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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: 4 K 137/06
Rechtsgebiete: FGO, MinöStV, MinöStG


Vorschriften:

FGO § 101 S. 1
MinöStV § 53 Abs. 1
MinöStG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 137/06

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Mineralölsteuer.

Die Klägerin, die mit Mineralöl handelt, stand seit Juni 2001 in Geschäftsbeziehungen mit der Firma A GmbH., X-Straße, G (im Folgenden: Firma A). Die Firma A war für die Klägerin als Spediteurin hinsichtlich der Belieferung verschiedener Tankstellen tätig. Zu diesem Zweck hatte die Klägerin der Firma A sog. Abholausweise ausgestellt, die die Firma A berechtigten, u.a. bei der Mineralölfirma B Kraftstoffe aus dem dortigen Kontingent der Klägerin in Empfang zu nehmen. Gegenüber der Klägerin hatte sich die Firma A verpflichtet, die Abholausweise nur im Rahmen gesonderter, ihr ausdrücklich von der Klägerin erteilter Aufträge zu verwenden.

Am 17.7. und 4.8.2001 holte die Firma A unter Verwendung der ihr überlassenen Abholausweise bei der Raffinerie B in G 20.195 l bzw. 25.248 l Diesel ab, ohne hierzu von der Klägerin beauftragt worden zu sein. Nachdem die Klägerin von diesen unberechtigten Abholungen per Datenfernübertragung erfahren hatte, schloss sie jeweils mit der Firma A einen Kaufvertrag über die jeweils abgeholte Menge Kraftstoff. Unter der Voraussetzung, dass die Firma A den Kaufpreis bezahlt, sollten die Ansprüche der Klägerin aus der Pflichtverletzung des Speditionsvertrages und aus unerlaubter Handlung erlöschen. Die in Bezug auf diese beiden Kaufverträge der Firma A ausgestellten Rechnungen wurden in der Folgezeit beglichen.

Am 16. und 25.8.2001 holte die Firma A erneut unter Vorlage von zwei Abholausweisen bei der Raffinerie B in G 30.062 l Diesel bzw. 30.672 l Diesel/Benzin sowie 4.976 l Heizöl ab, ohne hierzu von der Klägerin beauftragt worden zu sein; der Verbleib des Kraftstoffes blieb ungeklärt. Auch über diese Kraftstoffmengen schloss die Klägerin zwar, nachdem sie von den unberechtigten Abholungen erfahren hatte, mit der Firma A jeweils einen Kaufvertrag unter Einbeziehung ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Begleichung der über diese unerlaubten Abholungen ausstellten Rechnungen in Höhe von DM 44.311,83 bzw. DM 47.935,95 durch die Firma A erfolgte indes nicht. Versuche der Klägerin, aus einem in der Folgezeit gegenüber der Firma A erwirkten Versäumnisurteil des Landgerichts Essen zu vollstrecken, blieben erfolglos. Im August 2004 lehnte das Amtsgericht Krefeld den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma A mangels Masse ab.

Mit Schreiben vom 22.6.2005 beantragte die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt die Vergütung des in den ausgefallenen Forderungen gegen die Firma A enthaltenen Mineralölsteueranteils, was das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 19.9.2005 mit der Begründung ablehnte, dass zwischen der Klägerin und der Firma A lediglich ein Speditionsvertrag bestanden habe, der nicht auch auf den Verkauf von Mineralölen ausgerichtet gewesen sei; die Vorschrift des § 53 MinöStV sei auf diesen Sachverhalt nicht anwendbar.

Ihren gegen den Bescheid vom 19.9.2005 gerichteten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 15.6.2006 zurück; auf die Begründung der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.

Mit ihrer am 17.7.2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie betont, Voraussetzung für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nach § 53 MinöStV sei lediglich, dass zwischen dem Lieferanten und Warenempfänger ein Kaufvertrag geschlossen worden sei. Die Vorschrift verlange nicht, dass der Kaufvertrag bereits zum Zeitpunkt der Übergabe der Ware zustande gekommen sei. Nach dem Sinn und Zweck des § 53 MinöStV sei vielmehr allein entscheidend, dass zwischen Lieferant und Warenempfänger zu irgendeinem Zeitpunkt ein Kaufvertrag geschlossen worden sei, der einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung begründe. Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass der Kaufvertrag vor der Lieferung abgeschlossen worden sein müsse, um den Anforderungen des § 53 MinöStV zu genügen, hätte er diese Forderung ebenso deutlich wie die übrigen Erstattungsvoraussetzungen in den Gesetzestext aufgenommen. Dieses Ergebnis entspreche auch den Bedürfnissen der Praxis. So sei es branchenüblich, dass ein Spediteur, der die Kraftstoffe für den Lieferanten ausliefere, nach einer Auslieferung, soweit er noch Kraftstoff in seinem Tank habe, diesen selbst verbrauche bzw. in seinen Tank fülle, um ihn für sich zu verwenden. In diesen Fällen rufe der Spediteur nach der Inbesitznahme - d.h. Abfüllen des restlichen Kraftstoffs in seinen Tank - beim Lieferanten an, um mit diesem einen Kaufvertrag über den selbst genutzten Kraftstoff abzuschließen. Der Lieferant stelle dem Spediteur diesen Kraftstoff im Anschluss in Rechnung. In diesen Fällen komme der Kaufvertrag erst nach dem Besitzwechsel zustande.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 19.9.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 15.6.2005 zu verpflichten, ihr Mineralölsteuer in Höhe von EUR 21.704,74 nebst Zinsen in Höhe von 0,5% pro Monat seit Rechtshängigkeit zu vergüten.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verteidigt die angegriffenen Bescheide unter Bezugnahme auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Verpflichtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der ausgefallenen Mineralölsteuer (§ 101 Satz 1 FGO).

