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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 3 K 215/06
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 135
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

3 K 215/06

Tatbestand:

Streitig ist bezüglich der Einkommensteuer, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der nicht Alleingesellschafter ist, im Rahmen der Vorsorgeaufwendungen den Vorwegabzug ungekürzt geltend machen kann.

I. 1. Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2. Der Kläger war in den Streitjahren 2002 und 2003 mit 75 % an der G GmbH beteiligt. Die restlichen 25 % wurden von der R GmbH gehalten (Akte-Allgemeines -Allg-A- Bl. 2). Zugleich war der Kläger alleiniger Geschäftsführer der G GmbH (Rechtsbehelfs-Akte -Rb-A- Bl. 9).

Die Gewinnverteilung der G GmbH richtete sich nach dem Verhältnis der Stammeinlagen der Gesellschafter (Allg-A Bl. 9).

3. Neben Gehalt und Tantieme sagte die GmbH dem Kläger durch den am 28. Mai 1983 von ihm für beide Seiten unterzeichneten Vertrag ab Vollendung seines 65. Lebensjahres eine Altersrente in Höhe von 1.000,00 DM monatlich zu. (Rb-A Bl. 11).

II. 1. Die Kläger erklärten in ihren Einkommensteuererklärungen 2002 (Einkommensteuer-Akte -ESt-A- Bl. 95 ff.) und 2003 (ESt-A Bl. 160 ff.) Einnahmen des Klägers aus Geschäftsführertätigkeit und zwar für das Streitjahr 2002 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 108.597,00 EUR (ESt-A Bl. 124) und für 2003 in Höhe von 69.860,00 EUR (ESt-A Bl. 176). Ferner machten sie im Rahmen der Sonderausgaben jeweils Vorsorgeaufwendungen geltend, für 2002 entsprechende Versicherungsbeiträge von insgesamt 19.195,00 EUR (ESt-A Bl. 146) und für 2003 in Höhe von 17.563,00 EUR (ESt-A Bl. 202).

2. In den Einkommensteuerbescheiden 2002 vom 27. Oktober 2004 und 2003 vom 4. Mai 2005 kürzte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) den möglichen Höchstbetrag von 6.136,00 EUR für den Vorwegabzug der geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Streitjahre (-EStG-) um 16 % der Summe der Einnahmen des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit. Für beide Streitjahre wurde der Vorwegabzug auf Null gekürzt, da 16% des Bruttoarbeitslohns jeweils den Betrag von 6.136,00 EUR überstieg. In beiden Jahren wurden Vorsorgeaufwendungen lediglich in Höhe des Grundhöchstbetrags (2.668,00 EUR) im Sinne des § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG und, da die angegebenen Vorsorgeaufwendungen die abziehbaren Beträge überstiegen, zusätzlich in Höhe des hälftigen Höchstbetrags (1.334,00 EUR) im Sinne des § 10 Abs. 3 Nr. 4 EStG berücksichtigt; insgesamt jeweils (2.668,00 EUR + 1.334,00 =) 4.002,00 EUR (ESt-A Bl. 146, 202). Die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 und wurden beide mit einfacher Post bekannt gegeben.

3. Am 29. November 2004 legten die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 ein (Rb-A Bl. 2). Am 19. Mai 2005 folgte der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 (Rb-A Bl. 5). Das FA habe die Vorwegabzüge der Vorsorgeaufwendungen zu Unrecht gekürzt.

4. Das FA wies die Einsprüche der Kläger am 18. September 2006 zurück (Rb-A Bl. 21). Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen stehe nur demjenigen Steuerpflichtigen zu, für den keine gesetzliche Rentenversicherungspflicht und entweder keine Anwartschaft auf Altersversorgung oder eine Anwartschaft nur auf Grund eigener Beitragsleistung aus der Geschäftsführertätigkeit bestehe. Aus der mittlerweile veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (-BFH-) ergebe sich, dass der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen nur dann nicht zu kürzen sei, wenn der Aufwand der GmbH für die Altersvorsorgung der jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführer deren quotaler Beteiligung an der GmbH entspreche (BFH vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634).

III. Die Kläger haben am 17. Oktober 2006 Klage erhoben und begründen diese wie folgt (Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 3=7, 4=8, 37=39):

Wäre dem Kläger nicht 1983 seitens der G GmbH eine Pensionszusage erteilt worden, so hätte er darauf bestanden, dass ihm im Rahmen der Gewinnverteilung bei der G GmbH ein entsprechend erhöhter Gewinnanteil eingeräumt worden wäre. Über diese inkongruente Gewinnbeteiligung hätte er seine Altersvorsorge finanziert. Durch den Verzicht auf die erhöhte Gewinnbeteiligung habe er seine Versorgungsansprüche durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erworben.

Damit habe er im Sinne der BFH-Rechtsprechung bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtungsweise sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftliche Ansprüche erworben.

Lebensfremd und nicht mit den Grundsätzen des Wirtschaftslebens vereinbar sei die implizierte Unterstellung, die R GmbH handele altruistisch dahingehend, dass diese bewusst auf Gewinnansprüche verzichtet habe, um dem Kläger über die gewährte Pensionszusage den Aufbau einer angemessenen Altersvorsorge zu ermöglichen.

Eine Ungleichbehanglung liege vor gegenüber dem vom BFH entschiedenen Fall, in dem zwei zu jeweils 50 % beteiligten Gesellschafter-Geschäftführer gleichwertige Pensionszusagen zugesprochen worden seien und dort der Vorwegabzug nicht zu kürzen sei (vgl. BFH vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse beachtet werden. Die Gewinnminderung des Minderheitsgesellschafters beschränke sich auf einen Jahresbetrag, der deutlich unter dem Betrag von 6.136,00 EUR liege, der dem Kläger als Vorwegabzug gekürzt wurde.

