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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 24.06.2008
Aktenzeichen: 6 K 91/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 25 Abs. 1 S. 5
UStG § 25 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

6 K 91/06

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Vorsteuerbeträgen aus in Anspruch genommenen Busbeförderungen.

Die Klägerin ist Reiseveranstalterin. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Veranstaltung und Durchführung von Flug- und Urlaubsreisen aller Art. Zur Durchführung dieser Leistungen nimmt die Klägerin Reisevorleistungen i.S.d. § 25 Abs. 1 UStG in Anspruch und beauftragt fremde Unternehmen mit dem Transport der Reisenden, deren Hotelunterbringung, Verpflegung und Reiseleitung am Urlaubsort.

Die von der Klägerin erbrachten Reiseleistungen sind überwiegend steuerfrei nach § 25 Abs. 2 UStG. In den Streitjahren 2000 und 2001 betrug der Anteil der steuerfreien Umsätze an den Gesamtumsätzen 99,56% (2000) bzw. 99,67% (2001):

...

Hinsichtlich der Flugbeförderung ihrer Kunden hat die Klägerin mit einer Reihe von Luftverkehrsunternehmen (LVU) Flugzeug-Bereitstellungs- und Überlassungsrahmenverträge abgeschlossen. Für den Fall von Leistungsstörungen, die die LVU zu vertreten haben, enthalten die Verträge entweder einen kalkulatorischen Preisabschlag auf die Flugpreise oder sehen eine Verpflichtung der LVU vor, für eine Weiterbeförderung der Fluggäste, ihres Gepäcks oder der Fracht zu sorgen und die Klägerin von Leistungsstörungsansprüchen der Fluggäste freizuhalten.

Sind Flüge nicht ausgelastet oder können die LVU wegen besonderer Umstände ein Fluggerät nicht zur Verfügung stellen, so legt die Klägerin gelegentlich Flugstrecken zusammen (sog. Flugkonsolidierung). Buchen Kunden bspw. die Flugstrecke Hamburg-.... (Ausland) -Hamburg und fällt der Flughafen Hamburg aus den vorgenannten Gründen als Start- und/oder Zielflughafen aus, so werden die Kunden mit Fluggästen vom Flughafen Hannover zusammengelegt. In diesen Fällen beauftragt die Klägerin Busunternehmen mit der Beförderung der Kunden von Hamburg nach Hannover und umgekehrt. Gleiches gilt, wenn die gebuchten Flughäfen aufgrund der Wetterverhältnisse oder aufgrund eines zu beachtenden Nachtflugverbots nicht angeflogen werden können; auch in diesen Fällen beauftragt die Klägerin Busunternehmen mit der Beförderung der Kunden von den Ausweichflughäfen zu den gebuchten Flughäfen.

In den Streitjahren stellten die Busunternehmen der Klägerin für die in diesem Zusammenhang erbrachten Beförderungsleistungen Vorsteuern in Höhe von ... Tsd DM (2000) und ... Tsd DM (2001) in Rechnung. Die Klägerin hat die Kosten den LVU nicht in Rechnung gestellt; auch liegen keine Aufzeichnungen darüber vor, ob die Bustransfers aus von der Klägerin oder den LVU zu vertretenden Gründen erfolgt sind.

Mit den Umsatzsteuererklärungen für 2000 und 2001 machte die Klägerin die von ihr an die Busunternehmen geleisteten Vorsteuerbeträge als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend, was der Beklagte zunächst mit Vorbehaltsfestsetzungen nach § 168 AO anerkannte.

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung änderte der Beklagte seine Rechtsauffassung und versagte den Vorsteuerabzug aus den Busbeförderungsleistungen mit Änderungsbescheiden vom 25.11.2005. Die Busbeförderungen stellten Reisevorleistungen i. S. von § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG dar, sodass der Vorsteuerabzug gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG ausgeschlossen sei (vgl. zu den weiteren Einzelheiten Tz. 17 des Bp-Berichts vom 11.07.2005). Die Umsatzsteuer wurde für 2000 in Höhe von -... Mio DM (- ... Mio EUR) und für 2001 in Höhe von -... Mio DM (-... Mio EUR) festgesetzt.

Die Klägerin legte gegen die Änderungsbescheide am 16.12.2005 Einspruch ein.

