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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 3 V 75/09
Rechtsgebiete: UStG, GG, SpielbG


Vorschriften:

UStG § 4
GG Art. 20
GG Art. 72 Abs. 1
GG Art. 105 Abs. 2
GG Art. 106 Abs. 2
SpielbG § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

A. Die Beteiligten streiten um die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteuer auf Erlöse aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.

I. Die Antragstellerin (Ast.) betreibt seit 8. Juli 2008 die gewerbliche Aufstellung von Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielstätten gemäß § 33 i Gewerbeordnung (GewO).

Für das Jahr 2008 erklärte sie in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen (Rechtsbehelfsakte --Rb-A-- Bl. 2-6 und Bl. 9) steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt 278.398 EUR und steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19% in Höhe von insgesamt 6.827 EUR.

Mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 19. Januar 2009 (Rb-A Bl. 12) schätzte der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 320.000 EUR, was zu einer Zahllast von 52.740,77 EUR führte.

Hiergegen legte die Ast. am 30. Januar 2009 Einspruch ein (Rb-A Bl. 1), über den noch nicht entschieden ist. Am 18. Februar 2009 beantragte sie Aussetzung der Vollziehung (Rb-A Bl. 18). Mit Bescheid vom 25. Februar 2009 gewährte das FA nur Aussetzung mit Sicherheitsleistung (Rb-A Bl. 29). Mit dem vorliegenden Antrag verfolgt die Ast. ihr Ziel der Aussetzung ohne Sicherheitsleistung weiter.

II. 1. Gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) in der bis 5. Mai 2006 geltenden Fassung waren (neben unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätzen) die Umsätze zugelassener öffentlicher Spielbanken umsatzsteuerfrei. Im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17. Februar 2005 (Rs. C-452/02 und C-462/02, "Linneweber", Slg. 2005, I-1131), mit dem der EuGH ausgeführt hat, dass der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in und außerhalb von Spielbanken umsatzsteuerlich nicht ungleich behandelt werden dürfe, wurde § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit Wirkung ab 6. Mai 2006 dahingehend geändert, dass nur noch unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallende Umsätze umsatzsteuerfrei sind.

2. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Vorlagebeschluss vom 17. Dezember 2008 (XI R 79/07, BStBl II 2009, 434, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2009, 364) § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG erneut dem EuGH (dort: Rechtssache C-58/09, ABl EU 2009, Nr. C 113, 19) vorgelegt. Er möchte wissen, ob § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in seiner derzeitigen Fassung gegen Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie --MwStSystRL--) verstößt. Zweifel bestünden deswegen, weil nur 37,4% der gesamten Glücksspielumsätze in Deutschland steuerbefreit seien, was mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Umsatzsteuerfreiheit von Glücksspielumsätzen kollidieren könnte.

3. Die Genehmigung und der Betrieb von Spielbanken sind in Deutschland durch Landesrecht geregelt. Die Spielbanken sind gemäß § 6 Abs. 1 der Verordnung über die öffentlichen Spielbanken vom 27. Juli 1938 von der Einkommensteuer, gemäß § 3 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) von der Gewerbesteuer sowie aufgrund der Spielbankgesetze der Länder von allen allgemeinen Landes- und Gemeindesteuern befreit. Stattdessen unterliegen sie der ebenfalls landesrechtlich geregelten Spielbankabgabe, einer Steuer, die gemäß Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 Grundgesetz (GG) den Ländern zusteht. Mithin unterliegen Spielbanken im Vergleich zu gewöhnlichen Gewerbetreibenden einem gänzlich anderen Steuerregime. Dabei soll die Spielbankabgabe zu einer der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerbelastung entsprechenden Besteuerung führen und zielt darüber hinaus darauf ab, die Gewinne der Spielbank möglichst weitgehend, wenn auch unter Belassung eines angemessenen Gewinns für den Unternehmer, zugunsten des Staates abzuschöpfen (BFH, Beschluss vom 29. März 2001 III B 79/00, BFH/NV 2001, 1244, [...] Rn. 29 f.). In allen Bundesländern wird dies dadurch umgesetzt, dass die Steuersätze der Spielbankabgabe sehr hoch sind (z.B. in Hamburg 70% zuzüglich Sonderabgabe 20%, insgesamt 90%) und die Steuer nicht nach dem Gewinn des Betreibers, sondern nach den Bruttoerträgen (Spieleinsätze abzüglich Gewinne der Spieler) bemessen wird, so dass sich die Kosten des Spielbankbetreibers nicht Abgabe mindernd auswirken.

