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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 3 K 117/08
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1
AO § 150 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2005 aufgrund nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen.

I. Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

1. Der Kläger wurde ... in Dänemark geboren. Nach Abschluss der Schule in Dänemark machte er zunächst eine Ausbildung zum Büromaschinenmechaniker und beschäftigte sich dann beruflich mit elektronischer Datenverarbeitung. Im Jahr ... zog er mit zwei Landsleuten aus seiner Heimat Dänemark nach Hamburg, um ein von ihnen entwickeltes Softwareprodukt in Deutschland zu vermarkten. Dazu gründeten sie eine Vertriebs-GmbH, bei der der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer tätig war. Die dänische Muttergesellschaft, an der auch der Kläger beteiligt war, wurde im Jahr ... mit hohem Gewinn an die Fa. A verkauft. Der Kläger war zunächst weiter als Geschäftsführer der inländischen Vertriebsgesellschaft tätig, gab diese Tätigkeit jedoch im ... 2004 auf und verwaltete sodann in erster Linie sein eigenes Vermögen (vgl. Anlage zur Einkommensteuererklärung 2005, Einkommensteuerakte Band IV - ESt-A IV - Bl. 45). Daneben erbrachte er Dienstleistungen für Nutzer der bis dahin von ihm vertriebenen Software.

2. Der Kläger erwarb mit seinem Vermögen diverse Kapitalanlagen, davon etliche in Dänemark. Zum Teil beteiligte er sich als Kapitalgeber für Existenzgründungen.

Eine im Jahr 2000 angeschaffte Beteiligung an einer dänischen Aktiengesellschaft - B - veräußerte der Kläger im Jahr 2001. Dabei erlitt er einen Veräußerungsverlust von rund 380.000 DM, der in der Steuererklärung der Kläger geltend gemacht und von dem seinerzeit zuständigen Finanzamt steuermindernd berücksichtigt wurde.

II. Materiell streitig ist die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustes des Klägers aus einer Beteiligung an der dänischen Kapitalgesellschaft "C" (im Folgenden: Gesellschaft). Die Kosten für die Anschaffung der Beteiligung im ... 2004 betrugen DKK 1.147.825 (= EUR 153.808,55). Die Gesellschaft hatte ein erfolgversprechendes ... Modul für Computer entwickelt. Bevor es erfolgreich vermarktet werden konnte, ging allerdings die technische Entwicklung über das Produkt hinweg.

Mit Vertrag vom 28. September 2005 wurden die Anteile des Klägers zum 1. Oktober 2005 zu einem Preis von DKK 2.500 (= EUR 335) veräußert. Der Verkauf wurde über die dänische Kanzlei "D" abgewickelt, die sowohl die Gesellschaft betreute als auch den Kläger hinsichtlich seiner dänischen Steuerangelegenheiten.

Die Verfahrensbeteiligten sind in tatsächlicher Hinsicht einig, dass der Kläger die fragliche Beteiligung im Privatvermögen gehalten und aus ihrer Veräußerung einen Verlust in Höhe von EUR 153.473,55 erlitten hat.

III. 1. In ihrer (deutschen) Einkommensteuererklärung 2005 erklärten die Kläger unter anderem Einkünfte aus Kapitalvermögen aus diversen Vermögensanlagen und Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der hier streitige Verlust wurde nicht erklärt.

Das von den Klägern verwendete Formular "Anlage GSE Einkünfte aus Gewerbebetrieb" sieht in Zeile 23 vor, dass "Veräußerungsverluste bei Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG, § 6 AStG, § 13 UmwStG und in gesetzlich gleichgestellten Fällen" angegeben werden. Die entsprechenden Felder dieser Zeile sind in der Steuererklärung der Kläger unausgefüllt geblieben (ESt-A Bl. 25). In das Formular "Anlage AUS Ausländische Einkünfte und Steuern" ist in einer Spalte mit Einkünften aus Dänemark Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 24.022 eingetragen worden; die Zeile 12 für "andere Einkunftsarten" ist insoweit unausgefüllt geblieben (ESt-A Bl. 129).

2. Die Kläger haben ihre Steuererklärung unter Mitwirkung ihrer Prozessbevollmächtigten angefertigt, die die Kläger steuerlich seit 2001 beraten und die über eine internationale Kooperationsorganisation für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ("E") mit der dänischen Kanzlei D verbunden sind.

3. Der Beklagte erließ am 11. Mai 2007 einen Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag, der mit Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig wurde.

