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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 2 K 251/07
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 34
AO § 69
AO § 191 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Haftungsbescheid, mit dem der Kläger, der zugelassener Rechtsanwalt ist, als Nachtragsliquidator gemäß §§ 34, 69 Abgabenordnung (AO) für Steuerschulden der von ihm im Nachtragsverfahren liquidierten "A GmbH" (im Folgenden: GmbH) in Anspruch genommen wird.

I. Die GmbH, deren Alleingesellschafter Herr B (im Folgenden: Gesellschafter) gewesen war, ist am 03. Juni 1997 im Handelsregister wegen (angeblicher) Vermögenslosigkeit gelöscht worden. Die GmbH hatte bei dem seinerzeit zuständigen Finanzamt für Körperschaften Hamburg-1 für 1990 zum letzten Mal eine Bilanz und Steuererklärungen eingereicht mit einem Verlust in Höhe von DM 11.504,-, den das zuständige Finanzamt sodann erklärungsgemäß berücksichtigte. Für die Folgejahre bis einschließlich 1995 nahm das Finanzamt für Körperschaften Hamburg-1 Schätzungen vor. Für 1993 wurde ein vortragsfähiger Verlust von rund DM 26.000 festgestellt und in den Jahren 1994 und 1995 in Höhe des jeweils auf rund DM 6.000 geschätzten Gewinns abgezogen. Für die Jahre 1996 und 1997 wurden keine Veranlagungen durchgeführt.

II. Wegen noch vorhandenen Immobilienvermögens, nämlich eines im Jahr 1985 durch die GmbH erworbenen Grundstücks (belegen in der X-Str. in Hamburg-2) wurde der Kläger auf Antrag des Gesellschafters mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Oktober 1998 zum Nachtragsliquidator bestellt.

Die GmbH veräußerte das Grundstück mit Vertrag vom 23. Dezember 1998 an die "C GmbH", deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger ist. Der Kaufpreis betrug DM 1.000.000 und war bis zum 31. März 1999 nach Ablösung der im Grundbuch zu löschenden Rechte zu zahlen, die - laut Kaufvertrag - nominell 630.000 DM zugunsten der Bank 1 betrugen. Für die Ablösung der Grundschuld ist sodann gemäß einer Abrechnung der Bank 1 vom 04. Juni 1999 ein Betrag von DM 548.779 aufgebracht worden (vorgelegt vom Kläger im Erörterungstermin des finanzgerichtlichen Verfahrens der GmbH, Finanzgericht Hamburg II 265/05).

III. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 teilte der Kläger dem inzwischen zuständig gewordenen Beklagten mit, dass der Geschäftsbetrieb der GmbH endgültig eingestellt worden sei und die vorhandenen Vermögenswerte nicht ganz zur vollständigen Tilgung aller Verbindlichkeiten ausreichen würden.

Am 22. März 1999 schrieb der Beklagte den Kläger an und erbat eine Kopie des Kaufvertrags und eine Mitteilung, wann mit den Steuererklärungen zu rechnen sei.

Der Kläger kehrte den Erlös aus der Grundstücksveräußerung zum 22. April 1999 an den Gesellschafter aus. Im Gegenzug erhielt er von diesem eine schriftliche Erklärung (Anlage K 4), in der dieser versicherte, die GmbH habe keine Gläubiger und insbesondere keine Steuerschulden. Zugleich verpflichtete er sich, etwaige Verbindlichkeiten der GmbH unverzüglich und auf erstes Anfordern auszugleichen sowie den Kläger von jeder Inanspruchnahme frei zu halten und ihm etwaige Aufwendungen unverzüglich zu ersetzen. Ferner genehmigte der Gesellschafter alle bis dahin erfolgten Maßnahmen des Klägers einschließlich der Auszahlung des restlichen Verkaufserlöses.

Auf die Erinnerung des Beklagten vom 23. April 1999 legte der Kläger mit Schreiben vom 29. April 1999 die angeforderte Kopie des Kaufvertrags vor und kündigte an, dass die Fertigung der Steuererklärung wegen Unübersichtlichkeit der Unterlagen noch geraume Zeit dauern werde.

