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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 4 K 171/04
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 3665/87, VO (EWG) Nr. 3665/86


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 2 2. Anstrich
VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 S. 2 2. Anstrich
VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 23
VO (EWG) Nr. 3665/86 Art. 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 171/04

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht auf die zurückgeforderte Ausfuhrerstattung einen 15%igen Zuschlag erhoben hat.

Die Klägerin meldete mit diversen Ausfuhranmeldungen für EG-Ausfuhrerstattungen Weißzucker zur Ausfuhr nach Malta an und beantragte hierfür die Zahlung von Ausfuhrerstattung. Mit Bescheiden vom 16.04.1996 wurde die jeweils beantragte Ausfuhrerstattung vorschussweise gewährt. Die geleisteten Sicherheiten sind jeweils mit Bescheid vom 26.04.1996 freigegeben worden.

Aufgrund des fehlenden Nachweises darüber, dass die Erzeugnisse, für welche die Ausfuhranmeldungen angenommen wurden, spätestens 60 Tage nach dieser Annahme das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen haben, wurden mit Datum vom 28.04.1997 Berichtigungsbescheide erlassen und die gesamte Ausfuhrerstattung zuzüglich 15% Zuschlag zurückgefordert. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.06.1997 hinsichtlich der Anforderung des 15%igen Zuschlags Einspruch ein. Diesen Einspruch wies der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 19.08.2004 (Eingang bei den Prozessbevollmächtigten am 24.08.2004) als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage vom 24. September 2004, zu deren Begründung die Klägerin u.a. folgendes vorträgt:

Die Erhebung des 15%igen Zuschlages sei unrechtmäßig, weil damit gegen den gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen werde. In Artikel 11 Abs. 3 1. Unterabs. VO (EWG) Nr. 3665/87 würden Sachverhalte, in denen eine Erstattung unrechtmäßig gewährt worden sei, unterschiedlich behandelt - je nachdem, ob eine vorschussweise Erstattung stattgefunden habe oder nicht. Habe keine vorschussweise Erstattung stattgefunden, so zahle (vorbehaltlich der nach Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr.3665/87 zu zahlenden Sanktionen) der Begünstigte den unrechtmäßig erhaltenen Betrag zzgl. Zinsen für die Zeit zwischen der Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung zurück. Sei die Erstattung dagegen vorschussweise gezahlt worden und die vom Antragsteller zu leistende Sicherheit in Höhe von 115% der Ausfuhrerstattungssumme bereits freigegeben, so zahle der Ausführer den Sicherheitsbetrag zzgl. Zinsen für die Zeit zwischen der Freigabe und dem Tag vor dem Tag der Rückzahlung zurück.

Außerdem sei der gemeinschaftsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, da die Zuschlagserhebung nicht das mildeste Mittel sei, um einen entstandenen Zinsvorteil auszugleichen.

Die Klägerin beantragt,

die Berichtigungsbescheide des Beklagten vom 28. April 1997 mit den Nr. 1 - 4 (...9/03, ...11/03, ...12/03, ...13/03) in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 19. August 2004 insoweit aufzuheben, als mit diesen Berichtigungsbescheiden ein Zuschlag in Höhe von 15% der Ausfuhrerstattung festgesetzt worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung, worauf Bezug genommen wird. Ergänzend trägt er u.a. folgendes vor:

Die Festsetzung des 15%igen Zuschlages verstoße weder gegen den Gleichbehandlungs- noch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Erhebung des Zuschlages stelle auch keine strafähnliche Sanktion dar. Die Nachfolgeregelung zu Art. 23 VO (EWG) Nr. 3665/87, der Art. 25 Abs. 2 VO (EG) Nr. 800/99 habe einen Tatbestand geschaffen, der den Zuschlag unter den dort genannten Voraussetzungen auf die Zinsen begrenze. Ein solcher Fall liege jedoch selbst bei Anwendung der im Streitfall nicht maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 800/99 nicht vor, da die genannte Zuschlagsbegrenzung gem. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 800/99 nur dann in Betracht komme, wenn der Beteilige die Unregelmäßigkeit von sich aus den zuständigen Stellen unverzüglich schriftlich mitteile. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da die Feststellung der Unregelmäßigkeit auf Ermittlungen der UCLAF beruhe.

Die Sachakten des Beklagten (1 Leitz-Ordner zur RL ...8/97) haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den 15%igen Zuschlag erhoben.

1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 2. Anstrich VO (EWG) Nr. 3665/87 i.V.m. Art. 22 der genannten Verordnung. Gem. Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 der genannten Verordnung muss der Ausführer zu Unrecht erhaltene Beträge zurückzahlen. Aus den Bestimmungen des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 2. Anstrich VO (EWG) Nr: 3665/87 ergibt sich, dass der Ausführer, wenn die Sicherheit - wie im Streitfall - bereits freigegeben ist, den Sicherheitsbetrag zzgl. Zinsen für die Zeit zwischen dem Tag der Freigabe und dem Tag vor dem Tag der Rückzahlung zurückzuzahlen hat. Als Sicherheitsbetrag gilt dabei gem. Art. 22 Abs. 1 der genannten Verordnung die als Vorschuss gewährte Ausfuhrerstattung erhöht um einen Zuschlag von 15%.

