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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 25.05.2007
Aktenzeichen: 6 K 426/03
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 15a Abs. 1 S. 2
EStG § 15a Abs. 3 S. 1
HGB § 171 Abs. 1
HGB § 172 Abs. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

6 K 426/03

Tatbestand:

I.

Die Beteiligten streiten über die Bedeutung eines zusätzlich zur Einlage des Kommanditisten geleisteten Aufgelds für die Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG.

1. Die Klägerin ist eine seit 1997 bestehende GmbH & Co. KG, die ein Seeschiff betreibt. Komplementärin ist die Verwaltung "A" Schiffahrtsgesellschaft mbH, Hamburg. Das gezeichnete Kapital der Gesellschaft in Höhe von 8.270.000,00 DM verteilte sich im Streitjahr 2000 auf 71 Kommanditisten: 69 natürliche Personen, eine weitere GmbH (die B GmbH) und eine weitere GmbH & Co. KG (C GmbH & Co. KG - C KG). Von den natürlichen Personen waren drei zum 31. Dezember 2000 noch nicht im Handelsregister eingetragen.

§ 4 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags (GesV) vom 9. Juni 1998 bestimmt, dass alle Kommanditisten mit einer Hafteinlage in Höhe der Pflichteinlage in das Handelsregister eingetragen werden. Gemäß § 4 Nr. 6 GesV haben die Kommanditisten neben ihrer (Pflicht-)Einlage ein Agio von 5% zu entrichten. Gemäß § 4 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags soll die Haftung der Kommanditisten in jedem Fall auf den Betrag der übernommenen Kommanditeinlage beschränkt sein.

Im Investitionsplan der Gesellschaft (§ 3 GesV) wird das Agio sowohl bei den Investitionen als auch bei der Finanzierung aufgeführt und jeweils mit 411.500,00 DM beziffert (5% des einzuwerbenden Kommanditkapitals, das laut Investitionsplan 8.210.000,00 DM betragen sollte). In § 9 Nr. 2 GesV heißt es dazu, dass die C KG für die Beschaffung des Kommanditkapitals die im Investitionsplan gem. § 3 GesV vorgesehene Vergütung für die Kapitalbeschaffung in Höhe von 1.480.000,00 DM "zuzüglich 5% Agio auf das Kommanditkapital in Höhe von DM 411.500,00" erhält. Beides wurde ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1998 im Jahr 1998 an die C KG geleistet.

Alle Gesellschafter erbrachten ihre Pflichteinlage und das Agio. Die Kommanditeinlagen wurden entsprechend § 13 Nr. 2.1 GesV auf dem Kapitalkonto (I) des jeweiligen Gesellschafters gebucht, das laut Gesellschaftsvertrag fest und unveränderlich sein sollte. Das Agio wurde entsprechend § 13 Nr. 2.2 GesV auf dem Kapitalkonto (II) des jeweiligen Gesellschafters gebucht.

Die Klägerin erzielte bislang ausschließlich Verluste, an denen die Gesellschafter entsprechend § 14 Nr. 1 GesV im Verhältnis ihrer Kommanditanteile beteiligt wurden. Die Verluste wurden entsprechend § 13 Nr. 2.3 GesV für jeden Gesellschafter auf einem Ergebnissonderkonto gebucht, das auch bei negativem Saldo keine Nachschussverpflichtung der Kommanditisten begründen sollte. Darüber hinaus wurden Entnahmen für Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag entsprechend § 13 Nr. 2.5 GesV auf einem gesonderten Konto erfasst. Die Salden der Kapitalkonten aller Kommanditisten waren zum 31. Dezember 1999 negativ.

Für das Streitjahr 2000 erklärte die Klägerin (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 1.604.267,00 DM. Das Kommanditkapital der Klägerin betrug nach Verlustzuweisung und Entnahmen zum 31. Dezember 2000 laut Jahresabschluss ./. 3.089.143,09 DM:

 Kommanditkapital (Kapitalkonten I): 8.270.000,00 DM
Kapitalrücklage (Agio - Kapitalkonten II): + 413.500,00 DM
Verlustanteilskonten d. Kommandit. (Ergebnissonderkto.) ./. 11.749.996,40 DM
Entnahmen für KapErtrSt (Entnahmekonten) ./. 22.646,69 DM
./. 3.089.143,09 DM

