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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 09.10.2007
Aktenzeichen: 6 K 326/04
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 3
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

6 K 326/04

Tatbestand:

Der Kläger ist bei einer deutschen Fluggesellschaft als Flugbegleiter beschäftigt und lebt in Spanien.

Für die Streitjahre 2000 bis 2002 beantragte der Kläger, der sich während dieser Zeit selbst um seine steuerlichen Angelegenheiten kümmerte, jeweils die Erteilung einer Bescheinigung für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer. Dabei gab er als seinen einzigen Wohnsitz A/Spanien an. Die zuständige Sachbearbeiterin stellte die entsprechenden Bescheinigungen nach § 39d i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 6 EStG aus und übersandte sie dem deutschen Arbeitgeber des Klägers.

Im September 2001 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 ein. Er verwendete den Vordruck für unbeschränkt Steuerpflichtige, auf dem er (gleichwohl) als Anschrift seinen Wohnsitz in A/Spanien angab. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen und negative Einkünfte aus Spekulationsgeschäften. Ferner machte er Vorsorgeaufwendungen geltend. Der vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitsgebers zufolge betrug der Bruttoarbeitslohn des Klägers 63.451,23 DM; Lohnsteuer wurde in Höhe von 13.050,55 DM einbehalten. Aus den Aufstellungen, die der Erklärung beigefügt waren, ging hervor, dass Werbungskosten nicht anteilig, sondern in voller Höhe geltend gemacht wurden. Mit Bescheid vom 13.03.2002 veranlagte dieselbe Sachbearbeiterin, die die Bescheinigungen für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer ausgestellt und dem Arbeitgeber übersandt hatte, den Kläger zur Einkommensteuer 2000 und erfasste dabei (erklärungsgemäß) den gesamten Arbeitslohn als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Im April 2002 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 und im März 2003 die Erklärung für das Jahr 2002 ein. Die Erklärungen entsprachen hinsichtlich der Behandlung des Arbeitslohns, der Werbungskosten und der Vorsorgeaufwendungen der Erklärung für das Jahr 2000. Mit Bescheiden vom 20.08.2002 (für das Jahr 2001) und vom 15.05.2003 (für das Jahr 2002) veranlagte die nach wie vor zuständige Sachbearbeiterin den Kläger und erfasste wiederum - erklärungsgemäß - jeweils den gesamten Arbeitslohn als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Zwischenzeitlich, unter dem Datum des 02.05.2003, hatte der Beklagte dem Arbeitgeber des Klägers ein weiteres Mal, für das (nicht im Streit befindliche) Jahr 2003, bescheinigt, dass der Kläger beschränkt einkommensteuerpflichtig war. Ferner lagen der Sachbearbeiterin für alle Streitjahre Bescheinigungen der spanischen Steuerbehörde vor, in denen jeweils bestätigt wurde, dass der Kläger seinen Wohnsitz in Spanien habe und dass seine Einkünfte keiner Besteuerung in Spanien unterlägen. Diese Bescheinigungen gingen dem Finanzamt am 27.12.2001 (für 2000), am 31.07.2002 (für 2001) und am 10.04.2003 (für 2002) zu.

Alle Einkommensteuerbescheide wurden bestandskräftig. Die Bescheide für 2000 und 2001 wurden mit Bescheiden vom 03.04.2003 und der Bescheid für 2002 mit Bescheid vom 10.07.2003 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu Lasten des Klägers geändert (wegen - hier nicht streitiger - Feststellungen von Einkünften aus der Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft).

Im März 2004 beauftragte der Kläger einen Steuerberater mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Belange. Im April 2004 erklärte der Kläger nach einer entsprechender Anfrage des Beklagten, dass er in Deutschland über kein Wohneigentum verfüge, dass er weder Mieter noch Mit- bzw. Untermieter von inländischem Wohneigentum sei und auch keine anderweitige Möglichkeit habe, im Inland zu wohnen bzw. sich regelmäßig aufzuhalten. Die Flugverbindungen von A nach B seien so gut, dass er in der Regel direkt zu seinem Dienst nach B fliegen könne. Nur in seltenen Fällen übernachte er im Hotel.