In Hamburg ist weiter bestimmt, dass die zuständige Behörde auf Antrag die Sonderabgabe ermäßigen kann, soweit dem Spielbankunternehmen kein angemessener Gewinn verbleibt (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Spielbankgesetz Hamburg). Die Spielbankgesetze anderer Bundesländer enthalten entweder eine ähnliche Härtefallregelung oder sie gehen von einem niedrigeren Steuersatz aus, der durch die Behörde erhöht werden kann, sofern dem Spielbankbetreiber ein ausreichender Gewinn verbleibt.

4. Im Anschluss an die unter 1. geschilderte Änderung des Umsatzsteuergesetzes haben einige Bundesländer ihre Spielbankgesetze geändert:

a) Hessen (Gesetz vom 15. November 2007)

§ 8 Abs. 5 Spielbankgesetz:

"Sofern der Spielbankunternehmer Umsatzsteuer entrichten muss, wird die nach dem Umsatzsteuerrecht zu entrichtende Steuer aus dem Aufkommen der Spielbankabgabe getilgt."

b) Nordrhein-Westfalen (Gesetz vom 30. Oktober 2007)

§ 12 Abs. 3 Satz 2 Spielbankgesetz:

"Unterliegen die Bruttospielerträge der Umsatzsteuer, wird die nach dem Umsatzsteuergesetz tatsächlich und endgültig zu entrichtende Umsatzsteuer auf die zu entrichtende Spielbankabgabe angerechnet."

c) Schleswig-Holstein (Gesetz vom 12. April 2007)

§ 4 Abs. 1 Satz 2 Spielbankgesetz:

"Auf die Spielbankabgabe wird die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und entrichtete Umsatzsteuer aufgrund von Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, angerechnet."

d) Niedersachen (Gesetz vom 17. Dezember 2007)

§ 4 Abs. 9 Spielbankgesetz:

"Die tarifliche Spielbankabgabe nach Absatz 1 ermäßigt sich um die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und entrichtete Umsatzsteuer aufgrund von Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind. Die maßgeblichen Umsatzsteuerfestsetzungen gelten insoweit als Grundlagenbescheide im Sinn des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung."

e) Bayern (Gesetz vom 20. Dezember 2007)

Art. 5 Abs. 8 Spielbankgesetz: wie Niedersachsen, jedoch statt "entrichtete" Umsatzsteuer: "zu entrichtende" Umsatzsteuer

f) Saarland (Gesetz vom 21. November 2007)

§ 11 Abs. 1 Satz 3 und 4 Spielbankgesetz:

"Die Spielbankabgabe wird um die zu entrichtende Umsatzsteuer aus Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, ermäßigt. Die maßgeblichen Umsatzsteuerfestsetzungen gelten insoweit als Grundlagenbescheide im Sinn des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung."

g) Rheinland-Pfalz (in Kraft ab 1. Januar 2008)

§ 7 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 Spielbankgesetz:

"Auf die Spielbankabgabe wird die auf den unmittelbaren Spielbetrieb entfallende, zu entrichtende und keinem Erstattungsanspruch unterliegende Umsatzsteuer angerechnet. Das Spielbankunternehmen hat alle Rechte auszuüben, die einen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer begründen können. Ein Umsatzsteuerüberschuss, der sich zugunsten des Spielbankunternehmens ergibt, wird zum Zweck der Anrechnung von der zu entrichtenden und keinem Erstattungsanspruch unterliegenden Umsatzsteuer der nachfolgenden Anmeldungszeiträume abgezogen."

In den Ländern Hamburg, Brandenburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen kam es bisher nicht zu einer entsprechenden Änderung.

In Hamburg wird bei Erhebung der Spielbankabgabe die Umsatzsteuer angerechnet. Gemäß Auskunft des Finanzamtes wird dies in allen Bundesländern so gehandhabt.

III. Die Ast. trägt vor:

§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in seiner derzeitigen Fassung verstoße gegen Art. 135 MwStSystRL. Dies ergebe sich aus dem Vorlagebeschluss des BFH vom 17. Dezember 2008, der ausführe, nur 37,4% der gesamten Glücksspielumsätze in Deutschland seien steuerbefreit, was mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Umsatzsteuerfreiheit von Glücksspielumsätzen nicht zu vereinbaren sei. Auch der Bundesrat habe bei der Beratung der Neufassung des Gesetzes bereits Zweifel geäußert.

