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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 11.09.2009
Aktenzeichen: 3 K 242/08
Rechtsgebiete: EStG, KStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 1
EStG § 3 Abs. 2
EStG § 9 Abs. 1
EStG § 10b Abs. 1a
EStG § 11
KStG § 5 Abs. 1
BGB § 84
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit der Zuwendung in den Vermögensstock einer Stiftung durch Erbeinsetzung als Sonderausgabe bei der Einkommensteuerveranlagung der Erblasserin im Streitjahr 2006. Die Klägerin ist die Erbin und Rechtsnachfolgerin der Erblasserin.

I.

1. A (im Folgenden: Ehemann), geboren ... und verstorben 1998, und B (im Folgenden: Erblasserin), geboren ... und verstorben am ... 2006 (Sterbeurkunde Allgemeines-Akte - Allg-A - Bl. 17, geheftet vorne in der Einkommensteuerakte -ESt-A - vor Bl. 1), errichteten am 23. September 1995 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig zum alleinigen Erben ein. Ferner bestimmten sie, dass nach dem Tode des Nachversterbenden der Nachlass einer gemeinnützigen Stiftung mit ihrer beiden Namen zur Verfügung gestellt werden solle mit dem Zweck, jährlich einen Preis für besondere Verdienste auf dem Gebiet der ... zu verleihen (im Einzelnen Allg-A Bl. 16).

Weitere Testamente wurden nicht errichtet, Pflichtteilsberechtigte waren nicht vorhanden. Nach dem Tode des Ehemanns erwog die Erblasserin, einen anderen gemeinnützigen Verein zu begünstigen. Ihre juristischen Ratgeber rieten jedoch davon ab, da dies gegen die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments verstoßen würde. Nach dem Tod des Ehemanns, jedoch vor dem Tod der Erblasserin verstarb noch deren Mutter, wodurch sich ihr Vermögen weiter mehrte.

2. Nach dem Tod der Erblasserin wurde am 02. November 2006 vom Nachlassgericht der jetzige Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Dr. C, zum Nachlasspfleger bestellt (Allg-A Bl. 15). Dieser errichtete die Stiftungssatzung. Die Stiftung wurde am 04. April 2007 von der Justizbehörde als Aufsichtsbehörde genehmigt (Finanzgerichtsakte - FG-A - Bl. 10 und 70). Das Nachlassgericht erteilte am 07. Mai 2007 einen Erbschein dahingehend, dass die Klägerin Alleinerbin sei (Allg-A Bl. 11), und entließ den Nachlasspfleger aus seinem Amt (Allg-A Bl. 10).

Das für die Stiftung zuständige Finanzamt erteilte dieser am 26. April 2007 eine Bescheinigung über die Befreiung von der Kapitalertragsteuer gemäß § 44 a Abs. 4 und 7 EStG (Allg-A Bl. 12). Der Wert des Nachlasses übersteigt 1,4 Mio. EUR (Schreiben der Klägerin eingegangen beim Beklagten, dem Finanzamt - FA -, am 28. Januar 2008, Allg-A Bl. 9).

II.

Die Klägerin erteilte einer Steuerberatungsgesellschaft den Auftrag, die im Nachlass der Erblasserin vorgefundenen Belege aufzuarbeiten und daraus die Einkommensteuererklärungen der Erblasserin für 2005, die die Erblasserin bis zu ihrem Tode noch nicht abgegeben hatte, und für das Sterbejahr 2006 zu erstellen. Am 28. Januar 2008 ging die Einkommensteuererklärung 2006 beim Finanzamt ein. Darin wurden in Zeile 84 "Zuwendungen in den Vermögensstock einer Stiftung" 500.000,-- EUR geltend gemacht (ESt-A Bl. 88). Im Verlauf weiteren Schriftwechsels mit dem FA wurde eine Spendenbescheinigung der Klägerin gemäß § 10 b EStG datierend vom 19. März 2008 vorgelegt, wonach die Erblasserin der Klägerin am ... 2006 (Todestag) 1 Million EUR zugewendet hat. Die Spendenbescheinigung erwähnt, dass die Klägerin durch Bescheinigung des für sie zuständigen Finanzamtes vom 24. April 2007 vorläufig als gemeinnützig anerkannt worden sei, und führt aus, die Zuwendung sei anlässlich der Neugründung der Klägerin innerhalb eines Jahres in ihren Vermögensstock erfolgt auf Grund des Testaments der Erblasserin (ESt-A Bl. 144).

