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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: IV 174/03
Rechtsgebiete: VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95


Vorschriften:

VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin ließ im April 1993 mit Kontrollexemplar T 5 u.a. 8.126 kg Rindfleisch zur Ausfuhr nach Jordanien abfertigen, für das ihr zuvor ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gemäß Art. 5 Verordnung - VO - (EWG) Nr.565/80 vorfinanziert wurde (Ausfuhr über Erstattungslager - differenzierte Erstattung).

Mit Schreiben vom 11.06.1993 legte die Klägerin als Nachweis der ordnungsgemäßen Abfertigung des Rindfleisches zum freien Verkehr Jordaniens eine Kopie des jordanischen Zolldokuments vom 03.05.1993 Nr. ...3 nebst Übersetzung vor und verwies bezüglich des Originals auf die Einreichung seitens der am Export beteiligten A Fleisch GmbH, ..., und beantragte die Freigabe der für die Abwicklung des Vorfinanzierungsverfahrens geleisteten Sicherheiten. Der Beklagte erkannte die vorgelegten Unterlagen als Nachweis gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 an und gab im Juli 2003 die Sicherheiten frei.

Nach den Daten der Europäischen Kommission wurde in den Jahren 1994 und 1995 ein hohes Volumen von Rindfleischexporten nach Jordanien festgestellt. Zur Aufklärung der sich daraus ergebenden Fragen wurde vom 28.02. bis 14.03.1998 eine gemeinschaftliche Untersuchungsmission der bei der Europäischen Kommission für Betrugsbekämpfung zuständigen Dienststelle (OLAF) in Jordanien durchgeführt. Ziel dieser Missionsreise war es, vor Ort festzustellen, in welchem zollrechtlichen Status die nach Jordanien exportierten Rindfleischsendungen überführt worden waren. In diesem Zusammenhang wurden auch die von den Wirtschaftsbeteiligten anlässlich der Ausfuhroperationen vorgelegten Nachweise der Abfertigung zum freien Verkehr einer Prüfung unterzogen, um die Rechtsmäßigkeit der Zahlung der Ausfuhrerstattung festzustellen.

Im Rahmen der Überprüfungen wurde festgestellt, dass für eine Vielzahl Fleischlieferungen unterschiedlicher, auch deutscher Fleischexporteure ausgestellte jordanische Zollpapiere nicht die Entrichtung der Eingangsabgaben und die Überführung des Fleisches in den freien Verkehr Jordaniens nachweisen, sondern vor Erhebung der Abgaben storniert und die entsprechenden Waren tatsächlich im Transit bzw. Reexportverfahren in den Irak befördert wurden. Die Prüfungsfeststellungen wurden durch die an den Prüfungen beteiligten jordanischen Zollverwaltungen in einem Statement of Facts (SoF) bestätigt, in dem diese erklärt, dass die vorgelegten Zolldokumente vor Zahlung der Abgaben widerrufen und die betreffenden Erzeugnisse tatsächlich in den Irak ausgeführt wurden.

Der Beklagte geht davon aus, dass diese Feststellungen auch auf die streitgegenständlichen Ausfuhren zutreffen. Die in dem SoF dokumentierten Prüfungsfeststellungen belegen nach seiner Auffassung, dass das als Einfuhrnachweis gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87 vorgelegte jordanische Zollpapier vom 03.05.1993 Nr. ...3 (Bl. 16 ff Heft I zu Bescheid Nr. 93-...76 und Heft I zu Bescheid Nr. 93-...79) ohne Zahlung der Abgaben storniert und am 12.07.1993 durch die Transitbescheinigung ...1 (Anlagen K 5 und K 6) für den Irak ersetzt wurde.