Mit Schreiben vom 11.05.2004 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 vom 03.04.2003 sowie den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 10.07.2003 zu ändern. Der Arbeitslohn des Klägers sei unzutreffend vollständig der Einkommensteuer unterworfen worden. Tatsächlich hätte nur der durch die nichtselbständige Tätigkeit in Deutschland erzielte Arbeitslohn besteuert werden dürfen. Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 28.05.2004 ab. Dagegen legte der Kläger am 09.06.2004 Einspruch ein. Mit Schreiben vom 24.06.2004 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, dass der von dem Arbeitgeber ermittelte Inlandsanteil der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 12,83% für 2000 (richtig: 12,33%), 12,03% für 2001 und 11,71% für 2002 betrage; entsprechende Aufstellungen des Arbeitgebers waren diesem Schreiben beigefügt.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 28.09.2004 als unbegründet zurück: Das Finanzamt sei davon ausgegangen, dass der Einspruchsführer einen konkludenten Antrag nach § 1 Abs. 3, § 1a EStG gestellt habe und dementsprechend als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln gewesen sei. Er habe Erklärungsvordrucke für unbeschränkt Steuerpflichtige verwendet und die notwendigen Anlagen EU/EWR eingereicht. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit habe er den vollständigen Bruttoarbeitslohn angegeben und Werbungskosten nicht nur anteilig geltend gemacht. Daneben habe er Vorsorgeaufwendungen erklärt, die bei beschränkter Steuerpflicht nicht abzugsfähig gewesen wären. Vor diesem Hintergrund stellten die von der Arbeitgeberin des Klägers ermittelten Inlandsanteile zwar eine neue Tatsache dar. Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht sei die Höhe des Inlandsanteils jedoch irrelevant und somit im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht rechtserheblich.

Der Kläger hat am 29.10.2004 Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor: Obwohl seinem Arbeitgeber ordnungsgemäße Bescheinigungen nach § 39d EStG vorgelegen hätten, habe dieser die Lohnsteuer jeweils von dem gesamten Arbeitslohn einbehalten, nicht nur von den Inlandsanteilen. In den Lohnsteuerbescheinigungen für die Streitjahre sei die korrekte Höhe der Inlandsanteile dementsprechend nicht berücksichtigt worden. Er selbst sei damals steuerlich nicht beraten gewesen und habe die Veranlagung zur Einkommensteuer unter Angabe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Maßgabe der Lohnsteuerbescheinigungen beantragt. Auf die Richtigkeit der in der Lohnsteuerbescheinigung angegebenen Beträge habe er im Hinblick auf die dem Arbeitgeber vorliegenden Bescheinigungen des Beklagten vertraut; er habe davon ausgehen müssen, dass alle Beteiligten ihn als beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer behandeln würden. Der Arbeitgeber sei verpflichtet gewesen, den Inlandsanteil seiner Tätigkeit zu berechnen und den Lohnsteuerabzug dementsprechend vorzunehmen. Dass der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsaufwands, den die Ermittlung der Inlandsanteile mit sich bringe, eine Aufteilung nur auf gesonderte Anforderung des jeweiligen Arbeitnehmers hin vornehme und berücksichtige, sei den beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern nicht mitgeteilt worden. Zwar sei die fragwürdige Vorgehensweise des Arbeitgebers nicht unmittelbar Gegenstand dieser Klage; gleichwohl verdeutliche sie, dass ihn an dem verspäteten Bekanntwerden der tatsächlichen Inlandsanteile kein Verschulden treffe. Auch durch den Beklagten sei der Kläger auf die Möglichkeit, eine solche Bescheinigung anzufordern, nicht hingewiesen worden, obwohl dem Beklagten aus gleichgelagerten Fällen hätte bekannt sein müssen, dass die für die korrekte Besteuerung erforderliche Berechnung des Inlandsanteils durch den Arbeitgeber nur auf Antrag vorgenommen werde. Der Kläger habe somit nur von einer korrekten Lohnsteuerbescheinigung ausgehen können und habe folgerichtig die darin ausgewiesenen Zahlen in seine Steuererklärung übertragen. Da somit die tatsächlich maßgeblichen Inlandsanteile erst nachträglich bekannt geworden seien, müssten die angefochtenen Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geändert werden. Gegebenenfalls sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers (Bl. 7 ff., Bl. 36 ff., B. 46 ff. und Bl. 50 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 vom 03.04.2003 sowie den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 10.07.2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2004 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der korrekten Inlandsanteile der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 12,33% bzw. 6.897 DM (für 2000), von 12,03% bzw. 5.819 DM (für 2001) und von 11,71% bzw. 2.604 EUR (für 2002) niedriger festgesetzt wird,

