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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 4 K 15/08
Rechtsgebiete: VO Nr. 615/98/EG


Vorschriften:

VO Nr. 615/98/EG Art. 1
VO Nr. 615/98/EG Art. 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 15/08

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 18.11.1999 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt A insgesamt 35 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000 zur Ausfuhr in den Libanon an. Die Tiere sollten mit dem LKW von B über C, D, E und F nach G transportiert und sodann für den Weitertransport in den Libanon auf ein Schiff verladen zu werden. Ausweislich des Transportplanes verließ der LKW am 18.11.1999 um 13.30 Uhr den Versandort in B und erreichte gegen 23.00 Uhr H. Nach Versorgung der Tiere wurde der Transport am 19.11.1999 um 1.00 Uhr fortgesetzt. Entgegen der ursprünglichen Planung erreichte der LKW erst gegen 16.00 Uhr F, da sich der weitere Transport durch zwei Standzeiten - scil. in der Zeit von 5.40 bis 6.45 Uhr infolge einer Unfallaufnahme sowie in der Zeit von 9.30 bis 11.30 wegen einer Schwerlastverkehrskontrolle - verlängerte. In F wurden die Tiere sodann entladen, gefüttert und getränkt und nach einer Ruhezeit von 20 Stunden am 20.11.1999 gegen 12.30 Uhr erneut verladen. Noch am selben Abend erreichte der Transport um etwa 18.30 Uhr G, wo die Tiere anschließend verschifft wurden.

Den Antrag der Klägerin vom 29.11.1999 auf Gewährung von Ausfuhrerstattung lehnte das beklagte Hauptzollamt in der Folgezeit mit Bescheid vom 1.2.2001 unter Hinweis darauf ab, dass die Klägerin während des Transports der Tiere die gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten habe. Insoweit führte das beklagte Hauptzollamt in dem Bescheid vom 1.2.2001 aus: Gemäß Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 setze die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder des KN-Codes 0102 voraus, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Richtlinie des Rates 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport eingehalten werde. Nach Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Transportplanes sei festgestellt worden, dass die nach Kapitel VII Ziffer 48 Nr. 5 der Richtlinie 91/628/EWG vorgeschriebene Ruhepause von 24 Stunden nicht eingehalten worden sei mit der Folge, dass der Klägerin die begehrte Ausfuhrerstattung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 zu versagen sei. Den gegen den Bescheid vom 1.2.2001 gerichteten Einspruch der Klägerin wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 12.12.2001 zurück.

Mit ihrer am 4.1.2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie räumt zwar ein, dass die Ruhezeit an der ... Grenze in F lediglich etwa 20 Stunden betragen habe. Der LKW sei am 19.11.1999 gegen 16.00 Uhr an der ... Grenze eingetroffen. Da der Grenzveterinär an diesem Tage bereits Dienstschluss gehabt habe, sei von den ... Behörden die Abladung der Tiere angeordnet worden. Auf Weisung des zuständigen ... Grenzveterinärs sei der LKW am 20.11.1999 gegen 12.00 Uhr wieder beladen worden. Wenn der Grenzveterinär der Auffassung gewesen wäre, dass die Tiere im Hinblick auf die nicht erfolgte Ruhepause von 24 Stunden noch nicht transportfähig seien, hätte er den Weitertransport sicherlich nicht abgefertigt. Die Wiederbeladung des LKW nach einer Ruhepause von nur 20 Stunde stelle daher einen Fall höherer Gewalt dar.

Das beklagte Hauptzollamt tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und meint, dass sich die Klägerin auch nicht auf höhere Gewalt berufen könne. Unter Berücksichtigung des geplanten Transportverlaufs hätte die Klägerin in jedem Falle in F eine Ruhepause einplanen müsse. Es gehöre zu den Sorgfaltspflichten eines Ausführers, durch eine entsprechende Vorankündigung des Transports sicherzustellen, dass die Tiere nicht vorzeitig das Gelände verlassen müssten. Ein Ausführer, der gegen diese Sorgfaltspflicht verstoße, könne sich nicht auf höhere Gewalt berufen.

Mit Beschluss vom 10.1.2006 (IV 3/02) hat der Senat das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 1 VO Nr. 615/98 insoweit gültig, als er die Gewährung der Ausfuhrerstattung an die Einhaltung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport knüpft

2. Für den Fall, dass die vorstehende Frage bejaht wird: Ist die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, wonach Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar?