Das FA ließ die Zuwendung im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 31. März 2008 unberücksichtigt und setzte bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 76.393 EUR die Einkommensteuer der Erblasserin auf 22.038 EUR fest.

III.

1. Hiergegen legte die Klägerin am 17. April 2008 Einspruch ein (Rechtsbehelfs-Akte - Rb-A - Bl. 8). Aufgrund der in § 84 BGB angeordneten zivilrechtlichen Rückwirkung sei die Zuwendung an eine von Todes wegen errichtete Stiftung bei der Verstorbenen im Todesjahr abziehbar. Diese Rückwirkung gelte auch im Steuerrecht. § 84 beziehe das Entstehen der Stiftung nicht nur auf, sondern vor den Tod des Stifters zurück.

2. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 2008 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück (Rb-A Bl. 45). Der Zeitpunkt der Zuwendung bestimme sich nach § 11 EStG. Die Zuwendung sei durch Antritt des Erbes, mithin nach dem Tod der Erblasserin, erfolgt. Die persönliche Einkommensteuerpflicht habe jedoch im Todeszeitpunkt geendet. § 84 BGB wolle nur gewährleisten, dass eine Stiftung von Todes wegen überhaupt erbfähig sei. Die Rückwirkungsfiktion des § 84 BGB gelte nicht für die steuerrechtliche Bestimmung des Zuflusszeitpunktes der Zuwendung.

IV.

Mit ihrer Klage vom 01. Dezember 2008 verfolgt die Klägerin ihr Ziel des Sonderausgabenabzugs bei der Erblasserin im Sterbejahr weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus:

Für die Frage der Abziehbarkeit komme es nicht auf den Zufluss bei der Klägerin, sondern auf den Abfluss bei der Erblasserin an. Für dessen Bestimmung gelte § 84 BGB. Dieser bestimme einen Zeitpunkt vor dem Tod. Aus der Entstehungsgeschichte von § 84 BGB ergebe sich, dass dieser auch für das Steuerrecht gelte. Nur bei Erbeinsetzungen von bereits existierenden Stiftungen ergebe sich ggf., dass der Todeszeitpunkt dem Zeitpunkt des Vermögensübergangs vorangehe. Bei Erbeinsetzungen erst durch letztwillige Verfügung errichteter Stiftungen gebe es mit § 84 BGB jedoch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, so dass der Abfluss vor dem Todeszeitpunkt liege.

Aufgrund der geänderten Rechtsprechung zum Übergang von Verlusten gemäß § 10 d EStG auf die Erben, wonach ein solcher Übergang nun nicht mehr stattfinde, seien die Rechtssphären von Erblasser und Erben strikt getrennt. Soweit in der Literatur darauf verwiesen werde, dass ein Erblasser mit dem Stiftungsgeschäft das Schicksal seiner Rechte nach dem Tode regele, sei diese Auffassung nunmehr überholt.

Aus der auf den ... 2006 aufgestellten, der Aufsichtsbehörde und dem für die Klägerin zuständigen Finanzamt vorgelegten Eröffnungsbilanz der Klägerin ergebe sich, dass der Anspruch der Stiftung auf das Vermögen bereits vor dem Todeszeitpunkt entstanden sein müsse, sonst wäre die Eröffnungsbilanz falsch.

Soweit im Erbschaftsteuerrecht durch die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Anerkennung der Stiftung statt des Todeszeitpunktes (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG) die zivilrechtliche Rückwirkung im Erbschaftssteuerrecht nach der Rechtsprechung des BFH eingeschränkt sei, lasse sich dies nicht auf das Ertragsteuerrecht übertragen.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 31. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2008 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA führt ergänzend aus:

Das Erbe sei nicht mehr zu Lebzeiten zugewendet worden. Nicht jede zivilrechtliche Rückwirkung werde vom Steuerrecht übernommen. Auch bei der Erbeinsetzung von im Todeszeitpunkt bereits existierenden gemeinnützigen Vereinen oder bereits zuvor gegründeten und genehmigten Stiftungen wäre § 10 b EStG zugunsten der Erblasserin nicht anwendbar.

