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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.04.2008
Aktenzeichen: 4 K 165/05
Rechtsgebiete: MOG, VO (EG) Nr. 3665/87, ZK


Vorschriften:

MOG § 10 Abs. 1
MOG § 10 Abs. 3
VO (EG) Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 3
ZK Art. 71 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 165/05

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausfuhrerstattung sowie gegen die Festsetzung einer Sanktion.

Die Klägerin, die ... Süßwaren herstellt, führte in den Jahren 1994 und 1995 kakaohaltige Marzipanbrote in verschiedene Länder der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) aus. Für den in den Marzipanbroten enthaltenen Weißzucker gewährte ihr das beklagte Hauptzollamt antragsgemäß Ausfuhrerstattungen.

Nachdem Feststellungen des Hauptzollamtes für Prüfungen Köln ergeben hatten, dass bei den von der Klägerin ausgeführten Marzipanartikeln ein Fettreifeschaden zu einer Vergrauung und Vermattung des Schokoladenüberzuges geführt hatte, forderte das beklagte Hauptzollamt mit Rückforderungsbescheid vom 20.10.2000 sowie 10 weiteren Berichtigungsbescheiden vom 31.10.2000 die der Klägerin gewährten Ausfuhrerstattungen in Höhe von insgesamt DM 767.330,28 unter Hinweis darauf zurück, dass die Ausfuhrware nicht von handelsüblicher Qualität im Sinne des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 gewesen sei. Mit Sanktionsbescheid vom 01.11.2000 setzte das beklagte Hauptzollamt zudem gegenüber der Klägerin gemäß Art. 11 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 eine Sanktion in Höhe von DM 540.514,38 mit der Begründung fest, die Klägerin habe aufgrund vorsätzlich falscher Angaben eine höhere als ihr zustehende Erstattung beantragt.

In ihrem gegen die Bescheide vom 20. und 31.10. sowie 01.11.2000 gerichteten Einspruch wandte die Klägerin ein, dass die bei den Marzipanbroten infolge starker Fettreifebildung eingetretene Vergrauung und Vermattung der Schokoladenüberzüge einer Vermarktung der Erzeugnisse unter normalen Bedingungen und unter der im Erstattungsantrag erscheinenden Bezeichnung nicht entgegengestanden habe. Die Ware hätte ohne Weiteres unter normalen Bedingungen in der Europäischen Union vermarktet werden können, was zum Teil auch geschehen sei. So sei ein Teil der beschädigten Ware - scil. insgesamt 108.824 kg - an einen englischen Kunden, die Firma A Ltd., mit einer Wertminderung unter 50% veräußert worden. Auch die übrige, nur optisch beeinträchtigte Ware hätte sich problemlos in der Europäischen Union veräußern lassen können. Die schokoladenüberzogenen Marzipanprodukte seien allein aus dem Grunde exportiert worden, weil sie - die Klägerin - in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland ausschließlich Premium-Produkte vertreibe. Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion Hamburg habe zudem in ihrem Untersuchungszeugnis und Gutachten vom 01.12.1995 bestätigt, dass die mit der Ausfuhranmeldung VAB-Nummer .... Erstattungsbescheid Nr. 95 ...) ausgeführte Teilmenge von 14.534,4 kg als gesund und handelsüblich sowie für die menschliche Ernährung geeignet anzusehen sei.

In der Folgezeit reduzierte das beklagte Hauptzollamt mit Änderungsbescheid vom 08.03.2001 die gegenüber der Klägerin festgesetzte Sanktion unter Hinweis auf Art. 11 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 auf DM 135.128,60.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2001 wies das beklagte Hauptzollamt sodann den Einspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 20. und 31.10.2000 sowie den Sanktionsbescheid vom 01.11.2000 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.03.2001 zurück. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die in Rede stehenden Marzipanbrote hätten im Gemeinschaftsgebiet nicht mehr unter normalen Bedingungen vermarktet werden können, sie seien deshalb nicht von handelsüblicher Qualität im Sinne des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 gewesen. Angesichts der Oberflächenveränderung hätten die schokoladenüberzogenen Marzipanbrote nicht mehr der berechtigten Verbrauchererwartung entsprochen, sie seien erheblich wertgemindert und damit praktisch nicht mehr verkaufsfähig gewesen. Auch die Klägerin habe letztlich eingeräumt, dass innerhalb der Gemeinschaft lediglich die Möglichkeit des Absatzes der geschädigten Ware über auf Haveriefälle spezialisierte Unternehmen bestanden habe. Damit sei aber ein regulärer Verkauf der Ware im Gemeinschaftsgebiet praktisch ausgeschlossen gewesen. Darüber hinaus hätten auch die auf Schadensfälle spezialisierten Unternehmen die Schadenswaren nur in einer begrenzten Anzahl unter besonderen Hinweisen - scil. unter Auszeichnung als Schadensware - sowie mit erheblichen Preisnachlässen vermarkten können, was einer Anerkennung der Ausfuhrwaren als handelsüblich im Sinne des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 ebenfalls entgegenstehe.

