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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 4 K 204/06
Rechtsgebiete: EGV, VO (EWG) Nr. 3665/87
Vorschriften:
EGV Art. 234 Abs. 2 | |
VO (EWG) Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 1 |
Finanzgericht Hamburg
Tenor:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft wird gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind ausschließlich falsche Angaben des Ausführers in der Ausfuhrerklärung nach Art 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 sanktioniert oder ist allein die Nichteinhaltung von materiellen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs Gegenstand der Sanktion?
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte von der Klägerin zu Recht Sanktionen wegen einer nicht erfolgten Ausfuhr von Erstattungsware in das Drittland erhoben hat.
Die Klägerin meldete in der Zeit vom 18.10. bis 12.12.1995 in insgesamt 24 Fällen Weißzucker beim Hauptzollamt H zur Ausfuhr nach Malta an und beantragte die Zahlung der Ausfuhrerstattung. Diese wurde ihr vom Beklagten mit Ausfuhrbescheid in der Zeit vom 12.02.1996 bis 05.03.1996 nach Vorlage der Ausgangsbestätigung auf den eingereichten Kontrollexemplaren in Höhe von insgesamt 230.102,37 Euro gewährt.
Die Klägerin selbst führte die Ware nicht aus. Sie stand in Geschäftsverbindung mit italienischen Abnehmern und verkaufte unter Vermittlung der italienischen Firma F zunächst an die italienische Firma G, später - ebenfalls von der Firma F vermittelt - an die italienische Firma S, ein Tochterunternehmen der G. Nach den abgeschlossenen Verträgen waren die italienischen Geschäftspartner der Klägerin sowohl für den Transport des Zuckers aus der Bundesrepublik Deutschland nach Italien als auch für den Weitertransport der Ware nach Malta verantwortlich. Die Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht - der Ausfuhr des Zuckers aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft - ließ sich die Klägerin jeweils durch Stellung einer Bankgarantie sichern. Diese Sicherheiten gab sie am 27.06.1996 frei, nachdem sie die Nachweise über die - wie sie glaubte - ordnungsgemäß durchgeführte Ausfuhr in Gestalt der abgestempelten Zollpapiere erhalten hatte und diese von dem Beklagten anerkannt worden waren.
Am 05.11.1996 stellte das Zollkriminalamt Köln die Fälschung der Ausgangsbestätigung auf den Zollpapieren fest. Hierzu führte das Zollkriminalamt in seinem Gutachten auf Seite 3 aus, die Stempelabdrücke seien "als Produkt mindestens einer - zugegebenermaßen vorzüglichen und nur anhand eines entsprechenden authentischen Abdrucks erkennbaren - Skelettstempelfälschung zu werten".
Da der gemäß Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 erforderliche Ausfuhrnachweis nicht erbracht war, forderte der Beklagte mit Berichtigungsbescheiden vom 07.07.1997 die gewährte Ausfuhrerstattung zurück. Die Klägerin zahlte den Rückforderungsbetrag.
Am 19.01.1998 erließ der Beklagte die angefochtenen Sanktionsbescheide. Dagegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.02.1998 Einspruch, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 10.03.2003 als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage vom 10.04.2003, zu deren Begründung die Klägerin unter anderem folgendes vorträgt:
Die Bestandskraft der Rückforderungsbescheide stehe der Überprüfung der angefochtenen Sanktionsbescheide nicht entgegen, wie sich dies aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-274/04 ergebe.
Eine Sanktionierung komme im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil das HZA H die Ausfuhranmeldungen und die T5-Kontrollexemplare auf Antrag der Klägerin am 21.08.1997 für ungültig erklärt habe.
Außerdem habe sie (die Klägerin) keine falschen Angaben gemacht, was für eine Sanktion erforderlich sei. An einer falschen Angabe fehle es deshalb, weil es sich bei der erstattungsrechtlichen Ausfuhranmeldung hinsichtlich der geplanten Ausfuhr um eine Absichtserklärung handele. Diese Erklärung sei richtig gewesen. Gemäß der erklärten Absicht habe sie auch alles für die Ausfuhr des Zuckers erforderliche in die Wege geleitet. Dass aufgrund von ihr nicht verschuldeter Umstände die Ausfuhr nicht erfolgt sei, könne eine Sanktion nicht begründen.