hilfsweise

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 126 Abs. 3 AO zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte räumt ein, dass man den Kläger an sich - unabhängig vom Umfang des Inlandsanteils seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit - den rechtlichen Voraussetzungen nach überhaupt nicht als unbeschränkt steuerpflichtig hätte veranlagen dürfen. Es werde auch nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei den konkreten Inlandsanteilen um neue Tatsachen handle, die nachträglich bekannt geworden seien. Diese Tatsachen seien im Streitfall jedoch nicht rechtserheblich. Zum Zeitpunkt der Veranlagung sei - zumindest allgemein - bereits bekannt gewesen, dass im Fall des Klägers durchaus ein Inlandsanteil in der nunmehr mitgeteilten Größenordnung vorgelegen haben könnte; denn beim fliegenden Personal werde regelmäßig von einem Inlandsanteil zwischen 10 und 20% ausgegangen. Ein Überwiegen des inländischen Anteils der Einkünfte, wie es § 1 Abs. 3 EStG voraussetze, sei daher auszuschließen gewesen sei, so dass der Kläger schon nach damaligem Kenntnisstand nicht als unbeschränkt Steuerpflichtiger zu veranlagen gewesen wäre. Da nun der Beklagte den Kläger gleichwohl, in Kenntnis eines typischen Inlandsanteils von 10 bis 20%, entsprechend seiner Erklärung als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt habe, wäre dies mit Sicherheit auch in Kenntnis des tatsächlichen Anteils zwischen 11,71 und 12,82% erfolgt. Die vom Inlandsanteil unabhängige Annahme einer unbeschränkten Steuerpflicht auf Antrag des Steuerpflichtigen habe zudem der üblichen Praxis entsprochen. Alle Beteiligten seien davon ausgegangen, dass Art. 15 Abs. 3 DBA Spanien über § 2 AO maßgeblich sei und dass die Einschränkungen der §§ 1 Abs. 3, 49 EStG dementsprechend nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Folgerichtig habe man weder den Inlandsanteil nach § 49 EStG noch die 90%-Grenze des § 1 Abs. 3 EStG für einschlägig gehalten, wenn ein Steuerpflichtiger die Veranlagung als unbeschränkt steuerpflichtig beantragt habe - wovon das Finanzamt im Fall des Klägers, wie in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt werde, habe ausgehen müssen. Auf die Schriftsätze des Beklagten (Bl. 33 ff. und 38 ff. der Gerichtsakte) wird ebenfalls wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.10.2007 Bezug genommen.

Dem Gericht hat die Einkommensteuerakte des Klägers (Band I, angelegt 2000) vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung zugunsten des Klägers nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) liegen vor.

Steuerbescheide sind gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO aufzuheben oder zu ändern, soweit (1.) Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und (2.) den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Weitere Voraussetzung ist (3.), dass die nachträglich bekannt gewordene Tatsachen oder Beweismittel rechtserheblich sind und die diesbezügliche Unkenntnis des Finanzamts für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen ist.

1. Dem Beklagten sind nachträglich Tatsachen bekannt geworden, die eine niedrigere Festsetzung der Einkommensteuer 2000 bis 2002 rechtfertigen.

Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Für die Frage, ob eine Tatsache bekannt ist, kommt es auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle der Finanzbehörde an. "Nachträglich" werden Tatsachen bekannt, wenn das FA sie bei Erlass des zu ändernden Steuerbescheids noch nicht kannte (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2004, VI R 93/01, HFR 2005, 90 - mit weiteren Nachweisen).

Da der Kläger in den Streitjahren weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, richtet sich seine Besteuerung als beschränkt Einkommensteuerpflichtiger nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG. Der inländische Anteil der von dem Kläger ausgeübten nichtselbständigen Arbeit ist Tatbestandsmerkmal des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG und somit auch Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO. Ferner sind sowohl der Anteil der Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, als auch die sich daraus ergebende Höhe der Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen, Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 3 EStG, auf den der Beklagte die Besteuerung des Klägers seinem Vorbringen nach gestützt hat.