Mit ihrer am 26.10.2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie betont erneut, die schokoladenüberzogenen Marzipanprodukte seien ausschließlich deshalb exportiert worden, weil sie - die Klägerin - unternehmenspolitisch in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland nur Premium-Produkte vertreiben wolle, nicht aber deswegen, weil angeblich auf dem europäischen Markt eine Vermarktung unter normalen Bedingungen ausgeschlossen gewesen sei. Wenn ein Produkt aufgrund eines Schadensfalles nicht mehr die Premium-Kriterien erfülle, so heiße das noch lange nicht, dass es damit auch seine Handelsüblichkeit in der Europäischen Union verliere. Die bei der Ausfuhrware aufgetretene optische Veränderung habe auch keine Veränderung des Geschmacks und der lebensmitteltechnischen Qualität der Ware nach sich gezogen. Die lediglich optisch beeinträchtigte Ware hätte sich problemlos in der Europäischen Union veräußern lassen. Sie - die Klägerin - bemerkt zudem, dass auch der letztlich für die streitgegenständliche Ware erzielte Verkaufspreis keine Anhaltspunkte für die Handelsüblichkeit der Ware liefere. Die Entscheidung, Ware außerhalb der Gemeinschaft zu verkaufen, könne durchaus ausschließlich unternehmerische oder marktpolitische Gründe haben, etwa übermäßige Lagerkapazitäten möglichst schnell abzubauen und dabei auch einen unterpreisigen Verkauf außerhalb der Gemeinschaft in Kauf zu nehmen. Dass der Preisbildung - wenn überhaupt - nur und erst dann eine Bedeutung für die Beurteilung der Handelsüblichkeit der ausgeführte Ware zukomme, wenn der für die Erstattungsware erzielte Preis unterhalb der Ausfuhrerstattung liege, habe im Übrigen der Europäische Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 19.10.1973 dargelegt. Schließlich meint die Klägerin, es stehe überhaupt nicht fest, dass sämtliche in die GUS-Staaten gelieferten Marzipanbrote von der Fettreifebildung betroffen gewesen seien. Lediglich bei zwei Ausfuhrsendungen habe eine zollamtliche Beschau stattgefunden, die allerdings keine Beanstandungen ergeben habe. Nicht ohne Grund habe das beklagte Hauptzollamt die insoweit betroffenen Berichtigungsbescheide zwischenzeitlich auch aufgehoben. Weitergehende Feststellungen hinsichtlich der Qualität der von ihr ausgeführten Waren seien von den Zollbehörden nicht getroffen worden. Sie - die Klägerin - könne sich daher auf die Rechtswirkungen des Art. 71 Abs. 2 ZK berufen, wonach die in der Anmeldung enthaltenen Angaben dem weiteren Verfahren zugrunde zu legen seien, wenn keine Überprüfung der Anmeldung erfolgt sei. Auch aus dem von der B GmbH erstellten Gutachten ergebe sich nicht, dass alle ausgeführten Produkte von der Fettreifebildung betroffen gewesen seien. Abgesehen davon, dass das Gutachten lediglich aus versicherungsrechtlichen Gründen erstellt worden sei, sei die Ware auch nicht vollumfänglich, sondern nur stichprobenhaft geprüft worden. Lediglich aufgrund dieser stichprobenhaften Überprüfung sei die B GmbH zu der Einschätzung gelangt, dass die Ware insgesamt geschädigt sei und ihr - der Klägerin - deshalb der Versicherungsanspruch zustehe. Welche Maßstäbe bei dieser stichprobehaften Überprüfung angelegt worden seien, ergebe sich aus dem Gutachten nicht.

Die Klägerin beantragt,

1. den Rückforderungsbescheid (M 3500 - B - ...) vom 20.10.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2001 und des Änderungsbescheides vom 26.03.2008,

2. die Berichtigungsbescheide

... vom 31.10.2000 über 10.193,19 DM,

... vom 31.10.2000 über 72.477,12 DM,

... vom 31.10.2000 über 10.034,26 DM,

... vom 31.10.2000 über 9.410,16 DM,

... vom 31.10.2000 über 5.247,25 DM,

... vom 31.10.2000 über 6.805,68 DM,

... vom 31.10.2000 über 4.550,65 DM,

... vom 31.10.2000 über 6.687,09 DM,

... vom 31.10.2000 über 10.340,23 DM,

... vom 31.10.2000 über 7.479,50 DM,

jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2001,

3. den Sanktionsbescheid (M 3500 B - ...) vom 01.11.2000 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 08.03.2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2001 und des Änderungsbescheides vom 26.03.2008,

aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verteidigt die angegriffenen Bescheide unter Hinweis auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und merkt ergänzend an, wenn eine Ware nicht mehr dem hohen Qualitätsanspruch des Verbrauchers in der Gemeinschaft entspreche und deshalb nur noch kanalisiert über auf Schadensfälle spezialisierte Unternehmen und mit hohen Preisabschlägen abgesetzt werden könne, könne nicht mehr von einer Vermarktung unter normalen Bedingungen gesprochen werden. Die Klägerin müsse auch die in dem Gutachten der B GmbH getroffenen Feststellungen gegen sich gelten lassen. Gerade der Umstand, dass die Klägerin aufgrund der Darstellungen in dem Gutachten Versicherungsleistungen erhalten habe, zeige anschaulich, dass die von ihr ausgeführten Waren nicht mehr von handelsüblicher Qualität gewesen seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

1. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Ausfuhrerstattung ist - soweit die Ausfuhren vor dem 01.04.1995 erfolgten - die Vorschrift des § 10 Abs. 1, Abs. 3 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen vom 27.08.1986 (BGBl. I 1986, S. 1397, mit späteren Änderungen, im Folgenden: MOG), wonach rechtswidrige begünstigende Bescheide, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen und zu erstattende Beträge durch Bescheid festzusetzen sind, bzw. - soweit die Ausfuhren ab dem 01.04.1995 erfolgten - die Vorschrift des Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. 1 351/1, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 02.12.1994, ABl. Nr. 1 310/57, im Folgenden: VO Nr. 3665/87). Nach dieser Vorschrift hat der Begünstigte zu Unrecht erhaltene Beträge zurückzuzahlen. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung nach § 10 Abs. 1 MOG bzw. Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hatte für die von ihr ausgeführten Waren keinen Anspruch auf Gewährung von Ausfuhrerstattung, weil diese Erzeugnisse nicht im Sinne von Art. 13 Unterabsatz 1 VO Nr. 3665/87 handelsüblicher Qualität waren (hierzu unter a). Auf die Vorschrift des Art. 71 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (Zollkodex - ZK) kann sich die Klägerin nicht berufen (hierzu unter b). Der Senat geht auch davon aus, dass die gesamte Erstattungsware mit einem erheblichen Fettreifeschaden befallen war (hierzu unter c). Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer Rückforderung nicht entgegen (hierzu unter d).

a) In Art. 13 Unterabsatz 1 VO Nr. 3665/87 ist geregelt, dass Ausfuhrerstattung nicht gewährt wird, wenn die Erzeugnisse nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind; sind diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt, so darf ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt sein. Der erkennende Senat geht in gefestigter Rechtsprechung unter Hinweis auf die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteile vom 19.11.1998, C-235/97, [...], und09.10.1973, 12/73, [...]) davon aus, dass die Voraussetzung des Art. 13 Unterabsatz 1 VO Nr. 366587 - scil. die handelsübliche Qualität der Ausfuhrware - nur dann erfüllt ist, wenn das Erzeugnis im Zeitpunkt der Ausfuhrabfertigung objektiv unter normalen Bedingungen auf dem Gemeinschaftsmarkt vermarktet werden könnte (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 17.02.2005, IV 247/01, [...]; Urteil vom 10.12.2003, IV 68/00, [...]; Urteil vom 05.11.2003, IV 238/00, [...]). Der Europäische Gerichtshof hatte nämlich bereits in seinem Urteil vom 09.10.1973 (Rs. 12/73, Rz. 12, [...]) erkannt, dass das Merkmal der gesunden und handelsüblichen Qualität eine allgemeine und objektive Voraussetzung für die Gewährung einer Erstattung ist und dass ein Erzeugnis diesen Qualitätsanforderungen nicht genügt, wenn es im Gemeinschaftsgebiet nicht unter normalen Bedingungen und unter der im Erstattungsantrag erscheinenden Bezeichnung vermarktet werden kann. In seinem Urteil vom 19.11.1998 (C-235/97, [...]) hatte der Europäische Gerichtshof diese Rechtsauffassung bestätigt und darauf hingewiesen, dass die allgemeine Systematik der anwendbaren Gemeinschaftsregelung verlange, dass die Erzeugnisse so beschaffen sein müssten, dass sie unter normalen Verhältnissen vermarktet werden könnten. Diese unter der Geltung der Verordnung Nr. 3665/87 bestehende Rechtslage ist durch die Nachfolgeverordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. Nr. 1 102/11, im Folgenden: VO Nr. 800/1999), die die Verordnung Nr. 3665/87 aus Gründen der Klarheit neu fasst (vgl. 1. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 800/1999), bestätigt worden (vgl. EuGH, Urteil vom 26.5.2005, C-409/03, Rz. 27, [...]). In Art. 21 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber nämlich bestimmt, dass eine Ausfuhrerstattung nicht gewährt wird, wenn die Erzeugnisse am Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind (Unterabsatz 1), wobei die Erzeugnisse dieser Anforderung entsprechen, wenn sie im Gebiet der Gemeinschaft unter normalen Bedingungen und der im Erstattungsantrag aufgeführten Bezeichnung vermarktet werden (Unterabsatz 2).