Die Busbeförderungen seien keine Reisevorleistungen. Es handele sich um Leistungen im Bereich des Leistungsstörungsrechts. Die Reisenden würden nicht die vertraglich geschuldete Flugleistung, sondern ein Aliud erhalten. So stellten Ersatzbeförderungsleistungen bei Flugunregelmäßigkeiten auch nach der von der Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 07.09.1988 (IV A 2-S-7419-19/88) dargelegten Rechtsauffassung keine Reisevorleistungen dar. Der Vorsteuerabzug dürfe daher nicht nach § 25 Abs. 4 UStG versagt werden.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22.05.2006 zurück. Die Klägerin erbringe als Reiseveranstalterin gegenüber den Reisenden eine einheitliche sonstige Leistung, die der sog. Margenbesteuerung nach § 25 UStG unterliege. Mit dem besonderen Besteuerungssystem der Margenbesteuerung sei es nicht vereinbar, dem Reiseveranstalter die ihm aus Reisevorleistungen in Rechnung gestellten Vorsteuern zu erstatten. Um solche Reisevorleistungen handele es sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch bei den Bustransfers. Denn diese kämen den Reisenden ebenso unmittelbar zugute wie die an sich geschuldeten Flugreisen. Anderes folge auch nicht aus dem zitierten BMF-Schreiben vom 07.09.1988; denn dieses beziehe sich nur auf Fluggesellschaften und die für die Besteuerung von Fluggesellschaften vorzunehmende Abgrenzung von Beförderungs- und Reiseleistungen.

Die Klägerin hat am 19.06.2006 (Eingang bei Gericht) Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor: Die Bustransfers kämen den Reisenden nicht unmittelbar im Sinne der Definition der Reisevorleistungen zugute. Denn Unmittelbarkeit in diesem Sinne setze voraus, dass Leistungen für eine Reihe von Reisenden typischerweise angeboten würden. Die Bustransfers würden aber nur bei Störungen des Reisevertrags in Anspruch genommen und beträfen nur eine geringe Anzahl von Reisenden. Zudem habe sie --die Klägerin-- die vertragliche Möglichkeit, die LVU mit den Kosten der Busbeförderungen zu belasten. In dem Fall stünde den LVU unstreitig ein Vorsteuerabzugsrecht zu. Sie --die Klägerin-- verzichte aus Gründen ihrer Geschäftspolitik auf die Weiterbelastung der Kosten, weil ihr im Gegenzug von den LVU das Recht auf Rückgabe von Fluggeräten bei fehlender Auslastung eingeräumt werde. Auch vor diesem Hintergrund könne es nicht angehen, dass ihr das Recht auf Vorsteuerabzug --anders als den LVU-- versagt werde. Letztlich würde das zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 15.09.2006 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 22.05.2006 aufzuheben und die Bescheide für 2000 und 2001 über Umsatzsteuer vom 25.11.2005 dahin zu ändern, dass weitere abziehbare Vorsteuern in 2000 in Höhe von ... Tsd DM (... Tsd EUR) und in 2001 in Höhe von ... Tsd DM (... Tsd EUR) anerkannt werden und dass die Umsatzsteuer in 2000 auf -... Mio DM (- ... Mio EUR) und in 2001 auf - ... Mio DM (- ... Mio EUR) herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor:

Reisevorleistungen umfassten alle Leistungen, die dem Reisenden unmittelbar zugute kämen und von einem anderen als dem Reiseveranstalter erbracht würden. Reisevorleistungen lägen vor, wenn der Dritte --im Streitfall der Beförderer--als eigentlicher Leistungsträger auf Veranlassung des Reiseveranstalters gegenüber dem Reisenden tatsächlich tätig werde. Da es zudem auf die tatsächliche Ausführung ankomme, seien die weiteren vertraglichen Regelungen zwischen der Klägerin und den LVU nicht relevant.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

Auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 20.05.2008 wird verwiesen.

Auf die Sitzungsniederschrift vom 24.06.2008 wird Bezug genommen.

Dem Gericht lag die den Streitfall betreffende Umsatzsteuer- und Betriebsprüfungsakte vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Busbeförderungen stellen Reisevorleistungen i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG dar (1), und die von den Busunternehmen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge sind gemäß § 25 Abs. 4 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen (2).

1. Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugute kommen, § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG. In Betracht kommen alle Leistungen, die der Reisende in Anspruch nehmen würde, wenn er die Reise selbst durchführen würde (A 272 Abs. 9 UStR). Typische Reisevorleistungen in diesem Sinn sind die Verpflegung, Beherbergung und Beförderung der Reisenden (vgl. A 272 Abs. 9 UStR). Leistungen hingegen, die dem Reisenden nur mittelbar zugute kommen und mit denen Reisevorleistungen erst ermöglicht werden, wie z.B. die Reparatur von Beförderungsmitteln oder die Vermittlung von Pauschalreisen des Reiseveranstalters durch ein selbstständiges Reisebüro, sind keine Reisevorleistungen (vgl. A 272 Abs. 9 UStR; Wenzel in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 25 Rz. 56; Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 25 Rz. 98).

