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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 15.05.2009
Aktenzeichen: 2 V 115/09
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
AO § 393 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Bei der Antragstellerin wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Auf einen Beschluss des Amtsgerichts vom 21. April 2008 hat die Antragstellerin Geschäftsunterlagen an die Steuerfahndung herausgegeben, bei der sie sich noch immer befinden. Die Außenprüfung schloss mit einem Bericht vom 26. Januar 2009, in dem die Feststellung getroffen wurde, dass bei der Antragstellerin Scheingeschäfte getätigt wurden.

Der Antragsgegner erließ auf der Grundlage der Feststellungen der Außenprüfung am 5. Februar 2005 einen Umsatzsteuerbescheid für 2005.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 5. März 2009 beim Antragsgegner Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. In diesem Schreiben heißt es, es würden sämtliche Prüfungsfeststellungen des Berichts über die Außenprüfung der Antragstellerin bestritten und antragsgemäße Veranlagung begehrt. Um sich einen Überblick über die Sachlage verschaffen und den angefochtenen Bescheid überprüfen zu können, benötige die Antragstellerin ihre Unterlagen, die noch immer von der Steuerfahndung beschlagnahmt seien.

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 13. März 2009 abgelehnt. Der Einspruch gegen den Bescheid sei ohne jede Begründung geblieben. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden worden.

Die Antragstellerin hat am 9. April 2009 bei Gericht den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.

Die Antragstellerin bestreitet die Feststellungen der Außenprüfung. Beanstandungen seien lediglich behauptet, nicht aber begründet worden.

Sie selbst sei zu einer weiteren Begründung ihres Einspruchs und des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung auch wegen folgender Umstände nicht in der Lage:

Zum einen befänden sich ihre gesamten Geschäftsunterlagen bei der Finanzverwaltung, die ihr, der Antragstellerin, die beantragte Rückgabe oder Einsicht verwehre, womit ihr die substantiierte Stellungnahme zu den Feststellungen der Außenprüfung unmöglich gemacht werde. Ihre bisherige Steuerberatung habe das Mandat am 3. Juni 2008 niedergelegt und verweigere die Herausgabe der elektronisch gespeicherten Daten der Finanzbuchhaltung und Jahresabschlusserstellung.

Zum anderen seien auf der Grundlage der Feststellungen der Außenprüfung gegen ihren Geschäftsführer der Antragstellerin steuerstrafrechtliche Ermittlungen eingeleitet und möglicherweise noch nicht beendet worden. Als Beschuldiger habe er das Recht, zu den Vorwürfen zu schweigen. Durch die Anforderung einer weiteren Begründung des Einspruchs dürfe er nicht gezwungen werden, sich selbst im Hinblick auf die ihm vorgeworfenen Taten zu belasten.

Daher stelle die Vollziehung für sie, die Antragstellerin, eine unbillige Härte dar.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2005 vom 5. Februar 2009 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Der Antrag sei unsubstantiiert. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit habe die Antragstellerin nicht dargetan. Die Prüfungsfeststellungen seien ihr bereits mit Schreiben vom 19. Juli 2007 übersendet worden.

Eine unbillige Härte gemäß § 361 Abgabenordnung (AO) habe die Antragstellerin nicht dargelegt.

Der Antragsgegner legt dar, dass der Antragstellerin und ihrem Geschäftsführer Einsicht in die beschlagnahmten Geschäftsunterlagen gewährt, aber nicht wahrgenommen worden sei. Allerdings sei die Einsichtnahme durch den Antragsbevollmächtigten der Antragstellerin zunächst wegen Fehlens einer Vollmacht nicht möglich gewesen, könne nunmehr aber, da eine Vollmacht zwischenzeitlich vorliege, erfolgen.

II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, aber unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO wird die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise ausgesetzt, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung soll als summarisches, abgekürztes Verfahren der Eilbedürftigkeit der beantragten Maßnahmen gerecht werden. Der Prüfung der Sach- und Rechtslage sind der unstreitige Sachverhalt, die gerichtsbekannten Tatsachen und die präsenten Beweismittel zugrunde zu legen (BFH-Beschluss vom 14. Mai 2008 V B 227/07, BFH/NV 2008, 1371, m.w.N.). Den Antragstellern obliegt es, die aus ihrer Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 4. Juni 1996 VIII B 64/95, BFH/NV 1996, 895).