Eine Sanktionierung scheide zudem auch deshalb aus, weil die Angabe zur geplanten Ausfuhr nicht "warenbezogen" sei. Nur falsche warenbezogene Angaben (z.B. Eigenschaften oder Ursprung der Erstattungsware) könnten zu einer Sanktion führen.
Schließlich verstießen die Sanktionsbescheide gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar verstoße die Regelung des Artikels 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 selbst nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (EuGH Rechtssache C-210/2000, Käserei Champignon). Die konkrete Anwendung der Vorschrift könne jedoch zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen, was im Streitfall zutreffe. Denn ihr (der Klägerin) sei kein eigenes Fehlverhalten vorzuwerfen; sie sei Opfer und nicht Täter. Insofern sei auch zweifelhaft, ob der strenge Maßstab hinsichtlich der Zurechnung des Fehlverhaltens Dritter, der bei der Rückforderung von Ausfuhrerstattung gelte, auch in jedem Fall der Sanktionierung Anwendung finde.
Die Rechtswidrigkeit der angefochten Sanktionsbescheide ergebe sich schließlich auch daraus, dass der Beklagte die Ausschlussgründe nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 VO (EWG) Nr. 36050/87 außer Acht gelassen habe.
Die Klägerin beantragt,
die 24 Sanktionsbescheide des Beklagten vom 19.01.1998 (Aktenzeichen M3500B-...) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2003 (Aktenzeichen RL.../98-...) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung, worauf Bezug genommen wird. Ergänzend trägt er unter anderem folgendes vor:
Es falle in den Verantwortungs- und Pflichtenbereich der Klägerin, den erforderlichen Ausfuhrnachweis zu erbringen. Das sei der Klägerin jedoch nicht gelungen, da die Ausgangsbestätigungen gefälscht worden seien. Der Klägerin stehe deshalb keine Ausfuhrerstattung zu. Sie habe deshalb eine höhere als die ihr zustehende Erstattung beantragt, was die Erhebung einer Sanktion nach Artikel 11 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 3665/87 nach sich ziehe, zumal es in allen Fällen zu einer unrechtmäßigen Zahlung der Ausfuhrerstattung durch den Beklagten und so zu einer Gefährdung des Gemeinschaftshaushaltes gekommen sei.
Die ergangenen Sanktionsbescheide verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die zu schützenden finanziellen Interessen der Gemeinschaft könnten generell durch die Unrichtigkeit von Ausfuhrerstattungsanträgen gefährdet werden. Damit die Ausfuhrerstattungsregelung ordnungsgemäß funktioniere, müssten Sanktionen unabhängig vom Anteil subjektiver Schuld verhängt werden. Die Klägerin könne sich deshalb nicht darauf berufen, dass ihr ein Fehlverhalten nicht vorgeworfen werden könne.
Die Sachvorgänge des Beklagten haben vorgelegen.
II.
Der Senat setzt das bei ihm anhängige Verfahren aus (§ 74 FGO) und legt dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 2 des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor.
III.
Von der Beantwortung der Vorlagefrage hängt die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ab. Nur wenn Gegenstand der Sanktion des Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 die Nichteinhaltung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen der Ausfuhrerstattung und nicht die Abgabe falscher Angaben in der Ausfuhrerklärung ist, kommt die Verhängung einer Sanktion gegen die Klägerin in Betracht. Denn sie hat hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung "Ausfuhr der Erstattungsware" in der Ausfuhranmeldung keine falschen Angaben gemacht. Sie hat nämlich nicht etwa fälschlich erklärt, dass die Erstattungsware das Zollgebiet der Gemeinschaft (bereits) verlassen hat. Denn die Erstattungsware befand sich zum Zeitpunkt der Abgabe der Ausfuhranmeldung wegen der Gestellung körperlich bei der Ausfuhrzollstelle und damit im Gemeinschaftszollgebiet. Mit der Ausfuhranmeldung hat die Klägerin hinsichtlich der Ausfuhr lediglich ihre Absicht erklärt, die Erstattungsware nach Malta ausführen zu wollen. Diese Absichtserklärung war richtig. Dass die beabsichtigte Ausfuhr durch betrügerisches Verhalten des Vertragspartners der Klägerin gescheitert ist, ändert nichts an der Richtigkeit ihrer Angaben. Eine Sanktion kann gegen die Klägerin deshalb nur dann verhängt werden, wenn allein die bloße Nichteinhaltung der Voraussetzung, dass die Erstattungsware das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hat, sanktioniert ist.