IV. Nachdem der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen für das Jahr 1998 keine Steuererklärungen eingereicht hatte, erließ der Beklagte unter dem 06. November 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Schätzbescheide für die GmbH und die Körperschaftsteuer in Höhe von DM 83.571 für ein zu versteuerndes Einkommen von DM 185.715,- fest. Unter Zugrundelegung der Werte aus der Bilanz der GmbH für 1990 schätzte der Beklagte einen Veräußerungsgewinn von DM 200.000 sowie einen vortragsfähigen Verlust auf den 31. Dezember 1997 von DM 14.285.

Die durch den Kläger vertretene GmbH legte gegen die Schätzbescheide Einsprüche ein. Während des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger für die GmbH Jahresabschlüsse, Gewinn- und Verlustrechnungen und Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 ein, in denen jeweils Verluste zwischen DM 75.000 und DM 85.000 erklärt wurden. Nachdem der Beklagte den Kläger zunächst fruchtlos darauf hingewiesen hatte, dass er die Grundstücksveräußerung in 1998 unberücksichtigt gelassen habe, wies er die Einsprüche zurück. Die hiergegen durch den Kläger für die GmbH erhobene Klage wies das Finanzgericht Hamburg (Aktenzeichen: II 265/05) mit Urteil vom 23. März 2007 ab. In jenem Rechtsstreit wendete die GmbH u.a. erfolglos ein, die erlassenen Schätzungsbescheide seien rechtswidrig, weil die GmbH auch unter Berücksichtigung des Grundstücksverkaufs keinen steuerpflichtigen Gewinn erzielt habe.

V. Der Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 04. November 2005, dass wegen rückständiger Steuern und Nebenleistungen der GmbH geprüft werde, ob und in welchem Umfang der Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könnte. Dem Kläger wurde gemäß §§ 90, 93 Abgabenordnung (AO) die Beantwortung eines Fragebogens aufgegeben, in dem u.a. gefragt wurde, in welchem Umfang andere wesentliche Gläubiger befriedigt worden seien und warum eine Haftungsinanspruchnahme gegebenenfalls nicht Betracht komme.

Der Kläger beschränkte sich in seinem Antwortschreiben auf die Mitteilung, das der nach Ablösung bestehender Verbindlichkeiten verbleibende Veräußerungserlös an den Gesellschafter ausgekehrt worden sei, weil zu diesem Zeitpunkt die Entstehung einer Steuerlast zulasten der GmbH nicht absehbar gewesen sei. Andere Gläubiger seien nicht befriedigt worden. Der Beklagte erließ sodann am 22. Dezember 2006 gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid über rückständige Steuern der GmbH in Höhe von EU 105.328,57. Die Steuerbeträge sind in einer Anlage zum Haftungsbescheid aufgeführt. Es handelt sich dabei um verschiedene Steuern für das Jahr 1998 in Höhe von zusammen EUR 80.470,57 und Säumniszuschläge in Höhe von EUR 24.858,00. (Insoweit und wegen der Begründung des Haftungsbescheids wird auf seinen Inhalt Bezug genommen). Eine Stellungnahme der für den Kläger zuständigen Rechtsanwaltskammer gem. § 191 Abs. 2 AO hat der Beklagte vor Erlass des Haftungsbescheids nicht eingeholt.

Der Kläger legte mittels am 27. Dezember 2006 Einspruch ein, den er nicht begründete und der mit Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2007 als unbegründet zurückgewiesen wurde. In der Einspruchsentscheidung wird u.a. ausgeführt, dass der Steuerschaden durch den Kläger verursacht worden sei und er daher zur Verantwortung zu ziehen sei. Er habe weder die angeforderten Steuererklärungen eingereicht noch Mittel für die Begleichung der Steuerschulden zurückbehalten. Eine Tilgung der Steuer- und sonstigen Rückstände durch die liquidierte GmbH sei infolge der Einstellung ihres Geschäftsbetriebes und nach Auskehrung des Verkaufserlöses des Grundstücks an den Gesellschafter nicht mehr zu erwarten. Weitere haftende Personen seien nach Aktenlage nicht ersichtlich.

