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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.04.2005
Aktenzeichen: III 371/02
Rechtsgebiete: KStG 1977


Vorschriften:

KStG a.F. (KStG 1977) 27
KStG a.F. (KStG 1977) 28
KStG a.F. (KStG 1977) 30
KStG a.F. (KStG 1977) 40
KStG a.F. (KStG 1977) 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Auslegung des § 28 Abs. 4 KStG 1999 (KStG a.F.).

I. Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die ... und die Beteiligung an ...gesellschaften ist.

Anteilseigner der Klägerin waren in den Streitjahren zu gleichen Teilen die ... BV, .../Niederlande (im Folgenden: BV), und die ... Holding GmbH, ... (im Folgenden: Holding).

Gemäß den unstreitigen Feststellungen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung wurde das auf den 31.12.1997 ursprünglich festgestellte EK 45 von 6.049.925 DM auf 4.915.490 DM herabgesetzt.

Da das ursprüngliche EK 45 in voller Höhe mit Gewinnausschüttungen für die Streitjahre 1996 und 1997 verrechnet worden war, verrechnete der Beklagte die nach Herabsetzung nicht mehr durch tariflich belastete vEK gedeckten Ausschüttungen mit Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. (EK 02), wodurch sich für beide Streitjahre Erhöhungen der Körperschaftsteuer ergaben.

Dem liegen im Einzelnen folgende Gewinnausschüttungen und steuerliche Festsetzungen/Feststellungen zugrunde:

1. Gewinnausschüttungen Am 7.7.1998 beschlossen die Gesellschafter eine (Vorab)Ausschüttung für 1997 in Höhe von 22.600.000 DM, die gemäß Kapitalertragsteueranmeldung und Steuerbescheinigungen in Höhe von 7.282.683 DM mit dem EK 45 und in Höhe von 15.317.317 DM mit dem EK 04 verrechnet wurde (Bl. 6 Kapitalertragsteuerakte, Bl. 66, 67 Gerichtsakte).

Am 14.12.1998 wurde eine weitere Gewinnausschüttung für 1997 in Höhe von 4.261.146,13 DM und für 1996 in Höhe von 1.538.853,87 DM beschlossen (Bl. 9 Kapitalertragsteuerakte), die gemäß Kapitalertragsteueranmeldung und Steuerbescheinigungen in Höhe von 417.222 DM mit dem EK 45 und in Höhe von 5.382.778 DM mit dem EK 04 verrechnet wurde (Bl. 7 Kapitalertragsteuerakte, Bl. 68, 69 Gerichtsakte).

Beide Ausschüttungen flossen in 1998 an die BV und an die Holding zu gleichen Teilen ab (Bl. 3 Kapitalertragsteuerakte).

2. Festsetzungen/Feststellungen a) Mit Bescheid vom 11.02.1999 wurden die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. auf den 31.12.1997 in Höhe von EK 45 6.049.925 DM EK 04 37.851.656 DM festgestellt und die Ausschüttungen vom 7.7. und 14.12.1998 nachrichtlich wie folgt verrechnet (Bl. 34f Gerichtsakte): EK 45- 6.049.925 DM EK 04-20.700.095 DM.

b) Mit Bescheiden vom 11.02.1999 für 1996 und 1997 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. wurden - wie erklärt - eine Minderung der Körperschaftsteuer für 1996 in Höhe von 89.405 DM und für 1997 in Höhe von 1.560.576 DM festgestellt (Bl. 28 Körperschaftsteuerakte Band II).

c) Mit geändertem Bescheid vom 20.06.2002 wurden die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. auf den 31.12.1997 in Höhe von EK 45 4.915.490 DM EK 02 1 DM EK 04 37.851.656 DM festgestellt und die Ausschüttungen vom 7.7. und 14.12.1998 nachrichtlich nunmehr wie folgt verrechnet (Bl. 30 Feststellungsakten): EK 45- 4.915.490 DM EK 02- 2.260.608 DM EK 04-20.700.095 DM.

d) Mit geänderten Bescheiden vom 20.06.2002 für 1996 und 1997 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. wurden für 1996 eine Minderung der Körperschaftsteuer in Höhe von 72.640 DM und eine Erhöhung der Körperschaftsteuer in Höhe von 33.529 DM sowie für 1997 eine Minderung der Körperschaftsteuer in Höhe von 1.267.949 DM und eine Erhöhung der Körperschaftsteuer in Höhe von 585.253 DM festgestellt (Bl. 147 ff Körperschaftsteuer-Akte).