Aufgrund dieses Ersuchens hat der Gerichtshof mit Urteil vom 17.1.2008 (C-37/06) wie folgt erkannt:

1. Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18. März 1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport beeinträchtigen könnte.

2. Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beeinträchtigen könnte. Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit diesem Grundsatz angewandt haben.

Nach Eingang des Urteils des Europäischen Gerichtshofs hat der Senat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen, das nunmehr unter dem Aktenzeichen 4 K 15/08 geführt wird.

Mit Beschluss vom 20.5.2008 hat der Senat das Verfahren in Bezug auf den geltend gemachten Zinsanspruch abgetrennt.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 1.2.2001 und der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2001 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 29.11.1999 Ausfuhrerstattung in Höhe von DM 18.696,84 zu gewähren.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die zulässige Verpflichtungsklage führt zum Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt (§ 101 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

1. Der Gemeinschaftsverordnungsgeber hat nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18.3.1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. Nr. 82/19, im Folgenden: VO Nr. 615/98) die Zahlung der Ausfuhrerstattung für lebende Rinder des KN-Codes 0102 in zulässiger Weise davon abhängig gemacht, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG (= Richtlinie des Rates vom 19.11.1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG, ABl. Nr. 340/17, in der Fassung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, ABl. Nr. 1 148/52) sowie die Regelungen der VO Nr. 615/98 eingehalten werden (vgl. EuGH, Urteil vom 17.1.2008, C-37/06, Rz. 47, [...]). Dementsprechend wird gemäß Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt für Tiere, die während des Transportes verendet sind oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 VO Nr. 615/98 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist. Hinsichtlich des Streitfalles hat beklagte Hauptzollamt allerdings zu Unrecht angenommen, dass es der Klägerin im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 keine Ausfuhrerstattung schuldet. Zwar hat die Klägerin gegen die Richtlinie 91/628/EWG verstoßen (hierzu unter a). Dieser Verstoß darf indes unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zum Anlass genommen werden, der Klägerin gestützt auf die Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 die Ausfuhrerstattung zu versagen (hierzu unter b).

a) Die Klägerin hat in Bezug auf den in Rede stehenden Tiertransport gegen die Richtlinie 91/628/EWG verstoßen.

In Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG ist unter Ziffer 48.4 lit. d) "Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Fahrt und Ruhezeiten" bestimmt, dass Tiere der Gattung Rind (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 91/628/EWG) bei der Verwendung eines - wie hier - unter Ziffer 48.3 genannten Fahrzeuges nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten müssen, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können; nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Nach der festgesetzten Transportdauer, so ist es in Ziffer 48.5 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG weiter geregelt, müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten. Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG sieht schließlich vor, dass die Transportzeiten nach u.a. Ziffer 48.4 insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden dürfen. Als Transport gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 91/628/EWG jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschließlich Ver- und Entladen.

Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport ist (lediglich) festzustellen, dass die Klägerin die nach Ziffer 48.5 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG vorgeschriebene Ruhepause von mindestens 24 Stunden nicht eingehalten hat. Denn die Tiere wurden in F am 19.11.1999 gegen 16.30 Uhr entladen und am 20.11.1999 nach einer Ruhezeit von 20 Stunden um ca. 12.30 Uhr wieder verladen.