Wegen der näheren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 18. Mai 2009 (FG-A Bl. 57) Bezug genommen.

Die ESt-Akte der Erblasserin Band 4 ab 2004 sowie die Rb-Akte lagen vor.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Erblasserin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1, 2 FGO), weil der Erblasserin der Sonderausgabenabzug in Höhe von 307.000 EUR für Zuwendungen in den Vermögensstock einer Stiftung (§ 10 b Abs. 1 a EStG in der im Streitjahr 2006 gültigen Fassung) nicht zusteht.

Denn auch bei einer Zuwendung von Todes wegen an eine bereits bestehende gemeinnützige Stiftung (sei es als Zustiftung an eine bereits zuvor zu Lebzeiten errichtete und genehmigte eigene Stiftung oder an eine bestehende durch einen anderen errichtete Stiftung) oder an einen bestehenden gemeinnützigen Verein stünde der Erblasserin kein Sonderausgabenabzug zu, und eine erst noch zu errichtende Stiftung steht aufgrund § 84 BGB zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser.

1. Die persönliche Einkommensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 EStG erlischt mit dem Tod. Die Verstorbene ist mit den bis zum Todeszeitpunkt erzielten Einkünften zu veranlagen. Hierunter fallen alle Einkünfte, die zu Lebzeiten zu versteuern gewesen wären (Heinicke in Ludwig Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, § 1 Rn. 14). Auch Sonderausgaben sind nur für den Zeitraum ihrer Verausgabung (§ 11 EStG) zu ermitteln, in dem die Steuerpflicht besteht (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 23. Oktober 1996, X R 75/94, BStBl II 1997, 239, [...] Rn. 9).

2. Für den Abfluss (auch) von Sonderausgaben gilt § 11 EStG. Eine Ausgabe ist in dem Zeitpunkt abgeflossen, in dem sich die Steuerpflichtige der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Geld oder geldwerte Gut begibt (BFH Urteil vom 09. August 1991, III R 63/89, BFH/NV 1992, 101, [...] Rn. 18).

Hieran fehlt es für den Zeitraum der persönlichen Steuerpflicht der Erblasserin, denn sie selbst hat keine Ausgabe geleistet (vgl. BFH Urteil vom 23. Oktober 1996, X R 75/94, BStBl II 1997, 239, [...] Rn. 11 bei Vermächtnissen). Das durch den Erbfall aufgrund Gesamtrechtsnachfolge übergegangene Vermögen geht erst mit dem Tod (Erbfall) auf die Erbin - Klägerin - über (§ 1922 BGB), mithin fließt es nicht mehr zu Lebzeiten der Erblasserin ab. Denn bis zum Zeitpunkt des Todes ist die Erblasserin in der Verfügung über ihr Vermögen frei. Sie kann es insbesondere durch Konsum verbrauchen oder in den Grenzen der §§ 2286, 2287 BGB, die bei § 2271 BGB entsprechend gelten (allgemeine Meinung, vgl. Musielak in Münchener Kommentar, 4. Aufl., BGB § 2271 Rn. 45), durch Zuwendung unter Lebenden verschenken. Diese Verfügungsmöglichkeit endet erst in der logischen Sekunde des Todes. Es fehlt mithin an der notwendigen wirtschaftlichen Belastung der Erblasserin durch die Zuwendung (BFH Urteil vom 20. Februar 1991, X R 191/87, BStBl II 1991, 690, [...] Rn. 16; FG Hamburg Urteil vom 14. November 2007, 3 K 250/06, EFG 2008, 842, [...] Rn. 35). Bei Vermächtnissen zugunsten gemeinnütziger Körperschaften ist wirtschaftlich der Erbe belastet, das Vermächtnis mindert den Nachlasswert. Bei Erbeinsetzungen von gemeinnützigen Körperschaften sind allenfalls die gesetzlichen Erben wirtschaftlich belastet, aber nicht die Erblasserin. Die individuelle Leistungsfähigkeit der Erblasserin, nach der sich die Einkommensteuer als Personensteuer bemisst, wird zu ihren Lebzeiten nicht beeinträchtigt; der Sinn und Zweck solcher letztwilliger Verfügungen liegt gerade darin, das Vermögen zu Lebzeiten nicht zu schmälern (Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10 b EStG Rn. B 434).