IV. 1. Die Kläger stellten am 12. Februar 2008 den Antrag, den Einkommensteuerbescheid 2005 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) dahingehend zu ändern, dass der Verlust aus der Veräußerung der Beteilung an der Gesellschaft nach den Vorschriften des Halbeinkünfteverfahrens mit einem Betrag von EUR 76.736,78 berücksichtigt werde. Der Kläger sei als Däne mit dem deutschen Steuersystem bzw. dem herrschenden Sprachgebrauch bei steuerlichen Fragen nur wenig vertraut und habe nicht gewusst, dass Verluste aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuermindernd geltend gemacht werden können.

2. Gegen die Antragsablehnung des Beklagten vom 22. Februar 2008 legten die Kläger am 20. März 2008 Einspruch ein. Da im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Regelfall davon auszugehen sei, dass ein Fehler des Steuerpflichtigen nicht auf grobem Verschulden beruhe, liege auch hier unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Kläger allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit vor. Die Kläger hätten ihren Prozessbevollmächtigten die Anteilsveräußerung nicht angezeigt und sodann auch die insoweit unvollständig erstellte Steuererklärung unterzeichnet, weil sie davon ausgegangen seien, die Veräußerung sei steuerlich nicht relevant, bzw. weil sie übersehen hätten, dass die Erklärung den Verlust nicht beinhalte. Es handele sich also um ein schlichtes Vergessen bzw. ein offensichtliches Versehen, das den Vorwurf des groben Verschuldens nicht trage.

3. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei in geschäftlichen Angelegenheiten nicht unbewandert und werde bereits ab 1993 zur deutschen Einkommensteuer veranlagt. Auch wenn er steuerliche Folgerungen im Einzelnen nicht habe ziehen können, so wäre es ihm doch zuzumuten gewesen, dass er seinen Steuerberater über den Verkauf der Beteiligung als wirtschaftlich und möglicherweise auch steuerlich bedeutende Maßnahme unterrichtet. Außerdem sei im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2001 für den Kläger schon einmal ein Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer dänischen Gesellschaft (B) geltend gemacht und anerkannt worden. Das Steuerformular frage zudem ausdrücklich nach Verlusten bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften.

V. Die Kläger haben am 12. Juni 2008 Klage erhoben.

Die Kläger meinen, sie treffe an der späten Mitteilung des Verlustes an den Beklagten kein grobes Verschulden, denn sie hätten ihren Prozessbevollmächtigten und steuerlichen Berater in Deutschland die notwendigen Unterlagen nur versehentlich nicht rechtzeitig übersendet. Sie, die Kläger, verfügten in steuerlichen Dingen nicht über die nötige Sachkenntnis. Aufgrund ihrer steuerlichen Unerfahrenheit hätten sie nicht überblicken können, ob der Verkauf der Anteile überhaupt und gegebenenfalls in welchem Land - Deutschland oder Dänemark - steuerlich berücksichtigt werden müsse. Dem Kläger sei nicht vorzuhalten, er sei als ehemaliger Gesellschafter-Geschäftsführer in geschäftlichen Dingen bewandert sei, denn bei der Vertriebsgesellschaft habe er lediglich die technische Seite des Geschäfts betreut.

Der Kläger habe sich darauf verlassen, dass steuerrelevante Informationen zwischen seinen dänischen und seinen deutschen Steuerberatern ausgetauscht werden und dass die Veräußerung der Beteiligung von seinen Steuerberatern angemessen gewürdigt werde.

Allerdings treffe seine Steuerberater auch keine Schuld. Die deutschen Steuerberater seien weder über das Bestehen der Beteiligung noch über die Veräußerung im Streitjahr rechtzeitig informiert worden. Soweit die dänische Kanzlei von der Relevanz der Veräußerung für die Besteuerung der Kläger in Deutschland gewusst haben sollte, läge jedenfalls kein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden vor, denn die dänische Kanzlei sei nur mit der Beratung der Kläger in deren dänischen Angelegenheiten beauftragt gewesen. Da die dänische Beratungsfirma dem selben internationalen Kooperationsverbund angehöre wie seine deutschen Steuerberater, sei es für ihn Geschäftsgrundlage gewesen und habe er davon ausgehen können, dass Informationen zwischen den dänischen und den deutschen Beratern ausgetauscht werden.