Der Beklagte forderte deshalb mit Bescheid vom 13.10.1999 die gezahlte Ausfuhrerstattung unter Berufung auf das im SoF festgehaltene Prüfungsergebnis in voller Höher von der Klägerin zurück. Die Klägerin legte dagegen mit Schreiben vom 18.10.1999 Einspruch ein, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 03.07.2003 als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage vom 18.07.2003, zu deren Begründung die Klägerin u.a. folgendes vorträgt:

Die vorgelegte Verzollungsbescheinigung der jordanischen Zollverwaltung (Zolldokument Nr. ...3) entspreche den erstattungsrechtlichen Voraussetzungen und sei von dem Beklagten anerkannt worden. Der Beklagte als Beweispflichtiger habe nicht nachgewiesen, dass die nämliche Ware nicht in Jordanien zum freien Verkehr abgefertigt, sondern in den Irak zum Transit weitergeleitet worden sei. Zum Zeitpunkt der Rückforderung der Ausfuhrerstattung (13.10.1999) seien seit Ausfuhrabfertigung und endgültiger Erstattungsgewährung (Freigabe der Sicherheit am 15.06.1993) mehr als sechs Jahre vergangen, weshalb der Beklagte nach § 11 MOG die Beweislast für die Richtigkeit seiner Behauptung trage und nachzuweisen habe, dass die hier fragliche Ware nicht in Jordanien zum freien Verkehr abgefertigt worden sei und nicht auf den Markt Jordaniens gelangt sei. Der Beklagte habe nicht Tatsachen vorgetragen, die begründete Zweifel an der Beweiskraft des jordanischen Verzollungsdokuments Nr. ...3 begründen könnten. Das SoF sei kein geeignetes Beweismittel, da es selbst keinerlei konkrete Angaben über die zollrechtliche Behandlung der hier fraglichen Ware in Jordanien enthalte. Auch mit dem "Transitdokument" (Nr. ...1) - Anlage K 6 - könnten begründete Zweifel daran, dass die Ausfuhrware auf den jordanischen Markt gelangt sei, nicht begründet werden. Bei diesem "Transitdokument" handele es sich nicht um ein Originaldokument. Es sei vielmehr eine Fotokopie, die keinerlei Beweiswert habe. Das "Transitdokument" sei auch nicht bei der jordanischen Zollverwaltung gefunden worden. Aufgrund des Reiseberichtes stehe fest, dass Dokumente bis zum Jahre 1994 nicht mehr in den Archiven der jordanischen Zollverwaltung vorhanden gewesen seien. Offenbar sei das "Transitdokument" bei der Hafenbehörde in Aqaba aufgefunden worden. Welchen Zwecken es dort gedient habe, sei nicht bekannt.

Das sog. "Transitpapier" Nr. ...1 datiere vom 12.07.1993, also zwei Monate nach Erstellung des Verzollungsnachweises (03.05.1993). Für diesen Zeitraum müsse der Beklagte im Rahmen der ihn treffenden Beweislast ausschließen können, dass die von der Klägerin gelieferte Ware im Lagerhaus von Aqaba mit anderer Ware vermischt worden sei. Diesen Nachweis könne der Beklagte weder dokumentarisch noch in anderer Weise führen.

Der Beklagte habe insbesondere auch nicht dargelegt, geschweige denn nachgewiesen, dass die nämliche Ware der Klägerin (325 Kartons/8126 kg netto) Gegenstand eines Transitverkehrs gewesen sei, sofern man einen Transitexport einmal unterstellen würde. Der Nämlichkeitsnachweise werde durch den sog. EZ-Stempel (Label) erbracht, der sich auf jedem Karton befinde. Der Zerlegebetrieb der Klägerin habe die EZ-Nr. ...2. Der Beklagte und auch die Kommission hätten kein Dokument vorgelegt, aus dem sich auch nur andeutungsweise ergebe, dass die nämliche Ware der Klägerin Gegenstand eines angeblichen Transitverkehrs gewesen sei.