VI. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 13. November 2007, bei Gericht eingegangen am 15. November 2007, Klage erhoben.

Der Kläger meint, in Ausübung seines Rechtsanwaltsberufs tätig geworden zu sein. Er trägt vor, dass er dem Gesellschafter aufgrund einer früheren rechtsanwaltlichen Tätigkeit bekannt gewesen sei. Der Gesellschafter habe sich bei ihm erkundigt, wie die bereits gelöschte Gesellschaft über das noch in ihrem Eigentum befindliche Grundstück verfügen könne und habe ihn auf seine Mitteilung, dass es dazu einer Nachtragsliquidation bedürfe, beauftragt, dass Erforderliche zu tun. Er habe seine Tätigkeit dem Gesellschafter gegenüber auch nach der damals geltenden Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) abgerechnet.

Der Kläger trägt vor, bis zur Veräußerung des Grundstücks sei er in Übereinstimmung mit dem Gesellschafter der Meinung gewesen, seine Aufgabe als Nachtragsliquidator erschöpfe sich in der Durchführung der Grundstücksveräußerung.

Der Kläger ist der Ansicht, für etwaige Verletzungen von Steuererklärungspflichten der GmbH nicht verantwortlich zu sein. Er habe erst auf die Aufforderung des Beklagten zur Einreichung der Steuererklärungen erfahren, dass die letzte Steuererklärung der GmbH für das Jahr 1990 erfolgt sei. Auf seine Versuche, bei dem Gesellschafter die für die Erstellung der Steuererklärungen erforderlichen Unterlagen und Informationen zu erlangen, habe er von diesem lediglich einen Pappkarton ungeordneter Unterlagen erhalten, die nur zum Teil die GmbH betroffen hätten und im Übrigen unvollständig gewesen seien. Zur Herausgabe weiterer Unterlagen habe sich der Gesellschafter außerstande erklärt. Er habe überzeugend geschildert, dass die wirtschaftliche Situation der GmbH negativ gewesen sei und mit Steuerforderungen deshalb nicht zu rechnen sei. Dies habe er zudem durch Abgabe der schriftlichen Erklärung vom 22. April 1999 unterstrichen.

Der Kläger meint, sich auch durch die Auskehrung des Veräußerungserlöses keiner haftungsbegründenden Pflichtverletzung schuldig gemacht zu haben.

Die zunächst erfolgte Löschung der GmbH sei für ihn ein Indiz gewesen, dass die Finanzverwaltung der Löschung zugestimmt habe und demnach bei der GmbH steuerlich alles geklärt gewesen sein müsse. Auch habe er davon ausgehen dürfen, dass die GmbH einen Gewinn selbst bei Berücksichtigung des Veräußerungserlöses nicht erzielt habe und es demnach auch keine Steuerlast habe geben können. Im Übrigen habe er aufgrund der Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Auskehrung der Gelder der GmbH an den Gesellschafter nicht verweigern dürfen, zumal keine Veranlassung bestanden habe, an dessen Zuverlässigkeit zu zweifeln.

Zusammenfassend ist der Kläger der Meinung, ihn träfe an einem etwaigen Steuerausfall kein Verschulden, sondern er habe vielmehr alles in seinen Möglichkeiten stehende getan, um seinen Pflichten zu genügen.

Im Übrigen zieht der Kläger in Zweifel, ob überhaupt ein Schaden eingetreten sei. Denn es erscheine nicht ausgeschlossen, den Gesellschafter auf Grund seiner Verpflichtungserklärung persönlich in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte habe jedenfalls die Möglichkeit, gegen diesen vorzugehen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 22. Dezember 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Meinung, das pflichtwidrige Verhalten des Klägers liege jedenfalls darin, dass er die Vermögenswerte der GmbH an den ehemaligen Gesellschafter ausgekehrt und damit vereitelt habe, dass mit diesen Werten die Steuerschulden der GmbH erfüllt werden könnten. Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt, insbesondere unter Berücksichtigung seiner Qualifikation als Rechtsanwalt.

