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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 6 K202/04
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 90
AO § 160
AO § 162 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

6 K202/04

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zurechnung und Anerkennung einer Kommanditeinlage sowie über die Berücksichtigung von Betriebsausgaben im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen zu einer Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts.

Der Kläger ist ehemaliger Gesellschafter der A. KG (im Folgenden "KG").

Die KG wurde mit notariellem Vertrag vom 20.10.1994 gegründet. Gegenstand der Gesellschaft war der Im- und Export von Waren aller Art, insbesondere von Lebensmitteln, Spirituosen und Zigaretten. Der Geschäftsbetrieb der KG sollte gemäß Gesellschaftsvertrag am 01.07.1994 aufgenommen werden. Persönlich haftender Gesellschafter der KG war der Kläger mit einer Einlage in Höhe von 45.000 DM. Das Kommanditkapital entfiel gemäß Gesellschaftsvertrag auf eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts, die B. AG, diese handelnd durch ihr alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied G. H., mit einer Einlage in Höhe von 172.500 DM, und auf Herrn I. J. als Treuhandkommanditisten für den Beigeladenen, mit einer gezeichneten Einlage in Höhe von 82.500 DM. Nach Vollbeendigung der KG durch Austritt der Kommanditisten J. und der B. AG zum 31.12.1996 führte der Kläger das Unternehmen als Einzelunternehmen unter der Firma "K. A." fort. Eine (anteilige) Rückzahlung der Kommanditeinlage an die B. AG ist nicht aktenkundig. Die Buchführung der KG entsprach in den Streitjahren den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO und war formell ordnungsmäßig, § 158 AO.

Sitz der B. AG war Q., Schweiz, mit postalischer Anschrift unter der Privatadresse von Herrn M. N., X.-Straße, Q.. Nach Auskunft der Informationszentrale Ausland beim Bundesamt für Finanzen vom 24.06.1994 handelte es sich bei der B. AG um eine Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Die Gesellschaft wurde später in die C. AG umbenannt und unter dieser Firma am 15.08.2006 aus dem Handelsregister des Kantons R. gelöscht.

In 1995 und 1996 unterhielt die KG Geschäftsbeziehungen mit der D. AG, einer Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts. Die D. AG wurde am 06.02.1995 gegründet und hatte ihren Sitz in S., Liechtenstein, Y-Straße. Unter dieser Adresse unterhielt die Gesellschaft keinen eigenen Geschäftsbetrieb. Dort befanden sich vielmehr nur die Geschäftsräume der Repräsentantin der D. AG, der E. Schriftliche Vereinbarungen über die Geschäftsbeziehungen zwischen der KG und der D. AG liegen nicht vor.

In seiner Funktion als Geschäftsführer der KG war der Kläger als Handelsagent für die D. AG tätig. Dafür stellte die KG der D. AG in dem Zeitraum von April 1995 bis Februar 1996 zahlreiche Kosten in Rechnung, etwa für Miete, Kfz-Nutzung, Gehalt und Reiseaufwendungen. In 1995 nahm die KG in der Annahme, dass sie der D. AG zu Unrecht eine Tätigkeitsvergütung in Rechnung gestellt habe, auf diese Forderung in Höhe von 146.169,84 DM eine ertragswirksame Forderungsabschreibung vor. Weiter verbuchte die KG in 1995 einen angeblichen Diebstahl von Waren in Usbekistan im Wert von 300.000 DM sowie Wareneinsatzkosten in Höhe von 51.332 DM als Betriebsausgaben. Beide Vorgänge wurden der KG von der D. AG in Rechnung gestellt.

Der Beklagte erließ unter dem 30.12.1996 Gewinnfeststellungsbescheide gegen die KG für die Jahre 1994 und 1995. Den für 1994 erklärten Gewinn erhöhte der Beklagte im Rahmen einer Teilschätzung nach § 162 AO um die in dem Jahresabschluss der KG ausgewiesene Kommanditeinlage der B. AG in Höhe von 172.312,62 DM. Da sich die Herkunft der --in der Gründungsphase der KG geleisteten-- Kommanditeinlage nicht eindeutig nachvollziehen lasse, erhöhe diese den Gewinn als ungeklärter Vermögenszuwachs. Den sich danach für 1994 ergebenden Gesamtgewinn von 351.824 DM verteilte der Beklagte auf den Kläger und den Beigeladenen. Für 1995 stellte der Beklagte den erklärten Verlust in Höhe von 305.328 DM fest und verteilte diesen auf den Kläger und den Beigeladenen. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ( § 164 AO).

