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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 4 K 14/06
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 2913/92, Zollkodex


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 220 Abs. 2 Buchst. b
Zollkodex Art. 220 Abs. 2 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Eingangsabgaben.

Am 18.8.1995 ließ die Klägerin bei der Abfertigungsstelle des Hauptzollamts Hamburg-... eine Sendung, bestehend aus 19.467 kg entbeinter, gefrorener Hähnchenbrust der Codenummer 0207 4110 000 0 mit Ursprung in China unter Vorlage eines Ursprungszeugnisses zur Überführung in den freien Verkehr anmelden. Dabei gab sie in Feld 36 der Zollanmeldung den Präferenzcode 200 und in Feld 44 der Zollanmeldung die Nummer des vorgenannten Ursprungszeugnisses an. Am selben Tag wurde die Zollanmeldung angenommen und die Ware nach Beschau überlassen. Daraufhin meldete die Abfertigungsstelle die Sendung zwecks Anrechnung auf das Kontingent an die Zentralstelle Zollkontingente Düsseldorf, wobei sie aufgrund eines Fehlers im Deutschen Gebrauchszolltarif nicht erkannte, dass die Anwendung des Kontingentzollsatzes nach Art. 1 VO Nr. 1431/94 die Vorlage einer Einfuhrlizenz erforderte, die von der Klägerin nicht vorgelegt worden war.

Eine an das Bundesfinanzministerium am 18.8.1995 gerichtete Anfrage hinsichtlich des Zollkontingents führte zur Aufdeckung des Fehlers im Gebrauchszolltarif. Dieser wurde sodann vom Bundesfinanzministerium mit Erlass vom 22.8.1995 korrigiert. Eine Mitarbeiterin eines mit der Klägerin verbundenen Unternehmens, die auch bei der Klägerin für die Zollabfertigung zuständig war, wurde vom Bundesfinanzministerium noch am 22.8.1995 per Fax von dem festgestellten Erfordernis einer Einfuhrlizenz und der erfolgten Berichtigung des Gebrauchszolltarifs unterrichtet.

Offenbar in Unkenntnis dieses Erlasses setzte die Abfertigungszollstelle mit Einfuhrabgabenbescheid vom 24.8.1995 die Einfuhrabgaben unter Gewährung der im Rahmen dieses Kontingents vorgesehenen präferenziellen Zollfreiheit in Höhe von 4.449,87 DM fest.

Mit Steueränderungsbescheid vom 8.2.1996 forderte das damalige Hauptzollamt Hamburg-... die Klägerin gemäß Art. 220 Zollkodex zur Zahlung von Eingangsabgaben in Höhe von 71.130,46 DM auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Kontingent K ...7 zu Unrecht angewandt worden sei, weil für dieses Kontingent eine Einfuhrlizenz hätte vorgelegt werden müssen.

Mit Schreiben vom 13.2.1996 legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Nacherhebung gegen das sich aus Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex ergebende Verbot verstoße. Das Hauptzollamt Hamburg-... habe sich offensichtlich geirrt, indem es die Ware ohne Vorlage einer Einfuhrlizenz zum Kontingent K ...7 abgefertigt habe. Diesen Irrtum habe sie nicht erkennen können. Erst durch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 22.8.1995 habe sie, die Klägerin, Kenntnis von dem Fehler im Gebrauchszolltarif erhalten, der zu der irrtümlichen Gewährung des Präferenzzollsatzes geführt habe. Zuvor sei ihr noch bis zum 21.8.1995 von verschiedenen Zollstellen und auch vom Bundesfinanzministerium immer wieder die Auskunft erteilt worden, die Inanspruchnahme des Kontingents sei nicht von der Vorlage einer Einfuhrlizenz abhängig. Für die Frage der Erkennbarkeit des Irrtums sei im Übrigen nicht auf den Zeitpunkt der irrtümlichen Anwendung des Kontingentzollsatzes am 24.8.1995, sondern auf den Zeitpunkt der Zollanmeldung am 18.8.1995 abzustellen.

Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst, um eine Entscheidung des Finanzgerichts Bremen in einem vergleichbaren Fall abzuwarten. In der Folge beschäftigte sich auch der Europäische Gerichtshof auf der Grundlage eines vergleichbaren Sachverhalts mit der Frage der Erkennbarkeit des Irrtums. In seinem Urteil vom 3.3.2005 (C-499/03 P) hat er zunächst erkannt, dass Irrtümer der deutschen Zollbehörden vorliegen, hat deren Erkennbarkeit jedoch unter Hinweis auf die Komplexität der entscheidungserheblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften verneint. Auf das auch in diesen Fällen ergangene Hinweisschreiben des Bundesfinanzministeriums vom 22.8.1995 ist der Europäische Gerichtshof nicht eingegangen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30.12.2005 wurde der Einspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führt der Beklagte zunächst aus, dass unstreitig sei, dass die Vorlage einer Einfuhrlizenz für die Inanspruchnahme des Kontingentszollsatzes erforderlich gewesen wäre und dass die Anwendung des Kontingentszollsatzes insoweit infolge eines Irrtums im Sinne von Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex zu Unrecht erfolgt sei. Dieser Irrtum sei jedoch für die Klägerin erkennbar gewesen. Zwar seien die anzuwendenden Vorschriften komplex, jedoch sei am 22.8.1995 durch den Bundesfinanzminister gegenüber der Klägerin eine Klarstellung vorgenommen worden. Nach dieser Klarstellung sei der Irrtum erkennbar gewesen. Für die Erkennbarkeit könne nicht auf den Zeitpunkt der Zollanmeldung abgestellt werden, vielmehr sei der Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung, also der 24.8.1995, maßgeblich. Von der nachträglichen Abgabenerhebung könne auch deshalb nicht abgesehen werden, weil die Klägerin nicht alle Bestimmungen über die Zollanmeldung eingehalten habe. Vorliegend wäre für die Zulassung zu einem Zollkontingent nach Art. 20 Abs. 4 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 lit. f Zollkodex ein Antrag erforderlich gewesen. Ein solcher Antrag gelte als gestellt, wenn in Feld 39 des Einheitspapiers die vierstellige Nummer des Kontingents eingetragen worden sei. Er hätte zwar auch auf andere Weise gestellt werden können, die Klägerin habe jedoch weder die vierstellige Kontingentnummer in Feld 39 eingetragen, noch auf andere Weise einen Antrag auf Anwendung des Zollkontingents gestellt. Die Angabe des Codes 200 in Feld 36 und die Angabe der Nummer des Ursprungszeugnisses in Feld 44 stellten keinen entsprechenden Antrag dar. Die Nummer des Ursprungszeugnisses besage lediglich, dass eine Maßnahme nach dem allgemeinen Präferenzsystem angestrebt werde, nicht jedoch, ob auch die Anwendung eines im Rahmen dieses Systems gegebenenfalls vorgesehenen Zollkontingents gewünscht werde. Der Code 200 erfasse nach Anhang 38 ZK-DVO ausdrücklich nur andere als die durch die Codes 210 bis 250 erfassten Maßnahmen nach dem allgemeinen Präferenzsystem. Zollkontingente seien aber von den Codes 220 bis 228 erfasst, so dass die Angabe des Codes 200 in Feld 36 keinen Kontingentantrag darstelle.

Mit ihrer am 2.2.2006 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Ausführungen im Einspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Änderungsbescheid vom 8.2.1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.12.2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Eine Klageerwiderung hat der Beklagte nicht abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

I.

Der Änderungsbescheid vom 8.2.1996 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.12.2005 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

1.

Rechtsgrundlage für die Nacherhebung der Einfuhrabgaben ist Art. 220 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (Zollkodex), wonach die mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag erfasste Zollschuld nachträglich erfasst werden kann.

Übereinstimmend und zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Einfuhrabgaben für die streitgegenständliche Sendung mit dem ursprünglichen Abgabenbescheid vom 24.8.1995 nicht in der gesetzlich geschuldeten Höhe erfasst worden sind, da der Klägerin die Inanspruchnahme eines Zollkontingents gewährt worden war, obwohl sie die dafür erforderliche Einfuhrlizenz nicht vorgelegt hat. Insoweit liegen die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 Zollkodex vor.

2.

Der nachträglichen Erhebung der Einfuhrzollschuld steht nicht die Vorschrift des Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex entgegen. Danach erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

Es ist auf einen sog. aktiven Irrtum des Zollamtes Hamburg-... zurückzuführen, dass ursprünglich kein Einfuhrzoll erhoben worden ist. Aufgrund eines Fehlers im Deutschen Gebrauchszolltarif ging das Zollamt davon aus, für die Inanspruchnahme des Präferenzzollsatzes sei die Vorlage einer Einfuhrlizenz nicht erforderlich. Dass insoweit ein Irrtum im Sinne von Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex vorgelegen hat, räumt auch der Beklagte ein. Insoweit sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab. Allerdings war dieser Irrtum für die Klägerin erkennbar.