Die Einholung einer Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer vor Erlass des Haftungsbescheids (§ 191 Abs. 2 AO) sei entbehrlich gewesen, weil der Kläger die zur Haftung führende Pflichtverletzung nicht in Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt begangen habe.

VII. Dem Gericht haben folgende Akten des Beklagten betreffend die "A GmbH", Steuernummer .../.../..., vorgelegen:

Allgemeines

Haftungsakte

Klageakte FG Hamburg II 265/05

Körperschaftsteuerakte

Das Gericht hat die Akte des Finanzgerichts Hamburg in der Sache "A GmbH, vertr. durch den Nachtragsliquidator D ./. Finanzamt Hamburg 3" , II 265/05, beigezogen.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll des Erörterungstermins am 24. Oktober 2008 und der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2009.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Haftungsbescheid ist rechtmäßig, denn der Kläger haftet für die Steuerverbindlichkeiten der GmbH in der geltend gemachten Höhe, weil er die ihm als Nachtragsliquidator obliegenden steuerlichen Pflichten der GmbH schuldhaft verletzt und damit einen entsprechenden Steuerausfall schuldhaft verursacht hat (I). Der Haftungsbescheid ist auch ermessenfehlerfrei und im Übrigen rechtmäßig erlassen worden (II).

I. Der Kläger haftet als Nachtragsliquidator der GmbH für deren Steuerschulden und für die Säumniszuschläge.

1. Der Kläger hatte als Nachtragsliquidator nach § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln, die er verwaltete, entrichtet wurden. Nach § 69 Satz 1, 3. Alt. AO haftet er, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllt worden sind; gemäß § 69 Satz 2 AO umfasst die Haftung auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Die Vorschrift hat somit Schadensersatzcharakter (vgl. BFH, Urteil 11. Juni 1996 I B 60/95, BFH/NV 1997,7 m.w.N.).

Der Nachtragsliquidator verletzt seine Pflichten nicht nur, wenn er bereits festgesetzte Steuern aus den bei Fälligkeit vorhandenen Mitteln nicht bezahlt. Eine haftungsbegründende Pflichtverletzung kann auch darin liegen, dass sich der gesetzliche Vertreter durch die Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger schuldhaft außer Stand setzt, eine bereits entstandene und ihm bekannte Steuerforderung bei Eintritt der Fälligkeit zu tilgen (BFH-Beschluss vom 21.12.2004 I B 128/04, BFH/NV 2005, 994 m.w.N.).

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) darf die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Rahmen der Liquidation nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft erfolgen. Dies gilt für die Nachtragsliquidation jedenfalls auch im Hinblick auf seit der Beendigung der vorherigen Liquidation entstandene Verbindlichkeiten, denn das Verfahren der Nachtragsliquidation folgt den allgemeinen Regeln, d.h. die Liquidatoren der Nachtragsliquidation haben dieselben Rechte und Pflichten wie bei jeder Liquidation (OLG Koblenz, Urteil vom 9. März 2007 8 U 228/06, DStR 2007, 821, zitiert nach [...], m.w.N.).

2. Der Kläger hat seine Pflichten als Nachtragsliquidator verletzt, indem er den Grundstücksveräußerungserlös vorab an den Gesellschafter ausgekehrt hat, obwohl eine Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Anteilseigner erst nach Befriedigung der Gläubiger - hier des Beklagten - erfolgen darf. Damit hat er es vereitelt, dass der Beklagte als Gläubiger der gelöschten Gesellschaft aus dem Vermögen der GmbH befriedigt werden konnte.

3. Die mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Steuerforderungen waren im Zeitpunkt der Pflichtverletzung - hier der Auskehrung des Veräußerungserlöses - bereits entstanden.