Dem Beklagten waren die Inlandsanteile der nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht bekannt. Sie wurden dem Beklagten erstmalig mit Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 08.06.2004 mitgeteilt.

Die Höhe des nachträglich bekannt gewordenen Inlandsanteils rechtfertigt eine niedrigere Steuerfestsetzung. Das Finanzamt hat bislang die gesamten in den Streitjahren erzielten Einkünfte des Klägers auch nichtselbständiger Arbeit der Einkommensteuer unterworfen. Gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) unterliegen diese Einkünfte jedoch nur insoweit der deutschen Einkommensteuer, als die maßgebliche Tätigkeit im Inland ausgeübt worden ist. Aus Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 05.12.1966 (DBA-Spanien) ergibt sich nichts anderes. Zwar können nach dieser Bestimmung Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Doch kommt diese Regelung nur dann bzw. nur insoweit zum Tragen, als die genannten Vergütungen nach den nationalen steuerrechtlichen Bestimmungen des betreffenden Staates bereits der (inländischen) Steuerpflicht unterliegen; denn Doppelbesteuerungsabkommen begründen keine Steuerpflichten, sondern beschränken lediglich nach nationalem Steuerrecht bestehende Steuerpflichten (vgl. etwa Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Tz. 33, mit weiteren Nachweisen). Dementsprechend kann auch im Streitfall Art. 15 Abs. 3 DBA-Spanien keinen über § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG hinausgehenden Steuertatbestand schaffen. Die durch Gesetz vom 19.07.2006 (BGBl. I 2006, 1652) neu eingefügte Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2007 und somit nicht für die Streitjahre.

2. Den Kläger trifft kein grobes Verschulden daran, dass der Inlandsanteil der von ihm ausgeübten nichtselbständigen Arbeit nachträglich bekannt geworden ist.

Als grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat. Diese Voraussetzung kann zwar erfüllt sein, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt. Beruht die unvollständige Steuererklärung jedoch allein auf einem Rechtsirrtum infolge mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten. Dabei entfällt der Vorwurf grober Fahrlässigkeit allerdings nur dann, wenn der Rechtsirrtum subjektiv entschuldbar ist (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006, VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866 - mit weiteren Nachweisen).

Zwar hätte der Kläger den Inlandsanteil seiner nichtselbständigen Tätigkeit schon zu einem früheren Zeitpunkt von seinem Arbeitgeber erfragen und entsprechend dem Finanzamt mitteilen können. Dass er dies nicht getan hat, lag jedoch an seiner Unkenntnis der maßgeblichen steuerlichen Bestimmungen. Der zunächst nicht beratene Kläger nahm an, er habe mit seinen Anträgen auf Erteilung einer Bescheinigung für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer alles Erforderliche getan, um eine zutreffende Besteuerung zu erreichen. Die Unkenntnis der einschlägigen steuerlichen Bestimmungen zur Erfassung beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden - zumal sich der Beklagte darauf beruft, dass sich die Finanzverwaltung ihrerseits hinsichtlich der einschlägigen steuerrechtlichen Bestimmungen geirrt habe, und von einem steuerrechtlichen Laien nicht mehr an steuerlichen Kenntnissen verlangt werden sollte, als von einem Sachbearbeiter des Finanzamts.

3. Die im Streitfall nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen sind rechtserheblich, und die diesbezügliche Unkenntnis des Finanzamts ist für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen.

Die Rechtserheblichkeit nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel und die Ursächlichkeit ihrer Unkenntnis für die ursprüngliche Veranlagung sind zu verneinen, wenn das Finanzamt auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon im Rahmen der ursprünglichen Veranlagung keine andere Steuer festgesetzt hätte (vgl. Urteil des Großen Senats des BFH vom 23.11.1987, GrS 1/86, BStBl II 1988, 180; seither ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 14.12.1994, XI R 80/92, BStBl II 1995, 293, 295; BFH-Urteil vom 25.07.2001, VI R 82/96, BFH/NV 2001, 1533; und BFH-Beschluss vom 31.01.2006, II B 33/05, BFH/NV 2006, 911). Wie das FA bei Kenntnis bestimmter Tatsachen oder Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund der einschlägigen Gesetze und der die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das Finanzamt gegolten haben (BFH in BStBl II 1988, 180, 183). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Finanzamt die dem Sachverhalt entsprechende - also materiell richtige - Entscheidung getroffen hätte (BFH in BFH/NV 2001, 1533, mit weiteren Nachweisen).