Die Kapitalkonten der einzelnen Kommanditisten wurden dabei auf den 31. Dezember 2000 exemplarisch wie folgt fortgeschrieben (s. Bl. 146 ff. der FG-Akte):

 Kommanditist:X (lfd. Nr. 1)Y (lfd. Nr. 22)Z (lfd. Nr. 28)
gezeichnetes Kapital100.000,00 DM200.000,00 DM500.000,00 DM
Agio5.000,00 DM10.000,00 DM25.000,00 DM
Ausstehende Einlage (31.12.2000)0,00 DM0,00 DM0,00 DM
Kumuliertes Ergebnis bis 1999-114.779,04 DM-229.558,00 DM-573.895,21 DM
Kumulierte Entnahmen bis 1999-107,13 DM-214,26 DM-535,66 DM
Stand 31.12.1999-9.886,17 DM-19.772,26 DM-49.430,87 DM
lfd. Ergebnis 2000-19.414,51 DM-38.829,02 DM-97.072,54 DM
Entnahmen 2000-166,71 DM-333,42 DM-833,55 DM
Stand 31.12.2000-29.467,39 DM-58.934,70 DM-147.336,96 DM

2. Mit Bescheid vom 29. April 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG stellte der Beklagte für das Streitjahr 2000 (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 1.600.621,33 DM fest. Die Entnahmen rechnete der Beklagte den Kommanditisten als durch Einlagenminderung entstandene Gewinne im Sinne des § 15a Abs. 3 EStG zu; die verrechenbaren Verluste der Kommanditisten wurden entsprechend erhöht - zum Beispiel:

Kommanditist X (lfd. Nr. 1, s.o. - laut Bescheid lfd. Nr. 0004):

 Steuerpflichtiger verrechenbarer Verlust am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres -9.886,17 DM
Nicht ausgleichs-/ abzugsfähiger Verlust des Wirtschaftsjahres -19.414,51 DM
Als Gewinn zuzurechnende steuerpflichtige Einlageminderung -166,71 DM
Festgestellter steuerpflichtiger verrechenbarer Verlust am Ende des Wirtschaftsjahres -29.467,39 DM

Dagegen legte die Klägerin am 29. Mai 2002 Einspruch ein: Die Voraussetzungen einer Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG lägen nicht vor. Gemäß § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB gelte eine Einlage den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnehme, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlagen herabgemindert sei oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert werde. Nach der Rechtsprechung des BGH sei eine Herabminderung des Kapitalanteils durch Entnahme und damit ein Wiederaufleben der Haftung auch insoweit gegeben, als der Kommanditist einer Publikums-KG neben seiner Kommanditeinlage ein Agio geleistet habe; etwas andres gelte nur dann, wenn das Agio als solches zurückgewährt werde (Hinweis auf BGH NJW 1982, 2500, 2501) . Im Streitfall sei das Agio nicht zurückgewährt worden; es sei nicht entnahmefähig. Es werde für den jeweiligen Gesellschafter auf das Kapitalkonto II gebucht und in der Bilanz gesondert ausgewiesen. Getrennt hiervor würden die Entnahmen gebucht. Wirtschaftlich betrachtet fließe das von den Gesellschaftern geleistete Agio in voller Höhe an die Investoren als Entgelt für die Kapitalbeschaffung. Eine Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG komme dementsprechend nur für die nicht in das Handelsregister eingetragenen Gesellschafter in Betracht.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 1. Dezember 2003 als unbegründet zurück: Bei den von den Kommanditisten geleisteten Aufgeldern handele es sich um Einlagen. Die Aufgelder seien dem Gesellschaftsvermögen von außen zugeflossen; sie hätten dieses und damit auch die Deckungsunterlage für die Gläubiger erhöht. Die Aufgelder seien von der Klägerin dementsprechend auf das Kapitalkonto II gebucht und bei der Ermittlung der jeweiligen Kapitalkonten der Kommanditisten im Rahmen der Verlustfeststellung nach § 15a Abs. 4 EStG berücksichtigt worden. In Höhe der Aufgelder sei der Verlustabzug für die Kommanditisten daher uneingeschränkt zur Geltung gekommen; die Zahlungen hätten sich auf den Stand der jeweiligen Kapitalkonten ausgewirkt und seien somit in die Ermittlung des Verlustausgleichsvolumens nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG einbezogen worden. Da jedoch die Aufgelder keine im Handelsregister eingetragene Hafteinlage darstellten, könne ihre Entnahme die handelsrechtliche Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB nicht wieder aufleben lassen und daher keine Einschränkung bei der Gewinnzurechnung bewirken. Das von der Klägerin angeführte Urteil des BGH sei im Streitfall nicht einschlägig. Aus der genannten Entscheidung könne nicht geschlossen werden, dass zurückgezahlte Aufgelder grundsätzlich ein Wiederaufleben der Außenhaftung der Kommanditisten nach sich zögen; denn es habe sich dort um den Sonderfall einer nicht in gutem Glauben erfolgten Rückzahlung des Aufgeldes gehandelt. Dass die Entnahme eines Aufgeldes - hinsichtlich der Haftungsfolgen - der Entnahme der Hafteinlage nach § 162 Abs. 1 HGB gleichzustellen sei, habe der BGH nicht entschieden. Soweit die Klägerin schließlich vortrage, das von den Kommanditisten geleistete Agio fließe wirtschaftlich betrachtet in voller Höhe an die Investoren als Entgelt für die Kapitalbeschaffung, könne dies nicht nachvollzogen werden; denn die Klägerin habe die geleisteten Aufgelder auf dem Kapitalkonto II gebucht, damit als Kapitalbestandteil behandelt und insoweit auch den Verlustabzug für die Kommanditisten in Anspruch genommen. Wenn nunmehr vorgetragen werde, dass das Aufgeld kein Kapitalbestandteil sei, so widerspreche dies der erfolgten steuerlichen Behandlung der Aufgelder in der Bilanz. Wollte man dem folgen, so müsste auch der Verlustabzug insoweit - vollständig - korrigiert werden. Dies habe die Klägerin nicht bedacht.

