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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 20.06.2008
Aktenzeichen: 4 K 49/08
Rechtsgebiete: VO Nr. 639/2003/EG, RL 91/628/EWG


Vorschriften:

VO Nr. 639/2003/EG Art. 1
VO Nr. 639/2003/EG Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. c
VO Nr. 639/2003/EG Art. 6 Abs. 2 lit. a
RL 91/628/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 49/08

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 12.08.2004 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt A 34 Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000 zur Ausfuhr in den Libanon an. Ausweislich des Transportplanes sollten die Tiere mit dem LKW über Österreich nach Italien transportiert und in B auf ein Schiff zum Weitertransport in den Libanon verladen werden. Der LKW verließ um etwa 11.45 Uhr den Verladeort und erreichte gegen 21.30 Uhr C. Nach Versorgung der Tiere wurde der Transport um 23.00 Uhr fortgesetzt. Am folgenden Tag geriet der LKW in Österreich gegen 6.55 Uhr in eine Tiertransportkontrolle, in deren Verlauf der Tiertransport-Inspektor des Landes ... feststellte, dass drei Tiere auf der oberen Ladeebene mit Teilen der Rückenlinie an der oberen Laderaumbegrenzung anstanden. Da Verletzungen der Tiere - insbesondere Abschürfungen - nicht aufgetreten waren und sich der Zustand der Tiere als zufriedenstellend erwies, konnte der Transport nach einer vom Tiertransport-Inspektor angeordneten Korrektur der Laderaumhöhe seine Fahrt fortsetzen. Gegen 11.15 Uhr erreichte der Transport den Hafen von B, wo die Tiere anschließend verschifft wurden.

Mit Bescheid vom 05.01.2005 lehnte das beklagte Hauptzollamt den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Ausfuhrerstattung mit der Begründung ab, dass sie während des Transports der Tiere die gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten habe.

Ihren gegen den Bescheid vom 05.01.2005 gerichteten Einspruch wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 21.06.2005 zurück.

Mit ihrer am 20.07.2005 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort und beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2005 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 21.09.2004 Ausfuhrerstattung zu gewähren.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es meint, nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei die Ausfuhrerstattung wegen der Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzbestimmungen auch dann zu versagen, wenn es keine Anzeichen dafür gebe, dass das Wohlbefinden der beförderten Tiere beeinträchtigt worden sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die zulässige Verpflichtungsklage führt zum Erfolg. Die Versagung der beantragten Ausfuhrerstattung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; das beklagte Hauptzollamt ist verpflichtet, der Klägerin die begehrte Ausfuhrerstattung zu gewähren (§ 101 Satz 1 FGO).

1. Der Gemeinschaftsverordnungsgeber hat nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 639/2003 der Kommission vom 09.04.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1254/99 des Rates hinsichtlich des Schutzes lebender Rinder beim Transport als Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (Abl. Nr. 93/10, im Folgenden: VO Nr. 639/2003) die Zahlung der Ausfuhrerstattung für lebende Rinder des KN-Codes 0102 in zulässiger Weise (vgl. EuGH, Urteil vom 17.01.2008, C-37/06, Rz. 47, [...]) davon abhängig gemacht, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG (= Richtlinie des Rates vom 19.11.1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG, ABl. Nr. 340/17, in der Fassung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, ABl. Nr. 1 148/52) sowie die Regelungen der VO Nr. 639/2003 eingehalten werden. Dementsprechend wird gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003 Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt für Tiere, bei denen die zuständige Behörde aufgrund der Unterlagen gemäß Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 639/2003 und/oder sonstiger Informationen über die Einhaltung der Verordnung Nr. 639/2003 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628/EWG nicht eingehalten wurde. In Art. 6 Abs. 2 lit. a) VO Nr. 639/2003 hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber zudem bestimmt, dass die Erstattung für alle in der Ausfuhranmeldung angegebenen Tiere verweigert wird, wenn für mehr als 5% der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl Tiere, mindestens jedoch drei Tiere, keine Erstattung gezahlt wird. Hinsichtlich des Streitfalles hat das beklagte Hauptzollamt allerdings zu Unrecht angenommen, dass es der Klägerin im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) i.V.m. Art. 6 Abs. 2 lit. a) VO Nr. 639/2003 keine Ausfuhrerstattung schuldet. Zwar hat die Klägerin gegen die Richtlinie 91/628/EWG verstoßen (hierzu unter a). Dieser Verstoß rechtfertigt indes unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht, der Klägerin unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003 für drei Tiere keine Ausfuhrerstattung zu zahlen und sodann gestützt auf die Regelung des Art. 6 Abs. 2 lit. a) VO Nr. 639/2003 für alle in der Ausfuhranmeldung angegeben Tiere die Erstattung zu verweigern (hierzu unter b).

