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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: 7 K 122/06
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 179 Abs. 3
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a
AO 1977 § 235 Abs. 1
AO 1977 § 239 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

7 K 122/06

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Aufhebung eines Ergänzungsbescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer und zur Vermögensteuer.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung in 1996 bei den verschiedenen Gesellschaften der D-Gruppe wurden Hinterziehungen der Einkommensteuer und Vermögensteuer festgestellt. Die Hinterziehungshandlungen erstreckten sich hinsichtlich der Einkommensteuer auf die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1994 und hinsichtlich der Vermögensteuer auf die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1995. Unter anderem war hiervon die in H ansässige DS KG betroffen. An dieser Gesellschaft waren die Kläger zu 1) bis 4) jeweils zu 18,75% und die am ...1999 verstorbene E mit 25% beteiligt.

Mit Wirkung zum 1.1.1993 wurde die DS KG, H, auf die J GmbH und Co KG, F, verschmolzen.

Im Rahmen des steuerlichen Ermittlungsverfahrens schlossen die Beteiligten am 20.4.1998 eine in den sachlichen Feststellungen für beide Parteien verbindliche, tatsächliche Verständigung über die Höhe der bisher unzutreffend bilanzierten Vorratsbestände der Firmen der D-Gruppe. Weiter heißt es in dem Protokoll:

"Der Steuerpflichtige A ist damit einverstanden, dass die Feststellungsbescheide 1985 bis 1989 gemäß § 173 Abs. 2 AO berichtigt werden. Entsprechend erklärt er sich im Besteuerungsverfahren bereit, die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zu akzeptieren."

Durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 23.3.2000 wurde gegen den Geschäftsführer A eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten wegen Steuerhinterziehung festgesetzt.

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Betriebsprüfung erließ der Beklagte für die DS KG zuletzt am 19.5.2003 geänderte Bescheide unter anderem für die Jahre 1990 und 1992 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Darin setzte sie die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1990 auf 791.701 DM und für 1992 auf 238.371 DM fest und verteilte sie jeweils entsprechend der Quote auf die Gesellschafter. Mit zuletzt am 10.7.2003 geänderten Bescheid auf den 1.1.1991 über den Einheitswert des Betriebsvermögens stellte der Beklagte den Einheitswert auf den 1.1.1991 auf 765.915 EUR (1.498.000 DM) fest und verteilte den aufzuteilenden Betrag im Verhältnis der Kapitalkonten auf die Gesellschafter. Diese Bescheide sind bestandskräftig.

Am 26.11.2003 erließ der Beklagte einen Ergänzungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1985 bis 1994 und zur Vermögensteuer auf den 1.1.1986 bis 1.1.1995. Darin stellte der Beklagte den Anteil am Gewinn, der auf Hinterziehung entfällt, für 1990 mit 524.621 DM und für 1992 mit 129.653 DM fest. Den Anteil am Einheitswert des Betriebsvermögens, der auf Hinterziehung entfällt, stellte der Beklagte auf den 1.1.1991 mit 525.000 DM fest. Im Weiteren enthält der Bescheid eine Verteilung des Mehrgewinns auf die Feststellungsbeteiligten bzw. eine Verteilung des Mehr-Einheitswerts-Betriebsvermögen auf die Feststellungsbeteiligten. Grundlage der Feststellungen war der Steuerfahndungsbericht vom 4.5.1998. Der Bescheid enthielt den Hinweis: "Dieser Bescheid ergeht unter dem Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO." Auf den Inhalt des Bescheids wird ergänzend Bezug genommen.

Der Ergänzungsbescheid wurde den Feststellungsbeteiligten einzeln bekanntgegeben. Gegenüber C erging ein inhaltlich gleichlautender Ergänzungsbescheid am 22.12.2003 und gegenüber dem Verwalter des Nachlasses von E am 26.2.2004.

Die von den Wohnsitzfinanzämtern der Kläger erlassenen Bescheide über Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer und zur Vermögensteuer sind ganz überwiegend (bis auf zwei Ausnahmen) von den Klägern angefochten worden. Sie befinden sich im Einspruchs- bzw. Klageverfahren und sind nach Angaben der Kläger jeweils bis zu einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren ruhend gestellt worden.