3. Am 19. Dezember 2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor, dass sich die Außenhaftung nach §§ 171 ff. HGB allein nach der in das Kapitalkonto I eingestellten Hafteinlage bestimme. Jede Entnahme mindere laut Gesellschaftsvertrag diese Hafteinlage. Das geleistete Agio hingegen sei nicht entnahmefähig; eine Rückzahlung des Agios sei dementsprechend nicht erfolgt. Hinsichtlich der streitigen Entnahmen hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, es handle sich um "Abschläge auf die Kapitalertragsteuer", die steuerrechtlich als Entnahmen bewertet worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 29. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2003 hinsichtlich der im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten dahingehend zu ändern, dass diesen die im Streitjahr getätigten Entnahmen weder als Gewinn zugerechnet noch als verrechenbarer Verlust erfasst werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt er vor, dass Entnahmen, soweit sie aus einer Kapitalrücklage finanziert werden könnten, nicht zu einer Außenhaftung nach § 171 HGB führten. Auch eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag, wonach eine Entnahme zu einer Minderung der auf das Kommanditkapital geleisteten Einlage führe, könne kein anderes Ergebnis rechtfertigen, soweit die Hafteinlage tatsächlich weiter zur Verfügung stünde und insoweit keine Außenhaftung erforderlich mache.

4. Mit Beschluss vom 14. September 2006 hat das Gericht angeordnet, dass gemäß § 60a FGO nur diejenigen Personen zum Verfahren beigeladen werden, die dies bis zum 28. Februar 2007 beim Finanzgericht Hamburg beantragt haben. Dieser Beschluss ist im Bundesanzeiger, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in DIE WELT und im Handelsblatt veröffentlicht worden. Keiner der Kommanditisten hat die Beiladung beantragt.

Dem Gericht haben folgende, die Klägerin betreffenden Akten des Beklagten vorgelegen: Gewinnfeststellungsakte (Band IV); Bilanz- und Bilanzberichtsakte 1999 bis 2002 (Band II); Rechtsbehelfsakte.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt; denn der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid die Feststellung der verrechenbaren Verluste mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der Gesellschaft nach § 15a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG verbunden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 2006, IV R 67/04, BStBl II 2006, 878, mit weiteren Nachweisen). Die gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendige Beiladung der Kommanditisten, die von der Feststellung der verrechenbaren Verluste betroffen sind, durfte nach § 60a Satz 1 FGO unterbleiben, weil keiner der Kommanditisten innerhalb der von dem Gericht mit Beschluss vom 14. September 2006 gesetzten Frist die Beiladung beantragt hat.

2. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten der Klägerin zu Unrecht die streitigen Entnahmen nach § 15a Abs. 3 EStG als Gewinn zugerechnet und die verrechenbaren Verluste entsprechend erhöht.

a) Gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG ist der nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach § 15a Abs. 2 EStG abzuziehenden und vermehrt um die nach § 15a Abs. 3 EStG hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust), jährlich gesondert festzustellen. Nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ist dabei einem Kommanditisten - im Falle einer vorangegangenen Verlustnutzung (§ 15a Abs. 3 Satz 2 EStG) - der Betrag einer Entnahme als Gewinn zuzurechnen, soweit durch die Entnahme ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht auf Grund der Entnahme eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht. Nach § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG mindern (u.a.) die nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG zuzurechnenden Beträge die Gewinne, die dem Kommanditisten im Wirtschaftsjahr der Zurechnung oder in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind.

b) Die Voraussetzungen einer Gewinnzurechnung und einer Umqualifizierung der zugerechneten Beträge in verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 3 EStG sind im Streitfall nicht erfüllt.

aa) Zwar ist es zu einer Einlageminderung i. S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG gekommen. Die Kapitalkonten der Kommanditisten sind bereits zu Beginn des Streitjahres negativ gewesen. Die Klägerin hat die abgezogene und einbehaltene Kapitalertragsteuer zutreffend als Entnahmen der einzelnen Gesellschafter behandelt (zu den Einzelheiten s. BGH-Urteil vom 30. Januar 1995, II ZR 42/94, NJW 1995, 1088, m.w.N.; BFH-Urteil vom 22. November 1995, I R 114/94, BStBl. II 1996, 531 - s. dazu auch unten: II. 2. b. cc.). Durch diese Entnahmen sind die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten - zusätzlich, d.h. neben der im Streitjahr ebenfalls erfolgten Zuweisung von Verlustanteilen - erhöht worden.

bb) Jedoch ist entgegen der Auffassung des Beklagten in Höhe der Entnahme die Haftung der im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 Satz 1 HGB wieder aufgelebt.

(1) Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine gemäß § 15a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung der Kommanditisten wieder auflebt, bestimmt sich wegen des Verweises in § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG auf § 171 Abs. 1 HGB allein nach handelsrechtlichen, nicht nach steuerrechtlichen Maßstäben (vgl. auch Schmidt/Wacker EStG § 15a Rz 125; v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 15a Rdnr. C 55 ff. - beide mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 171 Abs. 1 HGB haftet ein Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar, wobei die Haftung ausgeschlossen ist, soweit die Einlage geleistet ist. Diese Regelung wird ergänzt durch § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB, demzufolge die Einlage eines Kommanditisten den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet gilt, soweit sie zurückbezahlt wird. Daraus folgt, dass Zuwendungen an den Kommanditisten so lange haftungsunschädlich sind, wie sie das Kapitalkonto des Kommanditisten nicht unter die (Haft-)Einlage drücken (vgl. dazu im Einzelnen Karsten Schmidt in: Münchner Kommentar HGB, §§ 171, 172 Rdnr. 64, mit weiteren Nachweisen). Daraus folgt, dass Entnahmen dann keine Haftung auslösen, wenn der Kommanditist eine über die Haftsumme hinausgehende Einlage hält und lediglich Beträge entnimmt, ohne dass die Haftsumme unterschritten wird (vgl. v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 15a Rdnr. D 67).

(2) Hat ein Kommanditist zusätzlich zu seiner Einlage ein Aufgeld geleistet, so wird handelsrechtlich unterschieden: Das Aufgeld kann in dem eben genannten Sinne als weitere, über die Haftsumme hinausgehende Einlage den Kapitalanteil des leistenden Kommanditisten mehren und der Stärkung des Eigenkapitals der Gesellschaft dienen (Aufgeld als "Haftungspolster"). Rechtsfolge wäre, dass Entnahmen, die durch das Aufgeld gedeckt sind, die Haftsumme nicht berühren und somit die Außenhaftung des Kommanditisten nicht wieder aufleben lassen (vgl. hierzu Karsten Schmidt in: Münchner Kommentar HGB, §§ 171, 172 Rdnr. 64). Die Leistung eines Aufgelds kann allerdings auch aus anderen Gründen vereinbart worden sein, beispielsweise als zweckgebundene Gegenleistung, die von einem neu aufgenommenen Kommanditisten für die Aufnahme in die Gesellschaft zu erbringen ist und den Altkommanditisten zufließt (vgl. BGH-Urteil vom 12. Juli 1982, II ZR 201/81, BGHZ 84, 383). In einem solchen Fall kann jede Entnahme ungeachtet des Aufgelds zu einem Unterschreiten der Haftsumme und damit zu einem Wiederaufleben der Außenhaftung führen (vgl. BGH a.a.O.; ferner Karsten Schmidt in: Münchner Kommentar HGB, §§ 171, 172 Rdnr. 64; ebenso Bollensen/Dörner NZG 2005, 66). Maßgeblich ist demzufolge der konkrete Zweck, dem die Forderung bzw. Leistung eines Aufgelds im Einzelfall dienen soll.