Außerdem umgehe die Freie und Hansestadt Hamburg die gemeinschaftsrechtlich durch das Urteil "Linneweber" geforderte Gleichbehandlung bei der Umsatzsteuer dadurch, dass sie bei der in ihrem Gebiet ansässigen Spielbank die Spielbankabgabe genau um den Betrag der monatlichen Umsatzsteuerzahllast ermäßige. Die faktische Befreiung der Spielbank von der Umsatzsteuer mache die Festsetzung von Umsatzsteuer bei der Ast. rechtwidrig. In ähnlicher Weise werde in anderen Bundesländern, z.B. in Rheinland-Pfalz, verfahren. Die Spielbankabgabe enthalte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) keinen Umsatzsteueranteil.

Die Ast. beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2008 vom 19. Januar 2009 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Ast. betreibe ihr Geschäft erst seit kurzem, weshalb noch keine stabile wirtschaftliche Situation vorliege. Monatlich erhöhe sich der Rückstandsbetrag. Deswegen seien für eine Aussetzung ohne Sicherheitsleistung besonders große Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung notwendig. Diese seien hier nicht gegeben:

Einige Finanzgerichte hätten die Rechtmäßigkeit von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG bejaht, andere Aussetzung der Vollziehung nur mit Sicherheitsleistung gewährt. Auch der BFH habe den Vorlagebeschluss lediglich verfasst, weil sich seine Zweifel an der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nur nicht mit der Sicherheit zerstreuen ließen, die für eine Entscheidung ohne vorherige Vorlage an den EuGH erforderlich sei. Keineswegs habe der BFH dabei geäußert, dass die fragliche deutsche Vorschrift mit großer Wahrscheinlichkeit gemeinschaftsrechtswidrig sei.

Es treffe zwar zu, dass bei der Berechnung der Spielbankabgabe die abgeführte Umsatzsteuer angerechnet werde, diese Ungleichbehandlung sei jedoch gerechtfertigt. Denn mit der Spielbankabgabe werde der Ertrag der Spielbank besteuert. Durch die Abgabe würden alle betrieblichen Steuern, mithin Einkommen, Gewerbe- und Umsatzsteuer abgegolten. Die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe führe daher lediglich zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung, jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Umsatzsteuerpflicht auf außerhalb einer Spielbank aufgestellte Geldspielautomaten.

B. Der zulässige Antrag ist begründet.

I. Soweit in dem Bescheid von steuerpflichtigen Umsätzen von mehr als 285.225 EUR, nämlich 320.000 EUR ausgegangen wird, bestehen ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung --FGO--) an der Rechtmäßigkeit bereits deswegen, weil das FA keine Schätzungsbefugnis hat. Die Ast. hat die Umsätze aus Glückspielautomaten nicht, wie andere Betreiber in vergleichbaren anderen Fällen (vgl. Finanzgericht --FG-- Hamburg , 3 V 61/09), gar nicht, sondern als steuerfreie Umsätze erklärt. Das FA mag zwar aufgrund seiner anderen Rechtsansicht die als steuerfrei erklärten Umsätze als steuerpflichtig behandeln, jedoch bestehen keine Anhaltspunkte, die eine (Höher-)Schätzung der Umsätze gemäß § 162 AO rechtfertigen würden.

II. Im Hinblick auf die Umsätze aus dem Glücksspielautomatengeschäft (278.398 EUR) gilt Folgendes:

Zwischen dem Erfordernis einer Sicherheitsleistung, über die auch bei finanzgerichtlicher Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO zu befinden ist (FG Hamburg, Beschluss vom 7. August 2007 7 V 78/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1644, [...] Rn. 28), und dem Grad der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels in der Hauptsache besteht eine Wechselwirkung: Denn je größer die Erfolgsaussicht, desto geringer ist die Gefahr eines Steuerausfalls (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 109). Legt das FA konkrete Anhaltspunkte für einen späteren Steuerausfall dar, so führt eine (nur) zweifelhafte Rechtslage zur Aussetzung mit Sicherheitsleistung. Liegen jedoch so ernsthafte und bedeutsame rechtliche Bedenken vor, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die Aufhebung der Steuerfestsetzung in Betracht kommt, ist eine Sicherheitsleistung unzumutbar (vgl. BFH, Beschluss vom 22. Dezember 1969 V B 115/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127, [...] Rn. 9 f.).