Gemäß § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die zu veranlagenden Körperschaftsteuerschulden entstehen mit Ablauf des Veranlagungszeitraums - § 48 Buchst. c) Körperschaftsteuergesetz in der im Streitjahr 1998 geltenden Fassung (KStG) und mit ihr der Solidaritätszuschlag, § 1 Solidaritätszuschlagsgesetz; die Gewerbesteuerschuld entsteht mit Ablauf des Erhebungszeitraums, § 18 Gewerbesteuergesetz.

Abweichend hiervon ist für eine in Liquidation befindliche Körperschaft nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen, wobei das Abwicklungs-Endvermögen grundsätzlich das zur Verteilung kommende Vermögen ist, § 11 Abs. 3 KStG.

Damit waren die Steuerschulden, für die der Kläger in Haftung genommen wird, jedenfalls in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die Liquidation - abgesehen von der steuerlichen Veranlagung - beendet und das Abwicklungs-Endvermögen noch nicht zur Verteilung gekommen war, also vor dessen Auskehrung an den Gesellschafter.

Gemäß § 69 Satz 2 AO erstreckt sich die Haftung auch auf die Säumniszuschläge.

4. Der Kläger hat schuldhaft gehandelt.

Schuldhaft handelt, wer seine Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt.

Vorsätzlich handelt, wer die Pflichten gekannt und ihre Verletzung gewollt hat, wobei auch der so genannte bedingte Vorsatz genügt, dass heißt die Pflichtverletzung vorausgesehen und ihr Eintritt in Kauf genommen wird (vgl. Loose in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 69 AO, Rdnr. 24 m.w.N.). Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seine persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose a.a.O. m.w.N.).

Der Kläger hat jedenfalls grob fahrlässig gehandelt. Mit der Bestellung zum Nachtragsliquidator hätte der Kläger sich über seine diesbezüglichen Pflichten informieren müssen, wenn er nicht ohnehin schon von ihnen Kenntnis gehabt hat - was hier in Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger als Rechtsanwalt rechtskundig ist oder sein müsste, nahe liegt. Unerheblich ist der Umstand, dass bei Auskehrung des Erlöses an den Gesellschafter die Steuern noch nicht festgesetzt waren. Jedenfalls durch die - vor der Auskehrung erfolgte - Anfrage des Beklagten, wann mit der Steuererklärung zu rechnen sei, hatte der Kläger Kenntnis davon oder hätte sie zumindest haben müssen, dass die Nachtragsliquidation noch nicht abgeschlossen war, solange das Besteuerungsverfahren noch nicht beendet war. Überdies ist davon auszugehen, dass der Kläger mit einer Steuerlast gerechnet hat. Denn nach seinem eigenen Vortrag in diesem Verfahren und im Verfahren der GmbH (II 265/05) will er zu diesem Zeitpunkt keinen eigenen Überblick über die Vermögenslage der GmbH gehabt haben. Der Veräußerungserlös stellte damit potentiellen Gewinn dar und war damit steuerlich relevant.

Unbeachtlich ist schließlich auch, dass der ehemalige Gesellschafter ihm gegenüber eine Freihalteerklärung abgegeben hat. Denn diese hat zum einen nur Wirkung gegenüber dem Kläger, nicht aber gegenüber dem Beklagten. Außerdem kann auf diese Weise das Inkassorisiko nicht auf den Beklagten abgewälzt werden.

5. An der Rechtmäßigkeit der Höhe des Haftungsbetrags besteht kein Zweifel. Die zugrunde liegenden Steuerbescheide sind in dem Rechtsstreit, den die durch den Kläger vertretene GmbH gegen den Beklagten geführt hat, rechtskräftig bestätigt worden. Die Haftung umfasst auch die - der Höhe nach gleichfalls nicht streitigen - Säumniszuschläge, § 69 Satz 2 AO.

6. In eben dieser Höhe ist ein Steuerschaden entstanden, denn nach Auskehrung des einzigen Vermögenswertes der aufgelösten GmbH, dem Verkaufserlös, besteht keine Befriedigungsmöglichkeit des Fiskus mehr.