Allenfalls sei den Klägern vorzuwerfen, nicht erkannt zu haben, dass der Verlust nicht Gegenstand der Steuererklärung geworden sei. Dabei handele es sich aber lediglich um einen Fehler der Art, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werde müsse und die nach der Rechtsprechung keine grobe Fahrlässigkeit begründeten. Dabei sei auch die Komplexität und Kompliziertheit des Steuerrechts zu berücksichtigen. Zudem habe der Kläger eine Vielzahl von Beteiligungen, so dass sich ihm das Fehlen des Ergebnisses aus einer Beteiligung nicht habe aufdrängen müssen. Da der Verkauf zu einem lediglich symbolischen Preis erfolgte, sei für den Kläger auch nicht offensichtlich gewesen, dass dieser Vorgang überhaupt steuerlich relevant sei.

Nur bei Gelegenheit eines Gespräches über andere steuerliche Angelegenheiten habe der Kläger - zu einem Zeitpunkt, als der Einkommensteuerbescheids 2005 bereits bestandskräftig geworden war - seinen deutschen Steuerberater und jetzigen Prozessbevollmächtigten gefragt, ob der Verkauf seiner Beteiligung an der dänischen Gesellschaft für die Besteuerung in Deutschland eine Relevanz habe, was nach entsprechender Klärung zu dem Änderungsantrag geführt habe.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 22. Februar 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2008 zu verpflichten, die Einkommensteuer für 2005 unter Berücksichtigung des Verlustes aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 76.736,78 (aus dem Verkauf der Anteile an der Fa. C) herabzusetzen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Beklagten haben die Kläger die verspätete Mitteilung grob fahrlässig verschuldet. Sie hätten sich nicht darauf verlassen dürfen, dass ihr dänischer Steuerberater dem deutschen Steuerberater Mitteilung über den Vorgang macht, sondern hätten sich davon vergewissern müssen - spätestens bei Unterzeichnung des Erklärungsformulars.

Im Übrigen nimmt der Beklagte Bezug auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung und weist darauf hin, dass der Steuerpflichtige die Beweislast dafür trage, den Sorgfaltsanforderungen genügt zu haben.

VI. Dem Gericht lagen folgende Sachakten des Beklagten zur o. g. Steuernummer der Kläger vor: Einkommensteuerakten Band I und IV, Rechtsbehelfsakte ESt 05 Band I.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie das Protokoll des Erörterungstermins am 5. Dezember 2008 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2009.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte den Antrag der Kläger auf Berücksichtigung des Verlustes aus der Beteiligung an der dänischen Gesellschaft abgelehnt. Zwar dürfte der - dem Grunde und der Höhe nach - unstreitige Verlust materiellrechtlich gemäß § 17 Abs. 4 EStG (i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a, Art. 13 Abs. 4 DBA Deutschland-Dänemark) bei den Klägern berücksichtigungsfähig sein. Doch ist der Einkommensteuerbescheid 2005 bei Antragstellung bereits bestandskräftig gewesen und eine Änderungsnorm steht nicht zur Verfügung. Für die von den Klägern begehrte Änderung des Steuerbescheids zu ihren Gunsten kommt allein die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO Betracht, deren Voraussetzungen indes nicht vorliegen.

I. 1. Die Aufhebungen und Änderungen von Steuerbescheiden sind in den §§ 172 ff. AO geregelt. Mit Ablauf der Einspruchsfrist tritt grundsätzlich Bestandskraft eines Steuerbescheids ein, die einmal dem Interesse des Steuerpflichtigen dient, der sich auf Bescheide verlassen können muss, wie auch dem Interesse des Staates an einem geordneten Staatshaushalt. Die §§ 172 - 177 AO suchen den Prinzipienwiderspruch zwischen dem Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit einerseits und der materiellen Rechtsrichtigkeit aufzulösen. Die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verbieten Durchbrechungen der Bestandskraft; das Prinzip der materiellen Rechtsrichtigkeit erfordert hingegen eine Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerbescheiden. Diese Prinzipien sind wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips. Eine Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerbescheiden ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, nicht aus Treu und Glauben heraus, möglich.

2. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sind Steuerbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

Der Umstand, dass es im Zusammenhang mit der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen zu einem Verlust gekommen ist, ist eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 AO (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817).