Freilich erläutert der Gemeinschaftsverordnungsgeber nicht, was unter der Wendung "unter normalen Bedingungen" zu verstehen ist. Ein Verständnis dieser Wendung in dem Sinne, dass letztlich jedes Erzeugnis, das Gegenstand eines rechtmäßigen Handelsgeschäfts sein kann, als unter normalen Bedingungen vermarktungsfähig zu qualifizieren ist, würde jedenfalls zu einer Aushöhlung dieses Begriffs und damit auch des Erstattungsmerkmals der handelsüblichen Qualität führen. Hilfreich für die Auslegung und das Verständnis der Formulierung "unter normalen Bedingungen" und damit des Erstattungsmerkmals der handelsüblichen Qualität in Art. 13 VO Nr. 3665/87 sind allerdings die englische ("N refund shall be granted on products which are not of sound and fair marketable quality, or on products intended for human consumption whose characteristics or condition exclude or substantially impair their use for that purpose.") und französische ("Aucune restitution n'est octroyée lorsque les produits ne sont pas de qualité saine, loyale et marchande et, si ces produits sont destinés à l'alimentation humaine, lorsque leur utilisation à cette fin est exclue ou considérablement diminuée en raison de leurs caractéristiques ou de leur état.") Fassung. Die in der englischen bzw. französischen Fassung verwandten Adjektive "sound and fair marketable" bzw. "loyale et marchande" bedeuten "gesund oder intakt" sowie "börsenfähig oder gängig" bzw. "gesetzestreu" sowie "handelskaufmännisch"; sie machen deutlich, dass mit dem Begriff der "handelsüblichen Qualität" auf dem Erzeugnis inhärente Merkmale Bezug genommen wird, die in der Weise zu umschreiben sind, dass das Erzeugnis die Eigenschaften besitzen muss, die das Gesetz oder die Geflogenheiten des Handels im Gemeinschaftsgebiet verlangen (ähnlich auch Schlussantrag des Generalanwalts Légervom 03.02.2005 in der Rechtssache C-409/03, Rz. 47, http://curia.europa.eu).

Das vorstehend skizzierte Verständnis hat freilich nicht zur Konsequenz, dass der Begriff der handelsüblichen Qualität voraussetzt, die Erzeugnisse müssten von (wenigstens) durchschnittlicher Qualität im geschäftlichen Sinne sein. Mit Blick auf die Normzwecke der Verordnung Nr. 3665/87 ließe sich zwar argumentieren, dass die Gewährung der aus dem Gemeinschaftshaushalt finanzierten Ausfuhrerstattungen solchen Erzeugnissen vorbehalten bleiben sollte, deren Vermarktbarkeit in der gesamten Gemeinschaft besonders anerkannt sei. Eine solche Argumentation ist aber nicht nur dem Einwand ausgesetzt, dass auf dem Gemeinschaftsmarkt Waren minderer mit Waren durchschnittlicher und bester Qualität konkurrieren und dass diese zum Teil erheblichen Qualitätsunterschiede, die sich regelmäßig im Preis der Ware ausdrücken, bei nahezu allen von den landwirtschaftlichen Marktordnungen erfassten Waren anzutreffen sind. Im zu betrachtenden Kontext ist auch zu berücksichtigen, dass das Erstattungsrecht grundsätzlich einheitliche Erstattungssätze für die lediglich nach Positionen und Unterpositionen der aus dem Gemeinsamen Zolltarif entwickelten Erstattungsnomenklatur beschriebenen Waren festlegt und damit in Kauf nimmt, dass die Ausfuhrerstattung für Waren unterschiedlicher Qualität in gleicher Höhe gewährt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 15.07.2003, VII R 10/02, [...]). Ob eine Differenzierung der Ausfuhrerstattung nach der Qualität des Erzeugnisses wünschenswert erscheint (vgl. hierzu Sonderbericht Nr. 4/97 über die Prüfung bestimmter Aspekte von Maßnahmen im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands betreffend EAGL-Ausgleichszahlungen und -Ausfuhrerstattungen zusammen mit den Antworten der Kommission, ABl. Nr. C 144/1), hat der erkennende Senat nicht zu beurteilen. Im geltenden Erstattungsrecht ist eine solche Differenzierung jedenfalls nicht vorgesehen. Vor diesem Hintergrund hält der erkennende Senat dafür, dass der Begriff der handelsüblichen Qualität in Art. 13 VO Nr. 3665/87 nicht verlangt, dass die Waren eine bestimmte Qualität im subjektiven oder geschäftlichen Sinne aufweisen müssen (in diesem Sinne auch Schlussantrag des Generalanwalts Léger vom 03.02.2005 in der Rechtssache C-409/03, Rz. 59 u. 64, http://curia.europa.eu). Die Gewährung von Ausfuhrerstattung ist folglich nicht a limine ausgeschlossen, wenn ein Erzeugnis - so wie hier - von nur minderer, d.h. von schlechterer als der normalen Handelsqualität ist (vgl. hierzu bereits FG Hamburg, Urteil vom 19.01.2005, IV 70/03, wonach Fleisch, das irreversible Gefrierbranderscheinungen aufweist, zwar eine Ware minderer Qualität darstellt, jedoch durchaus noch marktfähig ist und unter normalen Verhältnissen vermarktet werden kann). Für die Beurteilung der Frage der handelsüblichen Qualität der Ausfuhrware kommt es somit fernerhin grundsätzlich nicht darauf an, zu welchem Preis der drittländische Empfänger das Erzeugnis abgenommen und/oder zu welchem Preis der Ausführer das Erzeugnis erworben hat (vgl. BFH, Beschluss vom 09.12.2002, VII B 102/02, [...]).