Den Gewinnfeststellungsbescheid für 1996 erließ der Beklagte am 14.10.1997. Der Beklagte stellte einen Gewinn der KG in Höhe von 31.252 DM fest und wies diesen in voller Höhe dem Kläger zu. Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Gegen die Bescheide für 1994 und 1995 vom 30.12.1996 legte der Kläger am 10.01.1997 Einspruch ein.

Während des laufenden Einspruchsverfahrens forderte der Beklagte den Kläger auf, die Gesellschafter der B. AG zu benennen. Auf die Erklärung des Klägers, dass er das nicht könne, einigten sich die Beteiligten darauf, die offen gebliebenen Fragen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu klären und das Einspruchsverfahren für die Dauer der Betriebsprüfung ruhen zu lassen.

Unter dem 15.05.2001 richtete die F. AG als aktienrechtliche Revisionsstelle der B. AG ein Bestätigungsschreiben an Herrn M. N. und führte darin aus:

"In der fraglichen Zeit zwischen 1994 und 1996 besaßen weder im Ausland wohnhafte Personen noch Ausländer Anteile an der C. AG (vormals B. AG) mit Sitz in Q. (Schweiz). Daran hat sich bis heute auch nichts geändert .... Die D. AG mit Sitz in S. (FL) war aus kommerziellen Gründen als Fakturierungsgesellschaft konzipiert und die Beziehungen zur damals noch als B. AG firmierenden Gesellschaft sind im Wesentlichen hierauf zurückzuführen."

Dieses Schreiben leitete Herr N. an den Beigeladenen, wobei er das Anschreiben für die C. AG (vormals B. AG) zeichnete.

Die F. stützte den Inhalt ihres Bestätigungsschreibens auf eine Einsichtnahme in das für die B. AG geführte Verzeichnis der Namensaktien.

Nach Abschluss der Betriebsprüfung im Januar 2002 erließ der Beklagte am 16.04.2002 für die Streitjahre nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewinnfeststellungsbescheide und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Für 1994 wurde nunmehr ein Gewinn in Höhe von 337.622,03 DM, für 1995 in Höhe von 263.240,53 DM und für 1996 in Höhe von 16.210,84 DM festgestellt. Die für 1994 vorgenommene Gewinnhinzuschätzung über 172.313 DM blieb von der Bescheidänderung unberührt. Die Gewinnerhöhung in 1995 beruhte im Wesentlichen auf der Nichtanerkennung der von der KG mit Zusammenhang mit der D. AG verbuchten Betriebsausgaben für Wareneinkäufe, Wertberichtigung und Diebstahl in Höhe von insgesamt 497.501,84 DM. Die festgestellten Gewinne für 1994 und 1995 verteilte der Beklagte auf den Kläger und den Beigeladenen und wies den Gewinn für 1996 in voller Höhe dem Kläger zu. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 30.01.2002 verwiesen.

Gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1996 legte der Kläger am 07.05.2002 Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 24.05.2002 begründete der Kläger seine Einsprüche vom 10.01.1997 und 07.05.2002 wie folgt: Er habe seiner Aufklärungspflicht genügt. Die B. AG sei keine Domizilgesellschaft. Die Aufforderung des Beklagten, die Gesellschafter der B. AG zu benennen, sei ermessensfehlerhaft. Denn es sei für die KG nicht erkennbar gewesen, dass möglicherweise eine Domizilgesellschaft vorgelegen habe.

Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 25.05.2004 zurück. Die B. AG und die D. AG seien Domizilgesellschaften gewesen und deren tatsächliche Anteilseigner nicht benannt worden. Das Bestätigungsschreiben der F. AG widerlege diese Annahme nicht. Es sei nämlich nicht ersichtlich, aufgrund welcher tatsächlichen Erkenntnisse die F. die Aussage habe treffen können. Schließlich spreche für die Annahme, dass es sich bei der D. AG um eine Domizilgesellschaft gehandelt habe, auch der Umstand, dass diese als Fakturierungsgesellschaft fungiert habe. Die Rechnungsgeschäfte mit der D. AG seien danach als Scheinhandlungen zu qualifizieren. Auch die Gewinnkorrektur in 1994 in Höhe von 172.313 DM sei zu Recht erfolgt. Die B. AG sei in 1996 als Kommanditistin ausgeschieden, ohne dass sie ihre Kommanditeinlage zurückgefordert oder erhalten hätte.

Der Kläger hat am 25.06.2004 Klage erhoben.

Er habe alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft. Mehr könne er auch angesichts der liechtensteinischen und schweizerischen Strafvorschriften, die die Bekanntgabe geschäftsrelevanter Daten an Ausländer unter Strafe stellten, nicht leisten. Verantwortlich für die Informationsdefizite sei ausschließlich Herr N. Dieser kooperiere nicht. Im Übrigen hätte der Beklagte im Wege der zwischenstaatlichen Amtshilfe selbst Auskünfte einholen können. Es sei zudem zweifelsfrei belegt, dass die in die Schweiz bzw. Liechtenstein gezahlten Gelder nicht nach Deutschland zurückgeflossen seien. Dies folge aus dem Bestätigungsschreiben der F. Da die F. Einblick in das Verzeichnis der Namensaktien genommen habe, beruhe das Bestätigungsschreiben auf originären und zuverlässigen Informationen. Die Vorschriften der §§ 90 Abs. 2, 160 AO und die daraus folgenden Pflichten habe er --der Kläger-- nicht gekannt und auch nicht kennen müssen. Der Beklagte hätte ihn hierauf von vornherein aufmerksam machen müssen. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die B. AG und die D. AG Domizilgesellschaften seien, habe er --der Kläger-- seiner Pflicht genügt und mit Herrn N. den Namen und die Anschrift des wirtschaftlichen Eigentümers der Gesellschaften benannt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 25.06. und 14.10.2004 und 27.11.2006 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Gewinnfeststellungsbescheide für 1994 und 1995 vom 16.04.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 25.05.2004 dahin zu ändern, dass in 1994 die Gewinnhinzurechnung in Höhe von 172.313 DM (Einlage B. AG) rückgängig gemacht wird und dass in 1995 die im Zusammenhang mit der D. AG geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 497.501,84 DM als Betriebsausgaben anerkannt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Der Kläger könne sich nicht auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Herrn N. berufen, da er insoweit eine rechtzeitige Beweisvorsorge zu treffen versäumt habe. Die angebliche Einlageleistung der B. AG stelle sich als ungeklärter Vermögenszuwachs dar. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um bereits in der Gründungsphase der KG erwirtschaftete Erträge gehandelt habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 14.09., 25.10.2004 und 18.04.2007 verwiesen.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift vom 25.08.2006 wird Bezug genommen.

Herr O. N. wurde mit --rechtskräftigem-- Beschluss vom 30.07.2007 zu dem Verfahren beigeladen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Auf die Sitzungsniederschrift vom 28.09.2007 wird Bezug genommen.

Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Steuerakten vor, nämlich

1 Bd. Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten

1 Bd. Rechtsbehelfsakten

1 Bd. Bilanz- und Bilanzberichtsakten

1 Bd. Betriebsprüfungsakten

1 Bd. Umsatzsteuerakten

1 Bd. Allgemeines / Verträge.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

Die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide sind hinsichtlich der Gewinnhinzuschätzung in 1994 (dazu 1.) und der Nichtanerkennung der Forderungsabschreibung in 1995 (dazu 2.) rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Im Übrigen war die Klage abzuweisen (dazu 3.).