Art. 23 VO (EWG) Nr. 3565/87 findet im Streitfall keine Anwendung, da es sich nicht um einen Fall der Rückforderung aus dem Vorschussverfahren vor Freigabe der Sicherheit handelt (Fall des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 1. Anstrich VO (EWG) Nr. 3665/87).

2. Die Voraussetzungen für die Festsetzung des 15%igen Zuschlages sind nach den genannten Rechtsgrundlagen erfüllt. Die Rückforderung beruht darauf, dass die Ware nicht aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt wurde, sondern im Wirtschaftskreislauf eines anderen Mitgliedstaates (Italien) verblieben ist. Da somit die Voraussetzung des Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/86 nicht gegeben sind und somit kein Anspruch auf Ausfuhrerstattung entstanden ist, war die zu Unrecht vorschussweise gewährte Ausfuhrerstattung nach Freigabe der Sicherheit gemäß Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1. Satz 2 2. Anstrich VO (EWG) Nr. 3665/87 zurückzufordern.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin beinhalten die Regelungen des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 (Rückforderung regulär gewährter Ausfuhrerstattung) und Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 S. 2 VO (EWG) Nr. 3665/87 (Rückforderung der vorschussweise gewährten Ausfuhrerstattung) keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Anders als die Klägerin meint, sind die beiden Rückforderungsfälle nicht vergleichbar. Der entscheidende Unterschied zwischen einer normal und einer vorschussweise gewährten Ausfuhrerstattung liegt darin, dass ausschließlich bei der letzteren eine Vorfinanzierung in Anspruch genommen wird.

Den Vorschuss erhält der Ausführer lange vor dem Entstehen des Erstattungsanspruchs. Die Auszahlung des Vorschusses setzt nämlich lediglich die Annahme der Ausfuhranmeldung und die Erbringung der Sicherheitsleistung voraus. Der Erstattungsanspruch dagegen entsteht bei der einheitlichen Erstattung erst beim Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft und bei der differenzierten Erstattung erst bei der Einfuhr in ein bestimmtes Drittland. Außerdem setzt die Auszahlung der normal gewährten Ausfuhrerstattung voraus, dass der Ausführer das Zahlungsverfahren - Art. 47 VO (EWG) Nr. 3665/87 - erfolgreich durchlaufen hat.

Wird die Ausfuhrerstattung zu Unrecht gewährt, versteht sich von selbst, dass sie - wenn nicht Vertrauensschutz eingreift - mit Zinsen zurückgezahlt werden muss. Das gilt für die normal wie für die vorschussweise gewährte Erstattung gleichermaßen. Bei der vorschussweise gewährten Erstattung kommt jedoch hinzu, dass auch eine Vorfinanzierung zu Unrecht in Anspruch genommen worden ist. Es ist deshalb nicht nur sinnvoll und sachgerecht, sondern geradezu geboten, dass für die ungerechtfertige Inanspruchnahme der Vorfinanzierung ein Zuschlag vom Ausführer erhoben wird. Diesen Zuschlag hat der Verordnungsgeber angemessen mit pauschal 15% festgesetzt.

4. Die Erhebung des 15%igen Zuschlags verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Hinweis der Klägerin, dass der Ausführer den pauschalen 15%igen Zuschlag für die gegebenenfalls kurze Zeit der vorschussweisen Finanzierung zuzüglich Zinsen (ab Freigabe der Sicherheit) leisten muss, statt die zu Unrecht erhaltene Summe nur ab Gewährung der Ausfuhrerstattung verzinsen zu müssen, kann eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. Der Verordnungsgeber hat mit dem 15% Zuschlag einen Pauschalsatz für die gesamte Gemeinschaft eingeführt, welcher angemessen ist, den unterschiedlichen Zinssätzen in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie der Dauer des Zeitraums, der zwischen der Gewährung der Erstattung und der tatsächlichen Rückzahlung verstreichen kann, Rechnung zu tragen. Der Zuschlag von 15% als pauschaler Ausgleich des Nutzungsgewinns ist vom EuGH ( Urteil v. 05.02.1987, Rs. 288/85) ausdrücklich anerkannt worden.

Außerdem ist im Hinblick auf die Höhe des Zuschlags von 15% zu berücksichtigen, dass damit nicht nur der ungerechtfertigte Zinsvorteil pauschal abgeschöpft, sondern auch dem Missbrauch der Regelung vorgebeugt werden soll (23. Begründungserwägung zur VO (EWG) Nr. 3665/87).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzung des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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