IV.
Folgende gemeinschaftsrechtliche Vorschriften sind nach Auffassung des Senats für die Lösung des Streitfalls von Bedeutung:
Zur Bekämpfung bei der Gewährung von Ausfuhrerstattung festgestellter Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle sieht Art. 11 VO (EWG) Nr. 3665/87 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2945/94 eine Rückerstattungs- und Sanktionsregelung vor. Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 lautet:
"Wird festgestellt, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, so entspricht die für die betreffende Ausfuhr geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung vermindert um einen Betrag in Höhe
a) des halben Unterschieds zwischen der beantragten und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung,
b) des doppelten Unterschieds zwischen der beantragten und der geltenden Erstattung, wenn der Ausführer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat."
Der Begriff beantragte Erstattung ist definiert in Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EWG) Nr. 3665/87, der wie folgt lautet:
"Als beantragte Erstattung gilt der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Art. 3 ... berechnet wird."
Art. 3 VO (EWG) Nr. 3665/87 bestimmt:
"(1) Als Tag der Ausfuhr gilt der Zeitpunkt, an dem die Zollbehörden die Ausfuhranmeldung, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung beantragt wird, annehmen.
(2) Der Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung ist maßgebend für
a) den anzuwendenden Erstattungssatz, ...
b) ...
(3) ...
(4) Der Tag der Ausfuhr ist maßgebend für die Feststellung von Menge, Art und Eigenschaften des ausgeführten Erzeugnisses.
(5) Das bei der Ausfuhr für die Inanspruchnahme einer Ausfuhrerstattung verwendete Dokument muss alle für die Berechnung des Ausfuhrerstattungsbetrags erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere:
- a) die Bezeichnung der Erzeugnisse nach der für die Ausfuhrerstattung verwendeten Nomenklatur,
- b) die Eigenmasse der Erzeugnisse ...
- c) die Zusammensetzung der betreffenden Erzeugnisse..., sofern dies zur Berechnung der Ausfuhrerstattung erforderlich ist. ...
(6) Im Zeitpunkt dieser Annahme oder der Vornahme dieser Handlung werden die Erzeugnisse bis zum Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft unter Zollkontrolle gestellt."
Art. 11 Abs. 3 Unterabsatz 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 bestimmt:
"Unbeschadet der Verpflichtung gemäß Absatz 1 Unterabsatz 4 einen negativen Betrag zu zahlen, wenn eine Erstattung zu Unrecht gewährt wird, zahlt der Begünstigte den zu Unrecht erhaltenen Betrag - einschließlich aller nach Absatz 1 Unterabsatz 1 fälligen Sanktionen - zuzüglich Zinsen für die Zeit zwischen der Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung zurück."
Mit der VO (EG) Nr. 2945/94 ist die Sanktionsregelung in Art. 11 VO (EWG) Nr. 3665/87 eingefügt worden. Die erste, die dritte und die fünfte Begründungserwägung lauten wie folgt:
"Nach der geltenden Gemeinschaftsregelung werden Ausfuhrerstattungen einzig und allein anhand objektiver Kriterien gewährt, die insbesondere Quantität, Art und Merkmale des Ausfuhrerzeugnisses sowie seine geografische Bestimmung betreffen. Da aufgrund der bisherigen Erfahrungen insbesondere zu Lasten den Gemeinschaftshaushalts gehende Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle stärker bekämpft werden sollten, müssen zu Unrecht gezahlte Beträge zurückgefordert und Sanktionen vorgesehen werden, welche den Ausführer veranlassen, das Gemeinschaftsrecht einzuhalten. ...
Die Angaben des Ausführers könnten, sofern der wahre Sachverhalt nicht erkannt wird, unrechtmäßige Zahlungen zur Folge haben. Wird der wahre Sachverhalt festgestellt, so erscheint es angemessen, den Ausführer nach Maßgabe des Betrags zu bestrafen, den er sonst zu Unrecht erhalten hätte. Bewusst falsche Angaben sollten billigerweise schärfer geahndet werden. ...
