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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 8 K 74/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3
EStG § 8 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

8 K 74/06

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorliegt.

Die Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren 1997 bis 2000 als angestellter Wirtschaftsprüfer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für die Durchführung seiner Reisetätigkeit, die sich nicht nur auf Norddeutschland, sondern auch auf die angrenzenden Bundesländer Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt erstreckte, stand ihm ein Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Über die mit dem Dienstwagen unternommenen Fahrten führte der Kläger Aufzeichnungen in Fahrtenbüchern. In diese Fahrtenbücher trug der Kläger in der Regel tageweise in jeweils einer Zeile nebeneinander das Datum, das Reiseziel, die gefahrenen Kilometer sowie den Kilometerstand am Ende des Tages ein, wobei unter der Spalte "Reiseroute und Ziel" zumeist entweder ein Städtename oder ein Kfz-Kennzeichen aufgeführt war. Die weitere Spalte "Besuchte Personen, Firmen, Behörden" der Fahrtenbücher enthält überwiegend keine Eintragungen.

Das beklagte Finanzamt erfasste den geldwerten Vorteil des Klägers aus der Privatnutzung des Firmenwagens hinsichtlich der Streitjahre 1997 bis 2000 jeweils nach Maßgabe der sog. 1 v.H.-Regelung des § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger am 25.1.2006 Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend machen, dass die vom Kläger tatsächlich für Privatfahrten genutzten Fahrleistungen des von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten PKW so gering gewesen seien, dass in Abweichung von der sog. 1 v.H.-Regelung die private Nutzung des Dienstwagens mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen anzusetzen sei. Insoweit tragen sie vor: Die vom Kläger geführten Fahrtenbücher ermöglichten eine einwandfreie Zuordnung der Fahrten in die entweder berufliche oder private Sphäre. Sie dokumentierten lückenlos die insgesamt gefahrenen Kilometer und wiesen nicht nur die täglich gefahrenen Kilometer für Geschäfts- und Privatfahrten, sondern auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aus. Die berufliche Verschwiegenheitspflicht hindere ihn - den Kläger - allerdings daran, im Fahrtenbuch auch die Namen seiner Mandanten bzw. Geschäftspartner anzugeben. Diese seien indes den von ihm täglich für seinen Arbeitgeber erstellten Tätigkeitsnachweisen zu entnehmen, die sog. Mandantennummern enthielten. Jedenfalls in Verbindung mit den weiteren Unterlagen - scil. den Tätigkeitsnachweisen und Reisekostenabrechnungen - erfüllten die Fahrtenbucheinträge die inhaltlichen Anforderungen, die von der Rechtsprechung in Bezug auf die Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches entwickelt worden seien.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Einkommensteuerbescheide für 1997, 1998, 1999 und 2000 vom 18.4.2002, jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.12.2005, dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer für 1997, 1998, 1999 und 2000 um 3.321,- EUR, 3.668,- EUR, 3.086,- EUR bzw. 3.577,- EUR niedriger festgesetzt wird.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und merkt ergänzend an, es sei lebensfremd, dass der Kläger über Jahre keine private Erledigung im Anschluss an eine berufliche Fahrt unternommen habe. Die Eintragungen in den Fahrtenbüchern spiegelten deshalb keine gelebte Realität wider.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Sachakten des beklagten Finanzamtes sowie der mit Schriftsatz vom 11.1.2007 vorgelegten Fahrtenbücher Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter (§ 90 Abs. 2 bzw. § 79a Abs. 3 und 4 FGO).

Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass der geldwerte Vorteil des Klägers aus der Verfügbarkeit des Dienstwagens zu Privatfahrten mit monatlich 1 v.H. des Listenpreises als Arbeitslohn zu erfassen ist.

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sind für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeuges zu privaten Zwecken für jeden Kalendermonat Einnahmen in Höhe von 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung anzusetzen. Diese private Nutzung kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG davon abweichend mit den auf die Privatfahrten anfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist zwar gesetzlich nicht näher bestimmt. Der Bundesfinanzhof hat allerdings bereits in seinem Urteil vom 9.11.2005 (VI R 27/05, juris) deutlich gemacht, dass sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 16.3.2006 (VI R 87/04, juris) zunächst wiederholt, dass die Aufzeichnungen hinsichtlich der geschäftlichen Reisen Angaben enthalten müssen, anhand derer sich die berufliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und gegebenenfalls auch nachprüfen lässt. Sodann hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, dass das Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. - wenn ein solcher nicht vorhanden ist - den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung (wie beispielsweise den Besuch einer bestimmten behördlichen Einrichtung) aufzuführen hat (vgl. BFH, Urteil vom 16.3.2006 - VI R 87/04 -, juris). Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch - so hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 16.3.2006 (VI R 87/04, juris) - klargestellt, reichen allenfalls dann aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe selbst zweifelsfrei ergibt, oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind.