7. Die Pflichtverletzung ist auch kausal für den Schaden geworden, denn ohne die Auskehrung des Verkaufserlöses an den ehemaligen Gesellschafter hätte der im Haftungsbescheid geltend gemachte Steuerrückstand befriedigt werden können und wären Säumniszuschläge nicht verwirkt worden.

Dass an den Gesellschafter weniger ausgekehrt worden ist als der Haftungsbetrag, hat der insoweit darlegungsverpflichtete Kläger - auch auf die Befragung im Verwaltungsverfahren - nicht behauptet oder dargetan und dies ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Die Abrechnung der Bank 1, die der Kläger als Prozessbevollmächtigter der GmbH im finanzgerichtlichen Verfahren II 265/05 vorgelegt hat sowie die Schätzungen, die der Beklagte für die Besteuerung der GmbH vorgenommen und die in jenem finanzgerichtlichen Verfahren bestätigt worden sind, sprechen vielmehr dafür, dass von dem Veräußerungserlös mehr als der Haftungsbetrag übrig geblieben und an den ehemaligen Gesellschafter ausgekehrt worden ist.

II. Der Haftungsbescheid ist ermessensfehlerfrei ergangen (1) ohne dass es einer Beteiligung der Rechtsanwaltskammer bedurft hätte (2).

1. Sowohl die Inanspruchnahme des Klägers (Entschließungsermessen) als auch die Ausschließlichkeit seiner Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid (Auswahlermessen) gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO ist vom Beklagten unter Darlegung - jedenfalls in der Einspruchsentscheidung - seiner Ermessenserwägungen frei von Ermessensfehlern erfolgt; insbesondere gibt es keine andere Person, die in zumindest gleichem Range neben dem Kläger wegen der Steuerschulden der GmbH in Anspruch genommen werden kann:

Die bereits gelöschte GmbH verfügt über keine Vermögenswerte mehr, aus denen der Beklagte befriedigt werden könnte. Dabei kann dahinstehen, ob der Gesellschafter zur Rückgewähr von an ihn ausgekehrtem Gesellschaftsvermögen verpflichtet ist, denn ein etwaiger Anspruch würde nicht der Gesellschaft selbst zustehen.

Es gibt auch keinen weiteren Verantwortlichen, der neben dem Kläger hätte in Anspruch genommen werden können. Auch insoweit kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls inwieweit der an den Gesellschafter ausgekehrte Veräußerungserlös im Hinblick auf die Steuerschulden herausverlangt werden kann (etwa nach Anfechtungs-, Delikts- oder Bereicherungsrecht oder im Hinblick auf die Erklärung des Gesellschafters vom 22. April 1999). Denn ein derartiger Anspruch ergäbe sich nicht unmittelbar aus dem Steuerrecht und könnte daher von dem Beklagten nicht in gleicher Weise (im Bescheidwege) geltend gemacht werden wie der Haftungsanspruch gegenüber dem Kläger. In einer solchen Situation darf der unmittelbar nach Steuerrecht Haftende ohne Weiteres vorrangig in Anspruch genommen werden, so dass es nicht zu beanstanden ist, dass der Kläger in Anspruch genommen wird.

2. Unschädlich ist es, dass der Beklagte im Haftungsverfahren die Rechtsanwaltskammer nicht beteiligt hat, denn der Kläger wird nicht wegen einer Tätigkeit in Anspruch genommen, die er gerade in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt ausgeübt hat.

Gemäß § 191 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde vor Erlass eines Haftungsbescheids gegen einen Rechtsanwalt wegen einer Handlung im Sinne des § 69 AO, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zu geben, Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Ob der Berater in Ausübung seines Berufes handelt, bestimmt sich nach der entsprechenden Berufsordnung (Halczinsky in Koch, Abgabenordnung, § 191 Rdnr. 19) und danach, ob die Übernahme der zur Haftung führenden Tätigkeit aufgrund seiner beruflichen Stellung und seiner Fachkenntnisse erfolgt (vgl. BFH, Urteil vom 13. Mai 1998 II R 4/96, BFHE 186, 7, BStBl II 1998, 760; Wilkening in Pump/Lohmeyer, Abgabenordnung, § 191 Rdnr. 11).

