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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 24.03.2004
Aktenzeichen: IV 19/04
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 1538/91, VO (EG) Nr. 2457/97, ZK


Vorschriften:

ZK Art. 70 Abs.1
ZK Art. 71
VO (EWG) Nr. 1538/91 Art. 7 Abs. 3
VO (EWG) Nr. 1538/91 Art. 7 Abs. 4
VO (EWG) Nr. 1538/91 Art. 7 Abs. 6
VO (EG) Nr. 2457/97 Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Beweiskraft einer im Rahmen der zollamtlichen Überwachung gezogenen Probe.

Mit Ausfuhranmeldung von 22.11.2000 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt HZA 2.057 Kartons "Hühner, unzerteilt, gefroren, gerupft und ausgenommen, ohne Kopf und Ständer, mit Hals, Herz, Leber und Muskelmagen, gen. Hühner 70 v.H., deren Brustbeinfortsatz, Ober und Unterschenkelknochen nicht vollständig verknöchert sind" der Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1210 9900 zur Ausfuhr nach Russland an und beantragte hierfür die Gewährung von Ausfuhrerstattung.

Im Rahmen der Ausfuhrabfertigung entnahm das Hauptzollamt HZA jeweils drei Geflügelkörper als Untersuchungs- und Rückstellprobe (vgl. Niederschriften über die Entnahme und Behandlung von Proben vom 22.11.2000, Bl. 11 ff der Sachakte) und sandte diese an die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg.

In ihren Untersuchungszeugnissen und Gutachten vom 11. und 13.12.2000 sowie 29.1.2001 stellte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg fest, dass von den sechs untersuchten Geflügelkörpern ein Geflügelkörper im Hinblick auf Kielfedern an den Flügeln nicht gerupft gewesen sei und deshalb nicht unter die angemeldete Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1210 9900 eingereiht werden könne. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Untersuchungszeugnisse und Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt vom 11. und 13.12.2000 sowie 29.1.2001 Bezug genommen.

Mit Teilablehnungsbescheid vom 30.3.2001 gewährte das beklagte Hauptzollamt der Klägerin Ausfuhrerstattung lediglich in Höhe von DM 7.214,66 und lehnte die Gewährung von Erstattung für eine Teilmenge von 3.513,20 kg (= 16%) ab. Außerdem setzte es gegenüber der Klägerin im Hinblick darauf, dass sie eine höhere als ihr tatsächlich zustehende Erstattung beantragt habe, eine Sanktion in Höhe von insgesamt DM 793,09 fest - in dem Betrag von DM 793,09 ist auch eine Sanktion in Höhe von DM 105,96 enthalten, die einen Abzug hinsichtlich des Gesamtnettogewichtes betrifft, weil das Gewicht für die Verpackungen und Folien nicht vollständig in Abzug gebracht worden war -, die es mit dem Ausfuhrerstattungsbetrag sogleich verrechnete. In ihrem gegen den Bescheid vom 30.3.2001 erhobenen Einspruch wandte die Klägerin u.a. ein, dass die Bemusterung nicht repräsentativ gewesen sei und dass die Feststellungen der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt den Vorgaben der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 widersprächen, die bei der industriellen Herstellung und Vermarktung von Geflügelschlachtkörpern zu beachten seien. Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 15.6.2001 unter Hinweis darauf zurück, nach Art. 5 Abs. 4 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 müsse in der Ausfuhranmeldung die Bezeichnung der Erzeugnisse nach der für die Ausfuhrerstattungen verwendeten Nomenklatur enthalten sein. Nach den Feststellungen der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg habe die Klägerin indes teilweise ein nicht erstattungsfähiges Erzeugnis unter Zollkontrolle gestellt. Für die Einreihung der ausgeführten Erzeugnisse seien allein die Feststellungen der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt maßgeblich. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, die am 18.6.2001 zur Post gegeben worden ist, Bezug genommen.

Mit ihrer am 19.7.2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie betont erneut, dass die gezogenen Proben nicht repräsentativ seien. Im Übrigen verweist sie darauf, dass es sich bei den von ihr ausgeführten Erzeugnissen um Geflügelschlachtkörper der Handelsklasse A gehandelt habe. Die für diese Erzeugnisse nach der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 maßgeblichen Anforderungen und Toleranzen habe sie eingehalten.