Unter Berücksichtigung der vorstehend beschriebenen Kriterien sind die vom Kläger geführten Fahrtenbücher nicht als ordnungsgemäß im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG anzusehen.

Die vom Kläger geführten Fahrtbücher enthalten in der Spalte "Reiseroute und Ziel" lediglich allgemein gehaltene Angaben unter Verwendung von Ortsnamen oder Kraftfahrzeugkennzeichen, die keine Rückschlüsse auf die Veranlassung der einzelnen Fahrten zulassen. Zudem fehlen in den Fahrtenbüchern Eintragungen bezüglich der vom Kläger aufgesuchten Geschäftspartner bzw. Mandanten. Die in den Fahrtenbüchern insoweit vorgesehene Spalte "Besuchte Personen, Firmen, Behörden" ist - von vereinzelten Einträgen im Jahre 1998 abgesehen - durchweg leer. Das erkennende Gericht übersieht in diesem Zusammenhang nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes Erleichterungen in der Darstellungsform des Fahrtenbuches durchaus möglich sind, wie etwa die Verwendung von Abkürzungen für bestimmte, häufiger aufgesuchte Fahrtziele oder Geschäftspartner oder für einzelne regelmäßig wiederkehrende Reisezwecke (vgl. BFH, Urteil vom 16.3.2006 - VI R 87/04 -, juris). Allerdings hat der Bundesfinanzhof zugleich betont, dass die gebrauchten Kürzel entweder aus sich selbst heraus verständlich oder aber auf einem dem Fahrtenbuch beigefügten Erläuterungsblatt näher aufgeschlüsselt sein müssen. Daran fehlt es indes im Streitfall. Die bloße Aufzeichnung eines Städtenamens bzw. eines Kfz-Kennzeichens gibt keinen Hinweis auf den an diesem Ort vom Kläger (vorgeblich) aufgesuchten Geschäftspartner bzw. Mandanten. Da in den Fahrtenbüchern selbst auf die besuchten Geschäftspartner bzw. Mandanten auch nicht über Abkürzungen oder Nummern hingewiesen wird, ist es dem Kläger im vorliegenden Kontext auch nicht behilflich, dass in den von ihm für seinen Arbeitgeber erstellten Tätigkeitsnachweisen sog. Mandantenziffern einen Rückschluss auf die berufliche Veranlassung der jeweiligen Fahrt zulassen mögen. Abgesehen davon, dass diese Tätigkeitsnachweise den Fahrtenbüchern nicht als Anlage oder Erläuterung beigegeben sind, sind die in den Tätigkeitsnachweisen verwandten Mandantennummern zudem auch nicht aus sich selbst heraus verständlich. Welche Person, Gesellschaft oder Institution sich hinter der einzelnen Mandantennummer ergibt, erschließt sich aus dem Tätigkeitsnachweis selbst nicht. Insoweit bedarf es vielmehr - wie der Kläger selbst einräumt -des Abgleichs mit einer weiteren Auflistung, der sog. Mandantenliste.

