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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 04.04.2008
Aktenzeichen: 4 V 2/08
Rechtsgebiete: FGO, BierStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3
BierStG § 8
BierStG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 V 2/08

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob für eine vorgetäuschte Bierlieferung von Italien nach Deutschland gegen die Antragstellerin zu Recht Biersteuern in Höhe von Euro 15.322,58 festgesetzt worden sind.

Die Antragstellerin ist als Großhandelsunternehmen in dem Bereich des Kaufs und Verkaufs verschiedener Waren, insbesondere mit italienischen Geschäftspartnern tätig. Zum unversteuerten Bezug bestimmter Waren auch aus Italien war der Antragstellerin die Zulassung als berechtigter Empfänger für Brandwein, Wein, Schaumwein und Kaffee schon im Jahre 2005 bzw. 2006 erteilt worden.

Am 22.11.2006 stellte die Antragstellerin den Antrag auf Erlaubnis als berechtigter Empfänger zum Bezug von Bier. Das hatte folgende Bewandtnis:

Die Antragstellerin erhielt von einem ihrer italienischen Kunden (der Fa. A) die Anfrage, ob nicht in Italien hergestelltes Bier zur Umgehung von Vertriebsbindungen an einen italienischen Abnehmer fakturiert werden könnte. Da eine solche Handhabung (nur) gegen zivilrechtliche Vertriebs- bzw. Kartellbindungen verstößt, erklärte die Antragstellerin sich hiermit einverstanden. Auf Geheiß der Fa. A kaufte die Einspruchsführerin daher in 11 Fällen bei der Fa. B in C und in einem Fall bei der Fa. D, ebenfalls in C größere Mengen Bier, erhielt diese fakturiert und berechnete sie der Fa. A weiter. Da die Biersteuer in Italien nicht bei den Exportfirmen Fa. B und Fa. D, sondern bei der Fa. A entstehen sollte, stellte die Antragstellerin am 22.11.2006 den Antrag auf Erlaubnis als berechtigte Empfängerin zum Bezug von unversteuertem Bier. Diese Erlaubnis wurde vom Antragsgegner mit Wirkung zum 15.01.2007 erteilt.

Da Steueranmeldungen nach § 8 Biersteuergesetz (BierStG) nicht bis zum 28.03.2007 beim Antragsgegner abgegeben worden waren, wurde eine Außenprüfung durchgeführt; der Bericht hierüber erging per 09.05.2007. Es wurde festgestellt, dass in der Zeit vom 23.11.2006 bis 05.01.2007 aus Italien importiertes Bier bei der Antragstellerin als Zugang und Abgang gebucht worden war. Den Exportfirmen in Italien gab die Antragstellerin ihre für die anderen Verbrauchssteuerbereiche erteilte Verbrauchssteuernummer bekannt. Die zugehörigen begleitenden Verwaltungsdokumente, in denen die Antragstellerin als Empfänger eingetragen war, wurden dem Antragsgegner vorgelegt. Da die als Zugang gebuchte Biermenge nicht in den Betrieb der Antragstellerin aufgenommen worden war, ging der Antragsgegner davon aus, dass die Antragstellerin dieses Bier dem Steueraussetzungsverfahren entzogen habe und setzte mit Bescheid vom 06.07.2007 gegen die Antragstellerin Biersteuer in Höhe von Euro 15.322,58 fest. Hiergegen legte die Antragstellerin fristgerecht mit Schreiben vom 10.08.2007 Einspruch ein, über den der Antragsgegner bisher nicht entschieden hat. Gleichzeitig stellte die Antragstellerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.10.2007 zurückwies. Den dagegen mit Schreiben vom 09.11.2007 eingelegten Einspruch wies der Antragsgegner mit seinem Bescheid vom 11.12.2000 zurück. Die Antragstellerin begehrt deshalb vom Gericht die Vollziehungsaussetzung. Zur Begründung trägt sie u.a. Folgendes vor:

Der angefochtene Biersteuerbescheid sei rechtswidrig, da der Import aus Italien nur buchmäßig vorgetäuscht worden sei. Tatsächlich habe das Bier Italien zu keinem Zeitpunkt verlassen, habe sich mithin auch zu keinem Zeitpunkt im deutschen Steuergebiet befunden. Das Bier habe auch zu keinem Zeitpunkt die Bestimmung gehabt, in den Betrieb der Antragstellerin aufgenommen zu werden. Ein Verbringen von Italien nach Deutschland sei zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen, auch wenn sich ein solcher Transport in täuschender Weise aus den schriftlichen Unterlagen ergäbe. Für die Biersteuer als Verbrauchsteuer komme es aber nicht auf das Anschreiben in der Buchhaltung oder die Verbuchung im Übrigen, sondern vielmehr auf die tatsächlichen Vorgänge an.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Steuerbescheides des Antragsgegners vom 06.07.2007 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er u.a. folgendes vor:

In der Zeit vom 23.11.2006 bis 05.01.2007 sei das Bier durch die Antragstellerin als berechtigter Empfänger aus Italien importiert, in den betriebsinternen Aufzeichnungen als Zugang gebucht und die zugehörigen begleitenden Verwaltungsdokumente dem Antragsgegner vorgelegt worden. Der Versender in Italien sei von einem berechtigten Bezug der Antragstellerin ausgegangen. Körperlich sei das bezogene Bier, entgegen den steuerlichen Anschreibungen jedoch nicht in den Betrieb der Antragstellerin aufgenommen worden, sondern nach Passieren der deutschen Grenze umgehend wieder nach Italien zurückgeliefert worden. Da das Bier nicht tatsächlich in den Betrieb der Antragstellerin als berechtigter Empfänger aufgenommen worden sei, gelte die Ware als unrechtmäßig aus dem Steuerversandverfahren entnommen und somit als aus dem Steueraussetzungsverfahren entzogen (§ 15 Abs. 1 BierStG).

Ein Sachvorgang des Antragsgegners (.../07) hat vorgelegen.

II. Der nach § 69 Abs. 3 FGO zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist begründet.

1. Rechtsgrundlage

Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Danach soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Entscheidung neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen. Gem. § 69 Abs. 2 Satz 3 kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Biersteuerbescheides des Antragsgegners vom 06.07.2007. Denn nach summarischer Prüfung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das von der Antragstellerin in dem Zeitraum vom 22.11.2006 bis 05.01.2007 buchmäßig bezogene Bier einem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden ist. Es ist rechtlich ernstlich zweifelhaft, dass ein Steueraussetzungsverfahren, aus dem Ware entzogen werden könnte, überhaupt rechtswirksam eröffnet worden ist.

a) Eröffnung eines rechtswirksamen Steueraussetzungsverfahrens

aa) Berechtigter Empfänger als Bezugsberechtigter

Nach § 12 Abs. 1 BierStG kommen als Versender von Bier unter Steueraussetzung im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren ausschließlich Steuerlagerinhaber in Betracht. Als Empfänger des Bezugs von Bier unter Steueraussetzung können nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BierStG nur Steuerlagerinhaber und die sogenannten berechtigten Empfänger fungieren. Andere als diese Personen kommen als Versandbeteiligte nicht in Frage. Fehlt es bei der Eröffnung des Verfahrens an der Versand- bzw. Bezugsberechtigung, so ist eine Beförderung des Biers unter Steueraussetzung ausgeschlossen, da ein rechtswirksames Steueraussetzungsverfahren nicht vorliegt. Denn die Versand- und Bezugsberechtigung ist materiell-rechtliche Voraussetzung des Versands/Bezugs von Bier unter Steueraussetzung in andere bzw. aus anderen Mitgliedsstaaten.