Die bisher gesammelten Erfahrungen, die in diesem Zusammenhang festgestellten Unregelmäßigkeiten und insbesondere Betrugsfälle zeigen, dass eine solche Maßnahme sowohl erforderlich als auch angemessen ist, dass sie hinreichend abschreckend sein wird und dass sie in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewandt werden muss."
Die Nachfolgeregelung der Sanktion des Art. 11 VO (EWG) Nr. 3665/87 findet sich in Art. 51 VO (EG) Nr. 800/1999.
V.
Der Senat neigt aus den nachfolgenden Gründen der Ansicht zu, dass nur falsche Angaben des Ausführers in der Ausfuhranmeldung (bzw. in dem bei der Ausfuhr für die Inanspruchnahme einer Ausfuhrerstattung verwendeten Dokument) mit einer Sanktion belegt werden können.
1. Die Sanktionsregelung des Art. 11 Abs. 1 Unterabsätze 1 und 2 VO (EWG) Nr. 3665/87 muss nach Auffassung des Senats eng ausgelegt werden. Denn anders als das Rückforderungsverlangen, das darauf abzielt, einen zu Unrecht erlangten finanziellen Vorteil zu entziehen, hat die Sanktion entweder die erhebliche Verminderung des zustehenden Erstattungsanspruchs oder (bei Vorsatz) die Zahlung einer Geldbuße zur Folge. Auch bei nicht vorsätzlichem und unverschuldetem Verhalten des Ausführers beträgt die Sanktion sehr oft 50% der beantragten Erstattung, weil es in der Praxis fast immer um fehlende Grundvoraussetzungen (wie zum Beispiel Ursprung oder gesunde und handelsübliche Qualität der Erstattungsware) geht und selten bloß um die Höhe der Erstattung.
Die Sanktion kann also dem Ausführer eine besonders schwere finanzielle Belastung auferlegen, die u.U. sogar seine wirtschaftliche Existenz gefährden kann. Unter diesen Umständen erfordert das Gebot rechtmäßigen Handelns und der Grundsatz der Rechtssicherheit eine enge Auslegung der Sanktionsregelung. Denn wie der EuGH wiederholt entschieden hat (vgl. Nr. 41 und 42 der Schlussanträge de Generalanwalts Léger zur Rs. C-274/04 - ED & Man Sugar - mit Rechtsprechungsnachweisen in Fn. 20) muss das Gebot der Rechtssicherheit in ganz besonderem Maße gelten, wenn die betreffenden Vorschriften finanzielle Konsequenzen für den Wirtschaftsteilnehmer haben können.
2. Nach Maßgabe dieser Auslegungsgrundsätze sieht der Senat die Sanktionsregelung des Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 wie folgt:
2.1 Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 ist erstens zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich der Sanktionsregelung auf die Fälle beschränkt ist, in denen festgestellt wird, dass der Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat.
2.2 Der Legaldefinition der beantragten Erstattung in Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EWG) Nr. 3665/87 ist zweitens zu entnehmen, dass der Erstattungsantrag auf (unrichtigen) Angaben des Ausführers in der Ausfuhranmeldung bzw. in dem bei der Ausfuhr für die Inanspruchnahme einer Ausfuhrerstattung verwendeten Dokument (EuGH v. 14.4. 2005, Rs. C-385/03 -Käserei Champignon-, Rn. 23 der Entscheidungsgründe) beruhen muss. Unter Angaben im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 2 in Verbindung mit Art. 3 VO (EWG) Nr. 3665/87 sind nicht nur Angaben zur Höhe, sondern auch zum Grund des Erstattung zu verstehen (EuGH v. 27.04.2006, Rs. C-27/04 - Elfering -, Rn. 27 der Entscheidungsgründe zur Sanktionsregelung des Art. 51 VO (EG) Nr. 800/1999).
2.3 Da der Wortlaut der Legaldefinition zur beantragten Erstattung ausdrücklich auf die "Angaben" des Ausführers abstellt (ebenso Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchstabe b "falsche Angaben", Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 2 Satz 2 "Angaben gemäß Art. 47", Art. 3 Abs. 5 "erforderliche Angaben"), dürfte sich die Sanktionsregelung nur auf unrichtige Erklärungen des Ausführers beziehen. Der Anwendungsbereich der Sanktionsregelung ist mit anderen Worten auf den Fall beschränkt, in dem der Ausführer irrtümlich oder vorsätzlich in seiner Ausfuhrerklärung unzutreffende Angaben gemacht hat (Generalanwalt Léger in Rn. 47 der Schlussanträge zur Rs. C-274/04).