Gegen die Ergänzungsbescheide legten die Kläger am 19.12.2003, 23.12.2003, 19.1.2004 bzw. 9.3.2004 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 3.3.2006 wies der Beklagte die Einsprüche betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1990 und 1992 und zum Einheitswert Betriebsvermögen auf den 1.1.1991 als unbegründet zurück.

Am 5.4.2006 haben die Kläger Klage erhoben. Mit der Klage wenden sie sich gegen die Ergänzungsbescheide, soweit in ihnen die Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1990 und 1992 und zur Vermögensteuer auf den 1.1.1991 festgestellt würden. Darüber hinaus sei keine Klage erhoben worden, auch wenn weitere Veranlagungszeiträume in dem Betreff der Klageschrift zunächst aufgeführt worden seien.

Zur Begründung führen sie aus, dass der Erlass der Ergänzungsbescheide nicht durch die Vorschrift des § 179 Abs. 3 AO gedeckt sei. Mit einem Ergänzungsbescheid dürfe nur eine "unbewusste Lücke" geschlossen werden. Eine "bewusste Lücke" stehe einer unrichtigen Feststellung gleich und sei nicht vom Regelungsbereich des § 179 Abs. 3 AO umfasst. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass es für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen der vorherigen Feststellung des Anteils an den Besteuerungsgrundlagen bedurfte, der auf die Hinterziehung entfalle. Das entsprechende Verfahren sei gesetzlich geregelt in Tz. 6 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 235. Mit dem Erlass der Ergänzungsbescheide habe der Beklagte danach eine bewusste Lücke geschlossen, weil er zumindest hätte wissen müssen, dass eine entsprechende Feststellung zu treffen sei.

Darüber hinaus sei hinsichtlich der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer 1990 und zur Vermögensteuer 1991 Verjährung eingetreten, über die nicht mit § 181 Abs. 5 AO hinweggegangen werden könne. Nach dem Wortlaut dieser Norm könne die gesonderte Feststellung trotz Eintritts der Feststellungsverjährung nur insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine "Steuerfestsetzung" von Bedeutung sei. Auf Nebenleistungen sei die Regelung demnach nicht anwendbar. Schließlich seien die Feststellungsbescheide wegen des Fehlens eines Hinweises nach § 181 Abs. 5 S. 2 AO rechtswidrig. Der unterlassene Hinweis sei auch nicht rechtswirksam im Einspruchsverfahren nachgeholt worden. Soweit die Kläger in der Besprechung am 20.4.1998 geäußert hätten, dass man die Feststellung von Hinterziehungszinsen hinnehmen werde, liege darin kein wirksamer Rechtsmittelverzicht.

Mit Änderungsbescheid vom 27.11.2006 änderte der Beklagte den Ergänzungsbescheid vom 26.11.2003 und ergänzte den Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO in der Weise, dass der Feststellungsbescheid nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen sei und deshalb nur solchen Steuerfestsetzungen zugrunde gelegt werden könne, deren Feststellungsfrist im Zeitpunkt der geänderten Feststellung noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Die Kläger beantragen,

die geänderten Ergänzungsbescheide vom 27.11.2006 sowie die Ergänzungsbescheide vom 27.11.2003 bzw. 26.12.2003 bzw. 26.2.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 3.3.2006 aufzuheben, soweit in ihnen Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1990 und 1992 und zum Einheitswert Betriebsvermögen auf den 1.1.1991 getroffen worden sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Ergänzungsbescheide rechtmäßig seien und insbesondere auch erlassen werden durften, weil die Feststellung des auf die Steuerhinterziehung entfallenden Anteils versehentlich unterblieben sei. Hierbei sei von einem durchschnittlichen Sachbearbeiter auszugehen, der nicht unbedingt die Regelung in Tz. 6 des Anwendungserlasses zur AO zu § 235 AO kenne. § 181 Abs. 5 AO sei auch anwendbar für andere Steuerfestsetzungen, denn nach § 3 AO sei eine Differenzierung zwischen Steuern und Zinsen als Nebenleistung nicht geboten. Das Fehlen eines ausreichenden Hinweises gemäß § 181 Abs. 5 AO sei inzwischen jedenfalls durch den Erlass der geänderten Ergänzungsbescheide vom 27.11.2006 geheilt.