Die Angaben in dem Verzollungsdokument Nr. ...3 und dem "Transitpapier" Nr. ...1 stimmten auch nicht überein. Nach dem Verzollungsdokument seien 19.695 Kartons mit einem Gesamtgewicht von 434.476 kg zum freien Verkehr abgefertigt worden, nach dem "Transitpapier" jedoch 73.665 Kartons mit einem Gesamtgewicht von 771.000 kg (Anlage 1 zum Statement of Facts unter Observations, Anlage K 3). Unklar sei auch, was mit dem Verbraucherformular Nr. ...3 in den Angaben über Transitwaren (Anlage K 6) gemeint sei. Unter der Anzahl der Pakete seien dort 695 Kartons vermerkt. In der Transitwarenliste sei die Gewichtsangabe 45.993 kg mit einem Fragezeichen versehen. Die Anzahl der Kartons, des Brutto- und Nettogewichts sowie der Warenbezeichnung seien in der Verzollungsbescheinigung und in dem "Transitdokument" keineswegs identisch.

Der Kommission sowie dem Beklagten, der in Erstattungsfragen in Deutschland Durchführungsbeauftragter der Kommission sei, sei eine Rückforderung der Ausfuhrerstattung auch deshalb untersagt, da sie es in pflichtwidriger Weise unterlassen hätten, die Klägerin als Exporteurin rechtzeitig vor dem Risiko einer Unregelmäßigkeit zu warnen. Aus der Veröffentlichung im Amtsblatt vom 08.11.2001 (Anlage K 7) ergebe sich, dass die Kommission (UCLAF) bereits in den Jahren nach 1991 einen signifikanten Anstieg der Rindfleisch-, Kalbfleisch- und Geflügelausfuhren nach Jordanien festgestellt habe. Die Kommission hätte daher bereits im Jahr 1992 - und nicht erst im Jahr 1998 - Untersuchungen in Jordanien durchführen müssen. Ferner hätte die Kommission durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt die Exporteure von Rindfleisch nach Jordanien warnen müssen, dass aufgrund ihrer Erkenntnisse Unregelmäßigkeiten nach der Einfuhr von Rindfleisch in Jordanien in Form einer Weiterleitung in den Irak nicht ausgeschlossen werden könnten. Derartige "Warnungen" seien bei Bekanntwerden möglicher Unregelmäßigkeiten von der Kommission im Amtsblatt wiederholt veröffentlicht worden.

Dem Rückforderungsanspruch stehen im Übrigen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Verjährung entgegen.

Die Klägerin beantragt, den Rückforderungsbescheid vom 13.10.1999 (M 3500 B - ...) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.07.2003 (RL .../99-...) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung, worauf Bezug genommen wird. Ergänzend trägt er u.a. Folgendes vor:

Die nachträgliche Prüfung des jordanischen Zolldokuments Nr. ...3 habe ergeben, dass für die 434.476,1 kg gefrorenes Rindfleisch eine Abfertigung zum freien Verkehr beabsichtigt gewesen sei, jedoch fehle die Berechnung der Zölle und die Bestätigung der Zahlung der Eingangsabgaben. Insofern stehe nicht zweifelsfrei fest, dass die in dem Zolldokument ...3 genannten Erzeugnisse in Jordanien vermarktet worden sei und damit den Markt des Bestimmungslandes tatsächlich erreicht hätten. Durch die fehlende Berechnung der Eingangsabgaben erfolge auch eine Verzahnung zu dem Transitdokument Nr. ...1 vom 12.07.1993. Aus dem Transitdokument gehe eindeutig hervor, dass die betreffende Ware durch das Zollamt der Freihandelszone in Aqaba abgefertigt und weiter in den Irak befördert worden sei. In dem Transitdokument Nr. ...1 sei vermerkt, dass diesem das Verbraucherformular Nr. ...3 beigefügt worden sei. Zwar lasse das Transitdokument Nr. ...1 die endgültige Ausfuhr in den Irak nicht erkennen, jedoch komme es darauf auch nicht an. Das Hauptzollamt habe bereits seiner Beweispflicht insoweit genügt, als es Tatsachen vorgetragen habe, die begründete Zweifel an dem tatsächlichen Zugang der Waren zum Markt des Bestimmungsdrittlandes rechtfertigten und der Beweiskraft der Unterlagen entgegenstünden.