Zutreffend hat das FA dargelegt, dass aufgrund der Rechtsform der Klägerin (GmbH), der Höhe der sich zudem akkumulierenden Umsatzsteuerrückstände und mangels verfestigter Sachwerte in einer Betriebsstätte eine spätere Vollstreckung weniger aussichtsreich wäre.

Der somit erforderliche Grad der "großen Wahrscheinlichkeit" der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung liegt hier im Ergebnis vor.

III. Dabei ergibt sich eine solch große Wahrscheinlichkeit für den Senat noch nicht ohne weiteres aus dem geringen Anteil der steuerbefreiten Glückspielumsätze, was Gegenstand der Vorlage des BFH an den EuGH ist. Die Übereinstimmung von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG derzeitiger Fassung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL ist allerdings zweifelhaft.

1. Der BFH hat in seinem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 17. Dezember 2008 ausgeführt, Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL könne auch vertretbar dahingehend ausgelegt werden, dass die Mitgliedsstaaten berechtigt seien, Glücksspiele überwiegend der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, solange jedenfalls ein nicht unerheblicher Anteil der Gesamtumsätze steuerfrei bleibe (BFH vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07, BStBl II 2009, 434, DStR 2009, 364, [...] Rn. 40). Ein solcher nicht unerheblicher Anteil wäre jedoch bei 37,4% steuerfreien Umsätzen möglicherweise noch gegeben.

2. Der BFH hat weiter ausgeführt, die Ziele der Umsatzsteuerbefreiungen durch die MwStSystRL müssten beachtet werden. Was Wetten, Lotterien und Glücksspiele betreffe, sei die Steuerbefreiung durch praktische Erwägungen veranlasst: Glücksspielumsätze eigneten sich schlecht für die Anwendung der Mehrwertsteuer. Dieses Ziel der Steuerbefreiung könne dafür sprechen, die Steuerpflicht insoweit als zulässig anzusehen, als die Steuererhebung keine praktischen Schwierigkeiten bereite (BFH vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07, BStBl II 2009, 434, DStR 2009, 364, [...] Rn. 39). Solche praktischen Erhebungsschwierigkeiten sind aber bei Glücksspielautomaten nicht ersichtlich. Die Ast. konnte ihre Glücksspielumsätze unschwer beziffern.

3. Soweit der BFH bisher über Vollziehungsaussetzungsanträge zu entscheiden hatte, ging es nur um die Aussetzung überhaupt und daher darum, ob überhaupt ernsthafte Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität bestehen, was der BFH bejaht hat. Ob jedoch Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu gewähren ist und ob demgemäß eine hochgradige Wahrscheinlichkeit der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit besteht, war nicht Gegenstand der bisherigen Entscheidungen des BFH (Beschlüsse vom 30. Oktober 2007 V B 170/07, BFH/NV 2008, 627; vom 21. September 2007 V B 169/07, [...]; vom 7. September 2007 V B 119/07 sowie V B 95/07, [...]).

4. Das Niedersächsische FG hält die ab 6. Mai 2006 geltende Fassung des UStG für gemeinschaftsrechtskonform (Urteil vom 18. Oktober 2007 5 K 137/07, EFG 2008, 256; Beschluss vom 14. April 2008 16 V 77/08, [...]). Der vormalige 7. Senat des FG Hamburg hatte zwar ernsthafte Zweifel an der Gemeinschaftsrechtkonformität, sah jedoch für eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit keine große Wahrscheinlichkeit (FG Hamburg, Beschluss vom 7. August 2007 7 V 78/07, EFG 2007, 1644, [...] Rn. 30).

Bei dieser Sachlage kann auch nach Auffassung des erkennenden Senats von einer großen Wahrscheinlichkeit der Gemeinschaftsrechtwidrigkeit noch nicht gesprochen werden.

IV. Die große Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit folgt jedoch aus der Praxis der Hamburger Finanzbehörden, bei der Spielbankabgabe, die die Hamburger Spielbank zu tragen hat, die auf die dortigen Glücksspiele anfallende Umsatzsteuer zu verrechnen.