Dem Gericht haben vorgelegen Band II der Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten, Band II der Einheitswertakten, die Betriebsprüfungsakte, eine Steuerfahndungsakte, eine Bilanz- und Bilanzberichtsakte, Band II der Umsatzsteuerakten sowie drei Bände Rechtsbehelfsakten betreffend die DS KG zu der Steuernummer ... Auf den Inhalt dieser Akten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 30.3.2007 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig. Der geänderte Ergänzungsbescheid vom 27.11.2006 ist gemäß § 68 S. 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden.

Die J GmbH und Co KG, F, auf die die DS KG, H, verschmolzen ist, war nicht nach § 60 Abs.3 FGO i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO notwendig beizuladen, denn die J GmbH und Co KG ist nicht befugt, die Gesellschafter der DS KG nach der Umwandlung zu vertreten. Durch die Verschmelzung ist die DS KG mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2, 4 Umwandlungsgesetz vollbeendet. Die gesetzliche Prozessstandschaft geht nicht auf einen Rechtsnachfolger der Personengesellschaft über. Vielmehr sind in diesen Fällen gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO allein die von dem angefochtenen Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter klagebefugt (vgl. BFH, Beschluss vom 29.3.2001 - VIII B 11/01, BFH/NV 2001, 1280;Urteil vom 28.3.2000, VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074;Beschluss vom 8.10.1998 - VIII B 61/98, BFH/NV 1999, 291; Brandis in Tipke/Kruse, FGO § 48 Rn. 15; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler FGO, § 48 Rn. 114, 121; jeweils m.w.N.).

II. Die Klage hat jedoch keinen Erfolg. Die angefochtenen Ergänzungsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte war insbesondere befugt Ergänzungsbescheide nach § 179 Abs. 3 AO zu erlassen, auch soweit hinsichtlich der Gewinnfeststellung bereits Feststellungsverjährung eingetreten war.

1. Der Beklagte hat die Ergänzungsbescheide wirksam einzeln an die Gesellschafter der ehemaligen DS KG bekannt gegeben. Nach § 183 Abs. 2 AO hat die Bekanntgabe eines Feststellungsbescheides nicht gegenüber einem Empfangsbevollmächtigten nach § 183 Abs. 1 AO zu erfolgen, wenn der Finanzbehörde bekannt ist, dass die Gesellschaft nicht mehr besteht, ein Beteiligter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist oder zwischen den Beteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. In diesen Fällen hat eine Einzelbekanntgabe zu erfolgen.

Die DS KG war durch die Verschmelzung und der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2, 4 Umwandlungsgesetz vollbeendet. Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft sind die Gewinnfeststellungsbescheide den ehemaligen Gesellschaftern einzeln bekannt zu geben (vgl. BFH Urteil vom 13.7.1999 - VIII R 76/97, BStBl II 1999, 747, m.w.N.). Dem Beklagten war bekannt, dass die Gesellschaft nicht mehr bestand. Die Voraussetzungen für eine vereinfachte Bekanntgabe nach § 183 Abs. 1 AO waren damit entfallen.

2. Gemäß § 179 Abs. 3 AO ist eine notwendige Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen, soweit diese Feststellung in einem Feststellungsbescheid unterblieben ist.

Voraussetzung für den Erlass eines Ergänzungsbescheides ist, dass der ursprüngliche Feststellungsbescheid unvollständig bzw. lückenhaft ist. Nachholbar sind nur solche Feststellungen, die in den vorausgegangenen Feststellungsbescheiden unterblieben sind (BFH, Urteil vom 15.6.1994 - II R 120/91, BStBl II 1994, 819;Urteil vom 22.9.1977 - IV R 120/73, BStBl II 1978,1 152). Dies ist immer dann der Fall, wenn die Feststellungen hätten getroffen werden müssen, aber nicht getroffen worden sind. Ergänzungsbescheide dürfen einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheides korrigieren oder die in dem ursprünglichen Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen ändern, denn in einem solchen Fall ist die ursprüngliche Feststellung nicht lückenhaft, sondern inhaltlich falsch (BFH, Urteil vom 15.1.2002 - IX R 21/98, BStBl II 2002, 309;Urteil vom 11.5.1999 - XI R 72/96, BFH/NV 1999, 1446;Urteil vom 15.6.1994 - II R 120/91, a.a.O.).