Hintergrund der Regelung des § 191 Abs. 2 AO ist, dass der Möglichkeit einer Pflichtenkollision der Angehörigen steuerberatender Berufe Rechnung getragen werden soll, die daraus resultiert, dass diese Personen einerseits die Interessen ihrer Auftraggeber wahrzunehmen haben, andererseits aber für vorsätzliche und grob fahrlässige Verletzungen der diesen Personen obliegenden Pflichten haften (vgl. Loose in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 191 AO, Rdnr. 28).

Vor diesem Hintergrund kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass der Kläger die haftungsbegründende Handlung im Sinne des § 191 Abs. 2 AO in Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt vorgenommen hat. Zwar ist der Kläger zugelassener Rechtsanwalt und sein Kontakt zum Gesellschafter, auf dessen Vorschlag er zum Nachtragsliquidator ernannt worden ist, soll durch eine frühere anwaltliche Tätigkeit zustande gekommen sein. Doch wird der Kläger hier wegen Verletzung der steuerlichen Pflichten in Anspruch genommen, die er als Nachtragsliquidator hat. Die Funktion eines Nachtragsliquidators unterscheidet sich wesentlich von den typischen Aufgaben eines Rechtsanwalts, denn er ist wie jeder Liquidator gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft - so wie es vor der Liquidation einer GmbH ihr Geschäftsführer ist. Seine Aufgaben werden daher im Wesentlichen vom Gesellschaftsrecht bestimmt. Aus diesem Grund hat der Bundesfinanzhof es folgerichtig auch verneint, dass Steuerbevollmächtigte, die als Liquidatoren von juristischen Personen tätig werden, in Ausübung ihres Berufs tätig werden (Urteil vom 27. Juni 1973 I R 172/71, BStBl II 1973, 832; bestätigend BFH, Urteil vom 13. Mai 1998 II R 4/96, BFHE 186, 7, BStBl II 1998, 760). Nach Auffassung des Senats gilt dies grundsätzlich genauso für einen Rechtsanwalt, der als Liquidator tätig wird.

Im vorliegenden Fall kann auch nicht erkannt werden, dass es besondere rechtliche Schwierigkeiten gab, die Grund dafür gewesen sein könnten, dass der Kläger ausnahmsweise gerade in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt zum Nachtragsliquidator bestellt worden ist. Denn der Verkauf eines Grundstücks als letzten Vermögensgegenstand einer ohnehin schon gelöschten GmbH weist keine rechtlichen Schwierigkeiten auf, die für die Aufgabe eines anstelle des Geschäftsführers tätigen Nachtragsliquidators atypisch wäre und einen ausgewiesenen Rechtsexperten verlangt. Inwieweit seine Beauftragung im Zusammenhang mit dem dann erfolgten Erwerb des Grundstücks durch seine Gesellschaft steht, kann deshalb hier dahinstehen.

Der Umstand, dass es vorliegend weiterhin an dem von § 191 Abs. 2 AO zugrunde gelegten Interessenkonflikt fehlt, bestätigt, dass kein Anwendungsfall dieser Vorschrift vorliegt. Denn die steuerlichen Pflichten, die der Kläger verletzt hat, waren nicht die seines Mandanten, des Gesellschafters. Spätestens seit der Löschung der Gesellschaft war der Mandant des Klägers nicht mehr ihr Geschäftsführer und somit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten nicht mehr verantwortlich. Die Verantwortlichkeit des Klägers leitete sich nicht von dem Gesellschafter ab, sondern war originär mit seiner Bestellung zum Nachlassliquidator entstanden.

III. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 135 FGO.

Gründe für die Zulassung der Revision, § 115 Abs. 2 FGO, sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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