3. Hieran ändert auch § 84 BGB für den Sonderfall erst nach dem Tode noch zu errichtender Stiftungen nichts. § 84 BGB ist eine durch das zivilrechtliche Genehmigungserfordernis für Stiftungen bedingte Sonderregelung, ohne die Zuwendungen zugunsten einer im Zeitpunkt des Todes noch nicht genehmigten Stiftung rechtlich nicht möglich wären (BFH Urteil vom 23. Oktober 1996, X R 75/94, BStBl II 1997, 239, [...] Rn.19). Danach gilt eine Stiftung, die erst nach dem Tode der Stifterin als rechtfähig anerkannt wird, für die Zuwendungen der Stifterin als schon vor deren Tod entstanden. Die Vorschrift fingiert das Bestehen der juristischen Person "Stiftung" schon vor dem Tod der Stifterin, um der Stiftung im Hinblick auf § 1923 Abs. 1 BGB zu ermöglichen, als Erbe Vermögen im Erbgang zu erwerben. Danach ist die Stiftung hinsichtlich des Vermögensanfalls so zu behandeln, als habe sie im Todeszeitpunkt der Stifterin bereits existiert (Reuter in Münchener Kommentar, 4. Aufl., § 84 BGB Rn. 4), weil sie kraft der in § 84 BGB geregelten Fiktion mit der staatlichen Genehmigung rückwirkend zur Vollerbin wird (BFH Urteil vom 17. September 2003, I R 85/02, BStBl II 2005, 149, [...] Rn. 9). Zwar gilt § 84 BGB insoweit, also hinsichtlich des Beginns der Existenz der Stiftung als juristische Person, auch im Steuerrecht, hat jedoch keine über den vorgenannten Zweck hinausgehende Bedeutung. So gilt die Rückwirkungsfiktion des § 84 BGB weder für die Bestimmung des Entstehungszeitpunktes der Steuer und des Bewertungsstichtages im Erbschaftsteuerrecht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 und § 11 ErbStG (BFH Urteil vom 25. Oktober 1995, II R 20/92, BStBl II 1996, 99, [...] Rn. 20) noch für den Beginn der Körperschaftsteuerbefreiung gemeinnütziger Körperschaften gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG (BFH Urteil vom 17. September 2003, I R 85/02, BStBl II 2005, 149, [...] Rn. 11). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich zu letzterem Gesichtspunkt auch aus der Rechtsprechung des FG Düsseldorf nichts anderes, denn dieses stellt in Übereinstimmung mit dem BFH für die Frage des Beginns der Körperschaftsteuerbefreiung, relevant etwa für Zinsen aus der Zeit zwischen Tod eines Erblassers und Genehmigung der Stiftung, zwar auf die materielle Erfüllung der Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen, insbesondere der Vermögensbindung, durch die Stiftung bereits vor ihrer Genehmigung ab, jedoch nicht auf eine Rückwirkung gemäß § 84 BGB (FG Düsseldorf Beschluss vom 8. Oktober 1999, 6 V 542/99 A, ZEV 2000, 79, [...] Rn. 14 und Urteil vom 20. März 2003, 15 K 5912/00 K, EFG 2003, 895, [...] Rn. 20-21, ebenso BFH Urteil vom 17. September 2003, [...] Rn. 12-14).