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs lagen die Voraussetzungen für den Erlass eines Ergänzungsbescheides vor.

Notwendige Feststellungen sind in den ursprünglichen Feststellungsbescheiden unterblieben. Erfolgt eine Hinterziehung zu Gunsten einer Personengesellschaft, ist über die Frage, ob und in welchem Umfang der von den Gesellschaftern erlangte Vorteil im Sinne des § 235 Abs. 1 AO auf einer Hinterziehung beruht, im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung zu entscheiden (vgl. BFH, Urteil vom 19.4.1989 - X R 3/86, BStBl II 1989,5 196; Loose in Tipke/Kruse § 235 AO Rn. 23). Diese notwendigen Feststellungen nach §§ 235, 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 180 Abs. 1 Nr. 1 und 2a AO sind in den auf der Grundlage der Feststellungen der Steuerfahndung geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden für 1990 und 1992 sowie in dem Bescheid auf den 1.1.1991 über den Einheitswert des Betriebsvermögens unterblieben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass Anteile des festgestellten Gewinns bzw. des festgestellten Einheitswerts des Betriebsvermögens auf Hinterziehung beruhen.

Die Bescheide enthielten insoweit eine Lücke, die durch den Bescheid vom 27.11.2006 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1990 und 1992 und zu Vermögensteuer auf den 1.1.1991 geschlossen worden ist, denn der Beklagte stellt darin nunmehr fest, welcher Anteil des Gewinns der Gesellschaft in den Jahren 1990 und 1992 und welcher Anteil des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1.1.1991 auf die Hinterziehung entfällt und wie dieser Anteil auf die Gesellschafter zu verteilen ist. Diese Feststellungen sind der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig.

Entgegen der Auffassung der Kläger bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte über die Grundlagen für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in den ursprünglichen Bescheiden bewusst nicht entschieden oder konkludent eine negative Entscheidung in dieser Frage getroffen hat. Zwar dürfte der Beklagte bereits bei Erlass der Gewinnfeststellungsbescheide bzw. des Bescheides auf den 1.1.1991 über den Einheitswert des Betriebsvermögens die erforderlichen Informationen gehabt haben, um diese Frage zu entscheiden. Dennoch können weder diesen Bescheiden noch den Gesamtumständen Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Beklagte Feststellungen hierzu (konkludent) getroffen hat bzw. bewusst nicht getroffen hat.

Ob eine notwendige Feststellung in einem Feststellungsbescheid enthalten ist, ist ggfs. durch Auslegung zu ermitteln. Es kommt darauf an, wie der Adressat nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Für die Kläger als Adressaten der Gewinnfeststellungsbescheide bzw. Einheitswertbescheide ergaben sich aus den Bescheiden keine Anhaltspunkte dafür, dass über die Grundlagen für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen positiv oder negativ entschieden worden sein könnte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf Grund der im Steuerfahndungsverfahren getroffenen tatsächlichen Verständigung zwischen den Beteiligten jedenfalls insoweit Einvernehmen bestand, dass Hinterziehungszinsen festgesetzt werden würden.

Ebenso wenig konnten die Kläger aus einer möglichen anderen Praxis anderer für die weiteren Firmen der D-Gruppe zuständigen Finanzämter den Rückschluss ziehen, dass der Beklagte im vorliegenden Fall bewusst eine Feststellung der auf Hinterziehung entfallenden Anteile unterlassen habe. Hierfür hätte nur dann Anlass bestanden, wenn sich aus den Gesamtumständen dieses Rechtsverhältnisses Anhaltspunkte dafür ergeben hätten. Aber auch aus den Steuerakten des Beklagten ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass der zuständige Sachbearbeiter bei Erlaß der ursprünglichen Bescheide die Notwendigkeit dieser Feststellungen erkannt hat und hierüber entschieden hat bzw. hat entscheiden wollen. Allein der Umstand, dass hierüber eine gesonderte Feststellung zu treffen ist und sich hierauf in dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung ein Hinweis befindet, rechtfertigt nicht die Annahme, dass bewusst eine Feststellung unterblieben ist und damit eine bewusste Lücke vorliegt. Vielmehr ist versehentlich eine sachliche Entscheidung insoweit nicht getroffen worden.

