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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Gerichtsbescheid verkündet am 23.10.1997
Aktenzeichen: I 100/97
Rechtsgebiete: EStG, AuslG


Vorschriften:

EStG § 63
EStG § 62 Abs. 2 Satz 1
AuslG § 15
AuslG § 17
AuslG § 27
AuslG § 28
AuslG § 29
AuslG § 30
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Kindergeld für die Zeit ab 1. Januar 1996.

Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige und im Besitze einer Aufenthaltsbefugnis. Sie beantragte mit Wirkung vom 11.01.1996 bei der Familienkasse (Beklagter) die Festsetzung von Kindergeld für ihre Kinder N, geboren am ... 1975, und E, geboren am ... 1979. Die nach früherem Recht als Sozialleistung erfolgte Bewilligung von Kindergeld war mit bestandskräftigem Bescheid vom 27.01.1994 aufgehoben worden.

Durch Bescheid vom 23.05.1996 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, daß die Klägerin nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei. Hiergegen legte die Klägerin am 17.06.1996 Widerspruch ein, den der Beklagte als Einspruch gemäß § 347 AO wertete. Sie hielt die Bezugnahme auf ausländerrechtliche Vorschriften für unzutreffend. Mit der Entscheidung vom 19.02.1997 wies der Beklagte den Einspruch zurück und führte aus, daß nach der eindeutigen Gesetzeslage der Klägerin ein Anspruch auf Kindergeld nicht zustehe, weil diese weder im Besitze einer Aufenthaltsberechtigung noch einer Aufenthaltserlaubnis sei.

Am 20.03.1997 hat sie Klage erhoben. Sie trägt im wesentlichen vor:

Es handele sich um eine gesetzliche Regelungslücke, wenn das Bundeskindergeldgesetz nunmehr für die Gewährung des Kindergeldes eine Aufenthaltsbefugnis des Anspruchstellers nicht mehr genügen lasse. Der Gesetzgeber könne mit der Änderung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften eine Beeinträchtigung bereits innegehabter sozialrechtlicher Rechtspositionen nicht beabsichtigt haben. Dies könne auch aus den Urteilen des Sozialgerichts Itzehoe vom 06.09.1995 und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10.10.1996 entnommen werden. Außerdem stelle die Regelung des EStG einen Verstoß gegen die EWG-VO 1408/71 dar. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klagebegründungsschrift vom 24.07.1997 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.05.1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.02.1997 zu verpflichten festzustellen, daß der Klägerin Anspruch auf Kindergeld zusteht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den Inhalt der Einspruchsentscheidung.

Dem Senat haben die Steuerakten des Beklagten KG-Nr.:...vorgelegen.

Gründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90a FGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 101 FGO zulässig. Der Senat legt das Begehren der Klägerin entgegen dem Wortlaut des Sachantrages dahin aus, daß die Verurteilung des Beklagten zur Festsetzung wiederkehrender Steuervergütungen (von monatlich DM 400 ab 01.01.1996) begehrt wird.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig; denn der Klägerin steht Kindergeld für ihre Kinder nicht zu.

Zwar sind die Kinder der Klägerin nach dem - insoweit offenbar unstreitigen - Sachverhalt gemäß § 63 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähig. Indessen fehlt es gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 EStG an der Anspruchsberechtigung der Klägerin.

Für Kinder im Sinne des § 63 EStG hat gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Das bedeutet, daß nur die in § 5 Ausländergesetz -AuslG- unter Ziff. 1. und 2. genannten Arten der Aufenthaltsgenehmigung (Aufenthaltserlaubnis: §§ 15, 17 AuslG; Aufenthaltsberechtigung: § 27 AuslG) dem Kindergeldanspruch nicht entgegenstehen. Ein Ausländer, der lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG) oder - wie im Streitfall die Klägerin - einer Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG) ist, erfüllt die Anspruchsberechtigung nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht (einhellige Auffassung; vgl. Seewald/Felix, Kindergeldrecht, 1. Lieferung LfG. § 62 EStG Tz. 111 ff, Schmidt Weber-Grellet, EStG, 16. Aufl., § 62 Tz. 8).

Der Auffassung der Klägerin, aus den in ihrem Schriftsatz vom 24.07.1997 zitierten sozialgerichtlichen Entscheidungen ergebe sich für den vorliegenden Rechtsstreit ein anderes Ergebnis, vermag der Senat nicht zu folgen. Ob die genannten Entscheidungen aus sozialrechtlicher Sicht zutreffend sind, läßt der Senat dahinstehen, zumal vorliegend allein abgabenrechtliche Vorschriften Anwendung finden können. Jedenfalls betreffen sie andere Sachverhalte. Hier geht es nicht um den aufenthaltsrechtlichen oder ausländerrechtlichen Status der Kinder, sondern um den der Klägerin. Außerdem ist unstreitig, daß zugunsten der Klägerin im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I S. 1250) und des Jahressteuer-Ergänzungsgesetzes 1996 vom 18.12.1995 (BGBl I S. 1959) ein Steuervergütungsanspruch nicht festgesetzt war bzw. gem. § 78 EStG nicht festgesetzt galt, so daß ohnehin erstmalig nach einkommensteuerlichen Vorschriften über den geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu befinden war. Die neu geschaffene Gesetzeslage ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht lückenhaft, sondern entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Auch der Hinweis auf europarechtliche Vorschriften geht fehl. Polen gehört der EU nicht an.

Der Senat hat im übrigen in Erwägung gezogen, ob Art. 3 und 6 GG eine verfassungskonforme Auslegung des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG im Sinne des klägerischen Begehrens erlaubt bzw. ob dieVorschrift verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Beide Überlegungen verneint der Senat. Staatliche Kindergeldleistungen dienen nicht der Verwirklichung des Schutzes von Ehe und Familie, wie schon daraus deutlich wird, daß die Leistungen unterschiedslos für eheliche, nichteheliche und verwaiste Kinder erbracht werden, sondern der Existenzsicherung des Kindes. Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich unbestritten, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gebietet, Leistungsgesetze unterschiedslos auf Ausländer unterschiedlichen Status anzuwenden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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