Allerdings darf die Ware nicht mit (offenen oder verdeckten) Mängeln im Sinne des Gewährleistungsrechts behaftet sein, da die Allgemeinheit nicht mit den Folgen der Nicht- oder Schlechterfüllung der Vertragspflichten eines Herstellers und Ausführers, ein ordnungsgemäßes Erzeugnis zu liefern, belastet werden darf (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.1998, C-235/97, Rz. 80, [...]). Auch darf eine Qualitätsbeeinträchtigung nicht dazu führen, dass das Erzeugnis in der Gemeinschaft nicht mehr uneingeschränkt verkehrsfähig ist. Letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn das Erzeugnis nurmehr aufgrund einer besonderen Ausschreibung unter Offenlegung des der Ware anhaftenden Schadensfalles handelbar ist. In einer solchen Konstellation kann nämlich nicht mehr die Rede davon sein, dass das Erzeugnis im Gebiet der Gemeinschaft (noch) unter normalen Bedingungen vermarktet werden kann. Ein solches Erzeugnis besitzt dann nicht mehr die Eigenschaften, die die Geflogenheiten des Handels verlangen. Entsprechend verhält es sich schließlich, wenn die Ware an den drittländischen Empfänger aufgrund der Qualitätseinbuße nurmehr zu einem Preis veräußert werden kann, der letztlich einem "Verramschen" der Ware gleichkommt. So liegt der Fall denn auch hier:

Bei den von der Klägerin ausgeführten Marzipanbroten war es zu einer Vergrauung und Vermattung der Schokoladenüberzüge infolge starker Fettreifebildung gekommen. Diese von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Qualitätsbeeinträchtigung (vgl. nur Klagebegründung vom 22.02.2002, Bl. 58 der Gerichtsakte) war von einer solchen Intensität, dass eine Vermarktung der Erzeugnisse nurmehr aufgrund einer Ausschreibung als Havariepartie möglich war. Diese Ausschreibung stand zudem unter der Bedingung, dass die angebotene Havariepartie nur in die GUS-Länder verkauft werden durfte (vgl. Gutachten der B GmbH über Ermittlungen zu Art, Umfang, und Ursache des Schadens vom 26.05.1995, S. 67). Dass für die Klägerin möglicherweise auch die Möglichkeit bestanden hätte, die Marzipanbrote innerhalb Deutschlands, der Niederlande, Belgiens und Englands zu veräußern (vgl. Schreiben der B GmbH vom 12.12.2000, Anlage A 7), ist insoweit ohne rechtliche Relevanz. Abgesehen davon, dass die Klägerin diese Möglichkeit nicht näher konkretisiert hat, hätte eine Veräußerung innerhalb der Gemeinschaft auch nur als Havarieverkauf (vgl. Schreiben der B GmbH vom 12.12.2000, S. 2, Anlage A 7) und damit unter einer besonderen Ausschreibung erfolgen können, was die handelsübliche Qualität dieser Erzeugnisse ausschließt.

Unbeschadet der vorstehenden Darlegungen ist in Bezug auf die von der Klägerin ausgeführten Erzeugnisse aus einem weiteren Grunde davon auszugehen, dass diese nicht (mehr) von im Sinne des Art. 13 VO Nr. 3665/87 handelsüblicher Qualität waren. Ausweislich des Gutachten der B GmbH über Ermittlungen zu Art, Umfang und Ursache des Schadens vom 26.05.1995 (S. 92) hätte die Klägerin die streitbefangenen Marzipanbrote ohne die eingetretene Fettreifebildung zu einem Preis von insgesamt ca. 12.500.000,-- DM veräußert. Tatsächlich konnte sie aufgrund des Schadensfalles lediglich einen Verkauferlös von rund 1.200.000,-- DM erzielen. Kommt es grundsätzlich nicht darauf an, zu welchem Preis das Erstattungserzeugnis veräußert werden kann, erfährt dieser Grundsatz indes - wie bereits ausgeführt - dann eine Durchbrechung, wenn die Ware aufgrund der Qualitätseinbuße ausschließlich verschleudert werden kann, was bei einem - wie im Streitfall - Verkaufserlös von weniger als 10% des regulären Preises ohne weiteres anzunehmen ist.