Trotz einer inzwischen im Hinblick auf die geänderten Ergänzungsbescheide vom 27.11.2006 - unstreitig - eingetretenen Feststellungsverjährung konnte der Beklagte den Ergänzungsbescheid erlassen, denn nach § 181 Abs. 5 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Hierauf ist im Feststellungsbescheid hinzuweisen.

Diese Vorschrift findet im vorliegenden Falle auch Anwendung, denn nach § 239 Abs. 1 S. 1 AO sind auf Zinsen die für Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Hierzu gehören insbesondere die §§ 155 ff. AO betreffend die Steuerfestsetzung und die §§ 179 ff. AO, die sich mit der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen befassen (vgl. BFH, Urteil vom 19.4.1989 - X R 3/86, BStBl II 1989, 596; Kögel in Beermann, § 239 AO Rn. 8). Aus der "entsprechenden" Anwendung der für Steuern geltenden Vorschriften auf die Zinsen folgt, dass den für Zinsen geltenden Besonderheiten Rechnung zu tragen ist. Die Verwendung des Begriffes "Steuerfestsetzung" in § 181 Abs. 5 AO steht einer "entsprechenden" Anwendung dieser Regelung für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für Hinterziehungszinsen nicht entgegen.

Gemäß § 181 Abs. 5 S. 2 AO hat das Finanzamt bei Erlass eines Feststellungsbescheides nach Ablauf der Feststellungsfrist in dem Bescheid darauf hinzuweisen, dass die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Die genaue Angabe, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkung zukommen soll, ist nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 18.3.1998 - II R 7/96, BStBl II 1998, 555). Der Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von § 182 Abs. 1 AO bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird. Für den Steuerpflichtigen und für das für den Folgebescheid zuständige Finanzamt muss erkennbar sein, dass es sich um einen Feststellungsbescheid handelt, der lediglich für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam ist, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (BFH, Urteil vom 12.7.2005 - II R 10/04, BFH/NV 2006, 228, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt - wie auch die Kläger einräumen - der nunmehr in dem geänderten Ergänzungsbescheid vom 27.11.2006 aufgenommene Hinweis.

Der Beklagte konnte den im Hinblick auf § 181 Abs. 5 S. 2 AO unzureichenden Ergänzungsbescheidvom 26.11.2003, 22.12.2003 bzw. 26.2.2004 durch Erlass des Ergänzungsbescheides vom 27.11.2006 mit einem ordnungsgemäßen Hinweis ersetzten. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 FGO lagen vor. Die Festsetzungsfrist der abhängigen Steuern war bei Erlass des Bescheides noch nicht abgelaufen, denn nach Angaben der Kläger sind die Bescheide über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen (fast durchgängig) durch Rechtsmittel angefochten, welche im Hinblick auf dieses Verfahren ruhen. Der Ergänzungsbescheid vom 27.11.2006 ersetzt die zuvor erlassenen Ergänzungsbescheide, so dass eine Feststellung, in welchem Umfang der von den Gesellschaftern erlangte Vorteil auf einer Hinterziehung beruhte, nicht getroffen war.

Ein vorheriger Verböserungshinweis war entbehrlich, weil der Zweck, eine Verböserung durch Rücknahme der Klage zu vermeiden, ohnehin nicht erreicht werden konnte (vgl. BFH, Urteil vom 12.7.2005 - II R 10/04, a.a.O.), denn auch bei Rücknahme der Klage gegen den angegriffenen Ergänzungsbescheid hätte seine Unanfechtbarkeit ungeachtet seiner Rechtswidrigkeit eine Bindungswirkung für die Bescheide über Hinterziehungszinsen herbeigeführt.

Die Kosten des Verfahrens haben nach § 135 Abs. 1 FGO die Kläger zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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