2.4 Diese Auslegung wird gestützt insbesondere durch die dritte Begründungserwägung der VO (EG) Nr. 2945/94: "Die Angaben eines Ausführers könnten, sofern der wahre Sachverhalt nicht erkannt wird, unrechtmäßige Zahlungen zur Folge haben. Wird der wahre Sachverhalt festgestellt, so erscheint es angemessen, den Ausführer nach Maßgabe des Betrags zu bestrafen, den er sonst zu Unrecht erhalten hätte. Bewusst falsche Angaben sollten billigerweise noch schärfer geahndet werden." Damit legt der Gemeinschaftsgesetzgeber dem Ausführer die Verpflichtung zur Abgabe einer richtigen Erklärung auf (Generalanwalt Léger, a.a.O., R. 46 der Schlussanträge). Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung zur Abgabe von richtigen Erklärungen in der Ausfuhranmeldung wird sanktioniert (EuGH v. 14.04.2005 zur Rs. C-385/03 - Käserei Champignon-).
2.5 Die gegenteilige Auslegung, wonach allein die Nichteinhaltung einer materiellen Erstattungsvoraussetzung sanktioniert werden könnte, dürfte darauf hinauslaufen, über den Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 hinaus der Sanktionsregelung eine Bestimmung hinzuzufügen und ihr damit einen weiteren Anwendungsbereich zu geben, als es der Gemeinschaftsgesetzgeber beabsichtigt hat (Generalanwalt Léger, a.a.O., Rn. 48 der Schlussanträge). Diese Auslegung dürfte deshalb dem Gebot rechtmäßigen Handelns und dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderlaufen. Der ständigen Rechtsprechung des EuGH (Nachweise bei Generalanwalt Leger, a.a.O., Fn. 24) ist zu entnehmen, dass eine Sanktion, selbst wenn sie keinen Strafcharakter besitzt, nur dann verhängt werden darf, wenn sie auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruht.
2.6 Die gegenteilige Auslegung dürfte zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, jedenfalls soweit es um die Sanktionierung einer fehlenden Einfuhr der Erstattungsware in ein Drittland geht. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, denen der Ausführer bei der Beschaffung des Einfuhrnachweises ausgesetzt ist, dürfte die Verhängung einer Sanktion unangemessen sein (Generalanwalt Léger, a.a.O., Rn. 48 der Schlussanträge).
3. Der Senat versteht die Rechtsprechung des EuGH in den Rs. C-309/04 - Fleisch-Winter -, Rs. C-385/03 - Käserei Champignon - und Rs. C-210/00 - Käserei Champignon - dahin, dass - in Übereinstimmung mit der vom Senat favorisierten Auslegung - nur unrichtige Erklärungen des Ausführers in der Ausfuhrerklärung sanktioniert werden können. Auch die Generalanwältin Stix-Hackl hat u.a. in Rn. 70 ihrer Schlussanträge zur Rs. C-385/03 die Auffassung vertreten, dass durch die Unrichtigkeit der zwecks Beantragung der Erstattung gemachten Angaben die Sanktion des Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 ausgelöst wird (ebenso der Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträgen zur Rs. C-274/04).
4. Anlass zur Vorlage an den EuGH gibt seine Entscheidung vom 27.04.2006, Rs. C-27/05 (zur Sanktionierung einer unrichtigen Ursprungsangabe nach Art. 51 VO EG Nr. 800/1999). Dort führt der EuGH, nachdem er in den Entscheidungsgründen zunächst durchgängig auf die unrichtigen Angaben bzw. Erklärungen des Ausführers abstellt, am Ende in Rn. 34 in einem obiter dictum aus:
"Mit der Auffassung, dass nur die Unrichtigkeit der in Art. 5 Abs. 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 800/1999 ausdrücklich aufgeführten Angaben eine Sanktion nach sich ziehe, nicht aber die Nichteinhaltung der in Titel II Kapitel 1 der Verordnung festgelegten Anspruchsvoraussetzungen, wird daher der Zweck der Verordnung verkannt und würde, folgt man ihr, der wirksamen Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik schwerer Schaden zugefügt."