1. Nach § 53 Abs. 1 MinöStV wird dem Verkäufer von nachweislich nach § 2 MinöStG versteuertem Mineralöl auf Antrag die im Verkaufspreis enthaltene und beim Warenempfänger wegen Zahlungsunfähigkeit ausgefallene Steuer erstattet oder vergütet, wenn 1. der Steuerbetrag bei Zahlungsunfähigkeit EUR 5.000,-- übersteigt, 2. keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit im Einvernehmen mit dem Verkäufer herbeigeführt worden ist, 3. der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalt, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war und 4. Verkäufer und Warenempfänger nicht wirtschaftlich miteinander verbunden sind. Die in § 53 Abs. 1 MinöStV genanten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, so dass mangels Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist (vgl. BFH, Urteil vom 8.8.2006, VII R 15/06, juris; BFH, Urteil vom 17.1.2006, VII R 42/04, juris).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 MinöStV nicht erfüllt. Insoweit ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

a) Der vorliegende Rechtsstreit ist dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin mit der Firma A nachträglich einen "Kaufvertrag" über den am 16. bzw. 25.8.2001 entwendete Kraftstoff abgeschlossen hat. Ob ein solcher Vertrag als Kaufvertrag (§ 433 BGB) oder aber als Vertrag sui generis (Schadenregulierungsvertrag) zu qualifizieren ist, kann dahingestellt bleiben. Die Vorschrift des § 53 Abs. 1 MinöStV ist jedenfalls eingeführt worden, um den Mineralölhandel durch Übertragung des Ausfallrisikos von Kundenforderungen auf den Fiskus zu entlasten (vgl. nur BFH, Beschluss vom 8.2.2000, VII B 269/99, juris). In der Begründung des Gesetzes heißt es insoweit: "Die Regelung zielt darauf ab, das Risiko des Steuerausfalls unter Berücksichtigung eines angemessenen Selbstbehalts sachentsprechend dem Steuergläubiger zuzuweisen. Der Mineralölhandel wird steuertechnisch mit der Mineralölsteuer belastet, die der Handel über den Verkaufspreis bis zum Verbraucher als den eigentlichen Adressaten der Mineralölsteuer als Verbrauchsteuer weitergibt. Bei einem Ausfall der Forderung verbleibt nach der derzeitigen Rechtslage eine Steuerbelastung beim Händler, deren teilweise Beseitigung mittels Vergütung oder Erstattung der Steuer durch den Fiskus erfolgen soll" (BT-Drucksache 12/561, S. 16). Angesichts dieser Begründung des Gesetzgebers hält das erkennende Gericht dafür, dass die Vorschrift des § 53 Abs. 1 MinöStV einschränkend in der Weise auszulegen ist, dass die ausgefallene Kaufpreisforderung sich nicht auf Mineralöl beziehen darf, welches sich der Warenempfänger zuvor durch eine Straftat bemächtigt hat. Denn der Gesetzgeber wollte lediglich das Risiko des Steuerausfalls im Rahmen von typischen Handelsgeschäften mit versteuerten Mineralölen vom Mineralölhändler auf den Steuergläubiger verlagern. Es stellt indes - wie im Streitfall - kein typisches Handelsgeschäft zwischen Mineralölhändler und Warenempfänger dar, wenn dieses Mineralöl zum Gegenstand hat, das der Warenempfänger zuvor entwendet hat. Ein Verständnis der Norm ohne die vom erkennenden Gericht präferierte Einschränkung liefe im Ergebnis auf eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung gegenüber Mineralölhändlern hinaus, die - anders als die Klägerin - keine Kenntnis von der Person haben, die das Mineralöl entwendet hat. Da die Vorschrift des § 53 Abs. 1 MinöStV dem Mineralölhändler nicht das Risiko der Nichtrealisierung von Schadenersatzforderungen im Zusammenhang mit der Entwendung von Mineralöl abnehmen wollte, kann diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung nicht durch den Abschluss eines "Kaufvertrages" zwischen Mineralölhändler und Schadenersatzpflichtigem über das entwendete Mineralöl umgangen werden.

b) Vorliegend steht der Klägerin auch aus einem weiteren Grunde der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu.