2. Der Antrag der Antragstellerin genügt diesen Anforderungen nicht.

Die Antragstellerin hat zwar behauptet, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, sie hat diese Behauptung indes nicht ansatzweise begründet.

Der Mangel der Begründung ist auch im vorliegenden Fall nicht ausnahmsweise wegen der Beschlagnahme von Unterlagen entbehrlich. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Beschluss vom 9. November 1981 (2 V 20/81, [...]) entschieden, dass eine beantragte Aussetzung der Vollziehung nicht wegen der fehlenden Begründung versagt werden kann, soweit ein Steuerpflichtiger wegen Beschlagnahme seiner Geschäftsunterlagen diese nicht in zumutbarer Weise einsehen kann und er deshalb gehindert ist, seine Klage und seinen Aussetzungsantrag näher zu begründen. Denn auch auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wäre es vom Steuerpflichtigen zu verlangen, näher zu begründen und glaubhaft zu machen, dass er nicht auf zumutbare Weise Einsicht in seine Unterlagen hat nehmen können. Die Antragstellerin hat insoweit lediglich behauptet, es sei im Juni 2008 Einsichtnahme in die Unterlagen beantragt, ihrem Prozessbevollmächtigten jedoch verwehrt worden. Schon diese Behauptungen sind nicht hinreichend. So hat die Antragstellerin weder dargetan, dass ihrerseits die Voraussetzungen für eine Einsichtnahme geschaffen worden waren, noch inwieweit sie versucht hat, gegen die Versagung vorzugehen. Insbesondere hat sie auch versäumt, ihre Behauptungen in irgendeiner Weise glaubhaft zu machen.

Im Übrigen hat die Antragstellerin selbst eingeräumt, dass noch elektronisch gespeicherte Daten ihrer Finanzbuchhaltung und Jahresabschlusserstellung bei ihrer damaligen Steuerberatung vorhanden seien. Die bloße Behauptung, der Antragstellerin sei die Herausgabe verweigert worden, reicht ohne nähere Darlegung der Umstände und insbesondere ohne Glaubhaftmachung gleichfalls nicht aus.

Die Antragstellerin kann auch nicht damit gehört werden, die Feststellungen der Außenprüfung, die Grundlage für den angefochtenen Bescheid gewesen sind, seien im Abschlussbericht ohne Angaben von Gründen geblieben, so dass es ihr schon aus diesem Grund nicht möglich sei, ihrerseits die Einwendungen dagegen näher zu begründen. Dabei sei dahingestellt, ob nicht davon auszugehen ist, dass es der Antragstellerin möglich gewesen wäre, dem Vorwurf der Scheingeschäfte jedenfalls dadurch entgegenzutreten, dass sie in zumindest groben Zügen ihre ordnungsgemäße Geschäftstätigkeit darstellt. Jedenfalls hat die Antragstellerin auch insoweit ihre Behauptung, die Feststellung der Scheingeschäfte sei im Abschlussbericht ohne Angabe von Gründen erfolgt, nicht glaubhaft gemacht.

Der Umstand, dass gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin im Zusammenhang mit Steuerdelikten strafrechtlich ermittelt wird, enthebt sie nicht der Obliegenheit zur Darlegung und Glaubhaftmachung, die Ausfluss ihrer steuerlichen Mitwirkungspflicht ist. Der Mitwirkungspflicht einer juristischen Person im Verfahren über eine Aussetzung der Vollziehung steht nicht entgegen, dass gegen eine für sie verantwortlich handelnde Person das Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung zugunsten der Antragstellerin im Jahr 2006 eingeleitet worden ist. Gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 AO richten sich die rechtlichen Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren stehen damit grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander. Im Besteuerungsverfahren bleibt der einer Straftat Verdächtigte jedenfalls im Grundsatz auch nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens zur (wahrheitsgemäßen) Mitwirkung verpflichtet (BFH-Beschluss vom 14. Mai 2008 V B 227/07, BFH/NV 2008, 1371, m.w.N.).

3. Dass die Vollziehung für den Antragsteller im Übrigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3, 2 Satz 2, 2 Alt. FGO), hat die Antragstellerin nicht behauptet.

4. Die Beschwerde war gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

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