Der Vorschrift des § 84 BGB ist somit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu entnehmen, dass die Zuwendung als noch zu Lebzeiten der Erblasserin abgeflossen gelten soll. Denn sie wirkt sich nicht auf das Ende der persönlichen Steuerpflicht der Erblasserin (§ 1 Abs. 1 EStG) und den Abflusszeitpunkt i.S.v. § 11 EStG aus (so ausdrücklich und überzeugend Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10 b EStG Rn. Ba131 gegen Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 b EStG Rn. 16 a. E., der nicht zwischen Entstehung der Stiftung und Abfluss differenziert).

4. a) Die Klägerin vermag im Übrigen weder plausibel zu erklären, auf welchen genauen Zeitpunkt bereits vor dem Tod § 84 BGB das Entstehen der Stiftung zurückbeziehen könnte, noch welcher Betrag der Stiftung in einem solchen Zeitpunkt zugewendet worden wäre. Als greifbare Zeitpunkte wären überhaupt nur die Errichtung des Testaments (hier: 1995) oder - näherliegend - der Eintritt der Bindungswirkung bei Vorversterben des Ehemannes (hier: 1998) denkbar. Ein Abfluss zu einem dieser Zeitpunkte würde jedoch für die Erblasserin keinen Sonderausgabenabzug im Streitjahr 2006 begründen. Zwischen dem Tod des vorverstorbenen Ehemannes und dem Tod der Erblasserin selbst ist jedoch keinerlei Zäsur ersichtlich, kein Zeitpunkt greifbar, auf den ein Abfluss festgelegt werden könnte. Auch der Bestand des Vermögens der Erblasserin war bis zu ihrem Todeszeitpunkt veränderlich; eine betragsmäßige Bestimmung des Zugewendeten ist zu einem vorherigen Zeitpunkt nicht möglich.

b) Aus diesen Gründen ist auch die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung zur Frage des Zuflusszeitpunktes von Vergütungen an Gesellschafter einer Personengesellschaft und von Provisionen an Versicherungsvertreter nicht übertragbar. In all diesen Fällen kam es zu Gutschriften in den Büchern der Gesellschaft bzw. des Arbeitgebers, so dass ein bestimmter Zeitpunkt und ein bestimmter Betrag zu diesem Zeitpunkt ermittelbar waren (BFH Urteil vom 9. April 1968, IV 267/64, BStBl II 1968, 525; Urteil vom 23. Mai 1979, I R 56/77, BStBl II 1979, 763; Urteil vom 14. Mai 1982, VI R 124/77, BStBl II 1982, 469; Urteil vom 24. März 1993, X R 55/91, BStBl II 1993, 499; Beschluss vom 9. Juni 1997, GrS 1/94, BStBl II 1998, 307).

5. a) Die Nichtbegünstigung der Erblasserin ist auch im Ergebnis nicht unangemessen, sondern Folge der (gemeinsamen) Entscheidung von ihr (und ihrem Ehemann), das Vermögen erst nach dem Ableben dem Stiftungszweck zuzuführen, mithin sich bis zum Tode des Letztversterbenden die unbeschränkte Verfügungsbefugnis vorzubehalten. Eine unsachgemäße steuerliche Benachteiligung von Zuwendungen von Todes wegen gegenüber Zuwendungen unter Lebenden ist darin nicht zu sehen (vgl. Hessisches Finanzgericht Urteil vom 18. März 2004, 4 K 1260/01, EFG 2004, 1251, [...] Rn. 31). Es steht Stiftern frei, die Stiftung sogleich statt auf den Todesfall zu errichten, ihr bereits zu Lebzeiten durch Zuwendung unter Lebenden Vermögen zuzuwenden und so in den Genuss der Steuervergünstigung des § 10 b EStG zu kommen. Entsprechendes gilt für Zuwendungen etwa an gemeinnützige Vereine.