Die Klägerin beantragt, 1. das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Teilablehnungsbescheides vom 30.3.2001 und der Einspruchsentscheidung vom 15.6.2001 - soweit diese entgegenstehen - zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 1.12.2000 Ausfuhrerstattung für weiteren 3.513,20 kg Geflügelfleisch zu gewähren; 2. den Teilablehnungsbescheid vom 30.3.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 15.6.2001 hinsichtlich der Festsetzung einer Sanktion insoweit aufzuheben, als diese einen Betrag in Höhe von DM 105,96 übersteigt.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verteidigt die angegriffenen Bescheide und weist ergänzend darauf hin, dass die Ergebnisse der amtlichen Beschaffenheitsermittlung vorliegend verwertet werden dürften, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Untersuchungen der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt fehlerhaft erfolgt seien.

Der Klägerin ist die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 5.2.2004 durch Übergabe zugestellt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung kann ergehen, obwohl die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn sie ist unter Einhaltung der Ladungsfrist gemäß § 91 Abs. 1 FGO zur mündlichen Verhandlung geladen und dabei darauf hingewiesen worden, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 FGO).

Die Klage führt zum Erfolg. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

1. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Ausfuhrerstattung für weitere 3.513,20 kg Geflügelfleisch der Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1210 9900; der angegriffene Teilablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des beklagten Hauptzollamtes sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

a) In Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 15.4.1999 (ABl. Nr. L 102/11, im Folgenden: VO Nr.800/1999) ist bestimmt, dass das bei der Ausfuhr für die Inanspruchnahme der Erstattung verwendete Dokument alle für die Berechnung des Erstattungsbetrages erforderlichen Angaben enthalten muss, wozu insbesondere die Bezeichnung der Erzeugnisses nach der für die Ausfuhrerstattungen verwendeten Nomenklatur (Art. 5 Abs. 5 lit. a) VO Nr. 800/1999) zählt. In Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 ist ferner geregelt, dass der Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung maßgebend ist für die Feststellung von Menge, Art und Beschaffenheit des ausgeführten Erzeugnisses sowie für die Feststellung des anzuwendenden Erstattungssatzes. Dass für Erzeugnisse der von der Klägerin angemeldeten Marktordnungs-Warenlistennummer 0207 1210 9900 die Gewährung von Ausfuhrerstattung in Betracht kommt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Beteiligten streiten indes darüber, ob die Ergebnisse der vom Hauptzollamt HZA veranlassten Beschaffenheitsbeschau Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der streitigen Ausfuhrsendung zulassen und ob im Hinblick auf die Feststellungen der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt in ihren Untersuchungszeugnissen und Gutachten vom 11. und 13.12.2000 sowie 29.1.2001 die Klägerin keine weitere Ausfuhrerstattung beanspruchen kann. Im Hinblick auf diese Fragestellungen merkt der Senat Folgendes an:

b) Die Zollbeschau wird in der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (Zollkodex - ZK) nicht definiert. Die Anforderungen und der Umfang der Zollbeschau ergeben sich jedoch aus Art. 68 lit. b) i.V.m. Art. 69 ff ZK. Danach geht es bei der Zollbeschau insbesondere um die exakte körperliche Feststellung der Menge und Beschaffenheit der angemeldeten Ware. Sie kann sich auf sämtliche Waren in der Anmeldung beziehen oder nur bei einem Teil der Sendung durchgeführt werden. Wird - wie im Streitfall - nur ein Teil der angemeldeten Waren beschaut, so gelten die Ergebnisse dieser Teilbeschau gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren. Die Vorschrift des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 ZK durchbricht damit den Grundsatz des Art. 71 Abs. 2 ZK, wonach die in der Anmeldung enthaltenen Angaben der Zollbehandlung zugrunde gelegt werden, wenn eine Überprüfung der Anmeldung nicht erfolgt ist. Im Unterschied zu der früheren gesetzlichen Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Zollgesetz (BGBl. I 1961, S. 737, im Folgenden: ZG), die durch alle insoweit geeigneten Beweismittel widerlegt werden konnte (§ 17 Abs. 3 ZG), ist die gesetzliche Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK abschließend und kann nur auf Antrag durch eine zusätzliche Beschau hinsichtlich des ursprünglich nicht beschauten Teils korrigiert werden (vgl. FG Hamburg, Urteile vom 10.12.2003 - IV 68/00 und75/00 - und 10.12.2001 - IV 75/99 -; ebenso Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Auflage, Art. 70 ZK, Rdnr. 4). Das folgt aus der Bestimmung des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 2 ZK, wonach der Anmelder eine zusätzliche Zollbeschau verlangen kann, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Ware nicht zutreffen. Voraussetzung für den Eintritt der gesetzlichen Fiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabsatz 1 ZK ist freilich, dass der Teilbeschau eine repräsentative Warenprobe aus der angemeldeten Ware zugrunde gelegt wird.