Reisevorleistungen sind von Eigenleistungen des Reiseveranstalters abzugrenzen. Reisevorleistungen setzen deshalb das Hinzutreten eines dritten Leistungsträgers voraus. Mit dem Reiseveranstalter ist der dritte Leistungsträger durch die Erbringung sich gegenseitig bedingender Leistungen verbunden, mit dem Reisenden durch einen unmittelbaren und ohne faktische Einwirkung des Reiseveranstalters vorgenommenen Leistungsfluss (Wenzel in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 25 Rz. 53). Der Leistungsträger darf seine Leistung weder im Namen des Reiseveranstalters noch auf dessen Rechnung noch unter dessen Verantwortung erbringen. Nur wenn der dritte Leistungsträger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt, sind die Voraussetzungen einer Reisevorleistung erfüllt (vgl. Wenzel, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Busbeförderungen um Reisevorleistungen i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG. Die Busunternehmen beförderten die Reisenden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung im Auftrag der Klägerin auf dem Weg zu den Start- und Zielflughäfen. Die Busunternehmen erbrachten damit Beförderungsleistungen, die den Reisenden unmittelbar zugute kamen und die die Reisenden bei einer eigenen Reiseorganisation auch selbst in Anspruch genommen hätten. Der Qualifizierung der Busbeförderungen als Reisevorleistungen steht nicht entgegen, dass diese nur bei Störungen des Reisevertrags infolge von Flugkonsolidierungen und Flugunregelmäßigkeiten erbracht werden. Für diesen von der Klägerin vorgebrachten Einwand findet sich keine Stütze in der gesetzlichen Formulierung. Der gesetzliche Tatbestand verlangt nur, dass die Leistungen den Reisenden "unmittelbar" zugute kommen, nicht hingegen, dass die Leistungen ihrer Art nach "regelmäßig" und "allen" Reisenden "gleichermaßen" zugute kommen müssen. Eine andere Auffassung wird auch weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung vertreten. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das BMF-Schreiben vom 07.09.1988 (IV A 2-S 7419-19/88) berufen. Dieses ist zu der Frage ergangen, ob Beförderungsleistungen der Fluggesellschaften aufgrund der Inanspruchnahme von Leistungen Dritter bei Flugunregelmäßigkeiten in Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG umschlagen; das Schreiben betrifft damit einen anderen als den hier zu entscheidenden Sachverhalt und ist auf den Streitfall nicht übertragbar.

2. Die Klägerin ist nicht berechtigt, die ihr für die Reisevorleistungen von den Busunternehmen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuern abzuziehen, § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG. Zwar besteht kein generelles Vorsteuerabzugsverbot aus Reisevorleistungen; denn der Vorsteuerabzug ist nach der Systematik der Margenbesteuerung nicht ausgeschlossen, wenn Reiseleistungen nach § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei sind (vgl. Wenzel in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 25 Rz. 134; Stadie, Umsatzsteuerrecht, 2005, Tz. 15.22; a. A. Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 25 Rz. 99; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch, Bd. III, § 234 Rz. 206). Die Regelung des § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG bezieht sich demnach nur auf Reisevorleistungen im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Reiseleistungen. Das aber trifft auf die Reiseleistungen der Klägerin im Zusammenhang mit den Busbeförderungen zu. Denn die von ihr in Anspruch genommenen Busbeförderungen werden im Inland bewirkt, was die Steuerfreiheit der diesen Vorleistungen zuzurechnenden Reiseleistungen gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 UStG ausschließt. Zwar werden die Busbeförderungen als Ersatzleistungen für die den Reisenden an sich geschuldeten Flugbeförderungen bewirkt und gilt für die Flugbeförderungen die Vereinfachungsregel des A 273 Abs. 4 UStR; doch soweit Personenbeförderungen im Luftverkehr, die sich sowohl auf das Drittlandsgebiet als auch auf das Gemeinschaftsgebiet erstrecken, aus Vereinfachungsgründen insgesamt als im Drittlandsgebiet bewirkt behandelt werden können, ist diese Verwaltungsregelung nicht auf andere als die ausdrücklich geregelten Flugbeförderungstatbestände übertragbar. Ein anderes Ergebnis könnte sich allenfalls ergeben, wenn die Klägerin von den LVU Schadensausgleich für die Kosten der Busbeförderungen verlangen würde. In dem Fall könnte die Klägerin womöglich in den Genuss des Vorsteuerabzugs gelangen. Denn dann hätte die Klägerin selbst nur gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG die --insgesamt als im Drittlandsgebiet bewirkt geltenden-- Flugbeförderungen der LVU als Reisevorleistungen in Anspruch genommen. Die ihr von den Busunternehmen in Rechnung gestellten Leistungen stünden in dem Fall also --überwiegend-- mit steuerfreien Reiseleistungen i.S.d. § 25 Abs. 2 UStG in Zusammenhang. Die Vorsteuerbeträge wären dann wohl abziehbar und im Rahmen der Schadensberechnung gegenüber den LVU nach dem Grundsatz des Vorteilsausgleichs mindernd zu berücksichtigen (vgl. allgemein zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Entschädigungsleistungen Stadie, Umsatzsteuerrecht, 2005, Rz. 2.21 ff, 2.33). Letztlich ist die tatsächliche Handhabung im Streitfall aber eine andere; hieran muss sich die Klägerin für Zwecke der Umsatzbesteuerung festhalten lassen. Die in Rechnung gestellten Steuerbeträge sind demnach partiell steuerpflichtigen Reiseleistungen zuzurechnen und der Vorsteuerabzug ist nach § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG zu versagen.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 135 Abs. 1, § 115 Abs. 2 FGO.



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