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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: II 374/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 51
EStG § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine von der ursprünglichen Konzernmutter des Arbeitgebers veranlasste und vom Arbeitgeber ausgezahlte Sonderzahlung in Höhe von zwei Monatsgehältern als Trinkgeld zu qualifizieren und damit steuerfrei ist.

Die Kläger sind beide im Streitjahr kaufmännische Angestellte bei der A GmbH (A) gewesen. Von der B Holding AG (B) wurden ursprünglich 90,01 % der Anteile an der A gehalten und im März 2002 an die D Group verkauft. Anlässlich dieser Veräußerung teilte die A im März mit, dass B jedem Mitarbeiter, der am Tag des Vollzuges des Anteilsverkaufs in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, zwei zusätzliche Monatsgehälter als Dank und Anerkennung zuwenden wird. Die Zahlung erfolgte durch A im Juni 2002.

In der Lohnsteuerkarte der Klägerin zu 1.) wurde die Zahlung in Höhe von EURO 6.734,00 als Arbeitslohn für mehrere Jahre (Zeile 10.) aufgeführt. In dem Einkommensteuerbescheid 2002 vom 14.07.2003 wurde der Betrag zusammengerechnet mit dem in der Zeile 3 der Lohnsteuerkarte enthaltenen Bruttoarbeitsentgelt und im Bescheid als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst. Die Steuer bezüglich des Betrages von EURO 6.734,00 wurde nach § 34 EStG berechnet.

Gegen den Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin zu 1.) am 17.07.2003 Einspruch ein, welcher durch Einspruchsentscheidung vom 26.08.2003 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich die am 25.09.2003 eingegangene Klage, welche unter dem Aktenzeichen II 374/03 geführt wird.

In der Lohnsteuerkarte des Klägers zu 2.) ist in der Zeile 20 "Steuerpflichtige Entschädigung/Arbeitslohn f.m.KJ i.3.enth" ein Betrag von EURO 9.322,00 eingetragen. In dem Einkommensteuerbescheid 2002 vom 27.05.2003 wurden die Bruttoeinkünfte in Höhe von EURO 82.175 als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erfasst. § 34 EStG wurde nicht angewandt.

Gegen den Einkommensteuerbescheid beantragte der Kläger zu 2.) am 30.05.2003 die Steuerbefreiung des in Zeile 10 der Anlage N enthaltenen Betrages. Das Schreiben wurde als Einspruch gewertet und durch Einspruchsentscheidung vom 26.08.2003 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 26.09.2003 eingegangene Klage, welche unter dem Aktenzeichen II 377/03 geführt wurde.

Durch Beschluss vom 03.11.2004 wurden die Verfahren II 374/03 und II 377/03 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen II 374/03 geführt.

Zur Begründung führen die Kläger aus, die zwei zusätzlich gezahlten Monatsgehälter seien nach § 3 Nr. 51 EStG in vollem Umfang steuerfrei, da die Voraussetzungen für eine Qualifizierung als Trinkgeld vorlägen. Denn es handele sich um eine freiwillige und persönliche Anerkennungsprämie für die erwiesenen Dienstleistungen, welche einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten. Auch sei die Zahlung durch Dritte erfolgt, denn wirtschaftlich gesehen sei Leistender B gewesen. Da es ausschließlich auf die arbeitsrechtliche Situation ankomme, sei eine konzernrechtliche Verflechtung unbeachtlich. Eine Unmittelbarkeit der Zahlung sei nicht erforderlich, denn auch wenn der Arbeitnehmer das Trinkgeld zunächst nicht erhalte, sondern das Trinkgeld erst gesammelt und dann verteilt werde, hindere dies nicht eine Qualifizierung als Trinkgeld. Das gelte auch, wenn an der Verteilung der Arbeitgeber beteiligt sei. Auch lege der Beklagte die Steuerbefreiungsvorschrift zu eng aus, denn B könne im weitesten Sinne auch als Kunde betrachtet werden. Auch aus der Höhe der Anerkennungsprämie könne kein anderes Ergebnis abgeleitet werden. Von anderen Finanzverwaltungen seien die Prämien zudem als steuerfreies Trinkgeld qualifiziert worden.

Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Trinkgeld nicht vorliegen würden, wäre der streitige Betrag nicht steuerbar, dann würde es sich nicht um Arbeitslohn sondern um eine Schenkung handeln.

Die Klägerin zu 1.) beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 14.07.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2003 dahingehend zu ändern, dass im Rahmen der Einkunftsermittlung ein Betrag in Höhe von Euro 6.734,00 nicht berücksichtigt wird. Der Kläger zu 2.) beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 27.05.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2003 dahingehend zu ändern, dass im Rahmen der Einkunftsermittlung ein Betrag in Höhe von Euro 9.322,00 nicht berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt der Beklagte vor, die zusätzlich gezahlten zwei Monatsgehälter seien keine Trinkgelder, da sie vom Arbeitgeber und nicht von einem Kunden bezahlt worden seien. Auch der Arbeitgeber, A, habe die Zahlung als Arbeitslohn für mehrere Jahre angesehen. Außerdem stelle die Zahlung kein zusätzliches Entgelt für entgegengenommene Dienste dar. Selbst wenn man als Leistenden B annehmen würde, wäre dies kein Dritter sondern ein Quasi-Arbeitgeber. Eine ausschließlich arbeitsrechtliche Betrachtung sei nicht erforderlich.

Dem Gericht liegen die Rechtsbehelfsakten zu den Steuernummern ... und ... vor.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2002 sind rechtmäßig. Zu Recht hat der Beklagte die zwei Monatsgehälter jeweils als steuerpflichtiges Arbeitsentgelt erfasst.

1. Die Sonderzahlung in Höhe von jeweils zwei Monatsgehältern stellt Arbeitslohn dar.

Gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach S. 2 der Norm ist es gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht. Gem. § 2 Abs. 1 LStDV sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Es ist unerheblich unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 5 LStDV gehören zum Arbeitslohn auch besondere Zuwendungen, die auf Grund des Dienstverhältnisses gewährt werden. Das Tatbestandsmerkmal "für" eine Beschäftigung ist nach ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn der Vorteil durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist und sich die Einnahmen als ein Ertrag der nichtselbständigen Arbeit und als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft darstellt (vgl. z.B. BFH vom 30. Mai 2001; VI R 159/99, BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815; BFH vom 22. März 1985; VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529). Nach der Rechtsprechung des BFH ist entscheidend für die Qualifizierung als Arbeitslohn, dass das Geld für eine Beschäftigung gewährt wird, also als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten ist (siehe BFH vom 24. Oktober 1997; VI R 23/94, BFHE 184, 474, HFR 1998, 196).

Im Streitfall sind diese Anforderungen erfüllt, bei den hier streitigen zwei Monatsgehältern handelt es sich um Arbeitslohn. Die Voraussetzungen des § 2 LStDV liegen vor. Voraussetzung für die Zahlung der zusätzlichen zwei Monatsgehälter war das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Die hier gezahlte Sonderzuwendung wurde als Dank und Anerkennung und dementsprechend für eine Beschäftigung bezahlt. Die Kläger haben als Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber Zahlungen erhalten, die der Arbeitgeber als Lohnzahlungen qualifiziert hat. Der Arbeitgeber A hat deshalb auch die Zahlungen in der Lohnsteuerkarte eingetragen. Es handelt sich deswegen nicht um eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Schenkung.

2. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 51 EStG liegen nicht vor. Gem. § 3 Nr. 51 EStG sind Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist, steuerfrei.