Die rechnerisch zutreffend ermittelten, ausschüttungsbedingten Minderungen und Erhöhungen der Körperschaftsteuer wurden infolge eines beidseitigen Versehens der Beteiligten den Streitjahren teilweise fehlerhaft zugeordnet. Die sich hieraus ergebenden zahlenmäßigen Verschiebungen zwischen 1996 und 1997 ergeben sich im Einzelnen aus einem Hinweisschreiben des Gerichts vom 11.4.2005 (Bl. 94 GA), auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

II. Gegen die Änderungsbescheide und gegen den Bescheid zum 31.12.1998 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. vom 20.06.2002 legte die Klägerin am 12.07.2002 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 01.10.2002 zurückwies (Bl. 30 Gerichtsakte).

Hiergegen hat die Klägerin am 31.10.2002 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor: Streitig sei die Anwendung des § 28 Abs. 4 KStG a.F.. Die Verrechnung der Gewinnausschüttung mit dem EK 02 sei hinsichtlich der an die BV erfolgten Ausschüttung nicht mit Sinn und Zweck des § 28 Abs. 4 KStG a.F. vereinbar. Der BV seien keine - was unstreitig ist - anrechenbaren Körperschaftsteuern bescheinigt worden. Ein Steuerausfall sei deshalb durch die nachträgliche Verringerung des tariflich belasteten verwendbaren Eigenkapitals, mit dem die Gewinnausschüttung ursprünglich verrechnet worden ist, nicht zu befürchten. In Fällen nicht anrechnungsberechtigter Anteilseigner sei der Gleichlauf zwischen der Besteuerung der Gesellschaft und der Gesellschafter bei nachträglicher Verringerung der ursprünglichen Verrechnungsgröße nicht gefährdet. Die aus der Anwendung des § 28 Abs. 4 KStG a.F. folgenden Nachteile einer Definitiv-Steuerbelastung seien daher nicht gerechtfertigt. Der Anwendungsbereich der Norm müsse nach Sinn und Zweck reduziert werden. Die Ausschüttung sei in Fällen wie diesem statt mit dem EK 02 mit dem EK 04 zu verrechnen. Darüber hinaus verstoße die Vorschrift insoweit sowohl gegen die Niederlassungsfreiheit des Artikels 43 EGV als auch gegen die Richtlinie 90/435 EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedsstaaten, der so genannten Mutter-Tochter-Richtlinie.

Nach Rücknahme der Klage betreffend die Eigenkapitalfeststellungen auf den 31.12.1998 und einer Beschränkung des ursprünglich auf Herabsetzung der Körperschaftsteuererhöhungsbeträge auf 0 DM (0 EUR) gerichteten Klagebegehrens, beantragt die Klägerin nunmehr (Bl. 111 GA), die Bescheide für 1996 und 1997 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. vom 20. Juni 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2002 dahin zu ändern, dass für 1996 nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. die Erhöhung der Körperschaftsteuer auf 4.455 DM festgestellt wird, dass für 1997 nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. die Erhöhung der Körperschaftsteuer auf 304.935 DM festgestellt wird;

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor: Die Gewinnausschüttungen seien zu Recht mit dem Teilbetrag des EK 02 verrechnet worden, soweit das nach Außenprüfung auf den 31.12.1997 geminderte EK 45 für die ursprüngliche Verrechnung nicht mehr ausgereicht habe. Gemäß Abschnitt 78 Abs. 5 Satz 3 KStR 1995 würden die Rechtsfolgen des § 28 Abs. 4 KStG a.F. bereits dann eintreten, wenn auch nur einem Anteilseigner eine Steuerbescheinigung nach § 44 oder § 45 KStG a.F., in der anrechenbare Körperschaftsteuer ausgewiesen sei, erteilt worden sei. Dies sei vorliegend für die Holding der Fall gewesen. Der Wortlaut des § 28 Abs. 4 KStG a.F. sei insoweit eindeutig. Eine Aufteilung der verwendeten Teilbeträge in Abhängigkeit der Steuerbelastung der Anteilseigner bzw. ein Wahlrecht der Körperschaft sehe § 28 Abs. 4 KStG a.F. nicht vor. Eine teleologische Reduktion der Norm sei nicht möglich. Grenze der Auslegung sei der Wortlaut, der vorliegend keinen Raum für die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge lasse. Eine Verrechnung mit dem EK 04 widerspräche dem Sinn der Norm (vgl. BFH vom 25.04.2001, I R 43/00). Es wäre Sache des Gesetzgebers gewesen, die Vorschrift in dem von der Klägerin begehrten Sinn einzuschränken. Eine steuerliche Diskriminierung im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit des Artikels 43 EGV liege nicht vor. Ebenso wenig verstoße die Regelung gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist das Gericht auf die vorgenannten Schriftsätze und die damit zusammenhängenden Unterlagen, auf die rechnerischen Darstellungen der angefochtenen Bescheide, auf die Sitzungsniederschrift sowie auf die Steuerakten, nämlich: - ein Band Körperschaftsteuerakten, - ein Band Akten betreffend Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals, - ein Band Akten betreffend Steuerabzug vom Kapitalertrag, - ein Band Bilanz- und Bilanzberichtsakten, - zwei Bände Allgemeines.

Gründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als die auf die BV entfallenden und nicht mehr durch tariflich belastetes verwendbares Eigenkapital abgedeckten Ausschüttungen mit Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. (EK 02) verrechnet worden sind.

1. Nach § 28 Abs. 2 KStG a.F. sind Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss - wie hier - für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen, mit dem verwendbaren Eigenkapital zum Schluss des letzten vor dem Gewinnverteilungsbeschluss abgelaufenen Wirtschaftsjahres zu verrechnen. Dabei gelten grundsätzlich die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) in der sich aus § 30 KStG a.F. ergebenen Reihenfolge als für die Ausschüttung verwendet (§ 28 Abs. 3 Satz 1 KStG a.F.). Hieraus folgt, dass zunächst das tariflich belastete vEK (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F.) und sodann das ermäßigt belastete vEK (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 KStG a.F.) als ausgeschüttet gilt. Erst in dritter Linie gilt das unbelastete vEK (§ 30 Abs. 1 Nr. 3 KStG a.F.) - in der Reihenfolge des § 30 Abs. 2 KStG a.F. - als für die Ausschüttung verwendet.

Eine Ausnahme von dieser regelmäßigen Verwendungsreihenfolge schreibt § 28 Abs. 4 KStG a.F. für Fälle vor, in denen zunächst die Teilbeträge des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 KStG a.F. als verwendet galten, später aber diese Teilbeträge zur Finanzierung der Ausschüttung nicht mehr ausreichen. In dieser Situation ist nach der genannten Regelung die Ausschüttung insoweit, als sie nicht durch die belasteten vEK-Beträge abgedeckt wird, mit dem EK 02 zu verrechnen; das gilt auch dann, wenn hierdurch das EK 02 negativ wird. Dieser gesetzlichen Bestimmung - deren tatbestandliche Voraussetzungen vorliegend unstreitig erfüllt sind - entsprechend ist der Beklagte im Streitfall verfahren.

2. Die Klägerin ist jedoch der Ansicht, dass die Verwendungsregelung des § 28 Abs. 4 KStG a.F. im Streitfall keine Anwendung finden könne. Dies folge daraus, dass hinsichtlich der an die BV erfolgten Ausschüttungen keine Steuerbescheinigungen ausgestellt worden seien, die anrechenbare Körperschaftsteuern ausgewiesen hätten. Deshalb seien Steuerausfälle hinsichtlich der nicht mehr durch tariflich belastetes vEK abgedeckten Gewinnausschüttungen insoweit nicht zu befürchten. Vom Sinn und Zweck des § 28 Abs. 4 KStG a.F. werde diese Gestaltung nicht erfasst, weshalb der Anwendungsbereich der Vorschrift in der Weise (teleologisch) einzugrenzen sei, dass in Fällen wie dem vorliegenden die allgemeine Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 3 KStG a.F. zum Tragen komme. Dem schließt sich der Senat im Ergebnis an.

Die Vorschrift des § 28 Abs. 4 KStG a.F. passt nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf Ausschüttungen, die an nicht anrechnungsberechtigte Anteilseigner vorgenommen wurden. Die Regelung ist deshalb entgegen ihrem Wortsinn im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach dem Regelungszweck zukommenden Anwendungsbereich zurückzuführen (vgl. zu dem Institut der teleologischen Reduktion als richterliche Rechtsfortbildung Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Auflage, Seite 350).

