbungskosten in Höhe von 6.917 EUR, so dass sich ein negativer Überschuss in Höhe von 2.785 EUR ergab. In den geltend gemachten Werbungskosten war ein Betrag in Höhe von 4.358,67 EUR für Erhaltungsaufwendungen enthalten. Hierbei handelte es sich um 3 Handwerkerrechnungen über 3.238,80 EUR, 108,81 EUR und 1.011,06 EUR, welche an den Vater des Klägers adressiert waren.

Durch den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.08.2004 setzte der Beklagte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.577 EUR an. In der Anlage zum Bescheide erläuterte der Beklagte, dass die Rechnungen, die an den Vater adressiert seien, nicht als Werbungskosten anerkannt werden könnten.

Hiergegen legte der Kläger am 16.09.2004 Einspruch ein. Zur Begründung führte er an, korrigierte Rechnungen vorlegen zu wollen. Durch Schreiben vom 30.09.2004 kam er seiner Ankündigung nach und legte mehrere korrigierte Rechnungen vor. Außerdem erklärte er, dass die Wohnung im X-Weg 1 liege und die in der Einkommensteuererklärung enthaltene Adresse: Y-Straße 2 versehentlich eingetragen worden sei, da es sich hierbei um die Anschrift des Bauherren gehandelt habe. Durch Schreiben vom 14.01.2005 teilte der Kläger mit, dass seine Mutter die geltend gemachten Werbungskosten von ihrem Konto gezahlt und im Einverständnis mit dem Kläger dessen Schulden beglichen habe. Es liege eine Abkürzung des Zahlungsweges vor.

Durch Einspruchsentscheidung vom 22.09.2006 wies der Beklagte unter Hinweis auf das Schreiben vom 28.08.2006 den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 23.10.2006 eingegangene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor, die Mutter des Klägers habe für den Kläger die Rechnungen beglichen. Die Mutter habe ihm das Geld schenken wollen. Nach der Entscheidung des BFH vom 15.11.2005 (IX R 25/03, BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623, DStR 2006, 26) seien auch die Aufwendungen, welche Dritte getragen haben, als Werbungskosten abzugsfähig, denn es bewirke wirtschaftlich keinen Unterschied, ob die Mutter dem Kläger erst das Geld geschenkt hätte oder gleich die Schulden des Sohnes getilgt habe. Die im Nichtanwendungserlass vertretene Begründung könne nicht überzeugen, denn wirtschaftlich betrachtet liege eine Leistung des Klägers an die Handwerker vor.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.08.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.2006 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.358,67 EUR berücksichtigt werden und die Einkommensteuer 2002 auf 12.022 EUR herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt zur Begründung vor, entscheidend sei, wer den Handwerkern den Auftrag erteilt habe. Der Beklagte sei durch den Nichtanwendungserlass des BMF vom 09.08.2006 (Az: IV C 3 S 2211 - 21/06) gehindert, das Urteil des BFH vom 15.11.2005 anzuwenden.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht hat die Einkommensteuerakte (...) vorgelegen. Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 13.03.2007 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet mit Zustimmung der Beteiligten ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ( § 90 Abs. 2 FGO).

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2002 vom 16.08.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.2006 war aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Der Beklagte hat zu Unrecht die geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 4.358,67 EUR nicht als Werbungskosten anerkannt und damit § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG verletzt.

Danach sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzuziehen sind, bei der sie erwachsen sind. Im Streitfall stehen die Erhaltungsaufwendungen, um die es hier geht, mit der vom Kläger verwirklichten Einkunftsart Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang. Allerdings hat nicht der Kläger, sondern ein Dritter, nämlich die Mutter des Klägers die Kosten getragen, indem sie im Interesse des Klägers mit den Handwerkern Verträge abschloss und die auf sie lautenden Rechnungen bezahlte. Das hindert die Abziehbarkeit dieser Aufwendungen als Werbungskosten in der Person des Klägers aber nicht.

Da Einkünfte subjektbezogen ermittelt werden müssen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG), können nur solche Aufwendungen als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 EStG abgezogen werden, welche die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. August 1999 GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782 unter C. IV. 1. b; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2002 IX R 14/00, BFH/NV 2003, 468, m.w.N.). Dabei ist die Mittelherkunft für den Ausgabenabzug nicht bedeutsam (BFH-Urteil vom 4. September 2000 IX R 22/97, BFHE 193, 112, BStBl II 2001, 785 unter II. 2. a). So kann der Steuerpflichtige Aufwendungen selbst dann abziehen, wenn ein Dritter ihm den entsprechenden Betrag zuvor geschenkt hat, oder --statt ihm den Geldbetrag unmittelbar zu geben-- in seinem Einvernehmen seine Schuld tilgt (vgl. § 267 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--; BFH vom 15.11.2005 IX R 25/03, BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623, DStR 2006; 26; BFH-Beschluss in BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782 unter C. IV. 1. c aa, m.w.N.).