a) Die Klägerin hat in Bezug auf den in Rede stehenden Tiertransport gegen die Richtlinie 91/628/EWG verstoßen.

In Art. 5 A. 1. lit. b) der Richtlinie 91/628/EWG ist geregelt, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass ein Transportunternehmer Tiere nicht so befördert oder befördern lässt, dass sie verletzt werden können oder unnötig leiden müssen. In Kapitel I des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG heißt es unter Ziffer 2 lit. b) der "Allgemeinen Bestimmungen", dass die Tiere über angemessenen Raum verfügen müssen, um in ihrer normalen Stellung stehen zu können. Der erkennende Senat geht im Streitfall davon aus, dass die Klägerin bzw. der Transporteur, dessen Verhalten sie sich zurechnen lassen muss, jedenfalls zeitweilig die Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten hat. Denn im Rahmen einer Tiertransportkontrolle in Österreich wurde festgestellt, dass drei Tiere, die sich auf der oberen Ladefläche befanden, mit Teilen der Rückenlinie an der oberen Laderaumbegrenzung anstanden (vgl. Bl. 61 und 84 der Sachakte, Heft I). Angesichts dieses Befundes, der von einer sachverständigen Person - scil. des Tiertransport-Inspekteurs des Landes ..., Dr. D - getroffen wurde, nimmt der Senat an, dass diese drei Tiere auf der oberen Ladefläche jedenfalls vorübergehend nicht über genügend Raum verfügten, um in ihrer normalen Stellung stehen zu können, was einen Verstoß gegen die Ziffer 2 lit. c) des Kapitels I des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG darstellt. Unerheblich ist insoweit, dass die zu geringe Laderaumhöhe (noch) zu keinen Verletzungen der Tiere, wie etwa Hautabschürfungen geführt hatte. Der vom Tiertransport-Inspekteur des Landes ... dokumentierte Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG wird auch dadurch nicht in Frage gestellt, dass der Veterinär, der die Verladung der Tiere überwacht hatte, gegenüber dem beklagten Hauptzollamt erklärt hat, die Tiere hätten bei der Verladung über genügend Rückenfreiraum verfügt, tierschutzrechtliche Probleme seien bei der Verladung nicht aufgetreten (vgl. Schreiben vom 10.11.2004, Bl. 76 der Sachakte, Heft I). Denn die Aussagekraft dieser veterinärrechtlichen Bekundung relativiert sich mit Blick auf die im Rahmen der in Österreich erfolgten Tiertransportkontrolle vor dem Hintergrund, dass der für den in Rede stehenden Tiertransport verwandte LKW über eine in der Höhe verstellbare Ladefläche verfügte.