Der anderslautenden Ansicht des FG Hamburg im Urteil vom 06. April 1994 (I 132/91, EFG 1994, 965, [...] Rn. 19), wonach der Ausschluss der steuerlichen Berücksichtigung derartiger Zuwendungen beim Erblasser gegen den Zweck der Begünstigungsvorschrift verstoße und deswegen im Wege abändernder richterlicher Rechtsfortbildung durch teleologische Anpassung des Gesetzeswortlauts von §§ 10 b, 11 EStG die Zuwendung dem Erblasser zugerechnet werden müsse, ist der BFH (Urteil vom 23. Oktober 1996, X R 75/94, BStBl II 1997, 239, [...]) zurecht nicht gefolgt; sie ist ebenso im Schrifttum abgelehnt worden (Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 b EStG Rn. 16; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10 b EStG Rn. B434; Schneider/Krammer in Littmann/Bitz/Pust, § 10 b EStG Rn. 82), auch wenn es teilweise als im Ergebnis unbefriedigend empfunden wird, dass der Erblasser steuerlich begünstigt gewesen wäre, "hätte er noch auf dem Sterbebett die Banküberweisungen an die gemeinnützigen Organisationen unterschrieben" (Weber-Grellet, Anmerkung zu BFH Urteil vom 23. Oktober 1996, FR 1997, 179).

b) Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des BFH zur Nichtberücksichtigung von Vermächtniszuwendungen, weder beim Erben (BFH Urteil vom 22. September 1993, X R 107/91, BStBl. II 1993, 874, [...]) noch beim Erblasser (BFH Urteil vom 23. Oktober 1996, X R 75/94, BStBl II 1997, 239, [...]), und der grundsätzlich zustimmenden Reaktionen im Schrifttum, kein Anlass zu einer Rechtsänderung gesehen hat. Er hat in den Gesetzesbegründungen weder des Gesetzes zur weiteren Förderung von Stiftungen (BTDrs 14/2340 vom 13. Dezember 1999) noch des Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements (BTDrs 16/5200 vom 3. Mai 2007) darauf Bezug genommen.

6. Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die Rechtsprechung des BFH zur Versteuerung einer Abfindung beim durch Tod aus einer Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter in Frage gestellt. Nach dieser ständigen Rechtsprechung (z.B. BFH Urteil vom 15. April 1993, IV R 66/92, BStBl II 1994, 227, [...] Rn. 10) ist der Veräußerungsgewinn, der entsteht, wenn in einem Gesellschaftsvertrag die Fortführung der Gesellschaft ohne die Erben vereinbart ist und diese mit mehr als dem Buchwert abgefunden werden, noch dem Erblasser zuzurechnen. Es handelt sich hierbei jedoch um einen anders gelagerten Sachverhalt (so ausdrücklich BFH Urteil vom 23. Oktober 1996, X R 75/94, BStBl II 1997, 239, [...] Rn. 19), denn die Entscheidung, den Veräußerungsgewinn dem Erblasser zuzurechnen, beruht auf der Überlegung, dass die Erben zu keiner Zeit Gesellschafter werden konnten und nur den Abfindungsanspruch geerbt haben (BFH Urteil vom 15. April 1993, IV R 66/92, BStBl II 1994, 227, [...] Rn. 10). Hieraus lassen sich keine Schlüsse zur Lösung der hier entscheidungserheblichen Frage ziehen, ob eine Zuwendung der Erblasserin im Sinne von §§ 10 b, 11 EStG zuzurechnen ist.

7. Der Senat vermag eine Bedeutung der Eröffnungsbilanz der Klägerin für die Frage des Abflusszeitpunktes bei der Erblasserin nicht zu erkennen, da die Fiktion des Entstehungszeitpunktes der Stiftung gemäß § 84 BGB zwar für die Frage ihres Beginns und damit für den Zeitpunkt ihrer Eröffnungsbilanz relevant sein mag, § 84 BGB hat jedoch keine Auswirkung auf den Abflusszeitpunkt bei der Erblasserin (siehe I.3.).

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 90 a Abs. 2 Satz 2 FGO). Erbeinsetzungen von gemeinnützigen Stiftungen oder Vereinen kommen häufig vor. Der BFH hat bisher nur über die ertragsteuerliche Behandlung vom Vermächtnissen entschieden (beim Erben: BFH Urteil vom 22. September 1993, X R 107/91, BStBl. II 1993, 874, [...]; beim Erblasser: BFH Urteil vom 23. Oktober 1996, X R 75/94, BStBl II 1997, 239, [...]).

Ende der Entscheidung

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