Die Aufwendungen sind nicht nur im Fall der Abkürzung des Zahlungswegs dem Steuerpflichtigen zurechenbar, sondern ebenso, wenn der Dritte im eigenen Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag abschließt und aufgrund dessen auch selbst die geschuldete Zahlung leistet. Auch in diesem Fall des abgekürzten Vertragswegs wendet der Dritte dem Steuerpflichtigen Geld zu und bewirkt dadurch zugleich dessen Entreicherung, indem er mit der Zahlung an den Leistenden den Vertrag erfüllt. Nach dem für das Steuerrecht maßgebenden wirtschaftlichen Gehalt eines solchen Dreiecksverhältnisses ist die Direktzahlung des Dritten dem Zahlungsumweg über den Steuerpflichtigen im Rahmen zweier zweiseitiger Rechtsbeziehungen gleich zu behandeln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Zuwendungsgegenstand entsprechend dem abgekürzten Zahlungsweg ein Geldbetrag ist, wie dies bei den Werkverträgen, um die es hier geht, der Fall ist. Denn nach § 631 Abs. 1 BGB ist der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (siehe BFH vom 15.11.2005 IX R 25/03, BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger die Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen. Der Kläger hat im Rechtsbehelfsverfahren für die hier streitigen Aufwendungen korrigierte Rechnungen vorgelegt, die an ihn adressiert sind. Es ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig, dass es sich bei den Maßnahmen, die den Rechnungen zugrunde liegen, um Maßnahmen gehandelt hat, welche für die Wohnung des Klägers durchgeführt worden sind.

Es kommt nicht darauf an, ob und inwieweit sich das jeweilige Vertragsverhältnis als Bargeschäft des täglichen Lebens darstellt, das über die Grundsätze des "Geschäfts für den, den es angeht" den Kläger unmittelbar verpflichtet. Die Mutter des Klägers hat die Verträge über Erhaltungsarbeiten mit den Handwerkern im eigenen Namen, aber im Interesse des Klägers und nach Rücksprache mit dem Kläger abgeschlossen und die vereinbarte Vergütung an die Handwerker entrichtet. Weil sie die Beträge nicht vom Kläger zurückgefordert hatte, hat sie sie ihm zugewendet. Sie sind als Aufwand des Klägers abziehbar.

Die Gründe, die im Nichtanwendungserlass des BMF vom 09.08.2006 Az: IV C 3 S 2211 - 21/06 genannt werden, können nicht überzeugen. Der BMF ist der Ansicht, dass die vom BFH in seiner Entscheidung vom 15.11.2005 vertretene Auffassung zu einer Auslegung führt, welche nicht dem Zweck des § 9 EStG entspricht.

Sinn und Zweck dieser Regelung zur Abziehbarkeit von Erhaltungsaufwendungen sei die Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Gestalt des objektiven Nettoprinzips. Dementsprechend seien nur solche Aufwendungen als Werbungskosten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, die seine persönliche Leistungsfähigkeit mindern. Anders als beim abgekürzten Zahlungsweg handele es sich bei dem abgekürzten Vertragsweg nicht um eine Zahlung mit Drittleistungswillen nach § 267 BGB, sondern um einen Vertrag zugunsten Dritter i.S. des § 328 BGB. Bei dieser Leistung erfülle der Dritte eine eigene Verpflichtung und leiste nicht für Rechnung des Steuerpflichtigen. Da der Steuerpflichtige durch die Leistungen des Dritten nicht in seiner persönlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werde (keine Entreicherung), seien die Aufwendungen bei ihm nicht als Werbungskosten abziehbar.

Die vom BFH angeführten Rechtsgrundsätze führten auch zu einem Verstoß gegen die Besteuerung nach dem individuellen Leistungsfähigkeitsprinzip. Durch die Einbeziehung des abgekürzten Vertragsweges werde für die Beurteilung des Sachverhalts, der für den Aufwand ursächlich war, nicht mehr die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern die des Dritten maßgebend.

Sei der Steuerpflichtige selbst eine vertragliche Verpflichtung eingegangen, sei die Grundlage seiner wirtschaftlichen Betätigung seine persönliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Da er aus dieser Vereinbarung verpflichtet werde, werde seine Leistungsfähigkeit insoweit auch gemindert, so dass damit der Abzug der Erwerbsaufwendungen gerechtfertigt sei. Werden hingegen die Aufwendungen eines Dritten in die Ermittlung der Summe der Einkünfte des Steuerpflichtigen mit einbezogen, so sei Beurteilungsmaßstab nicht mehr die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern die des Dritten, der den Vertrag geschlossen hat. Es komme zu einer nicht gerechtfertigten Vermengung der Leistungsfähigkeit des Dritten mit der des Steuerpflichtigen.

Die Argumentation des BMF ist im Ergebnis nicht überzeugend. Zwar ist es richtig, dass es ausschließlich um die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und nicht eines Dritten geht. Es ist wirtschaftlich betrachtet jedoch ohne Unterschied, ob die Mutter dem Kläger das Geld erst schenkt oder sie ihm das Geld durch die Überweisung an die Handwerker zuwendet. Dies gilt insbesondere, weil es ansonsten eine Frage der steuerlichen Vorbildung und des dadurch beeinflussten Sachvortrages ist, ob Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden können.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1, 3 und § 155 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO wegen des Bestehens des Nichtanwendungserlasses des BMF vom 09.08.2006 (Az: IV C 3 S 2211 - 21/06) zugelassen.

Ende der Entscheidung

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