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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.12.2004
Aktenzeichen: IV 227/01
Rechtsgebiete: GG, BGB, FGO


Vorschriften:

GG Art. 34
BGB § 839
FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

IV 227/01

Beschluss vom 28.12.2004

Tenor:

Der Tenor des Urteils vom 15.12.2004 wird bezüglich der Kostenentscheidung gemäß § 107 Abs. 2 FGO wie folgt berichtigt:

Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.)

Tatbestand:

Streitig war diesem Verfahren zunächst, ob dem Kläger für seinen landwirtschaftlichen Betrieb die ihm nach Wiederaufnahme der Milchproduktion gemäß den sog. SLOM-II-Regelungen von seiner Molkerei endgültig zugeteilte Anlieferungsreferenzmenge Milch zusteht oder ob ein Teil dieser Referenzmenge, nämlich rd. 670.000 Kilogramm von den dem Kläger zugeteilten rd. 900.000 Kilogramm, zu Recht vom Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.12.1997 freigesetzt worden sind. Die hiergegen erhobene Klage hat der Senat mit Urteil vom 16.12.1998 abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Im II. Rechtsgang hat der Senat mit Beschluss vom 29.04.2003 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrere Fragen zu Vorabentscheidung vorgelegt. Für die näheren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen. Diesen Beschluss hat der Senat mit Beschluss vom 10.08.2004 aufgehoben, worauf der EuGH mit Beschluss vom 19.10.2004 die Rechtssache im Register des Gerichtshofes gestrichen und das Verfahren an den erkennenden Senat zurückgegeben hat.

In dem Erörterungstermin vom 25.11.2004 hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Kläger damit insoweit klaglos gestellt.

Der Kläger trägt nunmehr vor, dass er beabsichtige Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung geltend zu machen. Durch die Einziehung der Referenzmenge sei seinem landwirtschaftlichen Betrieb ein erheblicher Schaden zugefügt worden. Zur Wahrung seiner weiteren Rechte habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes.

Der Kläger beantragt,

gemäß § 100 Abs. 1 S. 4 FGO festzustellen, dass der in diesem Verfahren angefochtene Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte hat sich zum Feststellungsinteresse nicht geäußert und insoweit keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 79a Abs.3, 90 Abs.2 FGO).

Die nunmehr als Fortsetzungsfeststellungsklage weitergeführte Klage ist zulässig und auch begründet.

Nachdem der Beklagte den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt aufgehoben hat, hat sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt. Das Rechtsschutzbedürfnis für den ursprünglichen Klagantrag ist entfallen.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den vom Kläger nunmehr gestellten Feststellungsantrag nach § 100 Abs.1 Satz 4 FGO sind gegeben. Das sog. Feststellungsinteresse wird bejaht, wenn die beantragte Entscheidung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verfahren vor den Zivilgerichten von Bedeutung ist. Die Rechtsprechung verlangt, dass die Schadensersatzklage anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, die gerichtliche Entscheidung für das zivilgerichtliche Urteil nicht unerheblich ist und die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BFH-Urteil vom 30.07.1975, I R 153/73 BStBl. 1975, 857;BVerwG-Urteile vom 9.10.1959, V C 165/57 BVerwGE 9, 196).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die erfolgte Freisetzung der Referenzmenge hatte einen erheblichen Eingriff in den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers zur Folge. War dieser Eingriff, wie hier, rechtswidrig, so erscheint die vom Kläger im Erörterungstermin substantiiert angekündigte Schadensersatzklage (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) als in hohem Maße wahrscheinlich. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes hat auch für das zivilgerichtliche Verfahren Bedeutung. Die in diesem Verfahren zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen entfalten zwar keine Bindungswirkung für die Entscheidungen anderer Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten; können aber die Beweisführung bezüglich der objektiven Rechtswidrigkeit der zu beurteilenden Amtshandlung erleichtern. Die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht ist auch nicht offensichtlich aussichtslos, was aufgrund der im Folgenden wiedergegebenen Rechtslage keiner weiteren Begründung bedarf.

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt war von Anfang an rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des Beklagten kam als Rechtsgrundlage Art. 3a, Abs. 4, Unterabsatz 2 S. 2 VO Nr. 857/84 in der Fassung der VO Nr. 1639/91 nicht in Betracht. Nach dieser Bestimmung ist ein Teil der einem SLOM-Betrieb zugeteilten spezifischen Referenzmenge der nationalen Reserve zuzuführen, wenn ein entsprechender Teil des SLOM-Betriebes vor dem 01. Juli 1994 verkauft oder verpachtet worden ist. Es war unter den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllte, da er weder einen Teil seines Betriebes verkauft noch verpachtet hatte. Der hier gegebene Sachverhalt, dass nämlich der Kläger vor dem genannten Stichtag einen Teil der vorher zugepachteten Fläche an den Verpächter zurückgegeben hatte, rechtfertigt nicht die Anwendung der Vorschrift. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift hat der BFH im Revisionsurteil (S. 10) mit Erwägungen verneint, denen der Senat folgt. Das im I. Rechtsgang ergangene Urteil des Finanzgerichts hat außerdem übersehen, dass eine analoge Anwendung von abgabenrechtlichen bzw. sanktionsrechtlichen Vorschriften zu Lasten des Bürgers schlechthin unzulässig ist, weil sie dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht. Hierauf hat die Europäische Kommission in dem Verfahren um Vorabentscheidung C-194/03 im Schriftsatz vom 04.09.2003 (S. 20) zutreffend hingewiesen.

Dass nicht der Kläger selbst, sondern ein Dritter den Hof "... (A)" bewirtschaftet und dort eigenverantwortlich Milch erzeugt habe, ist vom Beklagten im II. Rechtsgang nicht mehr aufrecht erhalten worden. Es ist damit unstreitig, dass der Kläger Milcherzeuger gewesen ist.

Der angefochtene Verwaltungsakt war auch nicht unter dem Gesichtspunkt rechtmäßig, dass der Kläger die Milchproduktion vor dem 01. Juli 1994 endgültig aufgegeben hat. Die vom SLOM-Erzeuger nachzuweisende Möglichkeit der Milcherzeugung geht von einer "gewissen Nachhaltigkeit" der Produktion aus, wie auch der BFH im Revisionsurteil (S. 20) erkannt hat. Im II. Rechtsgang ist hierzu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt worden, dass der Kläger wenige Monate nach Rückgabe der verpachteten Flächen, nämlich im August 1993 die Milchproduktion auf hinzu gepachteten Flächen weiterbetrieben hat. Die Referenzmenge hat er weiter beliefert, indem er ab August 1993 bis März 1998 Milch produzierte und eine Molkerei belieferte Der erforderliche enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der Rückgabe der Flächen, die Grundlage der vorläufigen Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge waren und der Fortsetzung der Milchproduktion auf anderen Flächen ist damit gegeben.

Die im Beschluss des Senats vom 29.04.2003 aufgeworfenen Fragen, die dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt worden sind, sind hinreichend geklärt, so dass es einer Vorabentscheidung nicht bedurft hat. Der Senat hat deshalb den Vorlagebeschluss aufgehoben. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die rechtliche Würdigung der Kommission im Schriftsatz vom 04.09.2003 (ab S. 12).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 115 Abs. 2 FGO sowie auf §§ 155 FGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

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