Der Rückforderung stehe auch nicht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder Verjährung entgegen. Die Verjährungsregelung bestimme sich nach den nationalen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Im Rahmen des BGB finde mangels Einschlägigkeit spezieller Vorschriften des nationalen Rechts oder des Gemeinschaftsrechts die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 195 BGB (alte Fassung) analog Anwendung. Der maßgebende Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung sei die Entstehung des Anspruchs. Unter Entstehung des Anspruchs sei derjenige Zeitpunkt zu verstehen, zu dem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden könne. Der maßgebende Zeitpunkt für den Beginn des Verjährungslaufs sei deshalb der Tag der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides vom 13.10.1999. Die Regelung der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 (ABl Nr. L 312/1) über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft sei auf die strittigen Ausfuhren im Jahre 1993 nicht anwendbar, da die Verordnung erst im Jahre 1995 in Kraft getreten sei.

Vier Sachvorgänge des Beklagten (Heft I Bescheid Nr. 93-...76, Heft I Bescheid Nr. 93-...79, Heft I A zu Nr. .../99 und Heft II zu RB-Nr. .../99) haben vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht von der Klägerin mit dem angefochtenen Rückforderungsbescheid die gewährte Ausfuhrerstattung in Höhe von 16.138,73 EUR zurückgefordert.

1. Der Rückforderung steht Verjährung entgegen.

Einem etwaigen auf § 10 Abs. 1 MOG gestützten Rückforderungsanspruch steht die Verjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 (ABl Nr. L 312/1) entgegen.

a) Der EuGH hat in seinem Urteil vom 24.06.2004, Az. C-278/02 -Handlbauer- juris Dok. Nr. 602 J 0278, erkannt, dass diese Verjährungsvorschrift auch in einem Fall wie dem vorliegenden anwendbar ist, in dem der Anspruch auf Rückforderung einer (nach Auffassung des Beklagten) zu Unrecht gewährten Ausfuhrerstattung geltend gemacht wird (Rz. 33 der Entscheidungsgründe).

b) Art. 3 Abs. 1 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 setzt für die Verfolgung eine vierjährige Verjährungsfrist fest, die ab Begehung der Unregelmäßigkeit läuft, wobei dieser Tatbestand gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben ist, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften ..... bewirkt hat bzw. bewirkt haben würde. Eine etwaige Unregelmäßigkeit wäre im Streitfall spätestens mit Freigabe der Ausfuhrsicherheiten im Juli 1993 eingetreten, die vierjährige Verjährungsfrist also bei Erlass des Rückforderungsbescheides am 13.10.1999 bereits abgelaufen.

c) Die Verfolgungsverjährung ist gegenüber der Klägerin nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 3 VO Nr. 2988/95 unterbrochen worden. Da die Kommission (UCLAF) bereits im Jahre 1991 einen signifikanten Anstieg u.a. der Rindfleischausfuhren nach Jordanien festgestellt hatte, hatte sie bzw. der Beklagte ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, verjährungsunterbrechende Ermittlungshandlungen vorzunehmen und der Klägerin zur Kenntnis zu bringen. Die Kommission unter Beteiligung deutscher und niederländischer Dienststellen hat jedoch erst Anfang 1998, und damit in verjährter Zeit, eine Untersuchungsmission in Jordanien durchgeführt.

d) Entgegen der Ansicht des Beklagten gilt im Streitfall nicht die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (alte Fassung) analog. Zwar behalten nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr.2988/95 die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine längere Frist als die in Abs. 1 bzw. in Abs. 2 vorgesehene Frist anzuwenden. Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht.