Entgegen der im Vorlagebeschluss vom 10.1.2006 (IV 3/02, [...]) geäußerten Ansicht geht der Senat nicht mehr davon aus, dass die Klägerin auch das in Ziffer 48.4 lit. d) des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG niedergelegte zweite Transportintervall missachtet hat. Zwar wurde der Transport am 18.11.1999 im Anschluss an das erste Transportintervall nach Versorgung der Tiere in H in der Zeit von 23.00 bis 1.00 Uhr für insgesamt 15 Stunden bis zur Ankunft in F am 19.11.1999 um 16.00 Uhr fortgesetzt. Im Hinblick auf diesen Teil des Transportes ist freilich zu beachten, dass der LKW in der Zeit von 9.30 bis 11.30 Uhr aufgrund einer Polizeikontrolle eine Standzeit hatte, in der die Tiere auch versorgt wurden (vgl. Bl. 85 und 88 der Sachakte). Der in Rede stehende Tiertransport setzt sich somit aus insgesamt drei Transportintervallen von 8 1/2 (1. Transportintervall: Abfahrt 13.30 Uhr in B bis Ankunft um 23.00 Uhr in H), 8 1/2 (2. Transportintervall: Abfahrt 1.00 Uhr in H bis Beginn Polizeikontrolle um 9.30 Uhr in der Nähe des Grenzüberganges in J) und 4 1/2 Stunden (3. Transportintervall: Ende Polizeikontrolle gegen 11.30 Uhr bis Ankunft in F um etwa 16.00 Uhr) zusammen.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 20.5.2008 (4 K 25/08) ausgeführt, dass die Normierungen der Ziffer 48.4 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG einem Ausführer gestatten, die beiden maximalen Transportzeiten auf der Straße (einschließlich Ver- und Entladen) von jeweils 14 Stunden durch eine längere als einstündige Ruhezeit zu unterbrechen, wobei eine längere als einstündige Ruhepause nicht dazu führt, dass sich das anschließende Transportintervall von 14 Stunden entsprechend verkürzt. Aus diesem Normverständnis hat der Senat die weitere Konsequenz abgeleitet, dass sich die maximale Transportzeit auf der Straße (einschließlich Ver- und Entladen) von 28 Stunden auf mehr als zwei Transportintervalle verteilen kann, sofern das einzelne Transportintervall 14 Stunden nicht überschreitet. So liegt der Fall auch hier: Die Klägerin hat die ihr nach der Richtlinie 91/628/EWG zur Verfügung stehende Gesamttransportzeit auf der Straße (einschließlich Ver- und Entladen) von 28 Stunden in zulässigerweise auf drei Transportintervalle von zusammen 21 1/2 Stunden (= 8 1/2 + 8 1/2 + 4 1/2) aufgeteilt, wobei es in diesem Zusammenhang unbeachtlich ist, dass die Standzeit aus Anlass der Polizeikontrolle nicht eingeplant war; entscheidend ist insoweit allein, dass diese Standzeit als Ruhezeit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. h) der Richtlinie 91/628/EWG zu werten ist, während der die Tiere auch versorgt wurden (vgl. Bl. 85 der Sachakte). Denn als Ruhezeit gilt jeder Zeitraum während der Verbringung, in dem die Tiere nicht in einem Transportmittel befördert werden (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. h) der Richtlinie 91/628/EWG). Dass die beiden Ruhezeiten insgesamt 4 Stunden (1. Ruhepause: 18/19.11.1999 von 23.00 bis 1.00 Uhr, 2. Ruhepause: 19.11.1999 von 9.30 bis 11.30 Uhr) ausmachten, ist der Klägerin mit Blick auf die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport ebenfalls nicht vorzuhalten.

b) Das beklagte Hauptzollamt darf indes unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten den vorliegenden Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG nicht zum Anlass nehmen, der Klägerin gestützt auf die Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 die Ausfuhrerstattung zu versagen.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem auf das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats (Beschluss vom 10.1.2006, IV 3/02, [...]) ergangenen Urteil vom 17.1.2008 (C-37/06, [...]) erkannt, dass das vorlegende Gericht zu prüfen hat, ob die zuständigen Behörden die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewandt haben (Rz. 47). Denn die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, wonach die Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, bei denen die zuständige Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628/EWG nicht eingehalten worden ist, räumt der "Behörde bei der Entscheidung, ob der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führt, ein gewisses Ermessen ein" (EuGH, Urteil vom 17.1.2008, C-37/06, Rz. 38). Die zuständige Behörde hat deshalb - so hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17.1.2008 (C-37/06) weiter ausgeführt - zu prüfen, ob sich der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG auf das Wohlergehen der Tiere ausgewirkt hat, ob dieser Verstoß gegebenenfalls geheilt werden kann und ob er zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss (Rz. 44).