Die Zuwendung stammt nicht von einem Dritten im Sinne des § 3 Nr. 51 EStG. Das Tatbestandsmerkmal "Dritten" ist ein normativer Begriff, der der Auslegung und Würdigung des Gerichts unterliegt (hierzu siehe Niedersächsisches Finanzgericht vom 08. März 2005; 1 K 10938/03). Rechtsprechung und Schrifttum gehen bisher davon aus, dass Dritter jeder sein könne, der nicht Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sei (vgl. z.B. v. Beckerath in Kirchof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 51 Rdnr. B 51/81). Leistungen des Arbeitgebers sind nicht von der Befreiung umfasst.

Unabhängig davon, ob die Zahlung der zwei Monatsgehälter als Leistung von B oder A gewertet wird, fehlt es an dem Erfordernis des Dritten. Denn auch wenn man die Ansicht vertritt, Leistender sei wirtschaftlich betrachtet B gewesen, würde das kein anderes Ergebnis begründen können. B steht bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Arbeitgeber der Kläger gleich und ist daher nicht Dritter im Sinne von § 3 Nr. 51 EStG.

Denn wie bereits das Niedersächsische Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 08. März 2005 überzeugend ausgeführt hat, müssen B und A für die Betrachtung des § 3 Nr. 51 EStG als Einheit gesehen werden, da sie im Zeitpunkt des Versprechens der Zahlung konzernrechtlich verbunden gewesen sind, so dass im Streitfall der "Trinkgeldgeber" bei wirtschaftlicher Betrachtung mit dem Arbeitgeber identisch ist. Denn die Konzernmutter B war kraft ihrer Mehrheitsbeteiligung faktisch in der Lage, die Geschicke der Konzerntochter A wirtschaftlich zu lenken und maßgeblichen Einfluss auf sie und - wie im Streitfall zu ersehen ist - auf die Lohnzahlungen zu nehmen. Das wirtschaftliche Ergebnis der Konzerntochter wurde insoweit auch von der Konzernmutter gestaltet. Sie gehörte zur Sphäre des Arbeitsgebers.

Diese Auslegung wird durch die historische Betrachtungsweise bestätigt, denn nach den Motiven des Gesetzgebers ist die neue Regelung des § 3 Nr. 51 EStG wegen der vorher bestehenden Vollzugsprobleme entwickelt worden, da der Arbeitgeber bei Trinkgeldern nicht in der Lage gewesen ist, die geschuldete Lohnsteuer einzubehalten, weil er in vielen Fällen nicht wusste, in welcher Höhe Trinkgelder eingenommen worden sind (Ausführlich hierzu siehe das Niedersächsische Finanzgericht vom 08. März 2005, 1 K 10938/03). Ein solches Vollzugsproblem stellte sich im Streitfall gerade nicht, denn A als Arbeitgeber hat die auf Veranlassung von B zusätzlich gezahlten Gehälter selbst ausgezahlt.

Da es bereits an der Voraussetzung des Dritten fehlt, muss nicht mehr entschieden werden, ob die beiden zusätzlichen Gehälter überhaupt von Dritten freiwillig und ohne Rechtsanspruch gezahlt worden sind. Denn wenn eine betriebliche Absprache z.B. mit dem Betriebsrat existiert hat, wäre es nicht zwingend eine freiwillige Leistung im Sinne des § 3 Nr. 51 EStG gewesen. Zudem hätten einzelne Mitarbeiter einen Anspruch auf Gleichbehandlung gehabt, wenn andere das Sondergeld bereits bekommen hätten.

Die Klage ist auch nicht teilweise gem. § 34 EStG bezüglich des Klägers zu 2.) begründet. Zwar ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2002 vom 27.05.2003 nicht, dass der Beklagte § 34 EStG angewandt hat. Die Anwendung des § 34 EStG beim Kläger zu 2.) würde jedoch zu einer steuerlichen Mehrbelastung des Klägers führen, so dass deswegen § 34 EStG nicht anzuwenden ist.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es sich bei der streitigen Frage um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

Ende der Entscheidung

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