Denn es ist - wie die Ast. zutreffend ausführt - bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Betrachtungsweise verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig, dass der Hamburger Spielbank die Umsatzsteuer durch Abzug bei der Spielbankabgabe wieder erstattet wird.

1. Es dürfte bereits gegen den im Steuerrecht als Eingriffsrecht geltenden rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 GG, Art. 3 Hamburgische Verfassung --HV--) verstoßen, dass in Hamburg Umsatzsteuer aufgrund Verwaltungspraxis erstattet wird. Aus der Härtefallregelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 Spielbankgesetz Hamburg (vom 24. Mai 1976, als eine Umsatzsteuerpflicht von Spielbanken noch nicht im Raume stand) ergibt sich nämlich keine gesetzgeberische Absicht, gerade die Umsatzsteuer anzurechnen.

2. Aber selbst wenn es in Hamburg eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Umsatzsteueranrechnung gäbe, wäre diese wegen eines Verstoßes gegen Art. 105 Abs. 2 und 2a Satz 1 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG bei summarischer Betrachtung mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig und nichtig. Steuerliche Regelungen des Bundes - wie hier die Umsatzsteuerpflicht der Spielbankumsätze - entfalten Sperrwirkung für landesrechtliche Regelungen derselben Materie (Steuerart). Dies bedeutet nicht nur, dass durch Landesgesetz keine vergleichbaren Steuern erhoben werden dürfen. Es bedeutet auch, dass die bundesgesetzlich angeordneten Steuern nicht durch Landesgesetz ermäßigt oder durch eine korrespondierende Subvention kompensiert werden dürfen. Denn die Gesetzgebungshoheit dient nicht nur der Absicherung des Steueraufkommens. Sie dient auch ordnungs- und lenkungspolitischen Zwecken.

Zwar ist es dem Landesgesetzgeber unbenommen, eine Änderung bundesrechtlich geregelter Steuern (hier: Umsatzsteuer) zum Anlass zu nehmen, landesrechtlich geregelte Steuern (hier: Spielbankabgabe) zu überdenken und künftig anders zu regeln, z.B. herabzusetzen. Im Hinblick auf das sich aus dem Grundgesetz ergebende Verbot erdrosselnder Besteuerung liegt es sogar nicht fern, dass der Landesgesetzgeber bei der Spielbankabgabe mit ihren hohen Steuersätzen auf die Abschaffung der Umsatzsteuerfreiheit für Spielbanken mit einer im Ergebnis senkenden Änderung der Spielbankabgabe reagieren muss.

Gleichwohl ist es dem Landesgesetzgeber nicht gestattet, diese Senkung durch eine betragsgenaue Anknüpfung an die bundesrechtlich geregelte Umsatzsteuer vorzunehmen. Denn es kommt einer Ermäßigung der Umsatzsteuer gleich, wenn eine landesgesetzlich sonst geschuldete Steuer oder Abgabe um den Betrag der Umsatzsteuer ermäßigt wird. Dadurch laufen etwaige künftige Änderungen des Umsatzsteuergesetzes leer, etwa Steuersatzanhebungen oder -senkungen, Änderungen bei der Umsatzsteuerfreiheit von anderen als Glücksspielumsätzen, Änderungen hinsichtlich der Arten von Umsätzen, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, Änderungen beim Vorsteuerabzug oder bei der Steuerschuldnerschaft, soweit Spielbanken betroffen sind. Dem Bundesgesetzgeber wird daher seine Möglichkeit, durch Änderung des Umsatzsteuergesetzes Steuerpolitik zu betreiben oder europarechtlichen Vorgaben nachzukommen, in Bezug auf Spielbanken völlig genommen. Für Spielbanken wird das Umsatzsteuergesetz gänzlich gegenstandslos. Eine solche Regelung könnte nur (soweit nicht europarechtliche Vorgaben entgegenstehen) der Bundesgesetzgeber selbst treffen. Dem Landesgesetzgeber ist eine solche Regelung verboten. Er muss die von ihm gewünschte bzw. als notwendig erachtete Senkung der Spielbankabgabe im Rahmen dieses besonderen Steuerregimes ohne betragsmäßige Anknüpfung an die Umsatzsteuer herbeiführen.

3. Der Abzug der Umsatzsteuer bei der Spielbankabgabe ist bei summarischer Betrachtung auch mit großer Wahrscheinlichkeit gemeinschaftsrechtswidrig.