Der erkennende Senat ist darüber hinaus der Auffassung, dass auch rein optische Beeinträchtigungen der Erstattungsware die handelsübliche Qualität eines Erzeugnisses ausschließen; ob diese optischen Beeinträchtigungen auch den Geschmack und/oder die lebensmitteltechnische Qualität der Erstattungsware beeinflussen, ist insoweit unerheblich. Der Begriff der handelsüblichen Qualität verlangt zwar nicht - wie bereits ausgeführt -, dass die Ware eine bestimmte Qualität im subjektiven oder geschäftlichen Sinne aufweist. Zu verlangen ist aber, wie der Europäische Gerichtshof bereits in seinemUrteil vom 09.10.1973 (Rs. 12/73, Rz. 12, [...]) dargelegt hat, dass die Ware entsprechend den Geflogenheiten des Handels unter der im Erstattungsantrag angegebenen Bezeichnung verkauft werden kann, was voraussetzt, dass das Erzeugnis noch die Eigenschaften besitzt, die die Geflogenheiten des Handels verlangen. Erzeugnisse der hier in Rede stehenden Art, die einen Fettreifeschaden aufweisen, beschreiben indes keinen nur graduellen Unterschied einer Ware im Rahmen einer durchschnittlichen Qualitätsbreite, sondern erweisen sich im Vergleich zu einer Ausfuhrware mit durchschnittlicher Qualität als ein aliud. Kein Verbraucher wird ein Erzeugnis, das mit diesem optischen Mangel behaftet ist, einem Erzeugnis gleichsetzen, bei dem der Schokoladenüberzug nicht vergraut ist. Es besitzt nämlich nicht mehr die Eigenschaften, die die Geflogenheiten des Handels verlangen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, lediglich Premium-Produkte zu produzieren. Denn die Premium-Qualität bezieht sich auf die Qualität und Zusammensetzung des Schokoladenüberzuges und der Marzipanrohmasse selbst, wie etwa die Güte der verwendeten Mandeln, den Anteil an Bittermandeln, die Feinheit und Plastizität der Rohmasse und das Verhältnis von Rohmasse und Zucker. Auch einfache Marzipanbrotqualitäten mit beispielsweise einem Rohmasseanteil von nur 50% sind dadurch gekennzeichnet, dass der Schokoladenüberzug gerade keine Vergrauung oder Vermattung aufweist, was zugleich erhellt, dass Marzipanbrote mit einem Fettreifeschaden keine Erzeugnisse nur minderer Qualität darstellen.

Somit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass sich bei Bananen im Zuge des Reifeprozesses dunkle Flecken auf den Schalen bilden würden, die keinen Einfluss auf die handelsübliche Qualität dieser Frucht hätten, ist ihr dieser Vergleich nicht behilflich. Abgesehen davon, dass braune Flecken auf der Schale - auch Reifungspunkte oder Zuckerflecken genannt - das Aroma der Bananen beeinflussen (vgl. www.dole.de, www.schwabfrucht.de), wird die Schale einer Banane im Unterschied zum Schokoladenüberzug eines Marzipanbrotes nicht mitverzehrt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin spielt es im Streitfall schließlich keine Rolle, dass die Marzipanbrote trotz des Fettreifeschadens für den menschlichen Verzehr geeignet waren. Denn vorliegend steht nicht die Verzehrfähigkeit, sondern die Handelsüblichkeit der von der Klägerin ausgeführten Waren in Rede, die aus den oben dargelegten Gründen nicht gegeben war.