In § 53 Abs. 1 MinöStV hat der Gesetzgeber fernerhin geregelt, dass der Mineralölhändler, will er sich seinen Vergütungsanspruch erhalten, seine Kaufpreisforderung durch Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts dinglich abzusichern hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts auch unabhängig von irgendwelchen Kausalitätserwägungen erforderlich, da es sich insoweit um ein Sicherungsmittel handelt, welches typischerweise darauf angelegt ist, einen Forderungsausfall zu verhindern oder zumindest in Grenzen zu halten, auch wenn der einfache Eigentumsvorbehalt ein erhebliches Sicherungsdefizit in sich trägt (vgl. nur BFH, Urteil vom 2.2.1999, VII R 18/98, juris).

Hinsichtlich des Streitfalles übersieht das erkennende Gericht nicht, dass auch die Klägerin mit der Firma A einen Eigentumsvorbehalt vereinbart hatte. Allerdings war die Vereinbarung dieses Eigentumsvorbehalts von vornherein zur Sicherung der "Kaufpreis"-Forderung ungeeignet. Der Verbleib der unberechtigt entnommenen Mineralöle war nämlich völlig ungeklärt. Vor diesem Hintergrund war der vom Gesetzgeber als Sicherungsmittel vorgeschriebene Eigentumsvorbehalt im Streitfall ein in jeder Hinsicht untaugliches Mittel zur Erreichung des beabsichtigten Sicherungszwecks. Läuft aber der vom Gesetzgeber mit der Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts verfolgte Sicherungszweck von vornherein leer, weil die Ware, auf die sich der Eigentumsvorbehalt beziehen soll, abhanden gekommen und spurlos verschwunden ist, kann das entsprechende Kaufgeschäft nicht Gegenstand eines Vergütungsanspruchs nach § 53 Abs. 1 MinöStV sein.

c) Die Klägerin kann die begehrte Vergütung schließlich aus einem weiteren Grunde nicht beanspruchen.

Die Gewährung einer auf § 53 Abs. 1 MinöStV gestützten Mineralölsteuervergütung setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Erfüllung des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals voraus, dass der Mineralölhändler im Geschäftsverkehr die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtet und wie ein sorgfältiger Kaufmann gehandelt hat (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 17.1.2006, VII R 42/04, juris). So darf eine weitere Belieferung des Abnehmers erst gar nicht erfolgen, wenn aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei vorangegangenen Lieferungen, wie z.B. fortgesetztem Zahlungsverzug, die Verhängung einer sofortigen Liefersperre geboten ist. Führt der Mineralölhändler dennoch weitere Lieferungen aus oder durchbricht er eine zuvor verhängte Liefersperre ohne einen rechtfertigenden Grund, kann er sich gegenüber den Finanzbehörden nicht darauf berufen, dass der Zahlungsausfall nicht zu vermeiden war (vgl.BFH, Beschluss vom 9.8.2002, VII B 311/01, juris).

Vorliegend hat die Klägerin die an einen sorgfältigen Kaufmann zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Zwar hat die Firma A die in Bezug auf die am 17.7. und 4.8.2001 erfolgten unberechtigten Abholungen geschlossenen "Kaufverträge" durch Begleichung der jeweiligen Forderung erfüllt. Dieses Zahlungsverhalten der Firma A darf freilich nicht zu der Annahme verleiten, dass es im Verhältnis der Klägerin zur Firma A bislang zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die einen sorgfältigen Kaufmann etwa zur Verhängung einer sofortigen Liefersperre veranlasst hätten. Der in Rede stehende Rechtsstreit ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Firma A innerhalb eines Zeitraumes von zwei Wochen zweimal bei der Raffinerie in G Mineralöle abholte, ohne hierzu von der Klägerin beauftragt worden zu sein. Dieses eigenmächtige und strafrechtlich relevante Verhalten der Firma A stellt so schwere Verletzung des zwischen der Klägerin und der Firma A im Juni 2001 geschlossenen Speditionsvertrages dar, dass ein sorgfältiger Kaufmann nach der zweiten eigenmächtigen Entnahme am 4.8.2001 die erst seit wenigen Wochen bestehende Geschäftsbeziehung zu der Firma A mit sofortiger Wirkung beendet und die noch in deren Besitz befindlichen Abholausweise umgehend herausverlangt hätte. Der Zahlungsausfall wäre bei ordnungsgemäßem Verhalten vermeidbar gewesen. Da die Klägerin diese Maßnahmen unterlassen hat, scheidet die Gewährung eines Vergütungsanspruchs nach § 53 Abs. 1 MinöStV aus.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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