Als grobes Verschulden im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 X R 14/02, BFH/NV 2005, 156 m.w.N.). Die Beschränkung der Änderungsmöglichkeit soll den Steuerpflichtigen von vorneherein dazu anhalten, seine Erklärungs- und Mitwirkungspflichten mit der gebotenen Sorgfalt zu erfüllen (BFH-Urteil vom 4. Februar 1998 XI R 47/97, BFH/NV 1998, 682), sie prägt daher den anzulegenden Sorgfaltsmaßstab. Gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO hat der Steuerpflichtige die Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Dazu gehört, dass er den Erklärungsvordruck gewissenhaft durchliest und ausfüllt. Auch ein steuerrechtlich nicht vorgebildeter Steuerpflichtiger handelt daher in der Regel grob fahrlässig, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte und auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beantwortet (BFH, Urteil vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441 m.w.N.); selbst wenn er aufgrund eines Rechtsirrtums der Meinung ist, sie sei in seinem Fall nicht von Bedeutung (BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545). Auch ein Steuerpflichtiger, der Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat, handelt grob schuldhaft, wenn er im Erklärungsvordruck abgefragte Angaben nicht macht (FG Münster, Urteil vom 30. April 1996 1 K 1448/96 E, EFG 1996, 901).

Der Bundesfinanzhof hat in einem Fall, in dem es um nachträglich geltend gemachte Verluste aus ausländischen Beteiligungen eines Steuerpflichtigen ging, dem von seinem Berufsbild her Fragen solcher Art nicht fernliegen, grobes Verschulden bejaht, weil er von den Verlusten bei Abgabe der Einkommensteuererklärungen gewusst und durch seine Unterschrift die Vollständigkeit der Angaben zu inländischen und ausländischen Einkünften in der Einkommensteuererklärung bestätigt hatte (vgl. BFH-Beschluss vom 21. April 1998 IV S 20/87, [...], m. w. N).

Wer eine gebotene Unterrichtung seines für die Einkommensteuererklärung ohnehin zugezogenen Steuerberaters unterlässt, verletzt dadurch die ihm persönlich zuzumutenden Sorgfaltspflichten in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise, jedenfalls wenn aus der Tätigkeit des Steuerpflichtigen - etwa aus seiner Beteiligung an einer Gesellschaft und seiner Geschäftsführertätigkeit - darauf zu schließen ist, dass er in geschäftlichen Angelegenheiten nicht unbewandert ist, und wenn ihm zuzumuten ist, zu erkennen, dass er seinen Steuerberater über den Verkauf einer GmbH-Beteiligung als einer wirtschaftlich und möglicherweise auch steuerlich bedeutenden Maßnahme unterrichten sollte (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817).

II. Unter Anwendung des sich aus der dargelegten Rechtsprechung, die sich der Senat zu Eigen macht, ergebenden Maßstabs haben die Kläger die verspätete Kenntnis des Beklagten grob verschuldet - der Kläger unmittelbar und die Klägerin durch Zurechnung seines Verschuldens.

1. Hier dürfte ein grobes Verschulden bereits ohne weiteres darin liegen, dass der Kläger die Steuererklärung unterzeichnet und ihre Abgabe veranlasst hat, ohne dass darin der Verlust erklärt worden ist; denn das Steuererklärungsformular fragt in Zeile 23 der Anlage KAP ausdrücklich nach Verlusten bei Veräußerung von Anteilen nach Kapitalgesellschaften (anders als noch in dem Fall, der dem Beschluss des BFH vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212, zugrunde lag, vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 9. Juli 2004 VII 186/02, [...]).

2. Jedenfalls aber hat der Kläger es versäumt, dafür zu sorgen, dass sein deutscher Steuerberater über den Verlust aus der Anteilsveräußerung informiert wird. Ist vom Kläger zwar nicht unbedingt zu verlangen, dass er positive Kenntnis von einer steuerlichen Relevanz des Verlustes für seine Besteuerung in Deutschland hat, so hätte auch der Kläger - unter Berücksichtigung seiner persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse - doch erkennen können und müssen, dass der Verkauf der Beteiligung möglicherweise von steuerlicher Relevanz hätte sein können, und hätte Vorsorge treffen müssen.

Zum einen ist der Kläger beruflich jahrelang als Gesellschafter-Geschäftsführer in Deutschland tätig gewesen. Mag er auch als Geschäftsführer nicht für steuerliche Belange zuständig gewesen sein, so hatte er doch gleichwohl auch insoweit Verantwortung getragen und es ist daher ohne weiteres davon auszugehen, dass er jedenfalls von der Komplexität des deutschen Steuerrechts gewusst hat und von der Notwendigkeit, sich bei wirtschaftlich bedeutenden Transaktionen gegebenenfalls steuerlich zu informieren oder beraten zu lassen.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Kläger auch privat umfangreich mit derartigen Angelegenheiten zu tun hatte. Schon seit Jahren hält er Beteiligungen im Privatvermögen. Seinen eigenen Angaben gemäß betätigte er sich wiederholt als Investor für Start-up-Unternehmen. Er hatte auch bereits im Jahr 2001 einen Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer dänischen Gesellschaft (B) erlitten, der steuerlich zu seinen Gunsten berücksichtigt worden war. Im Streitjahr war er seiner eigener Erklärung nach sogar hauptsächlich damit beschäftigt, sein Vermögen zu verwalten.