Die Kläger beantragen (FG-A Bl. 2=6),

die Einkommensteuerbescheide 2002 vom 27. Oktober 2004 und 2003 vom 4. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. September 2006 dahin zu ändern, dass jeweils ein ungekürzter Vorwegabzug in Höhe von 6.136,00 EUR steuermindernd berücksichtigt wird, und

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt (FG-A Bl. 13),

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt in Ergänzung seiner Einspruchsentscheidung vom 18. September 2006 im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 13):

Der hypothetisch dargestellte Verlauf, der für den Kläger zu einer inkongruenten Gewinnbeteiligung hätte führen sollen, sei nicht relevant; tatsächlich sei die Gewinnbeteiligung nicht geändert worden und der Kläger habe damit die Altersversorgung nicht ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftliche Ansprüche erworben.

IV. Durch Beschluss vom 29. Mai 2007 hat das Gericht den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2007 haben die Kläger nach Hinweis des Gerichts auf die BFH-Rechtsprechung die Klage unter Widerrufsvorbehalt mit einer Widerrufsfrist von einer Woche zurückgenommen (FG-A Bl. 42). Am 4. Juni 2007 haben die Kläger die Klagerücknahme widerrufen (FG-A Bl. 45).

V. Ergänzend nimmt das Gericht Bezug auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2007 (FG-A Bl. 41 f.) und auf die oben aufgeführten Unterlagen sowie die damit zusammenhängenden Vorgänge aus der Finanzgerichts-Akte (FG-A) und den folgenden Steuerakten:

der Kläger:

Rechtsbehelfs-Akte (Rb-A)

Einkommensteuer-Akte (ESt-A) Bd. II

der G GmbH:

Akte-Allgemeines (Allg-A)

Bilanz-Akte (Bil-A)

Kapitalertragsteuer-Akte (KapESt-A)

Entscheidungsgründe:

I. Die Anfechtungsklage ist zulässig aber unbegründet.

Zu Recht hat das FA den Vorwegabzug der Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG) gekürzt.

1. Gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG steht zusammenveranlagten Ehegatten bezüglich ihrer Vorsorgeaufwendungen ein Vorwegabzug von 6.136,00 EUR zu. Dieser ist gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG um 16 % der Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG gehört. Der Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG umfasst Arbeitnehmer, die nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, einer Berufstätigkeit nachgegangen sind und im Zusammenhang damit auf Grund vertraglicher Vereinbarung ein Anwartschaftsrecht auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erlangt haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger unterliegt als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der G GmbH nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Er hat sein Anwartschaftsrecht auf seine Altersversorgung durch die GmbH nicht ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erworben.

2. Es liegt keiner der Sonderfälle vor, in denen Gesellschafter-Geschäftsführer ihre Anwartschaft auf Altersrente ausschließlich durch einen ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erlangen.

a) Auch der Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche stellt eine Beitragsleitung für die Altersvorsorge dar, denn unter einer solchen Beitragsleistung ist jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage zu verstehen (BFH vom 25. März 1992 X R 121/90, BFH/NV 1992, 596). Hat eine GmbH nur einen Gesellschafter, so erwirbt dieser seine Anwartschaft auf eine Alterspension von der GmbH immer durch ausschließlich eigene Beitragsleistungen. Bei ihm wird der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen demnach nicht gekürzt (BFH vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546).

b) Hat eine GmbH zwei oder mehrere zu gleichen Teilen beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer, denen sie die gleiche Altersvorsorge zusagt, so ist deren Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ebenfalls nicht zu kürzen. Hat eine GmbH zwei oder mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern eine Alterspension zugesichert, so erlangen alle ihre mögliche Anwartschaft auf Altersvorsorge auch durch eine Minderung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche. Entscheidend ist jedoch, dass jeder Gesellschafter-Geschäftsführer seine Anwartschaft auf Altersrente ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistung erlangt. Bei zu gleichen Teilen beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern, denen die gleiche Alterspension zugesagt wird, liegt ein Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche proportional zu ihrer Beteiligungsquote vor (BFH vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634).

c) Hat eine GmbH mehrere Gesellschafter von denen nur einer eine Pensionszusage erhält, so kann dessen Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen nur dann ungekürzt bleiben, wenn er seine Anwartschaft auf Altersvorsorge ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf ihm zustehende gesellschaftsrechtliche Ansprüche erlangt hat (BFH vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634).

d) Der Kläger war zwar beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der G GmbH, nicht jedoch deren alleiniger Gesellschafter. Nur der Kläger erhielt von der G GmbH eine Pensionszusage. Er hat seine Anwartschaft auf Altersvorsorge dabei nicht allein durch einen Verzicht auf eigene gesellschaftsrechtliche Ansprüche entsprechend seiner quotalen Beteiligung erlangt, sondern auch durch eine Minderung der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche seiner Mitgesellschafterin. Die Gewinnverteilung der G GmbH richtete sich nach dem Verhältnis der Stammeinlagen der Gesellschafter. Die proportionale Gewinnverteilung steht dem von ihm behaupteten Verzicht auf einen erhöhten Gewinnanteil entgegen. Für einen solchen Verzicht, für den er die Feststellungslast trägt, ist auch sonst nichts ersichtlich.

Bei gleichmäßiger Anwendung der vorstehenden gesetzlich vorgegebenen Kriterien auf betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer kommt es nicht mehr auf das betragsmäßige Verhältnis zwischen Vorwegabzug und tatsächlicher Gewinnminderung der Gesellschafter im jeweiligen Streitjahr an, ebenso wenig wie auf die im Zeitablauf wechselnde Entwicklung von Gewinnen oder Verlusten oder auf deren betragsmäßige Schwankungen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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