bb) Maßgebend ist die objektive Bezugsberechtigung des berechtigten Empfängers

Für die Eröffnung eines rechtswirksamen Steuerversandverfahrens dürfte allein der objektive Tatbestand der Versand- bzw. Bezugsberechtigung und nicht die subjektive Vorstellung der Versandbeteiligten hinsichtlich der Berechtigung maßgeblich sein. Ein Steuerversandverfahren (gleich Versand unter Steueraussetzung) dürfte deshalb nicht rechtswirksam an einen nur vermeintlichen Bezugsberechtigten eröffnet werden können (vgl. FG-Düsseldorf vom 02.02.2002, 4 K 1411/01, VBr, ZFZ 2002, 2006, 2007; BFH-Beschluss vom 17.03.2000 VII B 39/99, ZFZ 2000, 312 ff.;Beschluss vom 19.03.2001 VII B 243/00, [...] doc. STRE 200150485). Das gilt auch dann, wenn der versendende Steuerlagerinhaber den Empfänger gutgläubig und unverschuldet für bezugsberechtigt hält, dieser tatsächlich aber nicht bezugsberechtigt ist. Für das Erfordernis der objektiven Versand- bzw. Bezugsberechtigung als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Eröffnung eines solchen rechtswirksamen Steuerversandverfahrens sprechen der Wortlaut des Gesetzes (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BierStG), die Verbrauchssteuersystematik sowie Belange der Steueraufsicht. Nur dem objektiv berechtigten Empfänger ist von den Zollbehörden die Erlaubnis zum unversteuerten Warenbezug erteilt und erst diese Erlaubnis sichert die für das Steueraussetzungsverfahren notwenige Steuerkontrolle. Deshalb dürfte eine Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung an Personen, denen diese Erlaubnis fehlt (d.h. an objektiv nicht Bezugsberechtigte) nicht in Betracht kommen.

cc) Gegenteilige Auffassung der Zollverwaltung

Die vom Antragsgegner vertretene und auf die Dienstvorschrift V 32 51 Abs. 64 gestützte gegenteilige Auffassung läuft auf die Anerkennung eines weiteren - gesetzlich nicht vorgesehenen - Aussetzungsverfahrens hinaus, nämlich die Beförderung von Bier unter Steueraussetzung bis zur Auslieferung an den bzw. bis zur Inbesitznahme durch den objektiven Nichtbezugsberechtigten. Ein solcher Versand ist auch deshalb abzulehnen, weil die Voraussetzungen des Aussetzungsverfahrens nicht zur Disposition der Beteiligten stehen können. Nur die Erfüllung der vom Gesetzgeber festgelegten objektiven Voraussetzungen und nicht subjektive Momente der Versandbeteiligten können darüber entscheiden, ob eine Beförderung unter Steueraussetzung möglich ist.

b) Die Voraussetzungen eines rechtswirksamen Steueraussetzungsverfahrens sind nicht erfüllt

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist davon auszugehen, dass im Streitfall ein rechtswirksames Steueraussetzungsverfahren nicht eröffnet worden ist. Der Antragstellerin ist eine Erlaubnis als berechtigte Empfänger zum Bezug von unversteuertem Bier vom Antragsgegner erst mit Wirkung vom 15.01.2007 erteilt worden. Zum Zeitpunkt der hier fraglichen Lieferungen, also vom 23.11.2006 bis 05.01.2007 war die Antragstellerin (noch) kein berechtigter Empfänger und es konnte deshalb mit ihr als Empfängerin ein rechtswirksames Steueraussetzungsverfahren nicht eröffnet werden. Es ist deshalb Bier nicht einem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden, weshalb in der Person der Antragstellerin eine Biersteuer nicht entstehen konnte. Die Steuer ist vielmehr bereits in Italien durch Entfernung des Bieres aus dem Steuerlager der italienischen Exportfirmen entstanden, da sich ein weiteres rechtswirksames Steueraussetzungsverfahren wegen der fehlenden Bezugsberechtigung des Empfängers nicht angeschlossen hat (vgl. die § 7 Abs. 1 BierStG entsprechende italienische Norm).

3. Der Senat hat von der Anordnung einer Sicherheitsleistung Abstand genommen, da keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass eine Realisierung der umstrittenen Abgabenforderungen im Fall des Obsiegens des Antragsgegners gefährdet sein könnte.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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