Für ein entsprechendes Verständnis des Klägers für steuerliche Fragen spricht der Umstand, dass er sich tatsächlich hat beraten lassen und sogar - wenn auch zu spät - anlässlich eines Beratungsgesprächs mit seinen deutschen Steuerberatern die Frage aufgeworfen hat, ob der Veräußerungsverlust steuerlich berücksichtigt worden ist.

Dass dem Kläger die Bedeutung des Informationsaustauschs auch tatsächlich bewusst gewesen ist, ergibt sich weiterhin daraus, dass er - wie er selbst vorträgt - sich zunächst darauf verlassen habe, der dänische Steuerberater werde im Falle der Relevanz seines Verlustes für die deutsche Besteuerung dem deutschen Steuerberater schon Mitteilung machen.

Der Kläger kann nicht damit gehört werden, es liege kein grobes Verschulden vor, weil er davon ausgegangen sei, sein dänischer Steuerberater werde den deutschen Steuerberater gegebenenfalls informieren. Denn der Kläger hat sich von seinem dänischen Berater nur in dänischen Steuerangelegenheiten beraten lassen und hatte ihn nicht gesondert beauftragt, steuerlich relevante Tatsachen an den deutschen Steuerberater des Klägers, den Prozessbevollmächtigten, zu melden. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, für den Kläger sei es Geschäftsgrundlage gewesen und er habe davon ausgehen können, dass Informationen zwischen den dänischen und den deutschen Beratern ausgetauscht werden, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn diese Erwartung hat der Kläger lediglich damit begründet, dass beide Beratungskanzleien demselben internationalen Kooperationsverbund angehören, woraus aber nicht ohne weiteres geschlossen werden kann, dass sich von sich aus eine lückenlose Zusammenarbeit im Einzelfall ergibt. Gerade wegen seiner grenzüberschreitenden Betätigung hätte der Kläger indes dafür Sorge tragen müssen und ohne weiteres können, dass gewährleistet ist, dass der jeweils tätige Steuerberater die erforderlichen Informationen erhält. Wenn er gleichwohl darauf verzichtet, die Steuerberater zur Weitergabe von möglicherweise relevanten Vorgängen zu verpflichten und es dann auch noch unterlässt, die Steuererklärung darauf zu überprüfen, ob der bloßen Erwartung der Mitteilung genügt worden ist, handelt er grob schuldhaft.

Im Übrigen käme selbst dann, wenn der Kläger persönlich entlastet wäre, weil der dänischen Steuerberater die Pflicht zur Information des deutschen Steuerberaters gehabt hätte, der Erlass eines Änderungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht. Denn in diesem Fall hätte sein dänischer Berater die nichtrechtzeitige Bekanntgabe des Veräußerungsverlustes grob fahrlässig verschuldet. Denn auch ein mit dem deutschen Steuerrecht unter Umständen nicht vertrauter ausländischer Steuerberater hätte bei entsprechender Beauftragung jedenfalls die bloße Möglichkeit einer steuerlichen Bedeutung des Veräußerungsverlustes in Deutschland ohne weiteres erkennen müssen und jedenfalls die Überprüfung durch Weitergabe der Information ermöglichen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat anschließt, hat der Steuerpflichtige ein Verschulden seines steuerlichen Beraters zu vertreten (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.).

Gegen ein grobes Verschulden spricht auch nicht der Umstand, dass der Kläger eine Vielzahl von Beteiligungen hält und es sich, wie der Kläger auch vorträgt, nur um ein Versehen gehandelt haben soll. Denn wie sich aus dem übrigen Vortrag des Klägers und dem sonstigen Sachverhalt ergibt, liegt der Fehler hier nicht etwa nur darin, dass der Kläger lediglich eine von vielen Beteiligungen übersehen hat - etwa bei der Übermittlung an seinen Steuerberater -, sondern dass er sich darauf verlassen hat, sein deutscher Steuerberater werde von dritter Seite, nämlich seinem dänischen Steuerberater informiert, ohne dass er - durch entsprechende Beauftragung - dafür Sorge getragen hat, dass es zu dieser Information auch tatsächlich kommt.

Nach alledem trifft den Kläger ein grobes Verschulden, das sich auch die Klägerin zurechnen lassen muss.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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