Die vorstehend bezeichneten rudimentären Angaben des Klägers betreffend die jeweiligen Reiseziele erscheinen auch unter Berücksichtigung der ebenfalls vorgelegten Reisekostenabrechnungen und Arbeitszeitnachweise in keinem anderen, dem Kläger günstigeren Licht. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass sich aus der Billigung der Reisekostenabrechnungen und Arbeitszeitnachweise durch seinen Arbeitgeber auf eine Bestätigung des dienstlichen Charakters der darin jeweils aufgeführten Reise schließen lässt. Abgesehen davon, dass auch diese weiteren Unterlagen in der Regel keine nachprüfbaren Angaben zu dem konkreten Fahrtziel und zu dem jeweils aufgesuchten Geschäftspartner bzw. Mandanten enthalten, ist es weder Aufgabe des beklagten Finanzamtes noch des erkennenden Gerichts, mühsam und zeitaufwendig Fahrtenbucheintragungen und Reisekostenabrechnungen bzw. Arbeitszeitnachweise in Deckung zu bringen. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes die bloße Ortsangabe im Fahrtenbuch ausreichen kann, wenn sich der Name des Geschäftspartners auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind, ermitteln lässt (vgl. BFH, Urteil vom 16.3.2006 - VI R 87/04 -, juris), ist dem Kläger daher in concreto nicht dienlich.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt in diesem Kontext hinzu: Angaben zum Fahrtziel und zur besuchten Person bzw. Institution sind auch vor dem Hintergrund im Fahrtenbuch unverzichtbar, dass die diesbezüglichen Aufzeichnungen sowohl dem beklagten Finanzamt als auch dem erkennenden Gericht die Überzeugung hinsichtlich der materiellen Richtigkeit der Kilometerangaben vermitteln müssen. Sofern Fahrtziel nicht kleine Gemeinden sind, deren Größe sich auf wenige Quadratkilometer erstreckt, lässt sich jedenfalls bei größeren Städten eine Überprüfung des Eintrags "gefahrene km" erst bei einer konkreteren Zielangabe vollziehen. Ob insoweit die Aufzeichnung der genauen Anschrift erforderlich oder aber die Angabe des Stadtteils ausreichend ist, braucht das erkennende Gericht aus Anlass dieses Klageverfahrens freilich nicht zu entscheiden. Denn auch die Stadtteile der Orte, in denen die kontaktierten Geschäftspartner bzw. Mandanten ansässig sind, hat der Kläger in den Fahrtenbüchern nicht vermerkt.

Das erkennende Gericht ist sich im vorliegenden Zusammenhang sehr wohl bewusst, dass der Kläger aufgrund seiner beruflichen Stellung als Wirtschaftsprüfer Verschwiegenheitspflichten unterliegt. Es hält allerdings dafür, dass die dem einzelnen Mandanten gegenüber zu wahrende Verschwiegenheitspflicht nicht dazu zwingt, die Maßstäbe bei der Führung eines Fahrtenbuches in Bezug auf die Personengruppe der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer herabzusetzen. Denn allein durch die Angabe des Namens und der Anschrift werden noch keine schützenswerten Interessen des Mandanten berührt. Die Namen und Anschriften der Mandanten des Klägers sind dem Finanzamt überdies aus anderen Zusammenhängen bekannt, nämlich aufgrund der dem Arbeitgeber des Klägers gegenüber den Steuer- und Finanzbehörden obliegenden steuerrechtlichen Aufklärungs-, Mitwirkungs- und Erklärungspflichten.

Den vom Kläger geführten Aufzeichnungen ist schließlich auch aus einem weiteren Grunde die Anerkennung als ordnungsgemäße Fahrtenbücher zu versagen: Die Fahrtenbücher weisen bezogen auf alle Streitjahre mehrfach Eintragungen auf, die sich auf mehrere Tage beziehen. Beispielhaft erwähnt seien insoweit lediglich die folgenden Einträge, die Reisen des Klägers aus dem Jahre 1997 und 1998 betreffen: "27.-28.1. HRO", "20.5.-24.5. GAP (...)", "16.6.-18.6. SN/.../.../.../...", "11.8.-13.8. Sellin/HST/HRO" (Fahrtenbuch 1997), "27./30.1. SN/.../HRO", "3./5.6. SN/HGW/SN, 21./23.9. Travemünde", "4./7.10. Berlin/..." und "26./29.10. Berlin/SN" (Fahrtenbuch 1998). Zwar lässt die Rechtsprechung es zu, mehrere Teilabschnitte einer beruflichen Reise miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung zu verbinden, wenn die einzelnen aufgesuchten Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden (vgl. BFH, Urteil vom 16.3.2006 - VI R 87/04 -, juris). Insoweit erfährt der Grundsatz, dass jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeuges aufzuzeichnen ist, eine Ausnahme. Das erkennende Gericht ist allerdings der Auffassung, dass berufliche Reisen, die sich über mehrere Tage erstrecken, nicht zu einem Eintrag verbunden werden dürfen. Mit anderen Worten: Ein Steuerpflichtiger, der das Fahrzeug im Rahmen einer mehrtägigen beruflichen Reise nutzt, muss jeden einzelnen Reisetag durch Angabe des jeweils aufgesuchten Geschäftspartners und Aufzeichnung des erreichten Kilometerstandes dokumentieren. Dieser Anforderung genügen die Angaben des Klägers indes nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.



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