c) Hinsichtlich der Mengen- und Beschaffenheitsbeschau enthalten die Vorschriften des Marktordnungsrechts spezielle Anforderungen und Konkretisierungen, wobei im Streitfall insbesondere die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1538/91 der Kommission vom 5.6.1991 mit ausführlichen Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates über bestimmte Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch - ABl. Nr. L 143/11, im Folgenden: VO Nr. 1538/91 - in der durch Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2891/93 der Kommission vom 21.10.1993 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 - ABl. Nr. L 263/12 - geltenden Fassung von Bedeutung sind. Diese Verordnung schreibt zum einen vor, welchen Mindestanforderungen Geflügelschlachtkörper und -teilstücke genügen müssen (vgl. Art. 6 Abs. 1 und 2 VO Nr. 1538/91). Zum anderen legt sie gemeinsame Vorschriften für Stichproben und Toleranzen fest (vgl. 5. Erwägungsgrund der VO Nr. 1538/91) und bestimmt insoweit in Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 1538/91, dass aus jedem bei der Zollabfertigung zu prüfenden Los - ein Los besteht aus der Gesamtmenge Geflügelfleisch gleicher Art, gleicher Handelsklasse und gleicher Herstellung bzw. aus dem gleichen Schlachthof oder Zerlegungsbetrieb ein und desselben Standorts, vgl. Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 1538/91) - eine Zufallsstichprobe folgender Anzahl Einzelerzeugnisse zu entnehmen ist:

 LosumfangStichprobenumfangAnzahl insgesamtfehlerhafter Fertigpackungen nach Art.1 Nr.1,3;Art.6 Abs.1
100 bis 5003052
501 bis 3.2005073
mehr als 3.20080104

Der erkennende Senat ist sich im vorliegenden Zusammenhang bewusst, dass die Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 auf den zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt keine unmittelbare Anwendung findet. Während es nämlich im Streitfall um die Ausfuhr von Geflügelfleisch aus der Gemeinschaft in ein Drittland geht, legt die Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 Normen für die Vermarktung bestimmter Kategorien von Geflügelfleisch in der Gemeinschaft fest (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26.6.1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch - ABl. Nr. L 173/1, im Folgenden: VO Nr. 1906/90 -, auf deren Artikel 9 sich die Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 stützt, vgl. VO Nr. 1538/91 vor den Erwägungsgründen). In Art. 1 Abs. 3 VO Nr. 1906/90 hat der Verordnungsgeber zudem ausdrücklich klargestellt, dass die Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 nicht für zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmtes Geflügelfleisch gilt. Der erkennende Senat hält allerdings dafür, dass die den Normierungen des insbesondere Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 1538/91 zugrunde liegenden Rechtsgedanken auch auf die vorliegend in Rede stehende Fragestellung der Bestimmung einer repräsentativen Probe im Rahmen des Art. 70 Abs. 1 ZK übertragbar sind. So lässt sich der Regelung des Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 1538/91 zum einen der Gedanke entnehmen, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber bei der Prüfung, ob Geflügelschlachtkörper den Mindeststandards entsprechen, bewusst Fehlertoleranzen zugelassen hat. Er hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Qualität von Naturerzeugnissen von verschiedenen Umweltfaktoren beeinflusst werden kann und dass bei der Herstellung und Zerlegung von Geflügelschlachtkörpern auch unter Beachtung größter Sorgfalt und Aufmerksamkeit sog. Ausreißer sich nicht ausschließen lassen. Zum anderen macht die Vorschrift des Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 1538/91 deutlich, dass sich eine repräsentative Stichprobe nicht auf eine einzelne Probe reduzieren kann; um Zufallsergebnisse zu vermeiden, muss eine Stichprobe vielmehr eine am Gesamtumfang der Handelsmenge orientierte Größe aufweisen. Darf indes ein Los Geflügelfleisch, das die in Art. 7 Abs. 3 und 4 VO Nr. 1538/91 niedergelegten Fehlertoleranzen nicht überschreitet, aus dem Drittland eingeführt bzw. in der Gemeinschaft vermarktet werden (argumentum e contrario Art. 7 Abs. 6 VO Nr. 1538/91), so vermag der Senat keinen Grund dafür zu erkennen, warum ein solches Erzeugnis nicht auch unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung in ein Drittland ausgeführt werden darf, im Gegenteil: In Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999 hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber festgeschrieben, dass eine Ausfuhrerstattung nicht gewährt wird, wenn die Erzeugnisse am Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind, wobei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteile vom 19.11.1998 - C-235/97 -, juris, und 9.10.1973 - 12/73 -, juris) die Prüfung der handelsüblichen Qualität der Ausfuhrware maßgeblich davon bestimmt wird, ob das Erzeugnis im Zeitpunkt der Ausfuhrabfertigung objektiv unter normalen Bedingungen auf dem Gemeinschaftsmarkt vermarktet werden könnte (vgl. hierzu auch FG Hamburg, Urteil vom 10.12.2003 - IV 68/00 - sowie BFH, Beschluss vom 9.12.2002 - VII B 102/02 -, juris). Erfüllt aber eine Gesamtmenge Geflügelfleisch unter Abzug der Fehlertoleranzen des Art. 7 Abs. 3 bzw. 4 VO Nr.1538/91 die an Geflügelschlachtkörper gemäß Art. 6 Abs. 1 bzw. 2 VO Nr. 1538/91 zu stellenden Mindestanforderungen und darf deshalb im Gemeinschaftsgebiet vermarktet werden, so ist dieses Erzeugnis zugleich auch von handelsüblicher Qualität im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 800/1999.