a. Die Einführung des § 28 Abs. 4 KStG a.F. durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.09.1993 (BGBl. I, 1569) diente allein dem Ziel, Systembrüche im Zusammenhang mit der Weiterausschüttung ausländischer Einkünfte zu verhindern. Solche hätten sich nach der - ebenfalls durch das Standortsicherungsgesetz erfolgten - Einfügung des § 40 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F. in das Gliederungsrecht ergeben, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft steuerfreie ausländische Einkünfte erzielte, die einerseits in das vEK gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG a.F. (EK 01) eingingen, deren Ausschüttung andererseits aber nicht zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung führte (§ 40 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F.). In Fällen dieser Art hätte es bei Einhaltung der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 KStG a.F. dazu kommen können, dass zunächst mit belastetem vEK verrechnete Ausschüttungen später mit EK 01 verrechnet worden wären, ohne dass die den Gesellschaftern erteilten Steuerbescheinigungen (§ 44 KStG a.F.) hätten rückgängig gemacht und zurück gefordert werden können. Die Folge wäre gewesen, dass den Gesellschaftern eine Körperschaftsteuer angerechnet worden wäre, die die Gesellschaft letztlich nicht gezahlt hatte. Dies zu verhindern war Zweck des § 28 Abs. 4 KStG a.F., indem die Vorschrift eine Verrechnung mit EK 02 anordnete, dessen Ausschüttung bei der Gesellschaft zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung führte (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.2001, I R 43/00, BFH/NV 2001, 1607; BT-Drucksache 12/4487, 40).

b. Zwar ist die Rechtsfolge des § 28 Abs. 4 KStG a.F. nach dem Gesetzeswortlaut zwingend. Die ausschüttende Körperschaft hat - wie ausgeführt -grundsätzlich keine Wahlmöglichkeit, die Nutzung der durch die Änderung der Ausschüttungsfinanzierung unrichtig geworden Steuerbescheinigungen auf andere Weise zu verhindern. Insbesondere hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Einziehung und Berichtigung der Steuerbescheinigungen aus Praktikabilitätserwägungen abgesehen (vgl. BT-Drucksache 12/4487, 40; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 28 a.F. Randziffer 42 i).

c. Die Verrechnungsbestimmung kann jedoch bei ausschüttenden Körperschaften mit nicht anrechnungsberechtigten Anteilseignern - wie vorliegend - systemwidrige Steuerbelastungen zur Folge haben. Ist der Tatbestand der Vorschrift erfüllt, würde die Ausschüttung aber ohne diese Vorschrift und nach der Regelbestimmung des § 28 Abs. 3 KStG a.F. aus vorhandenem EK 01 oder -wie hier- EK 04 finanziert werden, träte eine Körperschaftsteuererhöhung nicht ein (§ 27 i.V.m. § 40 KStG a.F.). Die Körperschaftsteuererhöhung in Folge der Finanzierung aus dem EK 02 nach § 28 Abs. 4 KStG a.F. führte daher gegenüber nicht anrechnungsberechtigten Anteilseignern zu einer Definitivsteuer, die ohne diese Vorschrift nicht entstanden wäre.

d. Dieses Ergebnis ist mit den aufgezeigten Überlegungen zu dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Denn die von dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 4 KStG a.F. befürchteten Systembrüche im Zusammenhang mit der Weiterausschüttung ausländischer Einkünfte und der damit einhergehenden Durchbrechung des Gleichlaufs der Besteuerung von ausschüttender Körperschaft und Anteilseigner verfangen nicht, wenn und soweit die Gefahr eines Steuerausfalls ausgeschlossen ist. Es erscheint dann vielmehr sachgerecht und dem Charakter der Regelung als Ausnahmevorschrift entsprechend, den Anwendungsbereich der Norm entsprechend dem Gesetzeszweck (der immanenten Teleologie des Gesetzes) auf das Nötigste zu beschränken. Dazu reicht es aber aus, die Verrechnung der Ausschüttung mit dem EK 02 nur in dem Umfang vorzuschreiben, in dem zur Anrechnung berechtigende Steuerbescheinigungen im Sinne des § 44 KStG a.F. an anrechnungsberechtigte Anteilseigner ausgestellt worden sind. Umgekehrt widerspräche eine Ausschüttungsverrechnung bei nicht anrechnungsberechtigten Anteilseignern nach der Grundregel des § 28 Abs. 3 KStG a.F. erkennbar nicht dem Ziel des § 28 Abs. 4 KStG a.F., weil der erstrebte Gleichlauf zwischen der Besteuerung der Gesellschaft und derjenigen des Gesellschafters von vornherein nicht gefährdet ist.

e. Der Richtigkeit dieser Überlegung steht nicht entgegen, dass in dem Gesetzgebungsverfahren nicht nur die später verwirklichte Lösung erwogen worden ist, sondern auch alternative Erwägungen im Zusammenhang mit der Einziehung und Berechtigung der Steuerbescheinigungen angestellt worden sind. Zwar hat der Gesetzgeber bewusst eine Lösung gewählt, die den angestrebten Gleichlauf der verschiedenen Besteuerungsebenen möglichst zuverlässig gewährleistet (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.2001, I R 43/00, BFH/NV 2001, 1607); doch steht hierzu die von dem Senat befürwortete Ausnahme derjenigen Fälle aus dem Anwendungsbereich der Norm, in denen dieser Gleichlauf von vornherein und eindeutig gewährleistet bleibt, nicht im Widerspruch.