b) Auf die Vorschrift des Art. 71 Abs. 2 ZK kann sich die Klägerin vorliegend nicht berufen.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat bereits entschieden, dass ein Ausführer mit der Anmeldung eines Erzeugnisses zum Ausfuhrerstattungsverfahren stets ausdrücklich oder stillschweigend versichert, dass dieses Erzeugnis von gesunder und handelsüblicher Qualität ist (vgl. EuGH, Urteil vom 01.12.2005, C-309/04, Rz. 32 und 35, [...]). Es ist in der Rechtsprechung fernerhin geklärt, dass das Ausfuhrverfahren ein Zollverfahren im Sinne des Art. 4 Nr. 16 ZK ist mit der Folge, dass insbesondere auch die Art. 70 und 71 ZK hinsichtlich der Feststellung der gesunden und handelsüblichen Qualität der ausgeführten Waren anzuwenden sind (vgl. nur EuGH, Urteil vom 07.09.2006, C-353/04, Rz. 55 ff., [...]; FG Hamburg, Urteil vom 19.09.2005, IV 1/04, [...]). In Art. 71 ZK ist zum einen geregelt, dass die Ergebnisse der Überprüfung der Anmeldung dem Zollverfahren zugrunde gelegt werden, zu dem die Waren angemeldet worden sind (Absatz 1). Hat dagegen - wie hier - keine Überprüfung der Anmeldung stattgefunden, so werden die in der Anmeldung enthaltenen Angaben der Zollbehandlung zugrunde gelegt (Absatz 2). Die Vorschrift des Art. 71 Abs. 2 ZK ergänzt somit die Normierung des Art. 70 Abs. 1 ZK für die Fälle, in denen aus Gründen der Beschleunigung der Handelsströme und des Warenverkehrs auf eine Überprüfung der Zollanmeldung gänzlich verzichtet wurde.

Allerdings kann die Behörde die an sich maßgeblichen Angaben in den jeweiligen Ausfuhranmeldungen hinsichtlich der handelsüblichen Qualität der Erstattungswaren durch entsprechende Ermittlungen und Feststellungen korrigieren und damit die Rechtswirkungen des Art. 71 Abs. 2 ZK beseitigen (vgl. bereits FG Hamburg, Urteil vom 10.12.2003, IV 288/00, [...]; FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 27.10.2003, IV 158/01, [...]). Der erkennende Senat nimmt in diesem Zusammenhang an, dass die Vorschrift des Art. 71 Abs. 2 ZK keine gesetzliche Fiktion (so aber beispielsweise Henke, in: Witte, Zollkodex, Art. 71 Rz. 9) oder gesetzliche Vermutung im klassischen Sinne beinhaltet, sondern vielmehr eine Art Anscheinsbeweis beschreibt. Die Formulierung des Gesetzes, wonach die in der Anmeldung enthaltenen Angaben, findet keine Überprüfung der Anmeldung statt, dem weiteren Verfahren "zugrunde gelegt" werden, spricht zwar für eine gesetzliche Vermutung. In diesem Kontext ist indes nicht nur zu bedenken, dass nationale Begrifflichkeiten nicht unreflektiert in das Gemeinschaftsrecht übertragen werden können. Auch ist zu berücksichtigen, dass sich die Formulierungen in Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK ("... so gelten die Ergebnisse ...") einerseits und Art. 71 Abs. 2 ZK ("... so werden die ... Angaben ... zugrunde gelegt") andererseits erheblich unterscheiden, was deutlich macht, dass die Anforderungen, die an die Beseitigung der dort jeweils beschriebenen Rechtswirkungen zu stellen sind, ebenfalls differieren. Den einzelnen Wendungen des Gemeinschaftsgesetzgebers in Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK und Art. 71 Abs. 2 ZK lässt sich darüber hinaus ein Weiteres entnehmen, die Zollbehörden sollen die Rechtswirkungen des Art. 71 Abs. 2 ZK leichter beseitigen können als die durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Teilbeschau nach Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK ausgelösten Rechtsfolgen. Vor dem Hintergrund, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Vorschrift des Art. 71 Abs. 2 ZK auf die Zunahme und Beschleunigung der Handelsströme reagiert und dem Umstand Rechnung getragen hat, dass die Zollbehörden eine förmliche Überprüfung der Anmeldungen immer weiter reduzieren und das Schwergewicht ihre Tätigkeit auf die ex-post-Kontrolle verlagern müssen, hält der erkennende Senat dafür, dass die Rechtswirkungen des Art. 71 Abs. 2 ZK durch einen vereinfachten Gegenbeweis beseitigt werden können, indem die zuständige Behörde lediglich Tatsachen darlegt und beweist, die die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Beschaffenheit der Ware begründen; ein Beweis des Gegenteils ist insoweit nicht erforderlich. So liegt der Fall denn auch hier:

Angesichts der Feststellungen in dem Gutachten der B GmbH besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass alle von der Klägerin mit den betroffenen Ausfuhranmeldungen ausgeführten Marzipanbrote mit einem umfänglichen und erheblichen Fettreifeschaden befallen und damit nicht von handelsüblicher Qualität waren.

c) Der erkennende geht auch davon aus, dass die gesamte Erstattungsware mit einem erheblichen Fettreifeschaden befallen war.