b) Das beklagte Hauptzollamt darf indes unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten den vorliegenden Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG nicht zum Anlass nehmen, der Klägerin unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003 für drei Tiere keine Ausfuhrerstattung zu zahlen und sodann gestützt auf die Regelung des Art. 6 Abs. 2 lit. a) VO Nr. 639/2003 für alle in der Ausfuhranmeldung angegeben Tiere die Erstattung zu verweigern.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem auf das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats (Beschluss vom 10.01.2006, IV 3/02, [...]) ergangenen Urteil vom 17.01.2008 (C-37/06, [...]) klargestellt, dass das vorlegende Gericht zu prüfen hat, ob die zuständigen Behörden die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 (Abl. Nr. 1 82/19), der Vorgängerverordnung zur Verordnung Nr. 639/2003, im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewandt haben (Rz. 47). Der Europäische Gerichtshof hat nämlich in seinen Entscheidungsgründen deutlich gemacht, dass die - mit der vorliegend einschlägigen Regelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003 inhaltlich übereinstimmende - Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98, wonach die Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, bei denen die zuständige Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628/EWG nicht eingehalten worden ist, der "Behörde bei der Entscheidung, ob der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führt, ein gewisses Ermessen" einräumt (Rz. 38). Die zuständige Behörde hat deshalb - so hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17.01.2008 (C-37/06, [...]) weiter ausgeführt - zum einen zu prüfen, ob sich der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG auf das Wohlergehen der Tiere ausgewirkt hat, ob dieser Verstoß gegebenenfalls geheilt werden kann und ob er zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss (Rz. 44). Zum anderen hat die Behörde auch zu entscheiden, ob die Ausfuhrerstattung anteilmäßig im Verhältnis der Zahl der Tiere zu kürzen ist, die ihrer Meinung nach unter der Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628/EWG gelitten haben können, oder ob keine Erstattung zu zahlen ist, falls sich die Nichteinhaltung einer Bestimmung dieser Richtlinie auf das Wohlbefinden sämtlicher Tiere ausgewirkt hat (Rz. 44). Diese Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes, wie die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 auszulegen und anzuwenden ist, sind von den nationalen Behörden und Gerichten auch in Bezug auf die insoweit inhaltsgleiche Regelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003 zu beachten. Im Übrigen geht auch der Gemeinschaftsverordnungsgeber davon aus, dass die Verordnung Nr. 639/2003 kein grundsätzlich neues und inhaltlich abweichendes Recht schafft, sondern die Vorgängerverordnung Nr. 615/98 lediglich "im Interesse der Klarheit ersetzt" (2. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 639/2003).

Der erkennende Senat hat in diesem Kontext bedacht, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 13.03.2008 (C-96/06, [...]) auf ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats (Beschluss vom 23.01.2006, IV 73/04, [...]) u.a. geantwortet hat, dass die zuständige Behörde nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 die Ausfuhrerstattung wegen der Nichteinhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 91/628/EWG betreffend die Gesundheit der Tiere versagen kann, auch wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass das Wohlbefinden der beförderten Tiere konkret beeinträchtigt worden ist (Rz. 52). Diese Antwort des Gerichtshofs darf freilich nicht dahin fehlinterpretiert werden, dass die Behörden einen Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport zum Anlass nehmen dürfte, einem Ausführer die beantragte Erstattung ohne weitere Prüfung - gleichsam automatisch und unausweichlich - zu versagen. Der Europäische Gerichtshof hat nämlich zum einen in seinem Urteil vom 13.03.2008 (C-96/06, [...]) unmittelbar vor seiner Antwort auf die Vorlagefrage des Senats daran erinnert, dass die zuständige Behörde zu prüfen hat, ob sich der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie auf das Wohlbefinden der Tiere ausgewirkt hat, ob dieser Verstoß gegebenenfalls geheilt werden kann und ob er zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss (Rz. 51). Diese Erinnerung an eine der tragenden Feststellungen des Urteils vom 17.01.2008 (C-37/06, Rz. 44, [...]) erhellt, dass die zuständige nationale Behörde in den Fallgestaltungen der 2. Variante des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 stets eine Ermessensentscheidung zu treffend hat, in die auch die vom Gerichtshof vorgegebenen Ermessenserwägungen einzustellen sind.

Zum anderen muss die Antwort des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 13.03.2008 (C-96/06, [...]) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausgangsverfahrens dieser EuGH-Entscheidung gelesen werden. In diesem Verfahren waren nämlich lebende Rinder auf einem Schiff in den Libanon ausgeführt worden, das auf einer von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erstellten sog. Negativliste geführt wurde, weil es aufgrund schwerwiegender Mängel nicht den Anforderungen der Richtlinie 91/628/EWG entsprach. Der libanesische Veterinär hatte aber in seinem Bericht nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 615/98 über die Kontrolle der ersten Entladung der Tiere im Bestimmungsdrittland keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tiere festgestellt. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund reduziert sich die Antwort des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 13.03.2008 (C-96/06, [...]) unter Rz. 52 auf die Erkenntnis, dass die zuständige Behörde im Rahmen des ihr nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 eingeräumten Ermessens, hat sich der Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG nicht feststellbar auf das Wohlergehen der Tiere ausgewirkt, die Ausfuhrerstattung (nur) versagen kann, wenn der in Rede stehende Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG so schwerwiegend ist, dass es geradezu verwunderlich ist, dass das Wohlbefinden der beförderten Tiere nicht konkret beeinträchtigt wurde. Auch der Generalanwalt Mengozzi hat in seinem Schlussantrag vom 15.11.2007 (C-96/06, http://curia.europa.eu/de/transitpage.htm) auf die dritte Vorlagefrage des Senats ausdrücklich betont, dass ungeachtet der Schwierigkeiten, Anzeichen für Leiden zu entdecken, die die betreffenden Tiere während der Transportphasen erdulden, und Umstände auszumachen, die den von ihnen erlittenen Schaden oder zumindest die Gefährdung ihres Wohlbefindens beweisen (Rz. 45), die Erstattung nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nur versagt werden kann, soweit es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (Rz. 46).