1. Die Gewinnhinzuschätzung in 1994 verstößt gegen § 162 AO.

a. Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind, § 162 Abs. 1 AO. Die Schätzungsergebnisse müssen in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1994 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226). Da die Schätzung eine besondere Art der Sachverhaltsfeststellung ist und eine zur vollen Überzeugung führende Sachaufklärung ersetzt, bedarf sie einer besonderen Rechtfertigung (Schätzungsanlass; Rüsken in Klein, AO, 8. Aufl., § 162 Rz. 3). Die Voraussetzungen einer Schätzung --die Schätzungsanlässe-- sind im Wesentlichen in § 162 Abs. 2 AO geregelt. Danach ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 AO verletzt oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können. Wenn nach den dort genannten Voraussetzungen ein Schätzungsanlass fehlt, ist nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden. Keinesfalls darf die Schätzung ohne einen besonderen, rechtfertigenden Grund für die mit ihr verbundene Reduzierung des Beweismaßes an die Stelle einer Beweislastentscheidung gesetzt werden (Rüsken, in Klein, AO, 9. Aufl., § 162 Rz. 5).

b. Nach Auffassung des Gerichts, das nach § 96 Abs.1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis hat, ist hiernach für die von dem Beklagten vorgenommene Gewinnhinzuschätzung kein Raum. Weder lag ein Schätzungsanlass vor noch war das Schätzungsergebnis in sich schlüssig und wirtschaftlich vernünftig.

aa. Die KG hat ihrer Mitwirkungspflicht in Bezug auf das Beteiligungsverhältnis der B. AG genügt. Sie hat Nachweise über Kapitaleinzahlungen der AG vom August 1994 vorgelegt und die Frage der Differenz zwischen der Hafteinlage der AG gemäß Gesellschaftsvertrag in Höhe von 172.500 DM und der in dem Jahresabschluss auf den 31.12.1994 ausgewiesenen Hafteinlage in Höhe von 172.312,62 DM plausibel auf Kursdifferenzen zurückgeführt (vgl. Bl. 40 Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakte). Da zudem die Buchführung der KG formell ordnungsmäßig war --§ 158 AO--, lagen die Voraussetzungen für eine Gewinnhinzuschätzung dem Grunde nach nicht vor und war die von dem Beklagten vorgenommene Hinzuschätzung unzulässig.

bb. Das Schätzungsergebnis hält dessen ungeachtet auch einer materiellen Überprüfung nicht stand. Die Annahme, dass es sich bei der Einlage der B. AG um einen ungeklärten, gewinnwirksamen Geldzufluss handelt, ist unwahrscheinlich. Es ist kein wirtschaftlich vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb die AG --entgegen der gesellschaftsvertraglichen Regelung-- aus nichtgesellschaftsrechtlicher Veranlassung die in Frage stehende Summe an die KG hätte leisten sollen. Die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen zu (Domizil-)Gesellschaften im niedrig besteuernden Ausland dient in der Regel dazu, die inländische Steuerquote zu mindern. Dieser (Gestaltungs-)Prämisse widerspräche es, Erträge aus dem niedrig besteuernden Ausland --hier: der Schweiz-- in das Inland zu verlagern. Das aber wäre die Folge aus der von dem Beklagten vertretenen Annahme eines schuldrechtlichen Leistungs- und Forderungsverhältnisses zwischen der KG als Leistungserbringerin und der B. AG als Leistungsempfängerin. Da die B. AG zudem im Zeitpunkt der Gründung der KG im internationalen Zigarettenhandel, einem der Geschäftsgegenstände der KG, tätig war (vgl. Sitzungsniederschrift vom 25.08.2006 und Schriftsatz des Beklagten vom 14.09.2004 Anlagen B 2 - 4), wäre es auch unter diesem tatsächlichen Gesichtspunkt wahrscheinlicher, von einem umgekehrten Lieferungs- und Leistungsverhältnis auszugehen, nämlich von einer Belieferung der KG mit den für die Aufnahme des Geschäftsbetriebs erforderlichen Waren --Zigaretten-- durch die B. AG. Nach alledem spricht die größtmögliche Wahrscheinlichkeit (vgl. hierzu von Groll in Gräber, FGO, 6. Aufl., § 96 Rz. 19) für eine gewinnneutrale Einlageleistung der AG in 1994.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der B. AG --allem Anschein nach-- in 1996 kein Auseinandersetzungsguthaben ausgezahlt worden ist. Dieser Vorgang ist zwar ungewöhnlich und wirft Fragen zu der steuerrechtlichen Anerkennung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der AG auf; er führt indes weder nach den vorangestellten Ausführungen noch nach sonstigen steuersystematischen Überlegungen zu einer Gewinnhinzuschätzung in 1994.