Von der Ermächtigung wird Gebrauch gemacht, wenn der nationale Gesetzgeber in einem bestimmten Bereich eine Sonderregelung trifft (Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-278/02 - Handlbauer - Rz. 65). Weder im MOG noch in der Ausfuhrerstattungsverordnung vom 24.05.1996 (BGBl I S. 766) finden sich Verjährungsvorschriften. Gerade weil es im Bereich der Ausfuhrerstattung keine Verjährungsvorschriften des deutschen Gesetzgebers gibt, verweist der Beklagte auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des BGB. Ein solcher Verweis stellt aber nicht ein Gebrauchmachen von der in Art. 3 Abs. 3 der VO Nr. 2988/95 eingeräumten Ermächtigung dar.

Im Übrigen würde eine 30jährige Verjährungsfrist in analoger Anwendung des § 195 BGB (alte Fassung), deren Lauf - nach Auffassung des Beklagten - auch noch erst mit Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides beginnen soll, den Rechtsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes widersprechen. Wie sich aus Art. 3 der VO Nr. 2988/95 und Art. 52 Abs. 4 Buchstabe b der im Streitfall nicht anwendbaren VO (EG) Nr. 800/1999 ergibt, hält der Gemeinschaftsgesetzgeber eine vierjährige Verjährungsfrist in diesem Bereich für angemessen. Für die Nacherhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben im grenzüberschreitenden Warenverkehr hat er eine dreijährige Frist in Art. 221 Abs. 3 Zollkodex festgesetzt. Nur bei strafbaren Handlungen kann nach Art. 221 Abs. 3 Satz 2 Zollkodex eine längere Frist in Betracht kommen, sofern dies nach geltendem Recht vorgesehen ist. Aus der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 26.02.1987, Az. 15/85, Sammlung 1987, S. 1005, ergibt sich zudem, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen Rechtsaktes nur dann zulässig ist, wenn sie innerhalb einer angemessen Frist erfolgt. Der EuGH (aaO, Rz. 15, 16 der Entscheidungsgründe) hat in dieser Entscheidung einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren für die Rücknahme einer Kommissionsentscheidung als nicht angemessen beurteilt. Die Geltung einer 30jährigen Verjährungsfrist für die Rückforderung von Ausfuhrerstattung (beginnend mit der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheides) würde diese Rückforderungsansprüche praktisch unverjährbar machen und die vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätze unterlaufen.

e) Der Beklagte bemerkt zu Recht, dass die VO Nr. 2988/95 im Zeitpunkt der strittigen Ausfuhren (1993) noch nicht in Kraft war. Sie ist erst im Jahre 1995 (am 26.12.1995) in Kraft getreten. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann diese Verordnung gleichwohl auf den hier fraglichen Sachverhalt angewendet werden.

Nach der Rechtsprechung der Europäischen Gerichte (EuG, Urteil v. 19.02.1998 Az. T-42/96, - Eyckeler & Malt - juris Dok. Nr. 696 A 0042, EuGH, Urteil v. 12.11.1981, Az. 212/80 - Salumi -, juris Dok. Nr. 680J0212) ist zwar bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind. Dagegen würden materiell-rechtliche Vorschriften im Allgemeinen so ausgelegt, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte (nur) gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrer Struktur eindeutig hervorgehe, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen sei.