In dem Gutachten der B GmbH ist zwar (lediglich) von einem "umfangreichen", nicht aber umfassenden Schaden die Rede (vgl. Seite 11 des Gutachtens). Allerdings wurden zur "Feststellung des Beschädigungsgrades und des Beschädigungsumfangs ... an allen Lagerplätzen Aussortierungskontrollen vorgenommen und die Paletten mit einem roten Punkt markiert, soweit diese als unverkäuflich bewertet werden mussten. Paletten, die als noch verkäuflich erschienen, wurden mit einem grünen Punkt markiert" (Seite 11 des Gutachtens). Weiterhin lässt sich dem Gutachten entnehmen, dass nur geringfügig bzw. teilbeschädigte Ware nicht Gegenstand der in Rede stehenden Ausfuhrsendungen war. In dem Gutachten (Seite 93) heißt es insoweit:

"Weiterhin erhöhte sich der Schaden um die teilbeschädigte Ware aus dem Lager C mit 108.824,0 kg. Es handelte sich hierbei um eine nur geringfügig beschädigte Ware, die an einen englischen Kunden mit einer Wertminderung von unter 50% abgegeben werden konnte."

Der erkennende Senat hat im gegebenen Kontext auch bedacht, dass in Bezug auf zwei Ausfuhranmeldungen, die freilich nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens sind, ein Fettreifeschaden der Erstattungsware durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bzw. die abfertigende Zollstelle nicht festgestellt wurde. Diese beiden Befunde wertet der Senat indes als positive Ausreißer, die keine ernstlichen Zweifel am Vorliegen der Rückforderungsvoraussetzungen begründen. Letztlich hält der Senat in diesem Zusammenhang auch dafür, dass sich die Klägerin entgegen halten lassen muss, dass sie die gesamte streitgegenständliche Erstattungsware als in der Gemeinschaft "unverkäuflich" (Seite 67 des Gutachtens) eingestuft hat.

d) Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer Rückforderung nicht entgegen.

Soweit Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Ausfuhrerstattung die gemeinschaftsrechtliche Normierung des Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 ist, scheidet eine Berufung auf die Vorschrift des § 48 Abs. 2 VwVfG schon deshalb aus, weil Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge abschließend regelt mit der Folge, dass daneben nationale Vorschriften und damit auch die Regelungen des § 48 Abs. 2 VwVfG nicht mehr anwendbar sind (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 10.11.2004, IV 57/03, [...]; BFH, Beschluss vom 23.8.2000, VII B 145 u. 146/00, [...]).

Aber auch soweit die Rückforderung ihre Rechtsgrundlage in der nationalen Normierung des § 10 Abs. 1 MOG findet, kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 VwVfG berufen. Insoweit fällt zum einen ins Gewicht, dass die Klägerin die Ausfuhrerstattungen aufgrund von Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw. unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG). Die Klägerin hat sowohl mit der Abgabe der Ausfuhranmeldungen als auch mit der Stellung der Erstattungsanträgen stillschweigend versichert, dass die von ihr ausgeführten Erzeugnisse von gesunder und handelsüblicher Qualität sind (vgl. zum Erklärungsinhalt einer Ausfuhranmeldung und eines Erstattungsantrags EuGH, Urteil vom 01.12.2005, C-309/04, Rz. 32 und 35, [...];Urteil vom 07.09.2006, C-353/04, Rz. 55 ff., [...]). Diese Versicherung hat sich - wie die vorstehenden Darlegungen deutlich machen - als unrichtig erwiesen. Ob die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass diese Angaben unrichtig sind, ist insoweit unerheblich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage, § 48, Rdnr. 105). Zum anderen scheitert Vertrauensschutz auch an der Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Denn die Ursachen dafür, dass ihr Ausfuhrerstattungen gewährt wurden, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür in Wahrheit nicht vorlagen, liegen ausschließlich im Verantwortungsbereich der Klägerin. Liegt aber die Ursache für die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes allein im Verantwortungsbereich des Begünstigten, so ist ihm Vertrauensschutz über die in § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ausdrücklich geregelten Ausschlussfälle hinaus gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu versagen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 20.09.2002, IV 42/99, [...]; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage, § 48, Rdnr. 90).

2. Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Sanktion ist die Vorschrift des Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. a) VO Nr. 3665/87. Danach entspricht die geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, wenn festgestellt wird, dass der Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat; ergibt diese Verminderung einen Negativbetrag, so hat der Ausführer diesen Betrag zu zahlen. Im Streitfall sind die Voraussetzung für eine Verhängung der Sanktion erfüllt. Die Klägerin hat aufgrund unzutreffender Angaben eine höhere als die ihr zustehende Erstattung beantragt, da sie mit ihren Zahlungsanträgen versicherte, dass die ausgeführten Marzipanbrote von handelsüblicher Qualität seien. Da Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. a) VO Nr. 3665/87 die Verhängung einer Sanktion bereits für den Fall vorsieht, dass die höhere Erstattung aufgrund objektiv falscher Angaben beantragt worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11.07.2002, C-210/00, [...]), kommt es nicht darauf an, ob der Klägerin auch ein Verschuldensvorwurf zu machen ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Nach § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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