Der EuGH hat bereits mit Urteil vom 11. Juni 1998 (Rechtssache "Fischer", C-283/95, ABl EG 1998, Nr. C 258, 4, Slg 1998, I-3369, Internationales Steuerrecht --IStR-- 1998, 399, Tz. 30) entschieden, dass das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verfälscht würde, wenn die Mitgliedstaaten bei seiner Anwendung danach unterscheiden könnten, ob andere, nichtharmonisierte Abgaben bestehen. Hiernach ist es zum einen - dies war damals der Streitpunkt im Ausgangsverfahren - untersagt, eine Umsatzsteuerbefreiung an die Belastung mit der Spielbankabgabe zu knüpfen.

Daraus ergibt sich anders gewendet jedoch nach Auffassung des Senats mit großer Wahrscheinlichkeit genauso, dass es verboten ist, die Erhebung der Spielbankabgabe an die Belastung mit Umsatzsteuer zu knüpfen. Denn der verfälschende Effekt ist genau der gleiche. Die Erwägungen sind hier ähnlich wie die für die Gesetzgebungshoheit der Länder im Verhältnis zum Bund: Aus dem europarechtlichen System der Umsatzsteuer gemäß MwStSystRL folgt, dass die Mitgliedsstaaten neben der harmonisierten USt keine in ihrer Wirkung vergleichbare Steuer einführen dürfen. Selbstverständlich darf jeder Mitgliedsstaat grundsätzlich frei nach seinen eigenen, steuerpolitischen Entscheidungen andere, nicht der USt vergleichbare Steuern einführen und diese ggf. erhöhen, senken oder abschaffen. Soweit nicht die Grundfreiheiten des EG-Vertrages betroffen sind, unterliegt dies im Prinzip keinen europarechtlichen Vorgaben und Beschränkungen. Nach Auffassung des Senats ist es jedoch gleichwohl mit großer Wahrscheinlichkeit europarechtswidrig, bei Regelungen solcher nichtharmonisierter Steuern an die geschuldete harmonisierte Umsatzsteuer anzuknüpfen. Denn auch hier ergäbe sich der Effekt, dass Änderungen der MwStSystRL jedweder Art für Spielbanken künftig leerlaufen und diese aus dem steuerpolitischen Zugriff des europäischen Normgebers gänzlich ausscheiden würden. Der mitgliedsstaatliche Gesetzgeber (in föderalen Staaten egal welcher Ebene) muss daher die von ihm gewünschten steuerlichen Wirkungen bei nichtharmonisierten Steuern ohne betragsmäßige Anknüpfung an harmonisierte Steuern bewirken.

V. 1. Der Verstoß gegen das Grundgesetz allein führt jedoch nicht mit der notwendigen großen Wahrscheinlichkeit dazu, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber der Ast. rechtswidrig wäre, sondern könnte - aus Sicht der Ast. nur - dazu führen, dass die bisher gegenüber dem Spielbankbetreiber nur ermäßigt festgesetzte Spielbankabgabe in Höhe des Ermäßigungsbetrages noch nachträglich festzusetzen ist. Denn im Besteuerungsverfahren von Dritten, hier der Ast., ist die gleichheitswidrige Begünstigung anderer nur entscheidungserheblich und kann nur gerügt werden, wenn die Feststellung der Verfassungswidrigkeit für die Ast. die Chance offenhält, eine für sie günstigere Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Hieran fehlt es, wenn der Gesetzgeber an der Schaffung einer für die Ast. günstigeren Regelung aus Rechtsgründen oder aus offenkundigen tatsächlichen Gründen gehindert ist (BFH, Urteil vom 11. September 2008 VI R 81/04, [...]).

Der Hamburgische Landesgesetzgeber könnte jedoch für die Betreiber von Glücksspielautomaten außerhalb von Spielbanken aus den oben dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen (Sperrwirkung) genauso wenig wie für den Spielbankbetreiber eine Reduzierung anderer Steuern oder Abgaben in Höhe der auf die Glücksspielumsätze entfallenden Umsatzsteuer (oder eine direkte Subventionszahlung in dieser Höhe) bestimmen. Eine gleichheitskonforme Begünstigung der Ast. ist somit ausgeschlossen.