Im Streitfall ist das dem beklagten Hauptzollamt nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003 eingeräumte Ermessen in der Weise gebunden, dass als ermessensfehlerfreie Entscheidung allein die Gewährung von Ausfuhrerstattung auch für die Tiere in Betracht kommt, hinsichtlich derer der Tiertransport-Inspekteur des Landes ... im Rahmen der Tiertransportkontrolle eine zu geringe Laderaumhöhe beanstandet hatte. Der erkennende Senat hat sich insoweit von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass als Verstoß gegen die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport allein eine zu geringe Laderaumhöhe der oberen Ladefläche in Rede steht, die sich bei drei Tieren in der Weise ausgewirkt hatte, dass sie "mit Teilen der Rückenlinie an der oberen Laderaumbegrenzung anstanden" (vgl. Stellungnahme des Tiertransport-Inspekteurs Dr. D, Bl. 84 der Sachakte, Heft I). Ob diese zu geringe Laderaumhöhe darauf zurückzuführen ist, dass die Dachhöhe des LKW verändert wurde, ist weder erwiesen noch für die zu treffende Ermessensentscheidung von maßgeblicher Bedeutung. Mit Blick auf die dem beklagten Hauptzollamt obliegende Entscheidung, ob der vorliegend festgestellte Verstoß gegen die Ziffer 2 lit. a) des Kapitels I des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führt, ist vielmehr ausschlaggebend, dass die zu geringe Laderaumhöhe in Bezug auf die drei Tiere zu keinen Schäden geführt hat. Der Veterinär Dr. D hat in seiner Stellungnahme nicht nur hervorgehoben, dass an den drei Tieren keine Verletzungen - wie z.B. Abschürfungen - festgestellt worden seien, sondern auch protokolliert, dass der Zustand der Tiere auch zum Zeitpunkt der Kontrolle zufriedenstellend gewesen sei (vgl. Bl. 84 der Sachakte, Heft I). Diese sachverständigen Feststellungen erhellen, dass sich der in Rede stehende Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG auf das - in der Worten des Europäischen Gerichtshofs - "Wohlergehen der Tiere" nicht ausgewirkt hat, was im Übrigen auch dadurch bestätigt wird, dass (auch) der italienische Veterinär an der Ausgangsstelle aus der Gemeinschaft ein uneingeschränktes Testat in Bezug auf die nach Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 639/2003 durchzuführende Kontrolle, die auch die Prüfung beinhaltet, ob die Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG vom Versandort bis zur Ausgangsstelle eingehalten wurden (vg. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 lit. a) VO Nr. 639/2003), ausgestellt hat (vgl. Bl. 40 der Sachakte RS, Heft I).

Als weiterer, das Ermessen des beklagten Hauptzollamtes bindender Gesichtspunkt kommt vorliegend hinzu, dass die beanstandete Laderaumhöhe noch während der Tiertransportkontrolle korrigiert wurde, so dass der "Transportvorgang ohne Behinderung der Tiere beim Stehen fortgesetzt werden konnte" (vgl. Stellungnahme des Veterinärs Dr. D, Bl. 83 der Sachakte, Heft I). Der in Rede stehende Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG konnte folglich - wie der Europäische Gerichtshof formuliert hat - "geheilt werden" (vgl. Urteil vom 17.01.2008, C-37/08, Rz. 44, [...]). Anhaltspunkte dafür, dass die Laderaumhöhe im Anschluss an diese Tiertransportkontrolle wieder verändert wurde, bestehen nicht. Vielmehr ist vor dem Hintergrund der von dem italienische Grenzveterinär augestellten uneingeschränkten Bescheinigung über die Einhaltung der Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG nach Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 639/2003 (vgl. Bl. 40 RS der Sachakte, Heft I) davon auszugehen, dass dieser Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG nur vorübergehend war.