Für die Frage, ob ein Irrtum erkennbar ist, kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an, wobei namentlich die Art des Irrtums, die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil v. 26.11.1998, C-370/96; Witte, Zollkodex, Art. 220 Tz. 24). Allein die Tatsache, dass sich Zollbeamte geirrt haben, lässt allerdings den Schluss auf die Nichterkennbarkeit des Irrtums für den Zollschuldner nicht zu (BFH, Beschluss v. 23.3.2000, VII B 299/99; FG Hamburg, Urteil v. 11.11.2002, IV 61/99). Hinsichtlich der Art des Irrtums kommt es u.a. darauf an, ob die betreffende Regelung verwickelt oder - im Gegenteil - so einfach und klar ist, dass eine Prüfung der Umstände einen Irrtum leicht erkennbar gemacht hätte (FG Hamburg, Urteil v. 11.9. 2002, IV 61/99). Dabei gilt zunächst, dass die Klägerin generell gehalten ist, sich über die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften anhand ihrer im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft bzw. in anderen verbindlichen Quellen erfolgten Veröffentlichung zu informieren (FG Hamburg, Urteil v. 19.2.2003, IV 260/00; vgl. zu diesem Maßstab auch Witte, Zollkodex, Art. 220, Tz. 26, 30 mit zahlreichen Nachweisen).

Vorliegend sprechen die Gesamtumstände des Falles bei verständiger Betrachtung dafür, dass die Klägerin erkannt hat oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen konnte, dass für die Inanspruchnahme des Präferenzzollsatzes eine Einfuhrlizenz erforderlich ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Klägerin ist nach allseitiger Auffassung eine erfahrene Marktteilnehmerin. Auch wenn sie von daher über erhebliche Erfahrungen insbesondere im Hinblick auf die Einfuhr von Geflügelfleisch verfügen dürfte, und wenn von ihr grundsätzlich erwartet werden kann, dass ihr die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Einfuhrbestimmungen vertraut sind, so ist im konkreten Fall gleichwohl festzustellen, dass die Vorschriften, aus denen sich das Erfordernis einer Einfuhrlizenz ergibt, derart komplex sind, dass die Erkennbarkeit des zollbehördlichen Irrtums zu verneinen wäre, wäre die Klägerin bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abgabenberechnung vom 24.8.1995 allein auf die Kenntnisnahme von den einschlägigen Vorschriften angewiesen, wie der Europäische Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall festgestellt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 3.3.2005, C-499/03 P). Die Besonderheit des vorliegenden Falles, aus der sich ergibt, dass der Irrtum trotz der komplexen Gesetzeslage für die Klägerin erkennbar war, liegt darin, dass sie mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 22.8.1995 auf das Erfordernis einer Einfuhrlizenz hingewiesen worden ist. Dieses Schreiben ist an Frau P unter der Anschrift der Firma B GmbH gerichtet worden. Frau P ist nach eigenem Bekunden der Klägerin auch für die Zollabfertigung bei der Klägerin zuständig. In diesem Schreiben, das aufgrund einer Anfrage von Frau P verfasst wurde, weist das Bundesministerium der Finanzen auf den Erlass vom 22.8.1995 hin, mit dem der deutsche Gebrauchszolltarif nach Abstimmung mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung mit Wirkung vom 1.7.1995 dahingehend geändert wurde, dass für die Inanspruchnahme des Kontingents für die Einfuhr von Hausgeflügelteilen der Codenummer 0207 4110 000 0 die Vorlage einer Einfuhrlizenz erforderlich ist; weiter wurde auf die entscheidenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften verwiesen. Insofern erhielt die Klägerin am 22.8.1995 Kenntnis darüber, dass sie zusammen mit ihrer Zollanmeldung für die Inanspruchnahme des Kontingents eine Einfuhrlizenz hätte vorlegen müssen und konnte bei Erhalt des Abgabenbescheides vom 24.8.1995 erkennen, dass ihr der Präferenzzoll wegen des Fehlens der Einfuhrlizenz nicht hätte gewährt werden dürfen.

Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung der Klägerin, wonach für die Frage der Erkennbarkeit des Irrtums auf den Zeitpunkt der Zollanmeldung (hier der 18.8.1995) abgestellt werden müsse, so dass nach diesem Zeitpunkt erhaltene Informationen nicht mehr zur Erkennbarkeit eines Irrtums bei der Abgabenberechnung führen könnten. Ein solches Verständnis hält der Senat weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch nach deren Sinn und Zweck für geboten.

Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex stellt nach seinem Wortlaut ausdrücklich darauf ab, dass der Irrtum der Zollbehörden vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte. Erkannt werden kann ein Irrtum erst dann, wenn er begangen worden ist. Zum Zeitpunkt der Zollanmeldung hat sich die jeweilige Abfertigungszollstelle bzw. die für die Abgabenerhebung zuständige Zollstelle noch nicht geäußert und kann sich von daher auch noch nicht geirrt haben. Geirrt hat sie erst in dem Moment, in dem sie die Abgaben fehlerhaft berechnet hat. Folglich muss für die Erkennbarkeit des Irrtums auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem der Irrtum begangen worden ist, was zum Zeitpunkt der Zollanmeldung noch nicht der Fall war.

Auch Sinn und Zweck des Art. 220 Abs. lit. b Zollkodex gebieten es nicht, für die Frage der Erkennbarkeit auf den Zeitpunkt der Zollanmeldung abzustellen. Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex stellt eine Vertrauensschutzregelung dar. Das Vertrauen des Einführers bezieht sich aber nicht auf die Richtigkeit seiner Zollanmeldung, sondern auf die Richtigkeit der ursprünglichen Berechnung der Einfuhrabgaben, konkret auf die Richtigkeit der Entscheidung über die Gewährung des Präferenzzollsatzes. Dieses Vertrauen ist dann nicht schutzwürdig, wenn der Einführer vor Erlass des ursprünglichen Abgabenbescheides bzw. im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Abgabenbescheides erkannt hat bzw. erkennen konnte, dass dieser unzutreffend ist. Weshalb es im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck entscheidend sein soll, ob der Einführer die Umstände, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Abgabenberechnung ergibt, vor oder nach der Zollanmeldung erkennt oder erkennen kann, erschließt sich dem Senat nicht. Letztlich geht es doch darum, dass dem Einführer Vertrauensschutz versagt werden soll, wenn er sich darauf einstellen konnte, dass es bei der ursprünglichen Abgabenberechnung nicht bleiben wird. Dieses "sich einstellen können" ist auch möglich, wenn der Einführer die entsprechenden Kenntnisse nach der Zollanmeldung aber noch vor der Abgabenberechnung erhält. Soweit die Klägerin vorträgt, die Zollverwaltung habe sich gleichsam in einer Art latentem Dauerirrtum befunden, da sie mit einer inhaltlich unrichtigen Ausgabe des Gebrauchszolltarifs arbeitete, kann ihr zugestimmt werden. Dies führt hier jedoch nicht zu einer anderen Betrachtung. Entscheidend muss der konkret begangene Irrtum sein, der in der Abgabenberechnung liegt. Nur diese war für die Klägerin unmittelbar relevant und nur auf deren Richtigkeit kann sich ihr Vertrauen beziehen. Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex schützt das Vertrauen in die Richtigkeit der buchmäßigen Erfassung des Abgabenbetrages und nicht in die "Richtigkeit" oder den Fortbestand der zum Zeitpunkt der Anmeldung gegebenen Rechtslage. Zum Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung war für die Klägerin jedoch erkennbar, dass sich diese auf eine unrichtig erfasste Rechtslage stützte und damit fehlerhaft war.

Soweit das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23.3.1993 (11 K 65/91 Z), auf das die Klägerin sich beruft, dahin zu verstehen sein sollte, dass es stets auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Zollanmeldung ankommen soll, folgt der Senat dem nicht. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehende Erkennbarkeit durch ein Verhalten der Zollverwaltung entfallen kann. Mit der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation hat sich das Finanzgericht Baden-Württemberg nicht befasst. Entsprechendes gilt für die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3.3.2005 (C-499/03 P), der sich zwar zur Komplexität der auch im Streitfall entscheidungserheblichen Vorschriften, nicht jedoch zur Frage des Zeitpunktes, auf den hinsichtlich der Erkennbarkeit des Irrtums abzustellen ist, geäußert hat.

Auf die weitere vom Beklagten aufgeworfene Frage, inwieweit die Klägerin alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat, kommt es nicht mehr an.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist im Hinblick auf die noch nicht höchstrichterlich geklärte Frage des Zeitpunktes, auf den für die Erkennbarkeit des Irrtums abzustellen ist, sowie das möglicherweise abweichende Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23.3.1993 (11 K 65/91 Z) zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH VII R 62/06)

Ende der Entscheidung

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