2. Die Versagung der Forderungsabschreibung auf eine Forderung gegenüber der D. AG in Höhe von 146.169,84 DM verstößt gegen § 160 AO.

Nach dieser Vorschrift sind Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger genau zu benennen. Mit der Vorschrift wird das Ziel verfolgt, mögliche Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten können, dass der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 8/98, BFHE 187, 201, BStBl II 1999, 333). Dementsprechend ist § 160 AO nur anwendbar, wenn eine Leistungsbeziehung mit einem "Gläubiger" oder "Empfänger" besteht. Bestehen hingegen Forderungen, braucht der Schuldner nicht benannt zu werden; dieser ist kein "Empfänger". Auf gewinn- und steuermindernde Vorgänge, die nicht "Schulden und Lasten" betreffen, ist die Vorschrift nicht anwendbar (so ausdrücklich Frotscher in Schwarz, AO/FGO, § 160 AO Rz. 6 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Korrektur der von der KG vorgenommenen Forderungsberichtigung gegenüber der D. AG nach § 160 AO aus. Es handelt sich bei der Forderungsberichtigung um die Schmälerung einer Erlösposition, mithin um einen gewinnmindernden Vorgang, der keine "Schuld oder Last" betrifft. Da es in diesem Zusammenhang keinen unbenannten Empfänger von Einnahmen gibt, können Steuerausfälle i.S.d. § 160 AO nicht eintreten und kann die Norm für eine Gewinnkorrektur nicht herangezogen werden.

3. Anderes gilt hingegen für die von der KG in 1995 im Zusammenhang mit der D. AG geltend gemachten Wareneinkaufs- und Diebstahlskosten in Höhe von insgesamt 351.332 DM. Diese Kosten, die "Schulden" gegenüber einem "Gläubiger" i.S.d. § 160 AO darstellen, hat der Beklagte zu Recht nach der genannten Vorschrift vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen.

a. Die Entscheidung über die Versagung des Betriebsausgabenabzuges nach § 160 AO vollzieht sich in zwei Stufen.

Auf der ersten Stufe entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen geboten ist. Dabei handelt es sich inhaltlich um ein Auskunftsersuchen des Finanzamtes i.S.d. § 90 AO. Dieses steht in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Es darf nicht unverhältnismäßig sein. Bei Auslandssachverhalten sind aber die erweiterten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO zu berücksichtigen. Die Beteiligten haben den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu besorgen. Sie haben dazu alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, einen Sachverhalt nicht aufklären oder ein Beweismittel nicht beschaffen zu können, wenn er sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. Maßgeblich ist daher, ob es dem Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zumutbar war, sich nach den Gepflogenheiten eines ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs der Identität des Geschäftspartners zu vergewissern, um so in der Lage zu sein, ihn als Empfänger der Zahlungen zutreffend anzugeben.

Auf der zweiten Stufe ist --wiederum nach pflichtgemäßem Ermessen-- zu entscheiden, ob und inwieweit Ausgaben, deren Empfänger nicht genau bezeichnet wurden, zum Abzug zugelassen werden.

Das Finanzgericht ist bei der Untersuchung der gestuften Entscheidung der Finanzbehörde nicht nach § 102 FGO auf die Überprüfung des von der Verwaltung ausgeübten Ermessens beschränkt; es kann vielmehr ein neues Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten und anschließend ein abweichendes, eigenes Ermessen ausüben (BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 6/96, BStBl. II 1998, 51).

b. Das Benennungsverlangen ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn Zweifel über die Person des Empfängers bestehen und auf Grund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat. Derartige Zweifel können insbesondere bei Geschäftsbeziehungen mit Domizilgesellschaften begründet sein (vgl. Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl., § 160 Rz. 6 m.w.N.). Hierbei handelt es sich um Gesellschaften, die in der Regel nur formal eine eigene Geschäftstätigkeit entfalten, tatsächlich und wirtschaftlich aber keine Leistungen erbringen und nur nach außen anstelle der tatsächlichen Leistungserbringer auftreten (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 11. April 2000 II 14/97, EFG 2000, 1385 m.w.N.). Bei einer Domizilgesellschaft als Geschäftspartner ist deshalb der tatsächliche Empfänger der Betriebsausgabe --der hinter dieser Gesellschaft stehende Dritte (vgl. BFH-Urteile vom 01. Juni 1994 XR 73/91, BFH/NV 1995, 2; vom 30. August 1995 I R 126/94, BFH/NV 1996, 267)-- im Sinne des § 160 Abs. 1 AO nicht bekannt.