2. Dem Antrag zum Erfolg verhilft jedoch der Verstoß des Abzugs der Umsatzsteuer bei der Spielbankabgabe des Spielbankbetreibers gegen die MwStSystRL.

Eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit führt grundsätzlich dazu, dass die betreffende Norm nicht anzuwenden ist (Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, vgl. FG Hamburg, Urteil vom 4. April 2006 III 105/05, EFG 2006, 1627, [...] Rn. 56 m.w.N.). Zwar verstößt § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG unter dem Gesichtspunkt der Umsatzsteuerkompensation bei Spielbanken für sich genommen nicht gegen die MwStSystRL. Nach Auffassung des Senats spricht jedoch alles dafür, aus Sicht des EG-Rechts das Bundesrecht und das Landesrecht einheitlich als Ganzes zu betrachten. Würde jedoch der Bundesgesetzgeber die von den Spielbanken zu zahlende USt durch Anrechnung bei anderen bundesgesetzlich geregelten Steuern, etwa ESt, KSt oder GewSt, kompensieren, wäre der Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer evident. Allein dass die Kompensation mit landesrechtlich geregelten Abgaben, hier der Spielbankabgabe, erfolgt, kann aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die föderale Rechtsaufteilung in Deutschland ist aus Sicht des EG-Vertrages und der EG-Richtlinien kein Rechtfertigungsgrund für eine richtlinienwidrige Sachbehandlung.

Bei einer im UStG selbst geregelten Differenzierung könnte sich die Ast. als Aufsteller von Geldspielautomaten darauf berufen, dass die Regelung gemeinschaftsrechtswidrig und deswegen auf sie unanwendbar ist mit der Folge der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Umsätze (BFH, Urteil vom 12. Mai 2005 V R 7/02, BFHE 219, 164, BStBl II 2005, 617). Bei der Ungleichbehandlung, die sich aus der Zusammenschau von Bundesrecht und Landesrecht, also von UStG und Spielbankabgabe, ergibt, kann sich aus Sicht des Gemeinschaftsrechts nach dem zuvor Gesagten nichts anderes ergeben, d.h. die Ast. kann sich auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen.

VI. 1. Mit dem Absehen von einer Sicherheitsleistung kann sich nachfolgend nicht mehr die Frage einer Amtshaftung für die Kosten einer Bankbürgschaft oder anderen Sicherheitsleistung stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. April 2007 C-282/05, EuGHE 2007, I-2941, ABl. EU 2007, C-96, 9).

2. Der Senat merkt an, dass die baldige Klärung der letztgenannten Fragen durch eine Vorlage gemäß Art. 234 EG wünschenswert erscheint, damit der EuGH diese Fragen zusammen mit denen des Vorlagebeschlusses des BFH vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BStBl II 2009, 434, DStR 2009, 364) prüfen kann.

Der Senat sieht sich zur Vorlage im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht berechtigt. Die Unwirksamkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts steht hier nicht in Frage. In den verbleibenden Fällen kommt nach überwiegender bisheriger Auffassung zum deutschen Prozessrecht im einstweiligen Rechtsschutz eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht. Auch wenn diese aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zulässig wäre (Krück in von der Groeben, EWG-Vertrag, 4. Aufl., Art . 177 Rn. 56; Karpenstein in Grabitz/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 234 EGV Rn. 39, je m.w.N.), handelt es sich der Natur nach um ein summarisches Verfahren, das nicht auf die Beantwortung bisher noch nicht geklärter Rechtsfragen ausgerichtet ist (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Mai 1999 V B 6/99, BFH/NV 1999, 1526, [...] Rn. 10; Haarmann in Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, B 3 Rn. 4324; Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 170 und 295).

3. Der Senat kann hier offen lassen, wie der Landesgesetzgeber die Spielbankabgabe für die Zukunft durch Gesetzesänderung absenken kann, um eine wirtschaftliche Doppelbelastung der Spielbanken zu vermeiden, solange die Absenkung nicht an die festzusetzende Umsatzsteuer oder die Umsatzsteuerzahllast anknüpft (vgl. zur Absenkung der Spielbankabgabe Dziadkowski, Zur künftigen "offenen" Umsatzbesteuerung der deutschen Spielbanken aus europäischer Sicht, IStR 2006, 685, 690 unter 7.), und ob und welche Weiterungen sich für die Spielvergnügungssteuer ggf. daraus ergeben würden.

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Beschwerde folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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