(3) Ausgehend von diesen handelsrechtlichen Grundsätzen diente das im Streitfall von den Kommanditisten geleistete Aufgeld nicht der Mehrung ihres Kapitalanteils und der Stärkung des Eigenkapitals der Gesellschaft. Das Aufgeld war vielmehr eine zweckgebundene Gegenleistung, die von den Kommanditisten der Klägerin für die Aufnahme in die Gesellschaft zu erbringen war und der C KG als Entgelt für die Kapitalbeschaffung zugeflossen ist. Das Gericht folgt insoweit dem Vortrag der Klägerin, der sich in den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen ebenso widerspiegelt wie in der tatsächlichen Umsetzung dieser Bestimmungen. Zwar wird in § 4 Nr. 6 GesV nur die Verpflichtung der Kommanditisten zur Entrichtung des Agios begründet, ohne dass dieses Agio einem bestimmten Aufwand zugewiesen wäre. Doch legt bereits § 4 Nr. 3 GesV, demzufolge die Hafteinlage der Kommanditisten ihrer Pflichteinlage entsprechen soll, den Schluss nahe, dass das zusätzlich geleistete Agio gerade nicht der Mehrung des Kapitalanteils der Kommanditisten dienen sollte. Bestätigt wird dies durch den Investitionsplan (§ 3 GesV), der das Agio sowohl unter "I. Investition" als auch unter "II. Finanzierung" jeweils mit einem Betrag von 411.500,00 DM ausweist. Die konkrete Verwendung des Agios ergibt sich schließlich aus § 9 Nr. 2 Satz 1 GesV, demzufolge die C KG als Teil der "gem. § 3 vorgesehenen Vergütung" für die Kapitalbeschaffung "5% Agio auf das Kommanditkapital in Höhe von 411.500,00 DM" erhalten sollte. Anhaltspunkte dafür, dass die an der Klägerin beteiligten Gesellschafter dem Agio tatsächlich eine andere, von den genannten gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen abweichende Funktion zugewiesen hätten, liegen nicht vor. Der Gesellschaftsvertrag ist in diesem Punkt auch tatsächlich durchgeführt worden. Das Agio ist 1998 als Teil der Kapitalbeschaffungskosten an die C KG ausgezahlt worden. Dies ergibt sich aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1998.

(4) Dass die Klägerin das Agio dem Eigenkapital zugerechnet und entsprechend § 13 Nr. 2.2 GesV auf dem Kapitalkonto (II) der Gesellschafter gebucht hat, steht dieser Wertung nicht entgegen. Die Behandlung als Eigenkapital ist in § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB i.V.m. §§ 264a Abs. 1 Nr. 1, 264c HGB vorgegeben. Rückschlüsse auf die konkrete Funktion des Aufgelds im Streitfall - allgemeines Haftungspolster oder zweckgebundener Gesellschafterbeitrag (s.o.) - lassen sich aus dieser Behandlung nicht ziehen. Unbeachtlich ist auch, dass das Kapitalkonto (II) der Gesellschafter trotz der Auszahlung des Agios an die C KG - scheinbar - unverändert fortgeführt worden ist; tatsächlich ist die Auszahlung als Teil des 1998 entstandenen Verlustes über die Verlustanteilskonten der Kommanditisten berücksichtigt worden. Die Kommanditisten sind damit in Höhe des geleisteten Agios tatsächlich belastet. Da aufgrund der Zweckbindung des Agios eine Rückzahlung an die Kommanditisten nicht in Betracht kommt, ist diese Belastung endgültig. Auch für den Fall, dass ein Kommanditist aus der Gesellschaft ausscheidet oder dass die Gesellschaft aufgelöst wird, ist eine Rückzahlung des Agios nicht vorgesehen. Aus diesem Grund wäre es - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht gerechtfertigt, den im Jahr 1998 vorgenommenen Verlustabzug auf andere Weise zu korrigieren.