Nach den hier maßgeblichen Bestimmungen des § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG hätte der Beklagte den Kläger nur mit den inländischen Anteilen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der deutschen Einkommensteuer unterwerfen dürfen (s.o.). Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die zuständige Sachbearbeiterin bei Kenntnis der Inlandsanteile von 12,33% (2000), von 12,03% (2001) und von 11,71% (2002) entsprechende - rechtmäßige - Bescheide erlassen hätte. Zwar ist es möglich, dass der Sachbearbeiterin auch in diesem Fall der gleiche Fehler unterlaufen wäre und dass sie gleichwohl die gesamten Einkünfte des Klägers der deutschen Einkommensteuer unterworfen hätte. Möglich ist aber auch, dass ihr ein solcher Irrtum bei Vorlage konkreter Zahlen zur Aufteilung der Arbeitszeiten des Klägers aufgefallen wäre. Das Gericht hält letzteres für wahrscheinlicher. Denn unterstellt man, dass die zuständige Sachbearbeiterin lediglich die Zahlen aus den Erklärungen des Klägers übernommen hat, ohne sich Gedanken über den Umfang seiner Steuerpflicht zu machen, so wäre sie im Zweifel durch die Vorlage der Aufstellungen über die Arbeitszeiten des Klägers im In- und Ausland veranlasst worden, dies noch einmal zu überprüfen. Folgt man dem Beklagten und nimmt man an, dass die zuständige Sachbearbeiterin die Erklärungen des Klägers als konkludente Anträge auf Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG gewertet hat, so hätte ihr bei Vorlage konkreter Zahlen im Zweifel auffallen müssen, dass die zentralen tatbestandlichen Voraussetzungen der sog. fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht - also: Einkünfte, die mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen, oder nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte von (in den Streitjahren) nicht mehr als 12 000 DM - nicht annähernd erfüllt sind. Dabei ist es im Grunde schon nicht nachvollziehbar, wie man in Anbetracht der Jahr für Jahr gestellten Anträge nach § 39d EStG von einem konkludenten Antrag auf Veranlagung als unbeschränkt steuerpflichtig i.S.d. § 1 Abs. 3 EStG ausgehen kann. Es hätte sehr viel näher gelegen anzunehmen, dass der Kläger aus Unkenntnis ein falsches Formular verwendet, Werbungskosten in voller Höhe angegeben und Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht hat. Schließlich rechtfertigt auch der Vortrag des Beklagten, man habe bei der Veranlagung generell (irrtümlich) angenommen, dass "Art. 15 Abs. 3 DBA Spanien über § 2 AO maßgeblich sei und Einschränkungen der §§ 1 Abs. 3 und 49 EStG nicht zu berücksichtigen seien", und sei ohnehin davon ausgegangen, dass der Inlandsanteil beim fliegenden Personal regelmäßig zwischen 10 und 20% liege, kein anderes Ergebnis. Denn auch insoweit hätte die Vorlage der Aufstellungen des Arbeitgebers der Sachbearbeiterin einen Grund gegeben, diesen Standpunkt zumindest noch einmal zu überdenken. Es spricht aber einiges dafür, dass eine solche, nochmalige Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der Aufstellungen des Arbeitgebers zu einer anderen Veranlagung geführt hätte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich hier nicht um ein komplexes Rechtsproblem des internationalen Steuerrechts handelt, sondern um den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsatz, dass Doppelbesteuerungsabkommen keine Besteuerungsrechte begründen können, wo nach nationalem Steuerrecht keine Besteuerungsrechte bestehen (s.o., I.3 a.E.). In jedem Fall aber ist damit das - eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließende - ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass der Beklagte auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Höhe der Inlandsanteile mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine andere Steuer festgesetzt hätte, nicht erfüllt.

4. Die Neuberechnung der festzusetzenden Steuer ist nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Finanzamt aufgegeben worden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

6. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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