d) Der vorliegende Rechtsstreit gibt dem erkennenden Senat keine Veranlassung, den Umfang einer repräsentativen Probe in Bezug auf das von der Klägerin angemeldete Erzeugnis näher zu bestimmen. Entscheidende Bedeutung kommt vorliegend vielmehr dem Umstand zu, dass lediglich einer der von der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt untersuchten Geflügelkörper nicht vollständig gerupft und deshalb nicht unter die von der Klägerin angemeldeten Marktordnungs-Warenlistennummer einzureihen war (vgl. Untersuchungszeugnis und Gutachten vom 11.12.2000, Bl. 32 der Sachakte). Insoweit hält der Senat dafür, dass dieser Geflügelkörper als Ausreißer zu behandeln ist, der unter Berücksichtigung des in Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 1538/91 niedergelegten und zu verallgemeinernden Rechtsgedankens der Fehlertoleranz ausfuhrerstattungsrechtlich keine Unregelmäßigkeit begründet.

Dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber den Gesichtspunkt der Fehlertoleranz auch im Ausfuhrerstattungsrecht bereits verankert hat, entnimmt der Senat insbesondere der Regelung des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2457/97 der Kommission vom 10.12.1997 über die Probenahme für die Warenkontrolle von entbeinten Teilstücken von Rindfleisch, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt werden soll (ABl. Nr. L 340/29, im Folgenden: VO Nr. 2457/97). Dort heißt es im ersten Unterabsatz, zur Kontrolle der Einhaltung der Bedingungen gemäß Artikel 1 lit. a) - gemeint ist die Verpflichtung zur separaten Verpackung jedes entbeinten Teilstücks - prüfen die Zollbehörden, ob jedes Teilstück im ersten Karton einzeln verpackt ist und jede Verpackung nur ein Teilstück enthält; bei Nichteinhaltung dieser Bedingungen wird die gleiche Prüfung an der Rückstellungsprobe vorgenommen. Im zweiten Unterabsatz hat der Gemeinschaftsverordnungsgeber sodann ausdrücklich klargestellt, dass, wird in beiden Kartons zusammen nur ein nicht einzeln verpacktes Teilstück oder nur eine Verpackung mit mehr als einem Teilstück vorgefunden, dies nicht als Unregelmäßigkeit gilt, und dass die Ausfuhrerstattung (uneingeschränkt) gewährt wird.

2. Auch die mit dem Klagantrag zu 2) erhobene Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Der Teilablehnungsbescheid vom 30.3.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 15.6.2001 sind nämlich insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als mit diesen eine Sanktion in Höhe von mehr als DM 105,96 festgesetzt worden ist.

Als Rechtsgrundlage für die von der Klägerin angefochtene Sanktion kommt allein die Vorschrift des Art. 51 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 800/1999 in Betracht. Danach entspricht die zu zahlende Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, wenn festgestellt wird, dass der Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat. Diese Voraussetzungen des Art. 51 Abs. 1 lit. a) VO Nr. 800/1999 sind im Streitfall indes - soweit die Klägerin den Teilablehnungsbescheid vom 30.3.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 15.6.2001 angefochten hat - nicht erfüllt. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist nämlich davon auszugehen, dass die Klägerin für die in Rede stehende Ausfuhrsendung keine höhere als ihr zustehende Erstattung beantragt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gemäß § 115 Abs. 2 FGO war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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