(5) Das erkennende Gericht entscheidet damit im Ergebnis anders als das FG Münster mit seinem Urteil vom 25. Januar 2006, 10 K 3140/04 F (EFG 2006, 738 - Revision eingelegt, Aktz. IV R 15/06), wobei dahingestellt bleiben kann, ob dieser Entscheidung ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde liegt oder ob das FG Münster einen vergleichbaren Sachverhalt abweichend gewürdigt hat. Für ersteres spricht, dass in dem dortigen Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen war, 5% des Kapitals - also einen dem vereinbarten Agio entsprechenden Betrag - nach Ablauf von vier Jahren wieder an die Kommanditisten auszuschütten; dies widersprach der ebenfalls im Gesellschaftsvertrag niedergelegten Zweckbindung des Agios. Vergleichbare widersprüchliche Regelungen enthielt der im vorliegenden Streitfall geschlossene Gesellschaftsvertrag nicht. Vor diesem Hintergrund stellten der Wertung des FG Münster zufolge die in dem dortigen Fall gezahlten Aufgelder ein "Haftungspolster" dar. Sie wurden (entgegen den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages) nicht zur Begleichung von Kapitalbeschaffungskosten verwendet, sondern - verdeckt - in voller Höhe an die Kommanditisten zurückgezahlt.

cc) Ungeachtet dessen käme eine Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG möglicherweise selbst dann nicht in Betracht, wenn man der Argumentation des Beklagten folgte und das geleistete Agio in dem oben genannten Sinne als "Haftungspolster" betrachtete. Denn gemäß § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB lebt die Haftung des Kommanditisten auch dann wieder auf, wenn bzw. soweit er Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer handelt es sich um keine von der Klägerin geschuldete Steuer, sondern um Vorauszahlungen auf die später festzusetzende Einkommensteuer der Gesellschafter. Die einbehaltene und abgeführten Kapitalertragsteuer wird daher - handelsrechtlich wie steuerrechtlich - als Einnahme der Klägerin und als entsprechende Entnahme der einzelnen Gesellschafter behandelt (s.o.: II. 2. b. aa. - BGH-Urteil vom 30. Januar 1995, II ZR 42/94, NJW 1995, 1088, m.w.N.; BFH-Urteil vom 22. November 1995, I R 114/94, BStBl. II 1996, 531; ferner Karsten Schmidt in: Münchner Kommentar HGB, §§ 171, 172 Rdnr. 70 a.E.). Da zu dem Zeitpunkt der Entnahme der Kapitalanteil der Kommanditisten, auch unter Berücksichtigung des Agios, durch Verluste der Klägerin unter den Betrag der geleisteten (Haft-)Einlage gesunken war, könnte § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB insoweit eingreifen. Dies scheint auch der Ansatz der Klägerin zu sein, die ihr Vorbringen nicht auf § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB, sondern allein auf § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB stützt. Allerdings hat der erkennende Senat Zweifel, ob die letztgenannte Vorschrift im Streitfall einschlägig ist; denn § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB setzt voraus, dass die Gesellschaft einen ausschüttungsfähigen Gewinn erzielt hat (vgl. etwa Scholz in: Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz. I 2999; Karsten Schmidt in: Münchner Kommentar HGB, §§ 171, 172 Rdnr. 78). Dies trifft auf die Klägerin bzw. auf das Streitjahr nicht zu. Ob § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB auf den vorliegenden Fall der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer gleichwohl anzuwenden ist - direkt oder entsprechend (wie etwa bei der Auszahlung vereinbarter Zinsen auf den Kapitalanteil des Kommanditisten, s. Karsten Schmidt a.a.O., Rdnr. 78) -, kann hier in Anbetracht des gewonnenen Ergebnisses dahingestellt bleiben.

3. Die Ermittlung der festzustellenden Beträge ist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten aufgegeben worden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

6. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und im Hinblick auf das Urteil des FG Münster vom 25. Januar 2006, 10 K 3140/04 F (EFG 2006, 738), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen worden.



Ende der Entscheidung

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