Der Senat geht davon aus, dass die vom EuGH in dieser Entscheidung zur Sanktionsregelung des Art. 51 VO (EWG) Nr. 800/1999 vertretene Auslegung auch für die im Wesentlichen inhaltsgleiche Sanktionsregelung der Vorgängerbestimmung des Art. 11 VO (EWG) Nr. 3665/87 Geltung beanspruchen kann.
6. Das obiter dictum könnte dahin zu verstehen sein, dass nicht nur die in Art. 5 Abs. 4 Buchstabe a VO (EG) Nr. 800/1999 ausdrücklich gemachten Angaben, sondern sämtliche erstattungsrechtlich relevanten Angaben des Ausführers sanktionsbewehrt sind. Das obiter dictum könnte aber auch dahin ausgelegt werden, dass allein die Nichteinhaltung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen (u.a. Art. 3 VO EG 800/1999: Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft bei einheitlicher Erstattung, Einfuhr in ein Drittland bei differenzierter Erstattung) die Sanktion auslöst. Weil auch diese letztere Auslegungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen ist, hält der Senat die Vorlage an den EuGH für erforderlich.
7. Bereits aus den vorstehend unter Ziffer V.1. und 2. dargelegten Gründen hält der Senat diese letztere Auslegung für wenig überzeugend.
Des Weiteren spricht Folgendes gegen diese Auslegung: Sollte Gegenstand der Sanktion allein die Nichteinhaltung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen sein, dann müsste die Sanktion für alle Anspruchsvoraussetzungen gleichermaßen gelten. Die Sanktionierung der Nichteinhaltung der Anspruchsvoraussetzung "Einfuhr in ein Drittland" bei differenzierter Erstattung dürfte gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und schon deshalb unzulässig sein (vorstehend Ziffer V.2.6.). Die Sanktionierung der Nichteinhaltung aller sonstigen materiellen Anspruchsvoraussetzungen dürfte deshalb ebenfalls unzulässig sein.
8.1. In dem obiter dictum wird zur Begründung darauf abgestellt, dass wenn nur die Unrichtigkeit der Angaben ... des Ausführers sanktioniert würde, der Zweck der Verordnung verkannt und der wirksamen Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik ein schwerer Schaden zugefügt würde.
Das Argument der Zweckverkennung und Schadenszufügung dürfte indessen nicht geeignet sein, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und der Rechtsprechung des EuGH (u.a. Urteile vom 25.9.1984 zur Rs. 117/83 - Könecke -, und vom 11.7.2002 zur Rs. C-210/00 - Käserei Champignon Hofmeister -) erforderliche klare und unzweideutige Rechtsgrundlage für die Sanktionierung der Nichteinhaltung von materiellen Anspruchsvoraussetzungen zu ersetzen. In Anbetracht des Wortlauts des Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87, der für die Sanktion einen auf (unrichtigen) Angaben des Ausführers beruhenden Erstattungsantrag erfordert, würde die Interpretation, nach der die Nichteinhaltung einer materiellen Anspruchsvoraussetzung zu sanktionieren ist, auf die Schaffung eines neuen Sanktionstatbestandes hinauslaufen, wozu den Gerichten die Kompetenz fehlt. Sollte der Gemeinschaftsgesetzgeber die Befürchtung teilen, dass eine Beschränkung der Sanktion auf unrichtige Angaben des Ausführers der Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik einen schweren Schaden zufügen würde, so wäre es seine Sache, durch Erlass einer klaren und unzweideutigen gemeinschaftsrechtliche Bestimmung die Nichteinhaltung von materiellen Erstattungsvoraussetzungen unter Sanktion zu stellen.
8.2. In dem obiter dictum wird zur Begründung des Weiteren angeführt, dass bei Beschränkung der Sanktion auf die Abgabe unrichtiger Angaben des Ausführers nicht nur Unregelmäßigkeiten, sondern auch Betrugshandlungen ohne gemeinschaftsrechtliche Konsequenz blieben.
Diese Frage tritt bei der hier favorisierten Auslegung indessen nicht ein. Denn wenn zum Beispiel der Ausführer bereits bei Abgabe seines Erstattungsantrags in betrügerischer Absicht planen würde, die Erstattungsware nicht auszuführen, dann würde er eine falsche Absichterklärung abgeben, die nach Art. 11 VO (EWG) Nr. 3665/87 zu sanktionieren wäre.
Ende der Entscheidung
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