Im Streitfall ist das dem beklagten Hauptzollamt nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 eingeräumte Ermessen in der Weise gebunden, dass allein die Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung als ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt. Insoweit hat sich der erkennende Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Nach der Richtlinie 91/628/EWG sind nicht nur der Ausführer und Transportunternehmer, sondern auch die Mitgliedstaaten selbst für den Schutz der Gesundheit der Tiere beim Transport verantwortlich (vgl. Schlussantrag des Generalanwalts Mengozzi vom 13.9.2007, C-37/06, Rz. 43, http://curia.europa.eu/de/transitpage.htm). Die Mitgliedstaaten haben nicht nur dafür Sorge zu tragen, dass keine oder möglichst geringe Transportverzögerungen eintreten und die Tiere nicht oder so wenig wie möglich leiden, sie haben auch Vorkehrungen zu treffen und darauf zu achten, dass der Transport der Tiere unter Bedingungen erfolgt, die den in der Richtlinie 91/628/EWG gestellten Anforderungen entsprechen (vgl. Art. 7 der Richtlinie 91/628/EWG). Angesichts dieser Verantwortlichkeit auch der Mitgliedstaaten für die Einhaltung der Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport hält der erkennende Senat dafür, dass das beklagte Hauptzollamt einen Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG nicht zum Anlass für eine Kürzung oder Versagung der Ausfuhrerstattung nehmen darf, wenn dieser Verstoß in die Sphäre der Behörden der Mitgliedstaaten fällt. So liegt der Fall denn auch hier: Die Unterschreitung der nach Ziffer 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG vorgeschriebenen Ruhepause hatte allein der diensthabende Veterinär zu verantworten, denn dieser ordnete bereits nach einer Rast von 20 Stunden die Aufladung und den Weitertransport der Tiere an. Auf diese Entscheidung des Veterinärs konnte der Fahrer des Transports keinen Einfluss nehmen.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt im vorliegenden Zusammenhang hinzu: Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 17.1.2008 (C-37/06, [...]) der zuständigen Behörde mit Blick auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufgegeben zu prüfen, ob sich der festgestellte Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG auf das Wohlergehen der Tiere überhaupt ausgewirkt hat (Rz. 44). Diese Prüfung kann im Streitfall nur zu Gunsten der Klägerin ausfallen. Denn der... Veterinär kann seine Anordnung der Weiterfahrt nach einer Ruhepause von bereits 20 Stunden ersichtlich nur auf der Grundlage der Erwägung getroffen haben, dass die (vorzeitige) Weiterfahrt dem Schutz dieser Tiere keinen Abbruch tut. In dieser Annahme wird der Senat bestärkt durch den Vermerk des ... Veterinärs über die Kontrolle an der Ausgangsstelle aus der Gemeinschaft, die gemäß Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 615/98 u.a. auch die Überprüfung und Bescheinigung umfasst, dass die Tiere im Sinne der Richtlinie transportfähig sind.

Um weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, gibt der Senat ergänzend folgenden Hinweis: Auch auf der Basis des bisherigen Normverständnisses des beklagten Hauptzollamtes, wonach die Normierungen der Richtlinie 91/628/EWG (Ziffer 48.4 des Anhangs) einem Ausführer eine maximale Transportdauer von 29 Stunden aufgeteilt auf zwei Transportintervalle von maximal 14 Stunden gestatten würden, dürfte die danach vorliegende Überschreitung des zweiten Transportintervalls nicht zum Verlust oder zur Kürzung der Ausfuhrerstattung führen. Vielmehr hätte das beklagte Hauptzollamt im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens zu berücksichtigen, dass die Überschreitung der Transportzeit um etwa eine Stunde darauf beruhte, dass der LKW am 19.11.1999 in der Zeit von 5.40 bis 6.45 Uhr infolge einer Unfallaufnahme und in der Zeit von 9.30 bis 11.30 Uhr aufgrund einer Polizeikontrolle zwei Standzeiten von einer bzw. zwei Stunden hatte. Ohne diese Standzeiten von zusammen drei Stunden, die für die Klägerin bzw. den Fahrer nicht vorhersehbar waren, hätte der LKW F bereits gegen 13.00 Uhr nach einer Transportzeit von 12 Stunden und damit innerhalb der nach Ziffer 48.4 lit. d) des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628EWG zulässigen Transportdauer erreicht, was im Übrigen auch deutlich macht, dass dem Transport eine realistische Planung zugrunde lag. Ist die Überschreitung der Transportzeit aber auf Umstände zurückzuführen, die für den Ausführer bzw. Fahrer nicht vorhersehbar und damit auch nicht planbar waren und bewegt sich die Transportzeitüberschreitung jedenfalls innerhalb eines zeitlichen Rahmens, der in Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG in Bezug genommen wird, darf die Ausfuhrerstattung weder gekürzt noch versagt werden, im Gegenteil: In derartigen Fallkonstellation erweist sich allein die Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung als ermessensfehlerfreie Entscheidung.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.



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