Für das Benennungsverlangen ist nicht erforderlich, dass es sich tatsächlich um eine Domizilgesellschaft handelt. Ausreichend ist es, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich um eine Domizilgesellschaft handelt (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 11. April 2000 II 14/97, EFG 2000, 1385 m.w.N.). Indizien hierfür können sein, dass die Gesellschaft weder über eigene Büroräume noch über die personellen und sächlichen Ressourcen verfügt, die erforderlich sind, um die Leistung zu erbringen, für die die Vergütung gezahlt worden ist. Nicht ausreichend ist, dass das Bundesamt für Finanzen von einer Domizilgesellschaft ausgeht (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1999 I B 34/99, BFH/NV 2000, 677). Zu würdigen sind vielmehr die dieser Einschätzung zugrunde liegenden Tatsachen.

Ist es aber für den Steuerpflichtigen bei vernünftiger Beurteilung der Gegebenheiten und bei Ausschöpfung seiner zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten nicht erkennbar, dass es sich bei dem Zahlungsempfänger um eine Domizilgesellschaft ohne Funktion und ohne eigenes Personal handeln könnte, ist es ermessensfehlerhaft, ihn aufzufordern, die hinter dem Zahlungsempfänger stehenden Personen zu benennen.

c. Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte zu Recht die Benennung der Gesellschafter der D. AG verlangt und den Abzug der geltend gemachten Kosten versagt.

aa. Es bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der D. AG um eine Domizilgesellschaft gehandelt haben könnte.

Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass für die D. AG unter der Adresse der Gesellschaft ein Repräsentant bestellt worden ist; denn Repräsentanten werden nach liechtensteinischem Recht insbesondere dann bestellt, wenn eine Gesellschaft mehrheitlich von Ausländern geleitet wird und die Gesellschaft keine auf das liechtensteinische Staatsgebiet bezogene geschäftliche Tätigkeit ausübt (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1998 I R 108/97, BStBl. II 1999, 121; FG Hamburg, Urteil vom 11. April 2000 II 14/97, EFG 2000, 1385). Die Bestellung eines Repräsentanten schließt somit eine eigene geschäftliche Tätigkeit der D. AG außerhalb Liechtensteins nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, dass die Gesellschaft nicht über die erforderlichen personellen und sachlichen Mittel verfügt hat, um die in Rechnung gestellten Leistungen zu erbringen. Die D. AG unterhielt weder eigene Büroräumlichkeiten noch verfügte sie über eigene Telefon- und Faxanschlüsse. Beides wäre aber erforderlich gewesen für die Organisation, Verwaltung und Überwachung der mutmaßlichen Handelsgeschäfte einschließlich der Kommunikation mit den Geschäftspartnern. Des Weiteren verfügte die D. AG über kein eigenes Personal am Verwaltungssitz. Ein gewisses Mindestmaß an Personal ist aber auch für ein reines Handels- und Vermittlungsunternehmen erforderlich, um die organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufgaben zu bewältigen. Und schließlich spricht auch die Konzeption der D. AG als Fakturierungsgesellschaft (vgl. Bescheinigung der F. AG vom 15.05.2001) gegen die Führung eines eigenen aktiven Geschäftsbetriebs und für die Annahme einer Domizilgesellschaft.

Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger Handelsregisterauszüge der D. AG vorgelegt hat. Daraus ergibt sich kein Indiz für einen eigenen Geschäftsbetrieb. Domizilgesellschaften sind rechtlich existent. Darüber hinaus gehende Umstände lassen sich einem Handelsregisterauszug aber nicht entnehmen. Geeignete Nachweise für eine eigene wirtschaftliche Aktivität, etwa Arbeits- und Mietverträge oder Sozialversicherungsnachweise, sind nicht beigebracht worden.

bb. Das Benennungsverlangen ist auch verhältnismäßig. Es war der KG zumutbar, sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Identität ihres Geschäftspartners zu vergewissern. Sie hatte dazu hinreichenden Anlass. Jeder Steuerpflichtige, der Zahlungen an liechtensteinische Gesellschaften vornimmt, muss sich der Gefahr bewusst sein, dass in Liechtenstein ansässige Gesellschaften nicht selten zur Umgehung der Steuerpflicht von Inländern eingeschaltet werden (BFH-Urteil vom 10. November 1998 I R 108/97, BStBl. II 1999, 121; FG Hamburg, Urteil vom 11. April 2000 II 14/97, EFG 2000, 1385).

Zwar ist es dem Kläger durch die fehlende Mitwirkungsbereitschaft des Herrn N. und mangels eines entsprechenden Auskunftsanspruchs gegen ihn nunmehr nicht mehr möglich, die erforderlichen Auskünfte einzuholen. Darauf kann sich der Kläger aber nicht berufen, da die KG die gebotene Beweisvorsorge nicht getroffen hat. Sie hätte sich bei Vertragsschluss alle maßgeblichen Informationen besorgen oder für den Fall eines entsprechenden Auskunftsersuchens des Finanzamts einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Offenlegung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse einräumen lassen können. Diese Zugeständnisse hätte sie zur Voraussetzung des Vertragsschlusses mit ihrem Geschäftspartner machen können. Die damit verbundene Konsequenz, dass wegen der Pflicht des deutschen Unternehmers, sich weit reichende Informationen über seinen ausländischen Geschäftspartner zu beschaffen, unter Umständen das Zustandekommen eines Vertrages mit dem ausländischen Unternehmer scheitern kann, begründet keine Unzumutbarkeit.

Auch eine dem ausländischen Geschäftspartner oder dem Kläger selbst nach Art. 4 des Liechtensteinischen Staatsschutzgesetzes bzw. Art. 273 des Schweizerischen Strafgesetzbuches drohende Strafverfolgung wegen der Bekanntgabe geschäftsrelevanter Daten an eine ausländische Amtsstelle führt nicht zur Unzumutbarkeit des Benennungsverlangens. Diese Normen sollen die liechtensteinische bzw. schweizerische Wirtschaft vor allem vor ausländischer Spionage schützen. Sie dienen nicht dem Schutz privater Interessen. Zudem braucht kein anderer Staat etwaige Auswirkungen dieser Strafvorschriften gegen sich gelten zu lassen (BFH-Urteile vom 16. April 1980 I R 75/78, BStBl. II 1981, 492; vom 16. April 1986 I R 32/84, BStBl. II 1986, 736); die Vorschriften genießen keinen völkerrechtlichen Vorrang gegenüber § 90 Abs. 2 AO (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO Rz. 28).

cc. Der Kläger hat die tatsächlichen Zahlungsempfänger nicht benannt.

Die Benennung im Sinne des § 160 Abs. 1 AO setzt die Angabe von Namen und Adresse des Empfängers voraus (BFH-Urteil vom 25. Februar 2004 I R 31/03, BStBl. II 2004, 582). Dies sind bei einer Domizilgesellschaft in der Regel die Gesellschafter. Der Kläger hat die Namen und Anschriften der Gesellschafter der D. AG nicht angegeben. Die Benennung der Person des Herrn N. und seiner Anschrift genügt nicht, da nicht feststeht, dass er --der alleinige-- Gesellschafter der D. AG und der Empfänger der Leistungen der KG gewesen ist. Die Gesellschafter der D. AG sind danach nach wie vor unbekannt.

dd. Gründe, weshalb trotz unterbliebener Auskunft ausnahmsweise der Abzug der geltend gemachten Kosten zugelassen werden sollte, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Auch der Höhe nach ist die Versagung des Abzuges nicht zu beanstanden.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 115 Abs. 2, § 128 Abs. 4 Satz 1, § 135 Abs. 3, § 136 Abs. 1 Satz 1, § 139 Abs. 3 Satz 3, § 139 Abs. 4 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ende der Entscheidung

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