f. Insofern greifen auch die von der Verwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 10.03.1995, BStBl. I 1995, 254) und von Teilen der Literatur (vgl. Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Pun/Witt, KStG § 28 a.F. Randziffer 54) angestellten Praktikabilitätserwägungen, die gegen eine anteilige Anwendung des § 28 Abs. 4 KStG a.F. auf Kapitalgesellschaften mit in- und ausländischen Anteilseignern angeführt werden, nicht durch. Hiergegen sprechen sinngemäß die gleichen Argumente, die der BFH mit Urteil vom 21.04.1999, I R 5/98 (BFHE 188, 366; BStBl. II 1999, 415; vorgehend FG Hamburg, Urteil vom 31. Oktober 1997, II 106/96, EFG 1998, 402), betreffend die Vorschrift des § 28 Abs. 4 (Abs. 5) KStG 1977/1984 ins Feld geführt hat. Ist es unschwer erkennbar, um welche anrechnungs- und nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigner einer Körperschaft es sich handelt, können Aspekte der Praktikabilität und der Gesetzeshandhabbarkeit es anders als in Fällen großer Publikumsgesellschaften, bei denen die Zusammensetzung der Anteilseigner regelmäßig und weitgehend unbekannt ist, nicht rechtfertigen, diese Anwendungsfälle wegen der Erschwernisse in jenen Anwendungsfällen zu benachteiligen. Dem Regelungszweck der Vorschrift ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass entsprechende Benachteiligungen ausnahmslos hinzunehmen sind.

g. Die hier vertretene tatbestandliche Reduktion des § 28 Abs. 4 KStG a.F. steht schließlich nicht im Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 25.04.2001, I R 43/00 (BFH/NV 2001, 1607). Zwar hat der BFH dort eine tatbestandliche Reduktion der Vorschrift abgelehnt. Der Entscheidungsfall betraf jedoch eine GmbH mit ausschließlich inländischem, anrechnungsberechtigtem Anteilseigner und somit einen - nach Auffassung des Senats - entscheidungserheblich anderen Sachverhalt.

3. Auf die von der Klägerin darüber hinaus aufgeworfene Frage, ob § 28 Abs. 4 KStG a.F. bei einem anderen Gesetzesverständnis gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, insbesondere gegen die Diskriminierungsverbote und die Niederlassungsfreiheit (Artikel 43 EGV), verstoße, braucht hiernach nicht mehr eingegangen zu werden.

4. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass hinsichtlich der auf die BV entfallenden Ausschüttungen anstelle der Regelung des § 28 Abs. 4 KStG a.F. die Verwendungsbestimmung des § 28 Abs. 3 KStG a.F. anzuwenden war. Danach war für die Streitjahre anstelle der von dem Beklagten vorgenommenen EK 02-Verrechnung eine anteilige EK 04-Verrechnung vorzunehmen und waren die gemäß § 47 Abs. 2 KStG a.F. festgestellten Körperschaftsteuererhöhungen insoweit zu reduzieren (vgl. § 40 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F. ). Bei der Ermittlung der Korrekturbeträge war zu beachten, dass die Gewinnausschüttungen zu gleichen Teilen an die BV und an die Holding erfolgt sind. Die infolge der Herabsetzung des EK 45 auf den 31.12.1997 erforderlich gewordene, anderweitige Ausschüttungsverrechnung war daher zu gleichen Teilen auf die BV und auf die Holding zu beziehen, sodass die von dem Beklagten vorgenommene EK 02-Verrechnung im Ergebnis in Höhe von 50 % zu reduzieren war. Für die Streitjahre folgten hieraus die erkannten Minderungsbeträge. Hinsichtlich der zahlenmäßigen Entwicklung im Einzelnen wird auf das Hinweisschreiben des Gerichts vom 11.4.2005 (Bl. 94 f GA) sowie auf die den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in Kopie überreichten Senatsnotizen (Bl. 105 ff GA) verwiesen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass das ursprüngliche Klagebegehren auf die volle Herabsetzung der Körperschaftsteuererhöhungsbeträge gerichtet war und erst in der mündlichen Verhandlung auf den erkannten Umfang reduziert wurde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155, § 151 Abs. 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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