Das trifft auf Art. 3 VO Nr. 2988/95 zu. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 der genannten Verordnung ist allgemein gefasst. Die Verjährungsfrist für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten wird generell auf vier Jahre begrenzt. Darüber hinaus werden die Gemeinschaftsorgane ermächtigt, für sektorbezogene Regelungen eine kürzere Frist vorzusehen, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf. Daraus wird zugleich die Zielsetzung der genannten Vorschrift klar. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Geltung einer einheitlichen Höchstverjährungsfrist in allen EU-Mitgliedstaaten bei Unregelmäßigkeiten wird eine Frist von vier Jahren festgelegt. Der Struktur der genannten Vorschrift lässt sich entnehmen, dass sie auch auf Sachverhalte anwendbar sein soll, die vor ihrem Inkrafttreten entstanden sind. Aus Art. 1 Abs. 1 der genannten Verordnung ergibt sich nämlich, dass eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht eingeführt werden sollte, um, wie sich aus der dritten Begründungserwägung der Verordnung ergibt, in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interesse der Europäischen Gemeinschaften zu bekämpfen. Die Festlegung einer einheitlichen vierjährigen Verfolgungsverjährung in Art. 3 der VO Nr. 2988/95 ist im Übrigen eine Kodifizierung dessen, was auch schon vor Geltung dieser Verordnung als gerecht und angemessen angesehen wurde. In diesem Sinne war es auch Zweck der VO Nr. 2988/95, in der Vergangenheit entstandene Sachverhalte unter den Voraussetzungen des Art. 3 VO Nr. 2988/95 einer Verjährungsfrist von vier Jahren zu unterwerfen, unabhängig davon, wann die Rückforderungsansprüche in der Vergangenheit entstanden sind.

Diese Auslegung des Art. 3 VO Nr. 2988/95 wird gestützt durch das Urteil des EuG vom 13. März 2003 (Az. T-125/01 - Peix - Juris Dok. Nr. 601A0125) in dem es (ebenfalls) die Verjährungsregelung des Art. 3 VO Nr. 2988/95 auf einen vor Inkrafttreten dieser Verordnung liegenden Sachverhalt angewendet hat. Diese Auslegung wird des Weiteren gestützt durch das Urteil des EuGH vom 12.11.1981, Az. 1212/80, - Salumi - juris Dok. Nr. 680 J 0212. Die vorgenannte Auslegung zum zeitlichen Anwendungsbereich materiell-rechtlicher Vorschriften soll im Interesse des Betroffenen die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gewährleisten (Rz. 10 der Entscheidungsgründe). Durch die Anwendung der Verjährungsregelung des Art. 3 VO Nr. 2988/95 auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte werden die vorgenannten gemeinschaftlichen Grundsätze aber nicht beeinträchtigt, sondern - im Gegenteil - ihnen wird Rechnung getragen; denn diese Anwendung des Art. 3 VO Nr. 2988/95 liegt gerade im Interesse des Betroffenen.

2. Nebenentscheidungen

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Es liegt keine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zum Urteil des FG Hamburg vom 22. November 2000, IV 835/87 und zur dieses Urteil bestätigenden Entscheidung des BFH vom 7. Mai 2002, VII R 5/01 vor. Denn diese Entscheidungen befassen sich nicht mit der Verjährungsvorschrift des Art. 3 VO Nr. 2988/95, auf den der Senat sein Urteil stützt.

Die Rechtssache hat auch nicht grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Denn durch die Rechtsprechung des EuG, Urteil vom 13. März 2003, Az. T-125/01 - Peix - Juris Doc. Nr. 601A0125 ist geklärt, dass Art. 3 VO Nr. 2988/95 auch für vor Inkrafttreten der Verordnung (26. Dezember 1995) entstandene Sachverhalte gilt. Der dortige Beginn der Unregelmäßigkeit lag - wie im Streitfall die Freigabe der Sicherheiten - im Jahre 1993. Das EuG hat die Anwendbarkeit der Verjährungsvorschrift des Art. 3 VO Nr. 2988/95 ausdrücklich geprüft und bejaht (EuG, aaO, Rz. 78, 79 der Entscheidungsgründe). Durch das Urteil des EuGH vom 24. Juni 2004, Az. C-278/02, - Handlbauer - Juris Doc. Nr. 602 J 0278 ist geklärt, dass die Verjährungsvorschrift des Art. 3 VO Nr. 2988/95 (auch) auf die Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung anzuwenden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 151, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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