Unbeschadet der vorstehenden Darlegungen hat das beklagte Hauptzollamt einen weiteren Gesichtspunkt in seine Ermessensentscheidung einzubeziehen, dem im Streitfall ein solches Gewicht beizumessen ist, dass bereits aus diesem Grunde angesichts des in Rede stehenden geringen und auch nur zeitweiligen Verstoßes gegen die Richtlinie 91/628/EWG allein die Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung als ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt: Der Gemeinschaftsverordnungsgeber hat mit der Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 und 2 VO Nr. 639/2003 Sanktionstatbestände geschaffen, die für die Ausführer mit drastischen Rechtsfolgen verknüpft sind. Nach Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 639/2003 wird die Erstattung noch einmal gekürzt um einen Betrag in Höhe des gemäß Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 639/2003 nicht gezahlten Betrages, wenn für entweder mehr als 1% der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl, jedoch mindestens zwei Tiere (lit. a), oder mehr als fünf Tiere (lit. b) keine Erstattung gezahlt wird. In Art. 6 Abs. 2 VO Nr. 639/2003 hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber zudem verschärfend angeordnet, dass die Erstattung für alle in der Ausfuhranmeldung angegebenen Tiere verweigert wird, wenn für entweder mehr als 5% der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl, jedoch mindestens drei Tiere (lit. a), oder mehr als zehn Tiere, jedoch mindestens 2% der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl (lit. b), gemäß Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 639/2003 keine Erstattung gezahlt wird. Diese Sanktionstatbestände beruhen auf der Erwägung des Gemeinschaftsverordnungsgebers, dass einerseits zusätzlich zur Nichtzahlung der Ausfuhrerstattung angemessene Sanktionen verhängt werden sollen, wenn die Richtlinie 91/628/EWG bei einer großen Zahl von Tieren nicht eingehalten wurde, andererseits soll die Erstattung insgesamt nur verweigert werden, wenn die Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628/EWG auf eine völlige Missachtung der Tierschutzvorschriften zurückzuführen ist (vgl. 7. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 639/2002). Vor diesem Hintergrund hat das beklagte Hauptzollamt zu prüfen, ob es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt ist, dass der konkret festgestellte Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628/EWG nicht nur zu einer teilweisen Versagung der Erstattung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003, sondern auch zu einer Verhängung einer Sanktion nach Art. 6 Abs. 1 bzw. 2 VO Nr. 639/2006 in Form einer weiteren Kürzung bzw. Verweigerung der Erstattung insgesamt führen muss. Diese Prüfung kann im Streitfall nur zugunsten der Klägerin ausfallen: Würde das beklagte Hauptzollamt in Bezug auf die drei Tiere, die von der geringen Laderaumhöhe betroffen waren, eine anteilige Kürzung der Ausfuhrerstattung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. c) VO Nr. 639/2003 vornehmen, hätte diese Entscheidung zur Konsequenz, dass der Klägerin die Erstattung gemäß Art. 6 Abs. 2 lit. a) VO Nr. 639/2003 insgesamt zu verweigern wäre. Denn nach dieser Vorschrift wird - wie bereits ausgeführt - die Erstattung für alle in der Ausfuhranmeldung angegebenen Tiere - in concreto: 34 - verweigert, wenn für mehr als 5% der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Zahl, mindestens jedoch drei Tiere, nach Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 639/2033 keine Erstattung gezahlt wird. Ein vollständiger Verlust der Ausfuhrerstattung ist indes gemessen an dem in Rede stehenden Verstoß gegen die Richtlinie 91/629/EWG - scil. eine vorübergehend zu geringe Laderaumhöhe, die sich lediglich in Bezug auf drei Tiere ausgewirkt und zu keinen Verletzungen geführt hat - offensichtlich unverhältnismäßig.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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